POSITION | DIGITALPOLITIK | KI-STRATEGIE
BDI-Grundsatzpapier Künstliche Intelligenz Handlungsempfehlungen zur Umsetzung der deutschen und europäischen KI-Strategie
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Position | Digitalpolitik | KI-Strategie BDI-Grundsatzpapier Künstliche Intelligenz
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis Vorwort.......................................................................................................................................................................................5 01 Hintergrund.......................................................................................................................................................................6 02 Beispiele für industrienahe KI-Anwendungen............................................................................................... 10 03 Handlungsempfehlungen ....................................................................................................................................... 14 Impressum............................................................................................................................................................................ 18
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Wir kĂśnnen nur eine kurze Distanz in die Zukunft blicken, aber dort kĂśnnen wir eine Menge sehen, was getan werden muss.
Alan Turing (1912-1954) Britischer Logiker, Mathematiker, Kryptoanalytiker und geistiger Vater der KĂźnstlichen Intelligenz.
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Vorwort
Vorwort Künstliche Intelligenz (KI) durchdringt nahezu alle Bereiche unseres Lebens und bringt einen Mehrwert für Bürger und Gesellschaft. Zum Beispiel filtert KI automatisch unerwünschte Emails und erkennt Schadsoftware. Computern und Smartphones lassen sich über KI-gestützte biometrische Erkennung entsperren. Im Auto unterstützen KI-basierte Assistenzsysteme den Fahrer dabei, die Spur zu halten und warnen bei Übermüdung. KI reduziert die Emissionen in der Stromerzeugung und erhöht die Ressourceneffizienz durch die Minimierung des Ausschusses in der industriellen Produktion. Röntgenbilder und MRT-Scans werden automatisch auf Erkrankungen gescannt und KI unterstützt den Mediziner bei der Diagnostik. KI ist bei Politik, Medien und Wirtschaft in den Fokus gerückt. Es werden hohe Erwartungen geweckt, aber auch Risiken und mögliche politische Maßnahmen diskutiert. Häufig stehen dabei Business-toConsumer-Anwendungen (B2C) im Mittelpunkt der Debatte. Doch gerade für den industriellen Business-toBusiness-Bereich (B2B) birgt KI zahlreiche wirtschaftlich vielversprechende Anwendungsmöglichkeiten. Die Digitalisierung des industriellen Hardware-Bestands – von Fabriken, Gebäuden, Energie- und Verkehrsnetzen – führt dazu, dass große Datenmengen erzeugt werden. Um das wirtschaftliche Potenzial dieser Datenmengen für Deutschland und Europa nutzen zu können, werden Datenanalyse- und Verarbeitungstechnologien benötigt. KI kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. KITechnologien werden schon heute eingesetzt und werden in wenigen Jahren flächendeckend in der Industrie zu finden sein.
Für Deutschland ergibt sich eine einmalige Chance: Die Kombination der industriellen Stärke mit den Möglichkeiten der KI können uns im internationalen Wettbewerb mit KI-Vorreitern wie China, den USA oder Israel einen entscheidenden Vorteil verschaffen. Hierfür müssen KITechnologien in die breite Fläche und in die einzelnen Unternehmen getragen werden. Dazu ist ein innovationsfreundlicher Regulierungsrahmen erforderlich, der die Chancen von KI in den Vordergrund rückt. Neben den wirtschaftlichen Aspekten muss von Beginn an auch die gesellschaftliche Dimension miteinbezogen werden. Die Industrie ist sich ihrer Verantwortung bewusst und bringt sich sowohl in die Debatte um die technisch-wirtschaftliche Ausrichtung als auch in die Diskussion um einen verantwortungsvollen Umgang mit KI ein. Dabei besteht das leitende Prinzip darin, KI-Anwendungen im industriellen Kontext zum Wohl der Bürger, der Unternehmen und der Gesellschaft einzusetzen. Bundesregierung und EU-Kommission haben mit ihren KI-Strategien wichtige Grundsteine auf dem Weg hin zu einem funktionierenden KI-Ökosystem gelegt. Diese Strategien müssen schnell und konsequent umgesetzt und mit den richtigen Schwerpunkten und Finanzierungen versehen werden. Nur dann kann KI zur erhofften Erfolgsgeschichte für Deutschland und Europa werden.
Iris Plöger
Clemens Otte
Mitglied der Hauptgeschäftsführung Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.
Stellvertretender Abteilungsleiter Digitalisierung und Innovation Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.
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Hintergrund Die Anpassungs- und Lernf채higkeit von intelligenten Systemen kann das Wirtschaftswachstum der deutschen und europ채ischen Industrie befl체geln.
Industrie K체nstliche Intelligenz Know-How
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Hintergrund
Was ist Künstliche Intelligenz?
lernen. Statt konkrete Berechnungsschritte vorzugeben, wird der Computer mit Daten „gefüttert“ und trainiert. Lernalgorithmen abstrahieren aus den Trainingsdaten selbstständig allgemeine Zusammenhänge. Ein Einsatzbereich ist die Erkennung von Kreditkartenbetrug. KI-Entwickler zeigen der Software Betrugsfälle, damit sie anhand statistischer Methoden selbstständig lernt, welche Datenkonstellationen auf einen Kreditkartenbetrug hinweisen. Anschließend kann das KI-System die Erkenntnisse auf neue Daten anwenden und verdächtige Vorgänge selbständig identifizieren. In der Regel gilt: Je mehr geeignete Trainingsdaten das System erhält, desto zuverlässiger funktioniert es. Das KI-System kann so gestaltet werden, dass es im Betrieb ständig weiterlernt.
Im Allgemeinen wird unter KI der Versuch verstanden, Maschinen und Computer „intelligentes“ Verhalten beizubringen.1 Ziel ist es, dass Maschinen und Computer eigenständig Muster erkennen, Aufgaben bearbeiten, Probleme lösen, Vorhersagen tätigen und dabei auch komplexe Entscheidungen treffen können. Bei KI wird zwischen schwacher und starker KI unterschieden. Eine starke KI soll im Grunde zu allem fähig sein, wozu ein Mensch ebenfalls in der Lage wäre. Die starke KI ist es auch, die Filmemacher und Science-Fiction-Autoren fasziniert, sie hat aber mit der Realität nichts zu tun. Die schwache KI hingegen ist schon länger in Wirtschaft und Gesellschaft angekommen und macht zurzeit rasante Fortschritte. Sie befasst sich damit, spezifische kognitive Fähigkeiten des Menschen auf Maschinen zu übertragen. Das allgemeine Begriffsverständnis von KI verändert sich dabei im Laufe der Zeit. Galten früher Schachcomputer als Maßstab für KI, sind es heute vor allem Systeme zur Sprach-, Bild- und Mustererkennung. Diese Fähigkeiten sind für Menschen selbstverständlich, aber für Maschinen hochkomplex. Eine Kerntechnologie der KI ist das maschinelle Lernen. Mit Hilfe des maschinellen Lernens kann ein Computer aus Beispielen oder Erfahrungswerten
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Innerhalb des maschinellen Lernens gibt es eine Vielzahl von Disziplinen, die jeweils für unterschiedliche Aufgaben gut geeignet sind. Eine Disziplin, die in den letzten Jahren maßgeblich für die großen Innovationssprünge in der Sprach-, Bild- und Videoverarbeitung verantwortlich war, ist das Deep Learning. Es basiert auf künstlichen neuronalen Netzen, deren Funktionsweise vom menschlichen Gehirn inspiriert wurden. Deep Learning eignet sich gut für Anwendungen, bei denen besonders große, qualitativ hochwertige Datenbestände zur Verfügung stehen, aus denen sich Muster und Modelle ableiten lassen.
Der Begriff ist nicht eindeutig abgrenzbar, da es bereits an einer genauen Definition von „Intelligenz“ mangelt.
Künstliche Intelligenz Quelle: BDI
Künstliche Intelligenz
Maschinelles Lernen
Deep Learning
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Hintergrund
KI ist Schlüsseltechnologie der Industrie
Der Einsatz von KI kann bis zum Jahr 2035 ein zusätzliches jährliches Wachstum der Bruttowertschöpfung von bis zu 2 Prozent im Durchschnitt über alle Branchen hinweg auslösen. Die stärksten Impulse werden mit 2,3 Prozent innerhalb des produzierenden Gewerbes erwartet.2 Aufgrund seiner industriellen Stärke kann Deutschland somit überproportional von KI profitieren.
Auch wenn KI von den umfassenden Möglichkeiten menschlicher Intelligenz weit entfernt ist, kann sie in spezifischen Anwendungsfeldern äußerst effizient sein. Einmal trainiert, können KI-Systeme im Vergleich zu Menschen höhere Datenmengen in kürzerer Zeit mit besseren Ergebnissen erfassen, analysieren und auswerten. Dadurch erreichen sie eine erhebliche Bedeutung für die Industrie. Die Anwendungsbereiche sind vielfältig. KI wird eingesetzt, um Produktionsprozesse zu optimieren, die Energieausbeute aus Windparkanlagen zu verbessern oder die Stickstoffemissionen aus Verbrennungsanlagen zu reduzieren. In der Entwicklung unterstützt KI Ingenieure dabei, neue Produkte und Systeme hinsichtlich Leistungsfähigkeit und Ressourceneffizienz zu optimieren. Auch in unterstützenden Bereichen wie beispielsweise Marketing und Vertrieb, Personalwirtschaft oder Kundendienst bietet KI zahlreiche Möglichkeiten. In wenigen Jahren wird KI in zahlreichen Produkten, Prozessen und Dienstleistungen eingebettet sein.
Gute Voraussetzungen für Deutschland im B2B-Bereich Deutschland verfügt insgesamt über gute Voraussetzungen, die Potenziale von KI zu heben. Auch wenn Länder wie China oder die USA im B2C-Bereich weit voraus sind, kann Deutschland im industriellen B2B-Bereich eine Vorreiterrolle einnehmen. Deutsche Industrieunternehmen sind bei verschiedenen KIAnwendungsfeldern, wie z. B. intelligente Automatisierung, intelligente Sensorik und Robotik weltweit führend.
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Vgl. iit (2018): Potenziale der Künstlichen Intelligenz im Produzierenden Gewerbe in Deutschland. Studie im Auftrag des BMWi.
Die Hemmnisse der KI-Nutzung im Mittelstand Quelle: WIK (2019): Künstliche Intelligenz im Mittelstand
Einschätzung der Hemmnisse der KI-Nutzung im Mittelstand durch die Experten in gewichteter, absteigender Reihenfolge (n= 33) Fehlendes Know-how Mangelnde Datenbasis Datensicherheitsbedenken Mangelnder digitaler Reifegrad im Unternehmen
Mangelnde Akzeptanz in die KI-gesteuerte Entscheidungsfindung
kein Hemmnis geringes Hemmnis
Fehlende Marktreife von KI-Lösungen
mittleres Hemmnis
Mangelnde Akzeptanz unter den Mitarbeitern
starkes Hemmnis
Unzureichende digitale Infrastruktur
sehr starkes Hemmnis
Begrenzte finanzielle Ressourcen 0
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Hintergrund
Positiv sind auch die Voraussetzungen in der Forschung zu bewerten. Europa hat viele exzellente Forscher und Forschungsgruppen in der KI. In Deutschland und Europa entwickelte KI-Algorithmen finden weltweit Anwendung. Rund 30 Prozent aller KI-Publikationen, die in den Jahren 2013 bis 2017 veröffentlicht wurden, stammen aus Europa.3 Allerdings holen andere Regionen auf. Gleichzeitig wandern europäische Wissenschaftler zunehmend in den außereuropäischen Privatsektor und an international führende Eliteuniversitäten ab. Gründe hierfür sind unter anderem die guten Gehaltsaussichten und eine hohe Gestaltungsfreiheit in der Forschung.4
KI-Strategien von Bundesregierung und EU-Kommission sind wichtige Grundsteine für KI „made in Europe“ – Umsetzung muss jetzt erfolgen
Fehlendes Know-How größte Herausforderung für KMU Aufgrund des hohen Potenzials findet KI zunehmende Verbreitung in der deutschen Industrie. Rund 25 Prozent der Großunternehmen des produzierenden Gewerbes setzen bereits KI-Technologien ein. Bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) fällt dieser Anteil mit 15 Prozent jedoch erheblich geringer aus.5 Fehlendes Know-how und fehlende Fachkräfte sind dabei das größte Hemmnis für die Implementierung von KI-Lösungen im Mittelstand. KI-Experten sind rar auf dem Arbeitsmarkt und mittelständische Unternehmen können häufig nicht dieselben Gehälter zahlen wie Großunternehmen. Auch die mangelnde Datenbasis insbesondere für Anwendungen des maschinellen Lernens wird als erhebliches Hemmnis gesehen. Mittelständische Unternehmen verfügen insgesamt über eine kleinere Datenbasis und Daten werden weniger systematisch erfasst als in Großunternehmen.6
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Die hohen Erwartungen an KI haben verschiedene Länder frühzeitig dazu bewegt, nationale KI-Strategien zu entwickeln. In Deutschland wurde im November 2018 eine umfangreiche KI-Strategie veröffentlicht mit dem Ziel, Deutschland zu einem weltweit führenden Standort bei der Erforschung von künstlicher Intelligenz zu machen. Zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit von Forschung und Wirtschaft sowie des Gemeinwohls enthält die KI-Strategie eine Reihe von KI-spezifischen Maßnahmen, wie z. B. die Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen im Bereich KI sowie die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, der Forschung und der Lehre. Zur Umsetzung dieser Maßnahmen sind bis zum Jahr 2025 insgesamt drei Milliarden Euro an staatlichen Mitteln vorgesehen.7 Auch die EU-Kommission widmet sich verstärkt dem Thema KI. Im April 2018 hat sie eine europäische KIStrategie und im Dezember 2018 einen koordinierten Plan für die Entwicklung und Nutzung künstlicher Intelligenz veröffentlicht und alle Mitgliedsstaaten dazu aufgerufen, bis Mitte 2019 nationale KI-Strategien zu entwickeln. Ziel der EU-Kommission ist es unter anderem, öffentliche und private KI-Investitionen der Mitgliedsstaaten bis 2028 auf 20 Milliarden Euro pro Jahr zu steigern.8 Bundesregierung und EU-Kommission haben mit den KI-Strategien dringend notwendige Grundsteine für „KI made in Europe“ gelegt. Zwar gab es auch schon vorher vereinzelt KI-Förderprogramme, aber es fehlte ein übergreifendes Gesamtkonzept für Forschung, Transfer und Anwendung von KI in Deutschland und Europa. Die einzelnen angekündigten Maßnahmen müssen konsequent weiterverfolgt und zügig umgesetzt werden.
Vgl. Elsevier (2018): Artificial Intelligence: How knowledge is created, transferred, and used. Vgl. Ebenda Vgl. iit (2018): Potenziale der Künstlichen Intelligenz im Produzierenden Gewerbe in Deutschland. Studie im Auftrag des BMWi. Vgl. Ebenda
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Vgl. Die Bundesregierung (2018): Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung.
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Vgl. European Commission (2018): Coordinated Plan on Artificial Intelligence.
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Beispiele für industrienahe KI-Anwendungen Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten machen KI zu einer der wichtigsten Schlüsseltechnologien in der Industrie.
Optimierung Automatisierung Technologien
Steuerung
von Gasturbinen Siemens setzt maschinelles Lernen ein, um die Steuerung von Gasturbinen zu optimieren. Nach einigen Wochen Lernzeit konnte die KI die Brennersteuerung übernehmen und den Stickoxid-Ausstoß um 20 Prozent reduzieren.
Qualitätskontrolle Volkswagen setzt künstliche neuronale Netze für die Qualitätskontrolle in der Produktion ein. Anhand von Bilddaten können Produktionsfehler, die mit dem menschlichen Auge nicht schnell und zuverlässig genug geprüft werden können, früh im Produktionsprozess erfasst und korrigiert werden.
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Digitaler
Laborassistent Evonik entwickelt den ersten sprachgesteuerten Laborassistenten COATINO™ für die Coatings-Industrie. Der digitale Assistent hilft Kunden der Lackindustrie mit gezielten Produktempfehlungen auf der Basis von maschinellem Lernen und soll so umständliches Suchen ersparen.
Robuste
Glasbrucherkennung Infineon wendet Deep Learning in einem System zur Glasbrucherkennung an. Das System verarbeitet die Signale eines Mikrofons und eines Drucksensors, um zu erkennen, ob eine Fensterscheibe eingeschlagen wurde. Durch die Kombination und Auswertung der Sensoren mit dem gleichen Verfahrensprinzip kann die Anzahl der Falschmeldungen (z. B. bei Bruch eines Trinkglases, Hundegebell) signifikant reduziert werden.
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Erkennung von Pflanzenschäd-
lingen und Nährstoffmangel
Durch Pflanzenkrankheiten und Schädlinge gehen weltweit noch immer rund 30 Prozent der jährlichen Ernten verloren. Die kostenlose App „Plantix“ des Startups PEAT aus Hannover hilft, Pflanzenschädlinge und Nährstoffmangel zu erkennen – mit einem einzigen Handyfoto. Die neuronalen Netze der Entwickler erkennen typische Muster, ordnen sie einer bestimmten Erkrankung zu und schlagen passende Gegenmaßnahmen vor. Je mehr Nutzer mitmachen, desto besser lernt „Plantix“.
Navigationssystem
für Sägen
Flüssigere Arbeitsabläufe, weniger Fehler und höherer Output. Das Bediener-Assistenzsystem von HOMAG erkennt mittels Kamera und Machine Learning, was der Bediener macht – und führt ihn Schritt für Schritt durch den Zuschnittprozess. Weicht der Bediener vom geplanten Ablauf ab, passt der „intelliGuide“ die Sägen abläufe an oder korrigiert den Bediener.
Optimierung der Anfahrphase
eines Glasziehprozesses
Das Fraunhofer IOSB hat eine intelligente Regelung für die Anfahrphase eines Glasziehprozesses entwickelt. Die KI erkennt automatisiert das verwendete Rohmaterial sowie dessen Qualität und passt darauf aufbauend die Geschwindigkeit sowie die Temperatur der Anlage an. Der entstehende Ausschuss beim Anfahren des Prozesses konnte so signifikant reduziert werden.
Benutzerführung im Computer-Aided-Design (CAD)
Bei CAD Software wird KI bereits eingesetzt, um anstehende Arbeitsschritte vorherzusagen und die Benutzeroberfläche vorausschauend zu aktualisieren. Damit wird der Einsatz der Software effizienter.
Beispiele für industrienahe KI-Anwendungen
Neue Medikamente
entdecken
Mit dem ungarischen Startup „Turbine“ arbeitet Bayer an einer KI, die simuliert, wie sich Krebszellen auf der Molekularebene verhalten und auf Wirkstoffe reagieren. Laborexperimente können so virtuell vorgenommen werden, was deutlich schneller und günstiger ist.
Automatische
Qualitätskontrolle IBM wendet Deep Learning an, um eine automatische Kontrolle von Werkstücken durchzuführen. Das System macht Videoaufnahmen von den Werkstücken, um sie auf Kratzer oder andere Beschädigungen zu kontrollieren. So konnte bis zu 80 Prozent der ursprünglich für die Qualitätskontrolle veranschlagten Zeit eingespart werden.
Batterieprognose Audi Motorsport setzt neuronale Netze für die Modellierung von Batterieverhalten im Rennwagen ein. Mittels Zeitreihenmodellen kann der Zusammenhang zwischen Ladestand, Entladung und Fahrverhalten gelernt und somit für die Optimierung des Fahrverhaltens eingesetzt werden.
Kategorisierung von Anfragen
im Kundenservice
SAP Service Ticket Intelligence ermöglicht, Kundenanfragen an den Kundendienst schneller und mit verbesserter Qualität zu lösen. Dabei können entsprechende KI-Modelle Tickets aus allen Kanälen vorsortieren und zu den richtigen Bearbeitern und Teams weiterleiten. Zusätzlich werden Lösungen auf Basis vergangener Kundenanfragen vorgeschlagen.
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Beispiele für industrienahe KI-Anwendungen
KI-gestützte
Intelligente
Werkstoffprüfung
Kommissionierung
Die MTU Aero Engines verwendet Deep Learning zur automatisierten Werkstoffprüfung im Flugtriebwerksbau. Mittels neuronaler Netze kann eine IT-gestützte Gefügeanalyse in Bildaufnahmen von Werkstoffen durchgeführt werden. Im Vergleich zur herkömmlichen Gefügeanalyse können so Bildauswertezeiten auf wenige Sekunden reduziert und Metriken standardisiert nutzbar gemacht werden.
Optimale Bestückung von
Werkzeugmagazinen
Bei Werkzeugmaschinen wird mit Hilfe von KI das Programm zu Bearbeitung eines Werkstücks analysiert und das Werkzeugmagazin daraufhin optimal bestückt. Die Produktivität des Fertigungsprozesses kann somit um bis zu 20 Prozent gesteigert werden.
Vorausschauendes Erkennen
von Fehlern und Wartungsbedarf
Das Warehouse Management System von Jungheinrich prognostiziert mittels KI die voraussichtliche Erfüllbarkeit der Lieferzeit aller Aufträge und schließt daraus selbstständig, ob der geplante Lieferzeitpunkt erreicht werden kann. Ist dies nicht der Fall, so reagiert das System und stellt somit sicher, dass die Aufträge trotzdem zeitgerecht das Lager verlassen. Das System lernt selbstständig im Produktivbetrieb.
Positionierung
von Autotüren
Erium nutzt maschinelles Lernen, um die richtige Einbauposition von Autotüren zu ermitteln und reduziert dadurch aufwendige Nacharbeit. Die intelligente Verbindung von Expertenwissen und KI ermöglicht es, auch bei schwieriger Datenlage in Echtzeit auf eine variantenreiche Fertigung zu reagieren. Dadurch werden langfristige Schwankungen der Spalt- und Versatzmaße in Autotüren vollständig eliminiert.
Balluff verwendet maschinelles Lernen, um anhand von Sensordaten Fehler und Wartungsbedarf in einer Fertigungsanlage frühzeitig zu detektieren. Das System lernt die Zustände der Anlage und erkennt Anomalien wie z. B. defekte oder abgenutzte Anlagenteile. So kann die Wartung effizienter geplant und dadurch Stillstandzeiten minimiert werden.
KI unterstützt Menschen dabei, die stetig wachsende Datenflut zu beherrschen und viele Arbeitsschritte effizienter zu gestalten.
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Automated Machine
Learning Service
Die Automated Machine Learning Service von Weidmüller ermöglicht es Maschinen- oder Prozessexperten, eigenständig Maschinendaten zu analysieren und Modelle z. B. zur Fehlervorhersage zu erstellen, auch wenn sie über kein Data-S cienceExpertenwissen verfügen.
Wiederbeschaffungszeiten
intelligent planen
Beispiele für industrienahe KI-Anwendungen
Glasfaser-Ausbauplanung Die Deutsche Telekom entwickelt gemeinsam mit Fraunhofer IPM eine KI zur Ausbauplanung von Glasfaserkabeln. Ein spezielles Fahrzeug sammelt über verschiedene Sensoren und Laser-Scanning-Technologie präzise Daten über die für Erweiterungen ausgewählte Umgebung. Das System lernt Landschaftsmerkmale wie Häuser, Gras, Bäume usw. hinsichtlich ihrer Planungsrelevanz zu erkennen und nutzt diese Fähigkeit, um automatisiert Vorschläge für ideale Routen für unterirdische Kabel zu erstellen.
INFORM setzt bei Industriekunden maschinelles Lernen ein, um die Wiederbeschaffungszeiten von Bauteilen besser zu planen und Produktionsstillstände zu vermeiden. Mit speziellen Algorithmen können anhand vorhandener Daten präzise Vorhersagen über die Lieferzeit eines benötigten Bauteils gemacht werden. Fehler in der Schätzung von Wiederbeschaffungszeiten können so um bis zu 42 Prozent reduziert werden.
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Handlungsempfehlungen Der Schwerpunkt der KI-Förderung sollte auf industrienahen Anwendungsfeldern liegen, um Deutschland und Europa im internationalen Wettbewerb einen Vorteil zu verschaffen.
Forschung Edge Computing Vernetzung
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Zusätzliche Haushaltsmittel bereitstellen und Schwerpunkt auf industrienahe Anwendungsfelder legen
Die Bundesregierung hat angekündigt, bis einschließlich 2025 insgesamt etwa drei Milliarden Euro für die Umsetzung der KI-Strategie zur Verfügung zu stellen. Allerdings sind im Haushaltsentwurf 2020 und der Finanzplanung bis 2023 bisher nur eine Milliarde Euro an Fördermitteln vorgesehen.9 Die restlichen Mittel sollen zum Teil über die Umschichtung der Ressortetats finanziert werden. Dies ist der falsche Weg. Die Förderung von Künstlicher Intelligenz sollte nicht zu Lasten bestehender Fördertöpfe erfolgen. Dies entfernt 9
Vgl. Bundesfinanzministerium (2019): Eckwertebeschluss der Bundesregierung zum Regierungsentwurf des Bundeshaushalts 2020 und zum Finanzplan 2019 bis 2023.
Deutschland weiter vom Ziel, 3,5 Prozent des BIP für Forschung und Entwicklung aufzuwenden. Die Bundesregierung sollte zumindest an dem Drei-Milliarden-EuroZiel festhalten und hierfür zusätzliche Haushaltsmittel zur Verfügung stellen. Die Förderschwerpunkte sollten dabei auf den industrienahen Anwendungsfeldern liegen. Jede Region hat bei KI unterschiedliche Kompetenzen und Schwerpunkte. US-amerikanische Unternehmen dominieren datengetriebene Anwendungen und Plattformen im B2C-Bereich. China ist u. a. in den Anwendungsbereichen nationale Sicherheit und OnlineHandel stark aufgestellt. Deutschland und Europa werden sich im internationalen Wettbewerb nicht behaupten können, wenn sie auf die gleichen Schwerpunkte setzen. Bundesregierung und EU-Kommission sollten den Auf- und Ausbau von Kompetenzen in KIBereichen mit strategischer Bedeutung für die Industrie
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Handlungsempfehlungen
wie z. B. Robotik, datenarme KI oder hybride KI 10 gezielt fördern. Diese Bereiche sollten in enger Zusammenarbeit mit der Industrie systematisch identifiziert und fortlaufend neu bewertet werden, z. B. in Form eines jährlichen Kompetenzmonitorings.
enger Abstimmung mit den europäischen Mitgliedsstaaten eine koordinierte Forschungsroadmap erarbeiten, um die insgesamt gute Ausgangsposition in der KI-Forschung nicht zu gefährden. Um die Forschungsroadmap umsetzen zu können, müssen internationale Top-Wissenschaftler gehalten bzw. angeworben werden. Hierfür sollten Forschungseinrichtungen im Spitzensegment mehr Spielräume bei Personal- und Budgetstrukturen erhalten. Forschung und Anwendung von KI sollte aber nicht nur in speziell darauf ausgerichteten Instituten der Informatik und Mathematik erfolgen, sondern auch innerhalb der Forschungsagenden und Curricula der anwendungsorientierten Fachrichtungen wie Maschinenbau, Elektrotechnik, Medizin, Bauingenieurwesen etc. Zudem gilt es, die KI-Kompetenzen an Fachhochschulen stärker auszubauen. Sie sind ein wichtiger Kooperationspartner insbesondere für mittelständische Unternehmen.
2
Indikatoren für die Erfolgsmessung der KI-Strategie festlegen und Datenlage verbessern
Die KI-Strategie der Bundesregierung enthält viele richtige Ziele und Maßnahmen. Allerdings mangelt es an der Umsetzung. Die Ziele und Maßnahmen sind in weiten Teilen zu allgemein formuliert, unzureichend operationalisiert und mit wenigen messbaren Indikatoren unterlegt. Für eine erfolgreiche Steuerung und Erfolgsmessung der Maßnahmen sollte die Bundesregierung geeignete quantitative Output-Indikatoren für relevante Bereiche, wie z. B. KI-Verbreitung in der Wirtschaft oder Forschung und Entwicklung festlegen. Hierfür ist unter anderem eine tiefgehende, quantitative StärkenSchwächen-Analyse des KI-Standorts Deutschlands notwendig. Allerdings gibt es zu wenige belastbare Kennzahlen, um ein aussagekräftiges und differenziertes Lagebild zu erstellen. Unter anderem ist die Datenlage zur unternehmensinternen KI-Forschung und zur wissenschaftlich-wirtschaftlichen KI-Forschungskooperation stark verbesserungswürdig. Die Bundesregierung sollte Wirtschaftsforschungsinstitute bzw. statistische Ämter damit beauftragen, in enger Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Wirtschaft entsprechende Kennzahlen zu entwickeln und kontinuierlich zu erheben.
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Europäische Forschungs roadmap für KI entwickeln und Attraktivität für internationale Top-Wissenschaftler steigern
Im Zeitalter der KI rücken Wissenschaft und Wirtschaft enger zusammen. Praxistaugliche KI-Lösungen basieren häufig auf Verfahren, die kurz zuvor noch als grundlegende Forschungsergebnisse angesehen wurden. Eine Führungsrolle bei KI kann die Wirtschaft nur erreichen, wenn ein wechselseitiger Austausch mit einer leistungsfähigen KI-Forschungslandschaft stattfindet. In Ergänzung zum „Coordinated Action Plan“ sollte die EU-Kommission in 10
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Transfer in kleine und mittlere Unternehmen stärken
Deutschlands wirtschaftliche Stärke basiert auf den dezentralen Wertschöpfungsstrukturen des deutschen Mittelstandes. Jeder zweite „Hidden Champion“ weltweit kommt aus Deutschland. KI kann nur zur erhofften Erfolgsgeschichte werden, wenn es mittelständischen Unternehmen gelingt, die Technologie in eigene Produkte und Prozesse zu integrieren. Die in der KI-Strategie angekündigten Maßnahmen, wie z. B. der Einsatz von KITrainern oder die Einrichtung von KI-Testfeldern zielen in die richtige Richtung. Bei den Maßnahmen sollte der konkrete Nutzen von KI im Vordergrund stehen und nicht die Technologie selbst. KMU sollten unter anderem für Anwendungsmöglichkeiten von KI mit einer niedrigen technologischen und wirtschaftlichen Eintrittsschwelle sensibilisiert werden. Zudem gilt es, regionale und überregionale Vernetzungsinitiativen mit IT-Dienstleistern und KI-Startups zu etablieren. Viele Unternehmen können keine eigenen KI-Experten beschäftigen und benötigen Realisierungspartner, die sie bei der Entwicklung von KI-Anwendungen unterstützen.
Unter hybrider KI versteht man KI-Modelle, in denen menschliches Expertenwissen und maschinelle Lernmethoden kombiniert werden mit dem Ziel, die Robustheit von KI-Systemen zu verbessern.
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Potenziale von Edge Computing nutzen
KI-Systeme werden heute meistens zentral, z. B. auf Cloud-Plattformen realisiert. Nicht immer ist es aber machbar und oft auch gar nicht sinnvoll, alle Daten zwischen der Quelle ihrer Entstehung und einer CloudPlattform hin und her zu bewegen. Edge Computing bietet mit den heute verfügbaren erhöhten lokalen Speicherund Leistungskapazitäten durch mehr Dezentralität große technische Vorteile hinsichtlich Latenzzeiten, Security, Zuverlässigkeit und Robustheit. Zudem kann Edge Computing bei eingeschränkter Verfügbarkeit und Bandbreite der digitalen Kommunikationsinfrastruktur eingesetzt werden. Auch beim Datenschutz und der Datensicherheit bietet Edge Computing große Potenziale, da nicht alle Daten zentral gespeichert und analysiert, sondern am Ort der Erhebung verarbeitet werden. Edge Computing ersetzt nicht das Cloud Computing, sondern ergänzt es. Wegen der in Zukunft riesigen Anzahl an dezentralen Edge Devices ist das Wachstumspotenzial für dezentral verarbeitete Daten und die dafür benötigte Rechenkapazität enorm. Einer vertrauenswürdigen, passgenauen Hardware wie z. B. Mikroelektronik-Chips (u. a. Sensoren, Prozessoren und Aktoren) mit optimierter Rechenleistung und niedrigem Energieverbrauch am Anwendungsort kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.
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Cybersicherheit für KI-Systeme gewährleisten
Die Sicherheit der Daten und das Vertrauen in KI-Algorithmen kann nur auf Basis vertrauenswürdiger, sicherer Hardware in Kombination mit vertrauenswürdiger Software gewährleistet werden. Insbesondere bei sicherheitskritischen Anwendungen (z. B. autonomes Fahren, Medizintechnik, Steuerung von Großanlagen) müssen KI-Systeme manipulationssicher sein und mit einer niedrigen Ausfallwahrscheinlichkeit zur Verfügung stehen. Unter anderem besteht das Risiko, dass manipulierte Trainingsdaten in das System eingeführt werden, die später im Anwendungsfall zu fatalen Fehlentscheidungen führen können. Ein Beispiel hierfür ist die Konstruktion von sogenannten „Adversarial Examples“. Hierbei berechnet der Angreifer Änderungen für Eingabedaten, die für einen Menschen nicht wahrnehmbar sind, aber im KI-System eine Fehlklassifizierung verursachen. Folglich können KI-Algorithmen im Vergleich zu anderen IT-Komponenten zusätzliche Schwachstellen aufweisen. 16
Handlungsempfehlungen
Entwicklungsgrundsätze wie Security by Design und Privacy by Design, die im Bereich der Hard- und Softwareentwicklung schon lange zum Tragen kommen, müssen an die spezifischen Herausforderungen von KI angepasst werden. Zudem müssen eine Verschlüsselung auf dem Stand der Technik sowie die sichere Fertigung und Lieferung von Hardware Grundlage des KI-Ökosystems werden. Um das Vertrauen von Industrie und Verbrauchern in KI-basierte Systeme und Anwendungen nachhaltig zu stärken, bedarf es europaweit einheitlicher Sicherheitsanforderungen für KI-Systeme und deren Komponenten innerhalb der gesamten Lieferkette und des gesamten Lebenszyklusses. Richtig umgesetzt, kann die Cybersicherheit KI-basierter Systeme zum Standortvorteil und Qualitätsmerkmal von „KI made in Germany“ werden.
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Bedarfsgerechte Regulierung sicherstellen – Sektorspezifika beachten
In Politik, Wirtschaft und Gesellschaft werden intensive Debatten über die ethischen und rechtlichen Herausforderungen von KI geführt. Diese Debatte ist richtig und wichtig. Sie darf aber nicht zu einer vorschnellen horizontalen Regulierung führen. Dies würde insbesondere KMU vor große Herausforderungen stellen und die Innovationsspielräume unnötig einschränken. Bisher bekannte kritische KI-Anwendungen können bereits über das bestehende nationale oder europäische Recht wirksam reguliert werden (z. B. DSGVO, Antidiskriminierungsgesetz, Produktsicherheitsrichtlinie). Zusätzliche Regelungen und Verfahren dürfen nur in Betracht gezogen werden, wenn ein konkreter Bedarf besteht. Zudem gilt zu beachten, dass die ethischen und rechtlichen Herausforderungen bei KI je nach Einsatzzweck und -kontext sehr unterschiedlich sind. Ethische Fragen stellen sich nur dann, wenn KI-Systeme kritische Entscheidungen über Menschen treffen. In der industriellen Nutzung spielen solche Systeme nur eine untergeordnete Rolle. Zudem sollte die Bundesregierung die angekündigten Reallabore zügig realisieren, um eine passgenaue und bedarfsgerechte Regulierung von KI-Systemen sicherzustellen. Sie sind ein geeignetes Instrument, um theoretische Annahmen im realen Applikationskontext direkt zu verifizieren und zu validieren. Darüber hinaus sollten Bundesregierung und EU-Kommission verstärkt die Möglichkeiten einer KoRegulierung nutzen. Hierbei entwickeln Unternehmen Verhaltensregeln anhand von Best Practices, die von
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den Aufsichtsbehörden als rechtskonform anerkannt und ggf. als allgemeingültig erklärt werden können.
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Kontrolle von Algorithmen an bestehende Institutionen und Prozesse andocken
In der politischen Debatte zu KI wird die Einrichtung neuer staatlicher Stellen und neutraler unabhängiger Prüfinstitutionen zur Kontrolle algorithmischer Entscheidungen diskutiert. Eine etwaige Kontrolle von algorithmischen Verfahren sollte jedoch in erster Linie an bereits existierende Institutionen (z. B. BaFin, BNetzA, BSI, KBA, Datenschutzaufsichtsbehörden) angedockt werden. Die Übertragung von Prüfaufgaben an beliehene Stellen, wie zum Beispiel technische Prüfstellen, sind weitere Lösungsansätze. Die Bewertung algorithmischer Verfahren sollte immer in Hinblick auf den jeweiligen Einsatzzweck und -kontext erfolgen. Zum Beispiel unterliegen Maschinen, in denen KI zur Anwendung kommt, bereits heute den gesetzlichen Anforderungen zur Produktsicherheit mit etablierten Kontrollmechanismen und Aufsichtsbehörden. Um eine sachgerechte und unabhängige Prüfung ein- und durchführen zu können, müssen die bestehenden Behörden und Institutionen dringend mit den notwendigen personellen, technischen und finanziellen Ressourcen ausgestattet werden. Darüber hinaus sind Kontrollpflichten in keinem Fall mit Offenlegungspflichten gleichzusetzen, insbesondere wenn schützenswürdiges Know-How von Unternehmen betroffen wäre. Zudem ist eine Offenlegung des Quellcodes gegenüber Kontrollbehörden oder gar der Öffentlichkeit in der Regel nicht zielführend, denn selbst für Experten ist der Quellcode nicht immer nachvollziehbar. Zudem reicht der Quellcode ohne die zugrundeliegenden Daten nicht aus, um die Wirkungsweise eines KI-Systems ganzheitlich bewerten zu können. Häufig wirksamer sind funktionsorientierte Black-Box-Analysen mit deren Hilfe geprüft wird, ob ein System auf eingegebene Daten zuverlässig und korrekt reagiert. Einen richtigen Impuls, wie Transparenz mit Hilfe von Black-Box-Analysen möglich ist, gibt die Studie „Datenspende“ der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM).11
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Handlungsempfehlungen
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Passgenaue und zielgerichtete Kooperationsstrategie verfolgen
Damit die deutsche KI-Strategie zum Erfolg wird, ist es notwendig, die europäische und internationale Zusammenarbeit zu vertiefen. Die Bundesregierung sollte die internationale Zusammenarbeit auf spezifische Sektoren konzentrieren und thematisch nicht zu breit anlegen. Interessant sind vor allem Bereiche, in denen potenzielle Partnerländer besondere Stärken aufweisen, wie z. B. E-Health in Dänemark oder E-Government in Estland oder Bereiche, die deutschen Unternehmen ein hohes Markterschließungspotenzial bieten, wie z. B. KI-Anwendungen in der Produktion in China. Konkrete forschungs- und wirtschaftsgetriebene Kooperationsprojekte sind gezielt zu fördern. Darüber hinaus sollten KMU und Startups finanziell unterstützt werden, um an internationalen Standardisierungsverfahren teilzunehmen. Die Bundesregierung sollte aktiv an der Gestaltung der im Rahmen von Horizon Europe geplanten Partnerschaft zu KI mitwirken und deren Ausrichtung auf praxisnahe und industrierelevante Themen sicherstellen. Bei ethisch sensiblen KI-Anwendungen sollte eine Zusammenarbeit mit Ländern, die bei der Entwicklung und Anwendung von KI ähnliche ethische und demokratische Werte vertreten wie Europa, priorisiert werden.
Strategische Vision für ein 10 digitales Deutschland entwickeln Insbesondere in Zeiten disruptiver Veränderungen bedarf es eines breiten gesellschaftlichen Konsens, einer geteilten digitalen Zukunftsvision, die Technologieentwicklung und Werteverständnis in Übereinstimmung bringt. Solch eine Vision könnte der Gesellschaft Orientierung bieten und würde die Veränderungsbereitschaft des Einzelnen im Prozess des oft mit Ängsten behafteten digitalen Wandels erhöhen. Zugleich böte sie einen klaren Bezugsrahmen für strategische Einzelmaßnahmen, die sich dadurch zu einer kohärenten Gesamtstrategie zusammenfügen würde. Ein solcher Konsens ist kein Selbstläufer. Er muss politisch gewollt und im Dialog von Staat mit Wirtschaft, Wissenschaft und zivilgesellschaftlichen Akteuren entwickelt werden. Nur dann kann das wirtschaftliche und gesellschaftliche Potenzial neuer Technologien in Gänze gehoben werden. Die „Society 5.0“-Strategie der japanischen Regierung könnte dabei als Blaupause dienen.
Vgl. BLM (2018): Abschlussbericht zum Forschungsprojekt #Datenspende.
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Impressum Herausgeber Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Breite Straße 29 10178 Berlin T.: +49 30 2028-0 www.bdi.eu Redaktion Dr. Thomas Koenen, Abteilungsleiter Abteilung Digitalisierung und Innovation Clemens Otte, Stellvertretender Abteilungsleiter Abteilung Digitalisierung und Innovation Konzeption & Umsetzung Sarah Schwake, Referentin Abteilung Marketing, Online und Veranstaltungen Layout Michel Arencibia, Art Director www.man-design.net Druck Das Druckteam www.druckteam-berlin.de Verlag Industrie-Förderung Gesellschaft mbH, Berlin Bildnachweis S.1: 42420183 © adimas | stock.adobe.com S.4: 267083581 © Gorodenkoff | stock.adobe.com S.6: 296803721 © Mykola | stock.adobe.com S.10: 202863122 © murmakova | stock.adobe.com S.13: 292340919 © Gorodenkoff | stock.adobe.com S.14: x5Jg_f1nBpE | unsplash.com Stand Dezember 2019 BDI-Publikations-Nr. 0094
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