POSITION | AUßENWIRTSCHAFT | US-HANDELSPOLITIK
Mehr Transparenz beim Einsatz von sicherheitspolitischen Instrumenten in der US-Handels- und Investitionspolitik 232-Zölle, Executive Order 13873; Entity List; Export Control Reform Act, Investment Screening
April 2020
Die USA sind ein wichtiger Partner für Politik und Wirtschaft in Deutschland. Deutsche und US-ameri23. Oktober 2017 im kanische Unternehmen gehören zu den wichtigsten ausländischen Investoren und Arbeitgebern jeweils anderen Markt. Auch in der Sicherheitspolitik sind die USA und die EU untrennbare Partner. Die transatlantischen Beziehungen sind jedoch in schwieriges Fahrwasser geraten. Ein zentraler Konfliktpunkt sind zum einen neue Handelsbarrieren in den USA, die mit nationalen Sicherheitsbedenken begründet werden. Zum anderen werden Instrumente, die dem Schutz der nationalen Sicherheit und Ordnung dienen, mit industriepolitischen Zielen vermischt. Dies beschädigt globale Wertschöpfungsketten und den transatlantischen Markt.
Kernforderungen ▪
Es ist eine wichtige Aufgabe des Staates, den Schutz der öffentlichen Ordnung und nationalen Sicherheit zu gewährleisten. Die entsprechend eingesetzten handelspolitischen Instrumente sollten jedoch nicht für protektionistische Zwecke oder zur Förderung der heimischen Wirtschaft missbraucht werden. Vielmehr sollte die US-Regierung die Maßnahmen klar auf Sicherheitsbelange beschränken.
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Waren von Verbündeten der USA gefährden nicht die nationale Sicherheit der USA. Die Trump-Administration sollte entsprechend vom Einsatz von Zöllen im Namen der nationalen Sicherheit (Abschnitt 232) gegen Alliierte absehen.
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Die Exportkontrolle, wie die Kontrolle des Exports von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck, sollte transparent und nachvollziehbar sein. Ungenaue Begriffe sollten präzise definiert werden, um Willkür vorzubeugen und Rechtssicherheit zu schaffen. Exportkontrolle sollte nicht für industriepolitische Ziele zweckentfremdet werden. Die deutsche Industrie lehnt die extraterritoriale Regulierung von Wirtschaftsbeteiligten durch die USA ab.
Stormy-Annika Mildner | Abteilung Außenwirtschaftspolitik | T:+49 30 2028-1562 | s.mildner@bdi.eu | Valerie Ross | Abteilung Außenwirtschaftspolitik | T:+49 30 2028-1623 | v.ross@bdi.eu | Nikolas Kessels | Abteilung Außenwirtschaftspolitik | T:+49 30 2028-1518 | n.kessels@bdi.eu | Christoph Sprich | Abteilung Außenwirtschaftspolitik | T:+49 30 2028-1525 | c.sprich@bdi.eu | Lennart Jansen | Abteilung Außenwirtschaftspolitik | T:+49 30 2028-1483 | l.jansen@bdi.eu | www.bdi.eu
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Die Listungskriterien der sogenannten Entity List sollten transparent und nachvollziehbar sein. Listungen sollten in enger Abstimmung mit den Partnern der USA, einschließlich der Bundesregierung und der europäischen Kommission, erfolgen. Die rückwirkende Anwendung von Maßnahmen, die den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr einschränken, sollte im Sinne der Rechtsstaatlichkeit unterbleiben.
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Die Executive Order 13873 droht, globale Wertschöpfungsketten maßgeblich zu behindern. Sollte das Dekret umgesetzt werden, müssen Rechtebegriffe so präzise definiert werden, dass keine rechtliche Unsicherheit für Unternehmen entsteht, und Verfahren so gestalten werden, dass keine Tür für Willkür geöffnet wird.
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Die deutsche Industrie setzt sich für eine engere Abstimmung von Unternehmenslistungen auf der Entity List sowie von neuen sicherheitsrelevanten Güterkategorien in der US-Exportkontrolle mit Partnerländern und in multilateralen Foren ein. Die internationalen Regime zur Exportkontrolle müssen gestärkt werden.
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Die Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen zur Wahrung der nationalen Sicherheit ist legitim. Allerdings sollte diese nicht für industriepolitische Ziele zweckentfremdet werden. Rechtsbegriffe müssen so präzise wie möglich formuliert werden.
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Der Abbau von Zöllen und anderen Hürden im transatlantischen Handel sichert Arbeitsplätze und schafft Wohlstand. Anstatt sich weiter abzuschotten, sollten die USA ernsthaft mit der EU über einen gegenseitigen Abbau von Handelsbarrieren verhandeln. Dazu gehören sowohl der Abbau der Industriegüterzölle sowie die Reduzierung nicht-tarifärer Handelshemmnisse durch die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsprüfungen.
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Die EU sollte zudem im engen Austausch mit der Wirtschaft ihre eigenen handelspolitischen Instrumente einer genauen Prüfung unterwerfen, um auch in der Zukunft ein handlungsfähiger Akteur zu sein und fairen Wettbewerb auf Augenhöhe mit den USA herstellen zu können.
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Hintergrund Die Wirtschaftspolitik der Trump-Administration ist durch das Prinzip America First gekennzeichnet. Dies äußert sich unter anderem in einer stärkeren unilateralen Nutzung von Sonderzöllen sowie handelspolitischer Schutzinstrumente. Dabei wird als Begründung immer mehr auf nationale Sicherheitsinteressen verwiesen, so zum Beispiel bei der Erhebung von Zöllen auf Stahl- und Aluminiumimporte oder auch bei der Androhung von Zöllen auf die Einfuhr von Fahrzeugen. Handelspolitik soll gemäß der Trump-Administration die nationalen – auch sicherheitspolitischen – Interessen der USA stärker in den Vordergrund stellen.1 Besonders deutlich ist dies bei den Sonderzöllen nach Abschnitt 232 des Handelsgesetzes von 1962. Allerdings geben auch Änderungen in der Exportkontrolle – vor allem der Exportkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck (Dual Use Güter) und der sogenannten Entity List – Anlass zur Sorge. Diese könnten sich erheblich auf die globalen Wertschöpfungsketten auswirken. Dasselbe gilt für die Executive Order 13873 sowie das Investment Screening. Während diese Instrumente das legitime Ziel haben, die nationale Sicherheit zu schützen, bieten sie erheblichen Spielraum für Industrie- und Standortpolitik. Die transatlantische Partnerschaft ist auch und gerade mit Blick auf das Thema Sicherheit nicht zu ersetzen. Seit den 1970er Jahren garantiert die NATO die Sicherheit in Europa. Der Beitrag der USA zum nordatlantischen Bündnis ist unverzichtbar für die Europäische Union und Deutschland. Eine enge Kooperation in sicherheitspolitischen Fragestellungen ist deshalb im unmittelbaren Interesse Deutschlands. Dennoch betrachtet die deutsche Industrie die Vermischung industrie- und sicherheitspolitischer Ziele in den USA mit Sorge. Die Aufweichung einer klaren Trennlinie zwischen heimischer Wirtschaftsförderung und legitimen sicherheitspolitischen Erwägungen schafft erhebliche Unsicherheiten für die Wirtschaft und riskiert Wirtschaftswachstum sowie Arbeitsplätze – weltweit aber auch in den USA selbst. Die Empfehlungen des vorliegenden Positionspapiers richten sich in erster Linie an die US-Regierung. Um auch in Zukunft ein handlungsfähiger Akteur zu sein und fairen Wettbewerb auf Augenhöhe auch mit den USA herstellen zu können, sollte die EU neben einer Intensivierung des Dialogs mit den USA im engen Austausch mit der Wirtschaft ihre eigenen handelspolitischen Instrumente einer genauen Prüfung unterwerfen. Der BDI befindet sich zurzeit in einem Abstimmungsprozess mit seinen Mitgliedern zur Reform des handels- und wettbewerbsrechtlichen Instrumentenkastens.
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Executive Office of the President 2018a, 2018 Trade Policy Agenda, S. 2, <https://ustr.gov/sites/default/files/files/Press/Reports/2018/AR/2018%20Annual%20Report%20FINAL.PDF> (eingesehen am 18.12.2019). Executive Office of the President 2019a, 2019 Trade Policy Agenda, S. 27, <https://ustr.gov/sites/default/files/2019_Trade_Policy_Agenda_and_2018_Annual_Report.pdf> (eingesehen am 18.12.2019).
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Sonderzölle im Namen der Nationalen Sicherheit: Abschnitt 232 des Handelsgesetzes von 1962 Hintergrund Anfang März 2018 beschloss US-Präsident Donald Trump die Einführung von Zöllen auf Stahl (25 %) 2 und Aluminium (10 %)3. Bereits im Wahlkampf hatte er angekündigt, heimische Wirtschaftszweige wie die Stahlindustrie vor vermeintlich unfairem Wettbewerb schützen und unvorteilhafte Handelsbeziehungen neu ausrichten zu wollen. Die Trump-Administration begründet die Zölle mit nationalen Sicherheitsbedenken. Rechtliche Grundlage ist Abschnitt 232 des Handelsgesetzes von 1962. Einem unveröffentlichten 232-Bericht des US-Wirtschaftsministeriums zufolge gefährden auch US-Importe von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen die nationale Sicherheit der USA. Mitte Mai 2019 hatte der US-Präsident eine Entscheidung über Importrestriktionen um 180 Tage aufgeschoben – diese sollte bis Mitte November 2019 getroffen werden. 4 Präsident Trump ließ diese Frist kommentarlos verstreichen. Für eine Entwarnung ist es jedoch noch zu früh. Mit einer Untersuchung unter Abschnitt 232 des Trade Expansion Act von 1962 soll festgestellt werden, ob Importe die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten gefährden. Der Abschnitt, der ein Relikt des Kalten Krieges ist, wurde vor der Amtszeit von Präsidenten Trump kaum angewandt. Das Wirtschaftsministerium (U.S. Department of Commerce, DoC) hat 270 Tage Zeit, dem Präsidenten Handlungsempfehlungen vorzulegen. Der Präsident hat dann 90 Tage Zeit, um auf den Bericht zu reagieren. Unter den Regeln des U.S. Codes (des Bundesrechts der USA) kann dem US-Präsidenten zudem eine Fristverlängerung von 180 Tagen gewährt werden.5 Der US-Kongress hatte in einem der Haushaltsgesetze für das Fiskaljahr 2020 von der US-Administration verlangt, dass der Bericht des US-Wirtschaftsministeriums zu Importen von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen als nationale Sicherheitsgefährdung veröffentlicht werden soll.6 Das US-Justizministerium lehnte die Veröffentlichung des Berichtes ab. Dies sei zulässig aufgrund der verfassungsrechtlichen Doktrin des executive privilege, da es sich um vertrauliche Informationen handele und eine Veröffentlichung laufende diplomatische Bemühungen beeinträchtigen könnte.7 Abschnitt 232 enthält keine grundlegende Definition von „nationaler Sicherheit“.8 Artikel XXI des GATT der WTO erlaubt es WTO-Mitgliedern, Maßnahmen zu ergreifen, die sie für notwendig erachten, um ihre nationale Sicherheit (essential security interests) zu schützen und kann somit je nach Sachverhalt die 232-Maßnahme rechtfertigen. Gemäß Artikel XXI („Die Sicherheit betreffende Ausnahmen“) des GATT sollen die Bestimmungen des Abkommens nicht dahingehend ausgelegt werden, a) „dass sie
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Executive Office of the President 2018b, Proclamation 9705, Adjusting Imports of Steel Into the United States, 8. März 2018, <https://www.federalregister.gov/documents/2018/03/15/2018-05478/adjusting-imports-of-steel-into-the-united-states> (eingesehen am 18.12.2019). 3 Executive Office of the President 2018c, Proclamation 9704, Adjusting Imports of Aluminum into the United States, 8. März 2018, <https://www.federalregister.gov/documents/2018/03/15/2018-05477/adjusting-imports-of-aluminum-into-the-unitedstates> (eingesehen am 18.12.2019). 4 Executive Office of the President 2019b, Proclamation 9888, Adjusting Imports of Automobiles and Automobile Parts Into the United States, 17. Mai 2019, <https://www.federalregister.gov/documents/2019/05/21/2019-10774/adjusting-imports-of-automobiles-and-automobile-parts-into-the-united-states> (eingesehen am 18.12.2019). 5 Legal Information Institute, 19 U.S. Code § 1862, <https://www.law.cornell.edu/uscode/text/19/1862> (eingesehen am 18.12.2019). 6 U.S. Congress 2019, H.R.1158 - Consolidated Appropriations Act, 2020, <https://www.congress.gov/bill/116th-congress/house-bill/1158/text> (eingesehen am 24.03.2020). 7 U.S. Department of Justice 2020, Publication of a Report to the President on the Effect of Automobile and Automobile-Part Imports on the National Security, <https://www.justice.gov/olc/opinion/file/1236426/download> (eingesehen am 24.03.2020). 8 U.S. Department of Commerce 2018, The Effect of Imports of Steel on The National Security, <https://www.awpa.org/wpcontent/uploads/2018/02/Section-232-Investigation-of-Steel-Imports-DOCs-Report-and-Recommenda....pdf> (eingesehen am 18.12.2019).
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einem Vertragspartner die Verpflichtung auferlegt, Auskünfte zu erteilen, deren Verbreitung er als den wesentlichen Interessen seiner Sicherheit entgegenstehend ansieht; oder b) dass ein Vertragspartner darin gehindert wird, die Maßnahmen zu treffen, die er zum Schutz seiner Sicherheit (…) für erforderlich hält, oder dass c) ein Vertragspartner darin gehindert wird, eine Maßnahme zur Erfüllung seiner Verpflichtungen aufgrund der Charta der Vereinten Nationen zur Aufrechterhaltung des internationalen Friedens und der Sicherheit zu treffen“9. Vor der Trump-Administration wurde dieser Artikel so gut wie nicht genutzt, da er aufgrund der unbestimmten Rechtsbegriffe ein Einfallstor für Protektionismus darstellt. BDI-Bewertung und Empfehlungen Importe von Stahl und Aluminium gefährden nicht die nationale Sicherheit der USA. Die Zölle werden auch nicht die Wettbewerbsfähigkeit der USA stärken. Sie gefährden Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum sowohl in den USA als auch in der EU. Trotz bescheidener Beschäftigungszuwächse in USamerikanischen Stahl- und Aluminiumunternehmen werden die Arbeitsplatzverluste im verarbeitenden Gewerbe viel größer sein. Zwei Drittel dieser Arbeitsplatzverluste würden Arbeiter in gering qualifizierten Berufen treffen. Darüber hinaus werden die Zölle wahrscheinlich zu einer geringeren Kaufkraft der US-Verbraucher sowie zu höheren Kosten in der Produktion führen. Importe von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen gefährden ebenfalls nicht die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten. Ganz im Gegenteil spielen ausländische Hersteller eine wichtige Rolle für die USWirtschaft, indem sie Arbeitsplätze und Wertschöpfung generieren. Die deutsche Automobilindustrie beschäftigte im Jahr 2018 über 118.000 Mitarbeiter in den Vereinigten Staaten: 38.000 in den Werken selbst und 80.000 bei Zulieferern. Seit Jahren geht der Trend zur Produktion vor Ort: 2018 wurden über 744.300 deutsche Automobile in den Vereinigten Staaten produziert und nur 470.500 aus Deutschland importiert. Damit hat sich die Produktion deutscher Automobile in den Vereinigten Staaten seit 2009 fast vervierfacht. Diese wirtschaftlichen Erfolge wären durch Sonderzölle in Gefahr. Auch in den USA sind die 232-Zölle umstritten. Im Kongress wurden zahlreiche Gesetzesinitiativen eingereicht, die das Ziel haben, die Entscheidungsbefugnis des Präsidenten einzudämmen. Die deutsche Industrie fordert daher: ▪
Die Trump-Administration sollte die Stahl- und Aluminiumzölle vollständig abschaffen und von der Verhängung neuer 232-Zölle absehen.
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Die Ausgleichsmaßnahmen der EU als Reaktion auf die Stahl- und Aluminiumzölle sind ein wichtiges politisches Signal. Auch Klage bei der WTO einzureichen, war ein richtiger Schritt.
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Sollten die USA 232-Zölle auf Fahrzeuge und Fahrzeugteile aus der EU verhängen, sollte diese Ausgleichsmaßnahmen ergreifen. Diese sollten in enger Absprache mit der Wirtschaft gewählt und angemessen sein, das Unionsinteresse der EU berücksichtigen sowie im Einklang mit den Regeln der WTO stehen.
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World Trade Organization, Article XXI Security Exceptions, <https://www.wto.org/english/res_e/booksp_e/gatt_ai_e/art21_e.pdf> (eingesehen am 18.12.2019).
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Executive Order 13873: Securing the Information and Communications Technology and Services Supply Chain Hintergrund Das von US-Präsident Donald Trump am 15. März 2019 erlassene Dekret, Executive Order 1387310, überträgt dem Wirtschaftsminister (Secretary of Commerce) die Kompetenz, bestimmte Transaktionen (transactions) von Gütern und Dienstleistungen zu verbieten oder unter einen allgemeinen Genehmigungsvorbehalt zu stellen, wenn diese Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) beinhalten. Als Begründung wird ausgeführt, dass „ausländische Gegner“ (foreign adversaries) zunehmend Schwachstellen in der US-amerikanischen IKT-Infrastruktur ausnutzten oder selbst schaffen könnten. Dies führe zu unverhältnismäßigen Risiken für die Infrastruktur, den digitalen Wirtschaftssektor sowie die Sicherheit der Vereinigten Staaten. Die Möglichkeit einer Bewertung als ausländischer Gegner ist sowohl hinsichtlich privater als auch staatlicher Akteure bislang einzigartig. Als Grundlage des Dekrets dient der International Emergency Powers Act (IEEPA) von 1977. Am 28. November 2019 wurde ein Verordnungsvorschlag (proposed rule) veröffentlicht, welcher die Anwendung des Dekrets konkretisiert. Dieser führt aus: „Der Präsident hat festgestellt, dass der uneingeschränkte Erwerb oder die uneingeschränkte Nutzung solcher IKT eine ungewöhnliche und außergewöhnliche Bedrohung für die nationale Sicherheit, Außenpolitik und Wirtschaft der Vereinigten Staaten darstellt“.11 Der Begriff transaction umfasst den Erwerb, die Einfuhr, die Installation, die geschäftliche Tätigkeit sowie jeglichen Gebrauch dieser IKT. IKT-Bereiche, die von dem Dekret und der Ausführungsverordnung betroffen sind, reichen von Telekommunikationsanbietern (Festnetz und Mobilfunk) bis hin zu Internet- und Clouddienstleistern. Mit einbezogen werden zudem Entwickler von Software sowie Plattformen, Telefon- und Handyhersteller, aber auch Betreiber im Netzwerkausbau. Die Transaktion muss von einer Person oder mit Eigentum durchgeführt werden, die der US-Gerichtsbarkeit unterliegen. Somit sind auch Niederlassungen deutscher Unternehmen in den USA von dem Dekret betroffen. Das Dekret definiert als ausländische Gegner „jede ausländische Regierung oder ausländische Nichtregierungsperson, die ein langfristiges Muster oder schwerwiegende Fälle von Fehlverhalten aufweisen, welche die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten oder die Sicherheit und den Schutz von Personen in den Vereinigten Staaten erheblich beeinträchtigen“. Für die Identifizierung eines ausländischen Gegners werden öffentliche und nicht-öffentliche Informationen genutzt. Der Direktor der US-Nachrichtendienste fasst alle Informationen in einer Gefahrenlage zusammen. Betroffene Individuen haben ein Widerspruchsrecht. Ein Verstoß gegen erlassene Transaktionsverbote soll mit einer hohen Geldstrafe vom Wirtschaftsminister geahndet werden. Technologien, die von einem Hersteller produziert, konzipiert oder geliefert worden sind, der durch die US-Administration als ausländischer Gegner eingestuft worden ist, können entsprechend unter einen Genehmigungsvorbehalt gestellt und verboten werden. Stellt der Wirtschaftsminister fest, dass eine Transaktion ein unangemessenes oder inakzeptables Risiko birgt, kann er Maßnahmen zur Minderung
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Executive Office of the President 2019c, Securing the Information and Communications Technology and Services Supply Chain, Executive Order 13873, 15. Mai 2019, <https://www.federalregister.gov/documents/2019/05/17/2019-10538/securingthe-information-and-communications-technology-and-services-supply-chain> (eingesehen am 10.09.2019). 11 Department of Commerce 2019c, Securing the Information and Communications Technology and Services Supply Chain. A Proposed Rule by the Commerce Department on 11/27/2019, <https://www.federalregister.gov/documents/2019/11/27/201925554/securing-the-information-and-communications-technology-and-services-supply-chain> (eingesehen am 15.12.2019).
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der Risiken der Transaktion verlangen oder die Transaktion untersagen. Er kann unter anderem verlangen, dass die an der Transaktion beteiligten Parteien die Nutzung der IKT sofort einstellen, selbst wenn diese vor der Entscheidung installiert wurde oder in Betrieb war. Voraussetzung für ein derartiges Verbot ist, dass die Transaktion i) ein unzumutbares Risiko der Sabotage oder Unterminierung der Integrität, der Herstellung, des Vertriebs, der Installation, des Betriebs, des Designs oder der Wartung von Informations- und Kommunikationstechnologien oder -diensten in den Vereinigten Staaten darstellt; ii) ein unzumutbares Risiko katastrophaler Auswirkungen auf die Sicherheit oder Ausfallsicherheit kritischer Infrastrukturen der Vereinigten Staaten oder der digitalen Wirtschaft der Vereinigten Staaten darstellt; oder (iii) auf andere Weise ein unannehmbares Risiko für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten oder die Sicherheit von Personen der Vereinigten Staaten darstellt. Dem Entwurf der Ausführungsverordnung zufolge soll der Wirtschaftsminister einen fakten- und fallspezifischen Ansatz verfolgen, um die Transaktionen zu bestimmen, die den Anforderungen des Dekrets entsprechen und daher verboten sind oder angepasst werden müssen. Bestimmte Technologien oder Marktteilnehmer sollen nicht kategorisch den in dem Dekret festgelegten Verboten unterworfen werden. Sollte der Wirtschaftsminister in Zukunft feststellen, dass es angebracht ist, ganze Klassen an Transaktionen kategorisch einzubeziehen oder auszuschließen, sollen zu diesem Zeitpunkt weitere Leitlinien veröffentlicht werden. Grundsätzlich soll der Wirtschaftsminister seine Entscheidung zu betroffenen Transaktionen in Abstimmung mit dem Finanzminister (Secretary of Treasury), dem Außenminister (Secretary of State), dem Verteidigungsminister (Secretary of Defense), dem Generalstaatsanwalt, dem Innenminister (Secretary of Homeland Security), dem US-Handelsbeauftragten (United States Trade Representative), dem Director of National Intelligence, dem Administrator of General Services und dem Chairman der Federal Communications Commission treffen. Wo es angemessen scheint, können noch weitere Behörden mit einbezogen werden. BDI-Bewertung und Empfehlungen Es ist eine zentrale Aufgabe des Staates, kritische Infrastrukturen – und hier insbesondere Informations- und Telekommunikationsnetze – vor unerlaubtem Zugriff sowie Manipulation zu schützen. Deutschland hat mit dem IT-Sicherheitsgesetz (IT-SiG) und der KRITIS-Verordnung eine entsprechende gesetzliche Grundlage bereits vor Jahren geschaffen und wird diese im Rahmen des Zweiten Gesetzes zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer Systeme (IT-SiG 2.0) noch in dieser Legislaturperiode signifikant erweitern.12 Es ist jedoch fragwürdig, ganz allgemein IKT-Güter, Dienstleistungen oder auch Unternehmen unter den Generalverdacht eines Risikos für die nationale Sicherheit der USA zu stellen. Genau wie die deutsche Industrie die Bundesregierung zu klaren Definitionen und eindeutig abgrenzbaren Rechtsbegriffen im Rahmen des IT-SiG 2.0 auffordert, erwartet sie von der US-Administration Gesetze, die rechtskonformes Verhalten von Unternehmen erleichtern und nicht erschweren. Allen voran muss hier der Begriff transactions genannt werden, mit dessen Hilfe der Wirtschaftsminister ein weitreichendes sektorales Importverbot für IKT-Güter bis hin zum Ausschluss bestimmter Unternehmen beim Ausbau von IT-Infrastrukturen erlassen könnte. Kritisch ist zudem die angekündigte Rückwirkung solcher Beschränkungen zum Tag des Erlasses des Dekretes. Die damit verbundene
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Heckler, Steven; Klein, Oliver 2019, Zweites Gesetz zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer Systeme, Stellungnahme zum Referentenentwurf, <https://bdi.eu/media/publikationen/#/publikation/news/zweites-gesetz-zur-erhoehungder-sicherheit-informationstechnischer-systeme/> (eingesehen am 08.10.2019).
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Rechtsunsicherheit dürfte zu einer Übererfüllung der Bestimmungen (overcompliance) führen. Unternehmen könnten sich somit bereits jetzt gezwungen sehen, ihre Wertschöpfungsketten von bestimmten Ländern zu entkoppeln. Die deutsche Industrie fordert daher: ▪
IKT-Güter, Dienstleistungen oder auch Unternehmen sollten nicht unter den Generalverdacht eines Risikos für die nationale Sicherheit der USA gestellt werden.
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Unscharfe und breite Begriffe wie transactions und foreign adversary sowie emerging technologies sollten vermieden oder aber eindeutig definiert werden. Der Verwaltung sollten deutlicher nachvollziehbare Vorgaben zur Umsetzung gemacht werden.
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Die rückwirkende Geltung von Maßnahmen, die den freien Waren- und Dienstleitungsverkehr einschränken, sollte unterbleiben.
Export Control Reform Act: Behandlung von Zukunfts- und Basistechnologien (Emerging and Foundational Technologies) Hintergrund 2018 wurde die US-Exportkontrolle durch den Export Control Reform Act (ECRA) auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt. Das vorausgegangene Exportkontrollgesetz, der Export Administration Act (EAA), stammte aus dem Jahr 1979 und musste wegen einer Auslaufklausel regelmäßig verlängert werden. 1994 weigerte sich der Kongress, das EAA zu erneuern; eine letzte Frist endete 2001. Präsident Clinton und seine Nachfolger stützten sich in der Folge auf den International Economic Emergency Powers Act (IEEPA) von 1977, um in Abwesenheit einer gesetzlichen Grundlage ein Exportkontrollrecht in den USA aufrechtzuerhalten. IEEPA erlaubt dem Weißen Haus, den Notstand aufgrund einer „unüblichen und außergewöhnlichen Gefahr für die nationale Sicherheit, Außenpolitik oder Wirtschaft der Vereinigten Staaten“ zu verhängen. Dieser Notstand ermöglichte es dem Präsidenten, die Exportkontrolle per Durchführungsverordnungen (executive order) weiterzuführen. Auch diese Durchführungsverordnungen mussten regelmäßig erneuert werden, weshalb es schon während der Regierung von Präsident Barack Obama Bestrebungen gegeben hatte, das US-Exportkontrollrecht mittels neuer Strukturen und Genehmigungsprozesse zu vereinfachen. ECRA reguliert den Export, Re-Export, den Transfer von Gegenständen und bestimmte Handlungen von US-Bürgern ungeachtet ihrer Verortung mit dem Ziel, die nationale Sicherheit zu schützen. Schwerpunktmäßig widmet sich das Gesetz der Regulierung des Exports von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck (sogenannte Dual Use Güter). Es schafft eine dauerhafte Ermächtigungsgrundlage für die Export Administration Regulations (EAR). Die EAR ist die Ausführungsverordnung des USExportkontrollrechts; sie wird vom Bureau of Industry and Security (BIS) erlassen. Güter mit doppeltem Verwendungszweck werden auf der Commerce Control List (CCL) nach unterschiedlichen Kategorien aufgeführt und erhalten eine Export Control Classification Number (ECCN). Soweit ein Gut als solches klassifiziert wurde, untersteht dessen Ausfuhr grundsätzlich einem Genehmigungsvorbehalt. ECRA verpflichtet den Präsidenten ausdrücklich, die Exportkontrolle zu nutzen, um die wirtschaftliche Führungsrolle der USA in den Natur- und Ingenieurswissenschaften, der Industrie und der Grundlagenforschung aufrecht zu erhalten. Dazu wird unter § 4811, Absatz 3 ausgeführt: „Für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten ist es erforderlich, dass die Vereinigten Staaten ihre Führungsrolle
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in den Bereichen Wissenschaft, Technologie, Ingenieurwesen und Fertigung beibehalten, einschließlich der grundlegenden Technologien, die für die Innovation von wesentlicher Bedeutung sind. Eine solche Führungsrolle setzt voraus, dass Personen aus den USA auf den globalen Märkten wettbewerbsfähig sind. Die Auswirkungen der Implementierung dieses Unterkapitels auf die Führung und Wettbewerbsfähigkeit müssen fortlaufend bewertet werden […].“ Wie schon bei den Zöllen auf Stahl und Aluminium kann die US-Regierung nun auch durch das Exportkontrollrecht verstärkt Standortpolitik mit dem Argument der nationalen Sicherheit betreiben. Damit entfernen sich die USA von den Grundsätzen der multilateralen Exportkontrollregime zur Nicht-Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Zudem führt ECRA weitere Kontrollen für neu entstehende Zukunfts- (emerging technologies) und Basistechnologien (foundational technologies) ein und weitet die Befugnisse des BIS bei der Untersuchung möglicher Verstöße gegen die EAR aus. Dem Gesetz zufolge soll der Präsident Zukunfts- und Basistechnologien identifizieren lassen, die für die nationale Sicherheit der USA entscheidend sind. Im November 2018 veröffentlichte das BIS eine vorläufige Liste dieser Technologien im Rahmen einer Advance Notice of Proposed Rulemaking (ANPR), also einer Vorab-Bekanntmachung geplanter Gesetzgebung. Die Frist zur Kommentierung lief im Dezember 2018 aus. Nach dieser Bekanntmachung sollen die Technologien letztlich einem Exportverbot mit Genehmigungsvorbehalt unterliegen. In der ANPR wurde angekündigt, dass für emerging and foundational technologies neue ECCNs zu erwarten sind. Dabei geht es um 14 Technologiekategorien. Eine begrenzte Auswahl der 14 Kategorien aus dem übersetzten Originaltext lautet: Biotechnologie, so wie Nanotechnologie […]; künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning Technologie sowie neuronale Netzwerke und Deep Learning, Reinforcement Learning, Maschinelles Sehen, Sprachverarbeitungstechnologie […]; additive Herstellung […]; Datenanalyse, so wie Visualisierung, automatisierte Auswertealgorithmen oder Kontextabhängige Software (…); und Logistiktechnologie sowie mobile elektrische Energie, Modellierung oder Simulation der Gesamtsichtbarkeit der Vermögenswerte oder verteilungsbasierte Logistiksysteme […]”.13 In seiner Rede auf der Jahreskonferenz des BIS „Exportkontrolle und Sicherheit“ im Juli 2019 argumentierte Wirtschaftsminister Wilbur L. Ross: „Der zukünftige Wohlstand der Vereinigten Staaten hängt von unserem strategischen Vorteil bei fortschrittlichen Technologien ab […]. Wir können den Niedergang der US-Industrien aufgrund staatlich unterstützter Überkapazitäten und der strategischen – oft heimlichen – ausländischen Käufe und Investitionen in unsere wichtigsten Technologieunternehmen nicht länger akzeptieren.“ Unter dem Titel Multilateral Action on Sensitive Technologies (MAST) versuchen die USA seit September 2019, die teilnehmenden Partner für die Gefahren erzwungenen chinesischen Transfers von kritischen Technologien zu sensibilisieren. In einem persönlichen Beitrag des US-Außenministeriums wurde explizit zu verstärkter Vorsicht im Umgang mit chinesischen Akteuren aufgerufen. Dabei seien strategische Gründe sowie Sicherheitserwägungen ausschlaggebend. Konkret sei Huawei Ausdruck der chinesischen Einflussnahme im Ausland und müsse daher in einem breiteren geostrategischen, politischen und militärischen Kontext gesehen werden. Weiterführende Überlegungen oder konkrete multilaterale Initiativen als Konsequenz der MAST-Konferenz sind bisher nicht bekannt. Das US-Exportkontrollrecht hatte bereits vor ECRA einen ausgesprochen extraterritorialen Anwendungsrahmen. Das heißt, dass die Regeln auch auf Personen und Sachverhalte außerhalb der USStaatsgrenzen angewendet und durchgesetzt werden. ECRA hat erwartungsgemäß diese Extraterri-
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Department of Commerce, Bureau of Industry and Security 2018, Review of Controls for Certain Emerging Technologies, <https://www.govinfo.gov/content/pkg/FR-2018-11-19/pdf/2018-25221.pdf> (eingesehen am 15.09.2019).
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torialität verstetigt. Im Gegensatz zu anderen Ländern untersteht auch der Re-Export einem Genehmigungsvorbehalt durch das BIS. Das heißt: weil nach dem US-Exportkontrollrecht US-Waren ihre „Staatsbürgerschaft“ auch in einem Veredelungsprozess nicht verlieren, müssen auch beim Transfer bestimmter Waren zwischen zwei Drittstaaten und nicht-US-Unternehmen Genehmigungen beim BIS eingeholt werden. Dies umfasst Waren, die in den USA hergestellt wurden sowie solche, die einen nach EAR kontrollierten de minimis-Anteil von mindestens 25 Prozent des Gesamtwarenwerts aus den USA beinhalten (diese Schwelle liegt bei 10 Prozent sobald Länder und Märkte mit Terrorbezug im Spiel sind). Unternehmen oder Personen, die in Kenntnis eines bestehenden oder zu erwartenden Verstoßes gegen das Verbot des Exports oder Re-Exports handeln, machen sich strafbar. Dies bedeutet, dass sich auch Kreditgeber wie Banken in solch einem Fall strafbar machen könnten. Dieser Regulationsanspruch greift auch direkt in betriebliche Prozesse ein. So kann es innerhalb eines Unternehmens zu sogenannten deemed exports kommen, bei denen ein Gut die Firma zwar nicht verlässt, aber von Mitarbeitern mit US-amerikanischer Staatsbürgerschaft mit Mitarbeitern anderer Nationalität geteilt wird. Dieser Austausch ist potenziell genehmigungspflichtig. BDI-Bewertung und Empfehlungen Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle hält richtigerweise fest: „Im Außenwirtschaftsverkehr gilt sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene zunächst der Grundsatz des freien Warenverkehrs. Beschränkungen und Anordnungen von Handlungspflichten sind jedoch möglich, wenn dies zur Wahrung bestimmter höherrangiger Schutzgüter erforderlich ist.“14 Zentrales Ziel der Exportkontrolle ist, Sicherheitsbedrohungen abzuwenden. Sie ist daher ein wichtiges Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik. Mit ECRA findet Industriepolitik Eingang in die US-Exportkontrolle. Die beabsichtigte Einführung der emerging and foundational technologies in das US-Exportkontrollregime ist in mehrfacher Hinsicht bedenklich. Es ist zwar nicht von der Hand zu weisen, dass bestimmte Technologien eine eindeutige Sicherheitsrelevanz haben, dies gilt jedoch nicht für alle der genannten Technologien. Dies ist unter anderem der Fall bei Technologien unter generischer Bezeichnung wie teaching systems oder auch scheduling systems. Technologien, zu der besonders von und für die Rüstungsindustrie geforscht wird, sind aufgrund ihrer militärischen Anwendbarkeit ohnehin kontrolliert. Zweitens handelt es sich oft – in jedem Falle aber bei Basistechnologien – um Technologien, die auf globaler Ebene erforscht und entwickelt werden. Eine voreilige Aufnahme, ohne Rücksicht auf die damit verbundenen Netzwerke von Wirtschaft und Industrie sowie auf globale Lieferketten zu nehmen, würde den grenzüberschreitenden Austausch von Ideen, Investitionen und Forschung gefährden. Drittens wäre die Aufnahme nach jetzigem Stand nicht mit den bereits anerkannten multilateralen Exportkontrollregimen vereinbar. Daher besteht das Risiko, dass sich Lücken zwischen den Regelungen der US-Exportkontrolle und den vier internationalen Exportkontrollregimen (dem Wassenaar-Abkommen, dem Missile Technology Control Regime, der Nuclear Suppliers Group und der Australia Group) bilden. Die deutsche Industrie empfiehlt daher: ▪
Die US-Regierung sollte die Exportkontrolle auf die Abwendung von Sicherheitsbedrohungen konzentrieren. Industriepolitik sollte nicht Ziel der Exportkontrolle sein.
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Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle 2019, Exportkontrolle und das BAFA, Grundlagen der Exportkontrolle, Antragstellung, Informationsquellen und Ansprechpartner, <https://www.bafa.de/SharedDocs/Downloads/DE/Aussenwirtschaft/afk_merkblatt_exportkontrolle_bafa.pdf?__blob=publicationFile&v=9> (eingesehen am 15.02.2020).
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Die Sicherheitsrelevanz der aufgeführten Technologien sollte von den US-Behörden nachvollziehbar dargelegt werden.
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Die neuen genehmigungspflichtigen Technologien und Güter sollten klar definiert und abgegrenzt werden zu solchen Gütern, die nicht einem Genehmigungsprozess unterliegen.
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Die vorgeschlagenen Änderungen des US-Exportkontrollrechts sollten im Einklang mit den Vorgaben der internationalen Exportkontrollregime durchgeführt werden. Eine Verschärfung des US-Exportkontrollrechts ohne zeitgleiche Anpassung der multilateralen globalen Exportkontrollregime ist nicht zielführend und führt zu Ungleichgewichten im Verhältnis zum Exportkontrollrecht anderer Länder. Unterschiede in den jeweiligen Exportkontrollgesetzen verschiedener Länder befeuern einen Prozess, der Wertschöpfungsketten entglobalisiert und damit Unternehmen zwingt, die gleiche Ware mit unterschiedlichen Bauteilen in konkurrierenden Hemisphären zu produzieren – mit Effizienzverlusten und möglichen Konjunktureffekten, die von Wirtschaftsbeteiligten und Verbrauchern gleichermaßen getragen werden müssen.
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Die USA sollten sich auf die bestehenden internationalen Regime konzentrieren. In einer globalen Welt untergraben unilaterale und plurilaterale Initiativen die Integrität der multilateralen Nicht-Verbreitungsregime.
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Die deutsche Industrie lehnt die extraterritoriale Anwendung der US-Exportkontrolle ab.
Entity List (Supplement No. 4 to Part 744) Hintergrund Die Entity List ist ein Instrument der US-Exportkontrolle, die durch die EAR näher geregelt wird. Laut Paragraphen §§ 730 ff. der EAR kann die Warenausfuhr einem Genehmigungsvorbehalt unterstellt werden. Das gilt für solche Fälle, bei denen die Ausfuhr aufgrund einer möglichen nicht-zivilen Nutzung, des Zielorts oder des Abnehmers als Sicherheitsrisiko eingestuft wird. Sofern Unternehmen oder Personen auf der Entity List aufgeführt sind, gilt bei der Bearbeitung des Ausfuhrantrags eine starke Ermessenslenkung, die sogenannte Presumption of Denial, die sich praktisch meist als Ausfuhrverbot an die gelisteten Unternehmen oder Personen auswirkt. Diese Liste ist in den USA bereits lange etabliert. Üblicherweise werden auf der Entity List Unternehmen geführt, die erwiesenermaßen gegen USGesetze verstoßen haben. Das trifft etwa auf Unternehmen zu, die an terroristische Organisationen oder Länder geliefert haben, welche einem Embargo unterstehen. Am 19. Mai 2019 fügte das BIS Huawei Technologies Co., Ltd. sowie 68 Zweiggesellschaften des Konzerns der Entity List hinzu.15 Die Entscheidung, ein Unternehmen, eine Organisation oder eine Person auf die Liste aufzunehmen, untersteht dem interministeriellen End-User Review Committee (ERC). Das ERC besteht aus Vertretern des US-Wirtschaftsministeriums (Department of Commerce), US-Außenministeriums (Department of State), US-Verteidigungsministeriums (Department of Defense), US-Energieministeriums (Department of Energy) und (wo angemessen) des US-Finanzministeriums (Department of Treasury). Eine Besonderheit in diesem Prozess ist, dass die Aufnahme auf die Liste nach dem Mehrheitsprinzip innerhalb des ERC vorgenommen wird, die Streichung von der Liste jedoch einstimmig erfolgen muss.
15
Bureau of Industry and Security 2019, Final Rule, Addition of Entities to the Entity List, 21. Mai 2019, RIN 0694-AH86, <https://www.bis.doc.gov/index.php/documents/regulations-docs/federal-register-notices/federal-register-2019/2393-additionof-entities-to-entity-list-final-rule-rin-0694-ah86-on-public-display-at-federal-register-and-effective-5-16-19-1-2/file> (eingesehen am 10.09.2019).
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Mehr Transparenz beim Einsatz von sicherheitspolitischen Instrumenten in der US-Handels- und Investitionspolitik
Das ERC begründet die Aufnahme des chinesischen Technologieunternehmens Huawei mit dem Verstoß gegen bestehende US-Sanktionen. So habe das Unternehmen ohne vorherige Genehmigung Lieferungen an den Iran vorgenommen. Dies laufe den sicherheits- oder außenpolitischen Interessen der Vereinigten Staaten zuwider. Im Nachgang der Listung wurde Huawei eine temporäre Lizenz für die weitere Geschäftstätigkeit bis zum 19. August 2019 zugestanden, die für weitere 90 Tage bis inklusive dem 18. November 2019 verlängert wurde. Diese umfassen vier Tätigkeitskategorien: (1) fortgesetzter Betrieb bestehender Netze und Ausrüstungen; (2) Unterstützung für vorhandene Mobilteile; (3) Cybersicherheitsforschung und Offenlegung von Sicherheitslücken; und (4) Engagement, das für die Entwicklung von 5G-Standards durch eine ordnungsgemäß anerkannte Normungsorganisation erforderlich ist. Am 18. November 2019 wurde die Lizenz wiederum auf weitere 90 Tage bis zum 16. Februar 2020 verlängert. Daraufhin wurde die Lizenz am 16. Februar 2020 um weitere 45 Tage bis zum 1. April 2020 verlängert. Am 10. März 2020 verlängerte das BIS die Lizenz bis zum 15. Mai 2020. Die Aussetzung der Wirkung der Entity List ist dabei sowohl für chinesische wie US-amerikanische aber auch europäische Konzerne von herausgehobener Bedeutung, um sicherzustellen, dass Kundinnen und Kunden mit entsprechenden Services, wie (Sicherheits-)Updates und ähnlichem, versorgt werden können. Andere Unternehmen, die auf der Entity List geführt werden, reichen von Kleinstunternehmen mit Verbindungen beispielsweise in den Iran oder auch Russland bis hin zu chinesischen Mikrochipherstellern und Nuklearkraftwerkbetreibern.16 Am 7. Oktober 2019 nahm das US-Wirtschaftsministerium 28 chinesische Regierungsstellen und Unternehmen auf die Entity List auf, die mit dem staatlichen Überwachungsapparat in der chinesischen Region Xinjiang in Verbindung stehen. Begründet wurde die Listung mit einer Beteiligung der entsprechenden Entitäten an Menschenrechtsverletzungen. Die Listung aufgrund von Menschenrechtsverstößen stellt ein Novum für die Verwendung der Entity List dar. Diese erweitert ihre potenzielle Reichweite deutlich und schafft Möglichkeiten zur Nutzung dieser Liste, die nicht allein nationalen und multilateralen Sicherheitsinteressen verpflichtet ist. BDI-Bewertung und Empfehlungen Die Entity List wurde 1997 ins Leben gerufen, um Risiken im Zusammenhang mit der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen zu begegnen. Seitdem wurde sie zu einem allgemeinen Instrument zum Schutz der US-Sicherheitsinteressen ausgebaut. Ursprünglich wurden oft Unternehmen und Personen gelistet, die gegen geltendes US-Exportkontrollgesetz verstoßen haben. Mittlerweile scheint als Listungsgrund die Feststellung ausreichend, dass ein Unternehmen oder eine Person gegen die außenpolitischen Interessen der Vereinigten Staaten handelt. Zudem scheinen auch wirtschaftspolitische Erwägungen eine Rolle zu spielen. Der Ausschluss Huaweis aus dem US-amerikanischen IKT-Sektor, insbesondere im Bereich der Telekommunikationsendgeräte und der Netzwerkinfrastrukturkomponenten, birgt die Gefahr, dass es zukünftig eine noch stärkere Ausprägung eines globalen Duopols von US-amerikanischer und chinesischer Technologie geben wird. Zudem könnte dies die Bestrebungen Chinas, im Technologiesektor
16
Bureau of Industry and and Security, Entity List, Supplement No. 4 to 15 CFR Part 744, <https://www.bis.doc.gov/index.php/component/docman/?task=doc_download&gid=2326> (eingesehen am 10.09.2019).
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Mehr Transparenz beim Einsatz von sicherheitspolitischen Instrumenten in der US-Handels- und Investitionspolitik
unabhängig zu werden, weiter anfachen. So hat Huawei bereits angekündigt, zukünftig ein eigenes Betriebssystem bereitzustellen.17 Die deutsche Industrie empfiehlt daher: ▪
Die US-Behörden sollten eine Listung auf der Entity List nur nach klar definierten, nachvollziehbaren und transparenten Kriterien vornehmen.
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Nur Unternehmen/Personen mit nachweisbaren sicherheitsgefährdenden Aktivitäten sollten in die Entity List aufgenommen werden.
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Temporäre Lizenzvergaben und kurzfristige Verlängerungen schaffen erhebliche Unsicherheiten für Wirtschaftsbeteiligte. Auch sie sollten demnach nach transparenten und nachvollziehbaren Kriterien erfolgen. Rechtsunsicherheit muss vermieden werden.
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Die deutsche Industrie lehnt die extraterritoriale Anwendung der US-Exportkontrolle ab.
Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen in den USA Hintergrund Nicht nur Importe ausländischer Güter und Exporte bestimmter Technologien, auch der Zustrom ausländischen Kapitals scheint zunehmend als Bedrohung wahrgenommen zu werden. Mit dem Foreign Investment Risk Review Modernization Act (FIRRMA) 18 verschärfte die US-Regierung 2018 deshalb die staatlichen Kontrollen ausländischer Investitionen. US-Präsident Trump unterzeichnete FIRRMA im August 2018 als Bestandteil des National Defense Authorization Act (NDAA). Zu dem neuen Gesetz gehört auch die oben beschriebene Reform des US-Exportkontrollrechts. Im Januar und Februar 2020 wurden letzte technische Änderungen an der Durchführungsverordnung veröffentlicht. Diese gelten ab dem 13. Februar 2020.19 Die staatliche Überprüfung ausländischer Investitionen in den USA ist nicht neu. Schon seit 1975 unterzieht die US-Regierung Auslandsinvestitionen einer Kontrolle. Die Prüfungen erfolgen durch das Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS)20. In diesem Ausschuss sind die Ministerien für Wirtschaft, Justiz, Homeland Security, Verteidigung, Äußeres, Handel und Forschung und Energie vertreten.
CNBC 2019, Huawei launches new operating system, says it can ‘immediately’ switch from Google Android if needed, <https://www.cnbc.com/2019/08/09/huawei-launches-its-own-operating-system-hongmengos-or-harmonyos.html> (eingesehen am 23.09.2019) 18 U.S. Treasury, Summary of the Foreign Investment Risk Review Modernization Act of 2018, <https://home.treasury.gov/system/files/206/Summary-of-FIRRMA.pdf> (eingesehen am 17.12.2019). 19 Federal Register 2020a, Provisions Pertaining to Certain Investments in the United States by Foreign Persons, <https://www.federalregister.gov/documents/2020/01/17/2020-00188/provisions-pertaining-to-certain-investments-in-theunited-states-by-foreign-persons> (eingesehen am 26.03.2020). Federal Register 2020b, Provisions Pertaining to Certain Transactions by Foreign Persons Involving Real Estate in the United States, <https://www.federalregister.gov/documents/2020/01/17/2020-00187/provisions-pertaining-to-certain-transactions-byforeign-persons-involving-real-estate-in-the-united> (eingesehen am 26.03.2020). Federal Register 2020c, Provisions Pertaining to Certain Investments in the United States by Foreign Persons and Provisions Pertaining to Certain Transactions by Foreign Persons Involving Real Estate in the United States; Correction, <https://www.federalregister.gov/documents/2020/02/18/2020-02713/provisions-pertaining-to-certain-investments-in-theunited-states-by-foreign-persons-and-provisions> (eingesehen am 26.03.2020). 20 U.S. Treasury, The Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS), <https://home.treasury.gov/policy-issues/international/the-committee-on-foreign-investment-in-the-united-states-cfius> (eingesehen am 17.12.2019). 17
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Mehr Transparenz beim Einsatz von sicherheitspolitischen Instrumenten in der US-Handels- und Investitionspolitik
Ausdrückliches Ziel der Überprüfungen war schon vor FIRRMA der Schutz der nationalen Sicherheit. Wenn CFIUS im Rahmen seiner Untersuchungen zu dem Ergebnis kommt, dass eine Investition die nationale Sicherheit gefährden könnte, kann das Gremium den Fall dem US-Präsidenten zur Entscheidung vorlegen. Die Entscheidung des Präsidenten ist bindend und nicht rechtlich anfechtbar. Von 2014 bis 2018 hat CFIUS 627 Übernahmen geprüft, in drei Fällen führten die Untersuchungen zu einem Verbot durch den Präsidenten. Allein 2018 wurden von US-Präsident Donald Trump zwei Beteiligungen untersagt; in beiden Fällen ging es um chinesische Investitionen in US-Technologieunternehmen (Xcerra und Qualcomm). Mit FIRRMA hat der US-Kongress ein Reformpaket verabschiedet, das die Kompetenzen von CFIUS deutlich ausweitet. Obwohl Investitionsprüfungen in den USA nicht neu sind, ist doch mit einer Zunahme von Untersagungen zu rechnen. Das Gesetz wird dazu führen, dass mehr ausländische Investitionen in US-Unternehmen überprüft werden. Im Vorschlag der Durchführungsverordnung wurde konkretisiert, in welchen Wirtschaftssektoren und unter welchen Umständen Auslandsinvestitionen überprüft beziehungsweise untersagt werden können. Erstens ermöglicht die Reform nun die Untersagung von Investitionen in Immobilien, wenn sich diese etwa in der Nähe von US-Militäranlagen befinden. Zweitens sind Überprüfungen vorgesehen bei der Übernahme von Unternehmen, die sich mit bestimmten Technologien, mit Infrastruktur oder mit der Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigen (TID businesses, technology, infrastructure, and data). In der Durchführungsverordnung werden für die Immobilienbranche sowie die drei TID-Sektoren Präzisierungen vorgenommen. Kritische Technologien sind im Sinne der Verordnung etwa Waffentechnologie, Nukleartechnik, bestimmte toxische Chemikalien sowie eine neue Kategorie von exportkontrollrechtlich relevanten Schlüsseltechnologien (emerging or foundational technologies), die im neuen Abschnitt 1758 des Exportkontrollgesetzes von 2018 (ECRA) aufgeführt sind (abgegrenzte Bereiche der Biotechnologie, der Künstlichen Intelligenz, IT-Technik, Quantencomputer, Robotik, Ultraschall u.a.). Zur kritischen Infrastruktur gehören im Sinne der Verordnung Netze in den Bereichen Telekommunikation, Energieversorgung, Öl/Gas, Wasserversorgung, Infrastruktur zum Betrieb der Finanzmärkte sowie etwa Infrastrukturen zum Betrieb militärischer Einrichtungen. Datenverarbeitende Unternehmen sind einer Prüfung zu unterziehen, wenn sie in größerem Maßstab personenbezogene Daten verarbeiten, die zur Schädigung der betroffenen Personen verwendet werden können (Gesundheitsdaten, persönliche Kommunikation, biometrische Daten) oder sicherheitsrelevant sind (etwa Ausweisdaten, Geodaten oder Regierungsdaten). Gegenstand der Überprüfungen ist aber nicht nur der Inhalt des Geschäftsbetriebs des zu übernehmenden Unternehmens, sondern auch die Möglichkeiten der Einflussnahme des Investors nach vollzogener Übernahme. Hier kommt es nicht mehr nur darauf an, ob eine Investition die Kontrolle über ein Unternehmen erlaubt. Vielmehr kann CFIUS nunmehr alle Investitionen überprüfen, die dem Investor Aktivitäten innerhalb des Unternehmens erlauben („nicht-passive Investitionen“). Nach der alten Regelung vor der FIRRMA-Reform konnten Investitionen ausländischer Unternehmen nur dann geprüft werden, wenn diese mit tatsächlichen Kontrollmöglichkeiten bei dem gekauften Unternehmen einhergingen. Der Fokus der Investitionskontrollen wird somit erweitert von der Möglichkeit der Kontrolle der unternehmerischen Entscheidungen durch den Investor hin zu den Handlungsmöglichkeiten des Investors innerhalb des erworbenen Unternehmens. Laut unbestätigten Presseberichten soll im Rahmen der FIRRMA-Umsetzung die Möglichkeit einer White-List für „freundliche ausländische Investoren“ eingeführt werden. Ausnahmen sollten für die Länder Australien, Großbritannien und Kanada gelten.
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Mehr Transparenz beim Einsatz von sicherheitspolitischen Instrumenten in der US-Handels- und Investitionspolitik
Bewertung und Empfehlungen FIRRMA bring längere Prüffristen mit sich, die zu Lasten von Investoren und Zielunternehmen gehen. So hat CFIUS nun maximal 60 statt früher 30 Tage Zeit zur Bearbeitung einer Investitionsprüfung. Auch zu Lasten der Unternehmen kann die für die Zukunft geplante Einführung von Gebühren für durchgeführte Investitionsprüfungen in Höhe von einem Prozent des Transaktionswertes gehen (bis maximal 300.000 US-Dollar). In einem weiteren Verordnungsvorschlag von März 2020 ist die Gebührenordnung für Transaktionen im Immobilienbereich aufgeführt.21 Die Gebührenverordnung für Transaktionen außerhalb des Immobilienbereichs wurde hingegen noch nicht veröffentlicht. Problematisch ist die Ausweitung der Prüfungen auf „nicht-passive Investitionen“. Während Eigentumsverhältnisse etwa über Prüfschwellen rechtlich klar zu fassen sind, gehen die erweiterten Prüfmöglichkeiten nun mit der Einführung ungenauer Rechtsbegriffe einher. Profitieren können Unternehmen hingegen von einem neu eingeführten vereinfachten Anmeldeverfahren, mit dem ein Unternehmen Vorab-Genehmigungen für Investitionen beantragen kann. FIRRMA hat CFIUS außerdem stärker institutionalisiert, was reibungslose Prüfungen ermöglichen könnte. CFIUS hat durch die Reform ein autonomes Haushaltsbudget erhalten und das Recht bekommen, selbstständig Personal anzustellen. Ein positiver Beitrag zur Transparenz der Aktivitäten des Ausschusses ist die Einführung einer Berichtspflicht von CFIUS gegenüber dem Kongress und der Öffentlichkeit. Zu begrüßen ist auch die Schaffung von mehr rechtlicher Klarheit durch die Festlegung von Kriterien dafür, in welchen Sektoren und unter welchen Umständen Auslandsinvestitionen einer Prüfung zu unterziehen sind. Gleichwohl wird es in der Praxis nicht immer einfach sein, Unternehmen den Kategorien zuzuordnen. Insgesamt erhöht FIRRMA die Hürden für Auslandsinvestitionen in die USA – auch zulasten deutscher Investoren und deutscher Unternehmen in den USA. Der Umfang der Prüfungen wurde ausgeweitet und in vielen Fällen wird die Prüfung verpflichtend. Mit FIRRMA liegt die Auslandsinvestitionspolitik nicht nur auf der Linie der sicherheitspolitisch und protektionistisch ausgerichteten Wirtschaftspolitik der Trump-Administration. Sie liegt auch im internationalen Trend zunehmend schärferer Investitionskontrollen, an dem sich auch Deutschland mit mehreren Verschärfungen in den letzten Jahren beteiligt hat. Die diskutierte Einführung einer White List mit Ausnahmen für Australien, Großbritannien und Kanada ist nicht nachvollziehbar. Sie stellt eine Bevorzugung einzelner Staaten nach „politischem Wohlverhalten“, jenseits bestehender Bündnissysteme, dar. Die deutsche Industrie empfiehlt daher: ▪
Die Präzisierung und Definition prüfungsrelevanter Wirtschaftssektoren ist ein positiver Beitrag zu mehr Rechtssicherheit für Investoren und Zielunternehmen. Allerdings wandelt sich die sicherheitspolitische Relevanz bestimmter Technologien schnell im Zuge technologischer und wirtschaftlicher Entwicklungen. Deshalb müssen im Lichte dieser Entwicklungen und der sicherheitspolitischen Bedrohungen die Definitionen im Dialog mit der Wirtschaft einer zyklischen Überarbeitung unterzogen werden.
21 Federal
Register 2020d, Filing Fees for Notices of Certain Investments in the United States by Foreign Persons and Certain Transactions by Foreign Persons Involving Real Estate in the United States, <https://www.federalregister.gov/documents/2020/03/09/2020-04641/filing-fees-for-notices-of-certain-investments-in-the-united-states-by-foreign-persons-and-certain> (eingesehen am 26.03.2020)
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Mehr Transparenz beim Einsatz von sicherheitspolitischen Instrumenten in der US-Handels- und Investitionspolitik
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Investitionskontrollen von CFIUS dürfen auch nach der Umsetzung von FIRRMA nicht zu industriepolitischen Zwecken instrumentalisiert werden. Investitionsbeschränkende politische Maßnahmen sind weltweit auf dem Vormarsch; die USA dürfen als weltweit größte Volkswirtschaft nicht die internationale Spirale des Investitionsprotektionismus beschleunigen. Als OECD-Mitglied müssen die USA bei Investitionsprüfungen die OECD-Guidelines for Recipient Country Investment Policies relating to National Security aus dem Jahr 2009 einhalten, die Investitionskontrollen auf den Schutz der nationalen Sicherheit beschränken.
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Die FIRRMA-Reform sollte dazu genutzt werden, eine rasche Durchführung der Prüfungen zu ermöglichen.
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Eine White List mit Ausnahmen für einzelne Länder jenseits bestehender Bündnissysteme ist abzulehnen.
Zusammenfassende Bewertung und Forderungen der deutschen Industrie Die beschriebenen Instrumente sollen dem Schutz der nationalen Sicherheit der USA dienen. Ihre Ausgestaltung legt jedoch den Verdacht nahe, dass sie auch die US-Wirtschaft fördern und eine Entkopplung (Decoupling) globaler Wertschöpfungsketten vorantreiben sollen. Im Fokus stehen dabei Unternehmen aus China, die in der Wertschöpfung strategisch wichtiger US-Wirtschaftssektoren stark beteiligt sind. Diese erzwungene Entflechtung von Wertschöpfungsketten fügt sich in die Handels- und Wirtschaftsagenda von Präsident Trump ein. Ihre Durchschlagskraft erreichen zumindest zwei der beschriebenen Instrumente – Entity List und der Export Control Reform Act – auch durch das Mittel der extraterritorialen Anwendung. Eine maximale Anwendung lässt sich wie im Falle der Export Administration Regulation dadurch erreichen, dass USProdukte auch beim Re-Export und später in der Wertschöpfungskette weiterhin dem US-Recht unterstehen. Bei komplexen Produkten der Hochtechnologie wird hinsichtlich eines Bestandteils oder einer Software von über 25 Prozent des Endproduktgesamtwerts durch diese extraterritoriale Anwendung ein weitreichendes Decoupling, auch in Drittstaaten, notwendig sein. Da sich diese Initiativen und Instrumente bisher gegen Unternehmen und Akteure aus einer bestimmten Region richten, scheint die Trump-Administration hiermit wirtschaftliche geostrategische Interessen zu verfolgen und durchsetzen zu wollen. Das schadet aufgrund der Verflechtung von effizienten und globalen Lieferketten nicht nur der Wirtschaft, sondern auch dem Vertrauen in effektive multilaterale Gremien und Regime wie die der Exportkontrolle. Eine Instrumentalisierung der Handelspolitik und sicherheitspolitischer Maßnahmen für eigene nationale Wirtschaftsförderung wird auch unter WTO-Regeln nicht geduldet. Von diesen multilateralen Institutionen haben vor allem die USA immer profitiert. Sie schaffen Stabilität, Sicherheit, Wohlstand und gewährleisten eine nachhaltige internationale Kooperation in einer globalen Welt.
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