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Chinas Exportkontrolle Stellungnahme zum zweiten Entwurf einer nationalen Exportkontrolle Chinas
23. Januar 2020
23. Oktober 2017 Zusammenfassung Ende Dezember 2019 veröffentlichten die chinesischen Behörden einen zweiten Entwurf zur Reform der Exportkontrolle in der Volksrepublik. Ein erster Gesetzesvorschlag war im Juni 2017 vorgelegt worden. Diesen hatte der BDI stark kritisiert. Die Überarbeitung weist aus Sicht der deutschen Industrie einige Verbesserungen auf. Der Entwurf orientiert sich nun weitaus stärker an den international etablierten Normen der Exportkontrolle. China scheint zum Teil auf die Anmerkungen der Wirtschaftsbeteiligten eingegangen zu sein und zeigt damit, dass es seine Rolle als verantwortungsbewusste internationale Wirtschaftsmacht ausbauen möchte. Grundsätzlich sollte das Gesetz allerdings noch klarer eine strukturierte Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsbeteiligten vorsehen. So könnte der Expertenmechanismus garantieren, dass Probleme in der Rechtspraxis angesprochen und im besten Fall beigelegt werden können. Bei der noch notwendigen Klärung von unbestimmten Rechtsbegriffen ist darauf zu achten, dass das Gesetz auch im Rahmen von nachstehenden Implementierungsverordnungen keine extraterritoriale Wirkung entwickelt und vom Gebrauch von schwarzen Listen vollständig abgesehen wird. Auch sollten Unternehmen besser vor potenziell willkürlicher behördlicher Verfolgung geschützt werden.
Nikolas Kessels | Abteilung | T: +49 30 2028-0 | n.kessels@bdi.eu | www.bdi.eu
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Bewertung im Einzelnen Das Gesetz beschreibt, dass im Kern des chinesischen Exportkontrollregimes Güter mit doppeltem Verwendungszweck stehen; also „[…] besonders solche Güter, Technologien und Dienstleistungen, die für Entwurf, Entwicklung, Herstellung und Gebrauch von Massenvernichtungswaffen […]“ missbraucht werden können. Im Sinne der Rechtssicherheit sollte das Gesetz explizit auf die Listungen der internationalen Exportkontrollregime verweisen. Extraterritoriale Vorschriften wie auch die Vermischung von Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen wurden weitestgehend aus dem Anwendungsrahmen der Gesetzesnovelle entfernt. Ein Rest an Unklarheit in Bezug auf den Anwendungsrahmen des Gesetzes bleibt jedoch bestehen, etwa durch die Nennung „Entwicklung“ in Art. 3 oder den Bezug auf nicht weiter definierte „Re-Exporte“ in Art. 45. Des Weiteren wird in dem Gesetz auch der Export von Rüstungsgütern geregelt (Kapitel III.). Da in der chinesischen Gesetzesnovelle Güter mit doppeltem Verwendungszweck im Fokus stehen, wäre es ein konsequenter Schritt, wenn Rüstungsgüter wie in der EU oder in den USA komplett in einem separaten Gesetz geregelt würden. Außerdem wäre eine klarere behördliche Zuständigkeit zwischen dem Staatsrat (und den ihm unterstellten Behörden) und der Zentralen Militärkommission bei der Kontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck wünschenswert. Der BDI würde es begrüßen, wenn MOFCOM die Zuständigkeit für die Erteilung von Genehmigungen gemäß dem vorliegenden Gesetz erhalten würde. Ein bereits im ersten Entwurf beschriebener Expertenmechanismus wurde aufgewertet. Dieser wird nun in Artikel 5 in direktem Zusammenhang mit den institutionellen Zuständigkeiten des Staatsrates, dessen nachgeordneten Behörden und der zentralen Militärkommission genannt. Wünschenswert wäre allerdings eine weitere Klarstellung, welche Funktion und Zusammensetzung der Mechanismus genau haben wird. Ferner beschreibt das Gesetz in Artikel 14 einen Prozess, in dem Wirtschaftsbeteiligten mit funktionierenden internen Kontrollsystemen Erleichterungen in Ausfuhrgenehmigungsverfahren zugesagt wird. Dieser Anreiz fehlte noch im vorangegangenen Entwurf. Bedauerlicherweise sind Allgemeingenehmigungen („general licences“) als solche nicht mehr explizit im Entwurf vorgesehen. Art. 19 beschreibt ein System der Exportkontrollbehörden zum Risikomanagement für End-Nutzer und End-Nutzung. Es wäre wünschenswert, wenn in Durchführungsbestimmungen klargestellt wird, welche Maßnahmen Exporteure ergreifen müssen, um den Vorgaben des behördlichen Risikomanagements zu entsprechen. Im Gesetz verpflichten sich die chinesischen Behörden erneut, Ausfuhranträge nach deren Eingangsbestätigung innerhalb von 45 Werktagen zu bearbeiten. Artikel 24 regelt, dass es hiervon nur in begründeten Einzelfällen Ausnahmen geben soll. In solchen Fällen können die Behörden eine Verlängerung von 15 Werktagen erwirken, sind allerdings auch verpflichtet, die Gründe für eine solche Verlängerung den betroffenen Wirtschaftsbeteiligten zu erläutern. Allerdings sollte die Bearbeitungsfrist bereits ab dem Zeitpunkt der Antragsabgabe durch den Antragsteller beginnen.
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Kritikpunkte des BDI Drei Punkte müssen trotz der insgesamt positiv zu bewertenden Überarbeitung kritisch angeführt werden. Zunächst beschreibt Artikel 10 immer noch eine sogenannte „schwarze Liste“ – also behördliche Ausfuhrverbote. Zwar ist der Zweck der Ausfuhrverbote auf die Erfüllung internationaler Verpflichtungen und nationaler Sicherheitsinteressen begrenzt. Eine Begrenzung auf nur bereits kontrollierte Güter geht aus Art. 10 jedoch nicht zweifelsfrei hervor. Der Artikel erlaubt eine temporäre Kontrolle von Gütern außerhalb der Kontroll-Listen. Die temporären Kontrollen sollen nicht mehr unbefristet, sondern für den begrenzten Zeitraum von zwei Jahren gelten. Genauso sollten auch die Exportverbote zeitlich beschränkt werden. Unklar bleibt außerdem, inwiefern nationale Sicherheitsinteressen und das unter Umständen ungewollte Verhalten natürlicher Personen anderer Staaten in der Praxis miteinander ins Vernehmen gesetzt werden. Hier sollte eine Klarstellung bereits im Gesetz und nicht erst in nachfolgenden Regulierungen Rechtssicherheit schaffen. Rechtsunsicherheit schafft ferner Artikel 45. Hier wird explizit der Begriff von Re-Exporten aufgegriffen. Allerdings sind diese nur im Hinblick auf Zollfreizonen und Zollverschlussgebiete einschlägig. Der Text verweist hier zudem implizit darauf, dass es sich bei solchen Zonen um Gebiete in China handeln müsse. Demnach wäre die Verbringung in solche Zollfreizonen und Zollverschlussgebiete und die anschließende Verbringung „nach Übersee“ genehmigungspflichtig. Eine grundsätzliche Genehmigungspflicht für nicht-chinesische Ausführer verbauter chinesischer Komponenten (Veredelung) dürfte hieraus nicht erwachsen – final geklärt ist dies allerdings nicht. Daher ist unklar, ob die chinesischen Behörden Re-Exporte tatsächlich einer extraterritorialen Ausfuhrkontrolle unterwerfen wollen. Die Aufsicht und Verwaltung des chinesischen Exportkontrollrechts sind in ihrer Struktur besorgniserregend. Gemäß Artikel 30 ist es den chinesischen Strafverfolgungsbehörden erlaubt, bei „[…] jeglicher Form mutmaßlich rechtswidrigen Verhaltens […]“ Wirtschaftsbeteiligte mit allen polizeilichen Mitteln und ohne unabhängige richterliche Untersuchungsanordnung zu überprüfen. Aus rechtsstaatlicher Perspektive ist ein solches Eindringen ohne unabhängige Prüfung erster Verdachtsmomente höchst problematisch. Unklare Rechtsbegriffe und fehlende Mechanismen zur Selbstkontrolle können Raum für Willkür bieten und somit Unsicherheit erzeugen. Wo beispielsweise einzelne Wirtschaftsbeteiligte im sensiblen Umfeld der Exportkontrolle ihren Auflagen nicht nachkommen, hat der Staat restriktiv einzugreifen. Allerdings müssen auch die chinesischen Strafverfolgungsbehörden verpflichtet werden, materielle Verdachtsmomente unabhängig überprüfen zu lassen, bevor diese Zugriff auf sensible Daten von Wirtschaftsbeteiligten und Privatpersonen erhalten. Nur durch überprüfbare rechtsstaatliche Prozesse entstehen legitimes Recht, Rechtssicherheit und ein gesundes Umfeld für robuste wirtschaftliche Zusammenarbeit.
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Empfehlungen Der vorliegende zweite Entwurf für eine Novelle der chinesischen Exportkontrolle ist ein ermutigendes Zeichen, dass sich die Volksrepublik als verantwortungsvoller Akteur in der multilateralen Gestaltung einer globalisierten Welt sieht. Die schwierige Aufgabe eines funktionierenden Exportkontrollrechtes ist es, die Notwendigkeiten der Ausfuhrkontrolle mit den Bedürfnissen einer global agierenden Wirtschaft in Einklang zu bringen. Die chinesische Politik setzt durch den zweiten Entwurf für das Exportkontrollgesetz auf eine pragmatische und an internationalen Standards orientierte Politik. Das ist positiv, weil nur verlässliche Institutionen den gemeinsamen wirtschaftlichen Austausch auch auf Dauer garantieren können. Dennoch sollten an einigen Stellen Nachbesserungen vorgenommen werden. 1. Wir begrüßen einen Expertenmechanismus, durch den Experten aus der Wirtschaft in die technische Bewertung einbezogen werden. Allerdings sollte dieser klarer definiert werden: ▪
Wer genau ist für den Expertenmechanismus qualifiziert?
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Welchem Zweck dient ein solches Gremium?
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Werden Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen in ein ausgeglichenes Verhältnis gesetzt?
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Wie genau werden die Konsultationsmechanismen ausgestaltet sein?
2. An mehreren Stellen besteht die Notwendigkeit unbestimmte Begriffe zu präzisieren. Zum Beispiel: ▪
Was ist der Unterschied zwischen den Begriffen „Produkte“, „Materialien“, „Güter“, „Technologien“, „Gegenstände“ und „Dienstleistungen“?
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Was ist mit „Sicherheit des Staates“ gemeint und was sind die Kriterien, nach denen geprüft wird? Insbesondere in Hinblick auf Art. 10 und Art. 13 brauchen Wirtschaftsbeteiligte klare Prüfkriterien, um entsprechende Bewertungen vorzunehmen.
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In Art. 4: Was ist unter „andere Verfahren“ zu verstehen?
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Was ist unter dem Prinzip der Gleichberechtigung und des „gegenseitigen Nutzens“ zu verstehen?
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Was ist mit „bedeutenden politischen Maßnahmen“ in Art. 8 gemeint?
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Welche Abstufung ist in Art. 13 in Bezug auf das „Ausmaß der Sensibilität der Gegenstände“ gemeint?
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3. Die Vorschrift des Art. 16 sollte eindeutig als eine Kann-Regelung konkretisiert werden. Es sollte im Ermessen des Ausführers liegen, in dem dort beschriebenen Fall die nationale Behörde zu ersuchen. 4. In Art. 10, 14, 20 und weiteren wird nicht klar zwischen verbotenen und genehmigungspflichtigen Gütern unterschieden. Dies sollte dringend präzisiert werden, da Verbote und Kontrollpflichten grundsätzlich unterschiedliche Kategorien sind. 5. Die weitgefassten Eingriffsrechte der Strafverfolgungsbehörden sollten durch einen richterlichen Überprüfungsmechanismus ergänzt werden. 6. Das Gesetz sollte den Strafverfolgungsbehörden bei aktiver und selbstinitiierter Aufklärung von Fehlverhalten mehr Ermessensspielraum zur Abmilderung von Sanktionen erlauben (Vgl. Art 58 Entwurf aus dem Jahre 2017). 7. Auch im Zusammenhang mit der Verbringung von Gütern in Zollfreizonen oder Zollverschlussgebiete sollte sich die chinesische Exportkontrolle an internationalen Standards orientieren. 8. Die Kontrolle von Re-Exporten darf nicht zum Einfallstor für eine extraterritoriale Politik werden. 9. Um die behördliche Transparenz zu erhöhen, sollten die Entscheidungen über weitere Kontrollen und Maßnahmen öffentlich gemacht werden. Auch die in Art. 8 festgeschriebenen „Evaluierungen“ sollten veröffentlicht werden. 10. Es wäre sinnvoll, wenn die Güterlisten als Anhang dieses Gesetzes konsolidiert beraten werden. Nicht nur in Hinblick auf die gelisteten Güter, sondern auch im Hinblick auf die Struktur sollten sich die Güterlisten in China an der Güterliste der Dual-Use-Verordnung in der EU und an den Güterlisten („Commerce Control List“ (CCL)) in den USA anlehnen. Zudem sollte Art. 9 ausreichend Zeit für die Implementierung in den Unternehmen von Änderungen in den Güterlisten gewährleisten. So sollten Änderungen erst drei bis vier Monate nach Veröffentlichung in Kraft treten. 11. Art. 21: Es wäre sinnvoll, die Zollanmeldung und die begleitende Dokumentation digital zu gestalten. (In der EU wird beispielsweise anhand von Kodierungen gearbeitet). 12. Art. 21 ermächtigt die Behörden, Ausfuhren aufzuhalten. Die derzeitige Formulierung im Entwurf könnte behördliche Willkür ermöglichen. Behörden sollten veranlasst werden, konkret zu begründen, warum eine Ausfuhr gestoppt wurde. 13. Art. 34 ff: Auch für Fälle mit Transaktionswert sollte eine klare Deckelung gelten. 14. Die in Art. 13 genannte „Bonitätsbewertung“ von Exporteuren sollte nicht als ein Kriterium zur Bewertung für Ausfuhrlizenzen herangezogen werden, da keine klare Verbindung zu exportkontrollrechtlich relevanten Informationen erkennbar ist. Insgesamt verdient Chinas zweiter Entwurf für ein nationales Exportkontrollrecht Anerkennung. Hiermit wurde ein entscheidender Schritt hin zu einem Gesetz gemacht, welches sich nach weiteren Verbesserungen auch in der rechtspraktischen Anwendung bewähren kann.
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