Position
Marktkonsultation der Bundesnetzagentur zur Regulierung von Wasserstoffnetzen
Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.
Marktkonsultation „Regulierung von Wasserstoffnetzen“
Der BDI begrüßt die von der Bundesnetzagentur initiierte Marktkonsultation zur Regulierung von Wasserstoffnetzen. Zum heutigen Zeitpunkt ist die Integration von Wasserstoff in bestehende Gasnetze oder das Betreiben bzw. die Finanzierung von reinen Wasserstoffnetzen im bestehenden Ordnungsrahmen, z. B. im EnWG (Energiewirtschaftsgesetz) bzw. der GasNZV (Gasnetzzugangsverordnung) nicht eindeutig definiert. Gemeinsam mit FNB Gas, BDEW sowie VIK und DIHK hat der BDI hierzu in einem Verbändepapier vom April eine Anpassung des regulatorischen Rahmens zur Integration von Wasserstoff in bestehende Gasnetze und zum Aufbau einer reinen Wasserstoffinfrastruktur vorgeschlagen. Laut des Verbändevorschlags soll eine technologieneutrale Definition von Wasserstoff in das EnWG und die GasNZV integriert werden. Auch wenn die Entwicklung eines wettbewerblichen europäischen Binnenmarktes für Wasserstoff sicherlich noch vieler politischer und gesetzgeberischer Entscheidungen u. a. zum Marktdesign bedarf, müssen bereits heute die richtigen Grundsatzentscheidungen mit Blick auf erforderliche Infrastrukturmaßnahmen getroffen werden, da diese einen langen zeitlichen Vorlauf benötigen. Bereits bestehende Infrastrukturen müssen frühzeitig so vorbereitet werden, dass vor allem der Transport von reinem Wasserstoff und dessen Speicherung schnellstmöglich, spätestens ab Mitte des Jahrzehnts, zu einer real verfügbaren Option wird. Wasserstoff kann perspektivisch zur Treibhausgasneutralität industrieller Wertschöpfungsketten beitragen. Aus Sicht der Industrie sollten die dafür notwendigen Gesetzesänderungen zwingend bereits in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht werden, auch unter Berücksichtigung des EU-Ordnungsrahmens. Insbesondere die Industrie ist als potenziell großer Abnehmer von Wasserstoff auf eine funktionierende Wasserstoffinfrastruktur angewiesen. Dafür braucht es einen klaren regulatorischen Rahmen mit den entsprechenden Definitionen. Wie die erfolgreiche Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte zu Beginn dieses Jahrhunderts verdeutlicht, stellt die verlässliche, regulierte Bereitstellung der erforderlichen Netzinfrastruktur eine Grundvoraussetzung für eine wettbewerbliche Marktentwicklung dar. Industrieunternehmen werden Investitionsentscheidungen für die Dekarbonsierung ihrer Systeme erst dann treffen können, wenn sie wissen, dass die Transportfrage für Wasserstoff verlässlich gelöst ist. Die vielen existierenden Wasserstoffprojekte werden erst realisiert werden können, wenn ab diesem Jahrzehnt erste Wasserstoffnetze zur Verfügung stehen und deren Nutzungsbedingungen angemessen und akzeptabel sind. Erst auf Basis dieser Projekte und Investitionsentscheidungen wird sich ein breiter, wettbewerbsfähiger Wasserstoffmarkt über alle Sektoren hinweg entwickeln können.
Eckpunkte der BDI-Position: ▪
Der BDI plädiert für einen raschen Aufbau einer (grenzüberschreitenden) Wasserstoffinfrastruktur als einen entschei-denden Grundbaustein für den Start einer sektorenübergreifenden Wasserstoffwirtschaft. Dafür bedarf es einer schnellstmöglichen Einführung klarer Rahmenbedingungen. Wasserstoff kann perspektivische zur Treibhausgasneutralität industrieller Wertschöpfungsketten beitragen.
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Der BDI plädiert für die Integration einer technologieoffenen Definition von Wasserstoff in den bestehenden Rechtsrahmen.
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Aus Sicht des BDI sollte auf Fernleitungsebene zunächst mit dem Aufbau eines sortenreinen Wasserstoffnetzes begonnen werden. Eine Beimischung von Wasserstoff im Verteilnetz kann unter Beachtung der Bedürfnisse der angeschlossenen Kunden erfolgen. Einer großflächigen Beimischung steht der BDI kritisch gegenüber, da dies auch einen negativen Effekt auf die Wertigkeit von reinem Wasserstoff haben würde.
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Erfolgt eine Beimischung von Wasserstoff in das Erdgasnetz, müssen die von der DVGW gesetzten Kriterien grundsätzlich strikt eingehalten werden. Insbesondere wirken sich schnelle Schwankungen in der Erdgasbeschaffenheit störend auf sensible industrielle Prozesse aus.
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Grundsätzlich sollte ein dynamischer Regulierungsansatz unter schrittweiser bedarfsgerechter Anpassung auf die Wasserstoffnetze angewandt werden, d. h. eine sukzessive Schaffung eines konsistenten Regulierungsrahmens (auf Basis der bestehenden Erdgasregulierung), der schrittweise an die Bedürfnisse des Wasserstoffmarktes angepasst wird. Weitere Anpassungen müssen kontinuierlich mit den Marktakteuren konsultiert werden.
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Generell spricht sich der BDI für eine Anwendung der Entflechtungsregeln, unter Schutz der Freiheitgrade von „Arealnetzen“ aus. Ein diskriminierungsfreier Zugang zur künftigen Wasserstoffinfrastruktur muss gewährleistet sein.
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Die Refinanzierung der Wasserstoffinfrastruktur soll über die Gasnetzentgelte getragen werden (siehe Position Verbändepapier BDI, FNB Gas, BDEW, VIK, DIHK), sofern dies die Kosten für Erdgaskunden nicht erheblich beeinträchtigt.
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Beantwortung der Fragestellungen 1 Regelungen zur Beimischung von Wasserstoff in Erdgasnetze 1.1 Halten Sie es für wahrscheinlicher, dass sich ein reines Wasserstoffnetz entwickelt und damit parallel zum bestehenden Gasnetz existiert oder ist es wahrscheinlicher, dass vermehrt Wasserstoff ins Erdgasnetz beigemischt wird? Wie schätzen Sie dies für den Zeitraum bis 2030, bis 2040 und bis 2050 ein? Die Entwicklung von reinen Wasserstoffnetzen hängt wesentlich von politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab, sowohl bei Wasserstoffverbrauchern, -erzeugern als auch bei -transporteuren. Zur Erfüllung der Klimaziele wird sowohl die Beimischung in bestehende Erdgasnetze als auch die Entwicklung eigenständiger Wasserstoffnetze notwendig sein. Aus heutiger Sicht scheint die Entwicklung von parallelen Methan- und Wasserstoffinfrastrukturen auf der Transportebene mit Möglichkeiten punktueller Wasserstoffbeimischung auf der Verteilnetzebene eine Lösung darzustellen, die den Anforderungen verschiedener Verbrauchergruppen gerecht werden kann. Die Beimischung darf dabei nur in den Netzgebieten erfolgen, in denen keine sensiblen Anlagen angeschlossen sind. Aus Sicht des BDI ist zu erwarten, dass in der Hochlaufphase einer Wasserstoffwirtschaft zunächst einzelne Wasserstoffleitungen neu gebaut, bzw. diese von Erdgas- auf Wasserstofftransport umgestellt werden. Auch wenn es sich hierbei anfänglich nur um direkte Punkt-zu-Punkt-Leitungen handeln sollte, sind diese schon als Wasserstoff-netze anzusehen, da diese von Anfang an der öffentlichen Energie-versorgung dienen und Dritten zum Anschluss und Zugang offenstehen, sofern es sich nicht um reine Arealnetze bzw. isolierte Wasserstoff-Stichleitungen handelt. Dies bedeutet, dass sich auf Fernleitungsebene eher ein reines H2-Netz entwickelt - zunächst zwischen zentralen Industrieinsel-gebieten - und das parallel zum bestehenden Erdgasnetz verläuft. Vor allem werden dabei in einer ersten Phase bereits bestehende Gasnetze (wie etwa L-Gas-Netze) zu reinen Wasserstoffpipelines umgewidmet. Langfristig könnte Wasserstoff Erdgas weitgehend ablösen. Die Führung von Parallelnetzen ermöglicht eine Belieferung von „sortenreinem“ Wasserstoff bzw. reinem Erdgas an Verbraucher bzw. nachgelagerten Netzen. Die Reinheit und Qualität der Gase ist insbesonders für sensible Endverbraucher, wie beispielsweise der Glas- und Keramikindustrie, der Chemieindustrie oder Erdgastankstellen entscheidend, da sich die Qualität der Gase auf die Qualität der Endprodukte auswirken kann. Selbst wenn industrielle Abnehmer eine gewisse „Wasserstoffverträglichkeit“ aufweisen, muss sichergestellt werden, dass der Wasserstoffanteil keinen größeren Schwankungen unterliegt.
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Die Einspeisung von Wasserstoff in Erdgasnetze (Fernleitungs- und Verteilnetze) kann wirtschaftlich sinnvoll sein, z. B. wenn parallele Infrastrukturen wirtschaftlich nicht darstellbar sind oder wenn eine dezentrale Wasserstofferzeugungsanlage sich in einem Netzgebiet ohne Wasserstoffnetzanschluss befindet. Auf Verteilnetzebene sind Beimischungen in der kürzeren Frist unter strikter Berücksichtigung sensibler Letztverbraucher denkbar. Die Umstellung/Anpassung der Verbrauchsgeräte (Bestandsgeräte) muss schrittweise erfolgen. 1.2 Halten Sie eine Erhöhung der Beimischungsquoten für sinnvoll? Wenn ja, bis zu welcher Höhe? Was spricht aus Ihrer Sicht für oder gegen eine Erhöhung? Wie in Frage 1.1. erläutert, machen die Qualitätsanforderungen bestimmter sensibler Endverbraucher eine Erhöhung der Beimischungsquoten problematisch. Insbesondere wirken sich schnelle Schwankungen der Erdgasbeschaffenheit störend auf sensible Prozesse aus. Durch eine Beimischung von Wasserstoff in Gasverteilnetzen verändern sich die brennstofftechnischen Eigenschaften des Gases. Die Einführung einer Beimischungsquote könnte den Markthochlauf für Wasserstoffproduktion beschleunigen. Die Festlegung auf eine Beimischungsquote sollte sich aber zwingend an den technischen Vorgaben des DVGW-Regelwerkes orientieren. Ein sprunghafter Anstieg von Investitionskosten ins Erdgasnetz aufgrund von kostenintensiven Netzausbauten oder eine Abkehr von anwendungssensiblen Kundengruppen muss dabei ausgeschlossen bleiben. Ebenso darf der grenzüberschreitende innereuropäische Handel aufgrund einer Beimischungsquote nicht beeinträchtigt werden. Zudem sollte aufgrund der Wertigkeit der Wasserstoffbeimischung bzw. der mit einer Beimischung verbundene Wertverlust von Wasserstoff in Erdgasnetze immer nur eine nachrangige Lösung sein. 1.3 Sollen zusätzliche Regelungen, etwa zum Schutz von sensiblen Verbrauchern, eingeführt werden, wenn es zu höheren Beimischungsquoten kommt? Wenn ja, welche? Hinsichtlich der Herstellung von Netzanschlüssen zur Einspeisung von Wasserstoff in bestehende Erdgasnetze sollte durch entsprechende Regelungen im Energiewirtschaftsgesetz und der Gasnetzzugangsverordnung sichergestellt werden, dass diese sich innerhalb der bestehenden Grenzwerte der DVGW-Regelwerke bewegen und dass bestehende Nutzer des jeweiligen Erdgasnetzes hierdurch nicht beeinträchtigt werden. Das Vertrauen von Kunden bei der Anwendung von Erdgas darf nicht durch mögliche Qualitätsschwankungen belastet werden. Wir sehen das technische Regelwerk, insbesondere DVGW G260/262, als www.bdi.eu
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das dafür geeignete und bereits vorhandene Regelwerk an. Eine Weiterentwicklung dieser DVGW-Regelungen hinsichtlich der Netz- und Anwenderkompatibilität bei einer möglichen höheren Wasserstoffbeimischung begrüßen wir. Eine entsprechende Netzkompatibilitätsprüfung sollte vor Gewährung eines Netzanschlusses von Netzbetreibern verpflichtend durchgeführt werden müssen. Der Netzanschluss sollte verweigert werden müssen, wenn die jeweilige Prüfung ergibt, dass durch die Ein- oder Ausspeisung andere Netznutzer, die bereits an das L- oder H-Gasversorgungsnetz angeschlossen sind, wesentlich beeinträchtigt werden. Allerdings sollte in diesem Fall der Grad der Beeinträchtigung erheblich sein. Ggf. sollte eine Abwägung zwischen den Beimischungsinteressen einerseits und der Anpassungspflicht des Kunden andererseits stattfinden. 1.4 Halten Sie die bestehenden Regelungen für die Einspeisung von Wasserstoff ins Erdgasnetz (z. B. die Analogie zu Biogas) für ausreichend und sinnvoll oder bedarf es einer Neuregelung? Welche Regelungen sollten angepasst werden und wie? Muss das technische Regelwerk angepasst werden? Wasserstoff ist als solcher in der aktuellen Fassung des EnWG nicht klar definiert. Die Anwendbarkeit des EnWG ist ausschließlich auf die Formulierung „mit weit überwiegend erneuerbarem Strom“ erzeugten, elektrolytischen Wasserstoff beschränkt, der als Biogas und nur als Beimischung zum Erdgas im Methannetz behandelt wird (§ 3 (10c) EnWG). Das Potenzial anderer Wasserstoffherstellungspfade findet im bestehenden Rechtsrahmen keine Berücksichtigung. Zudem führt die bestehende Privilegierung von Biogas zu Problemen beim Aufbau von Wasserstoffnetzen in Bezug auf Anschluss- und Zugangsverweigerungsrechte. Daher fordert der BDI eine Integration einer technologieoffenen Wasserstoffdefinition in das EnWG bzw. innerhalb der GasNZV. Mit der Veröffentlichung der europäischen Strategie wird deutlich, dass das Thema auf europäischer Ebene zügig an Bedeutung gewinnen wird. Daher ist es wichtig, dass Deutschland mit der Einführung einer technologieoffenen Definition für Wasserstoff auf nationaler Ebene rasch Klarheit schafft, um die entsprechenden Vorkehrungen im nationalen regulatorischen Rahmen zu schaffen, die auch einen Hochlauf einer grenzüberschreitenden Wasserstoffwirtschaft ermöglichen. Die Definition von Wasserstoff in § 3 Nr. 10c und 19a EnWG sollte technologieneutral ausgestaltet werden. Eine Fokussierung der Wasserstofferzeugung auf die Wasserelektrolyse schließt von vornherein andere CO2-arme Wasserstofferzeugungspotenziale aus. Langfristig muss jegliche Technologie, die sich zur treibhausgasarmen Darstellung von Wasserstoff eignet, Berücksichtigung finden (z. B. Chlor-Alkali-Elektrolyse, Biomethanreformierung, blauer Wasserstoff, Methanpyrolyse). Die www.bdi.eu
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großen - künftig benötigten - Wasserstoffmengen verbieten den Ausschluss geeigneter Technologien. Die Einführung eines erweiterten, technologieoffenen Wasserstoffbegriffs im EnWG muss mit der Einführung eines eigenen Bilanzkreissystems für Wasserstoff einhergehen. Reine Wasserstoffnetze erfordern Sonderreglungen, z. B. im Hinblick auf die Netzanschlusspflichten des Betreibers. Nur mit einer eigenen Definition können die Sonderregelungen eindeutig formuliert werden. 2 Ausweitung der Nutzung von Wasserstoff in der Wirtschaft 2.1 Welche der folgenden Infrastrukturszenarien halten Sie für denkbar bzw. in der Zukunft für realistisch, und in welchem Zeitraum? Bitte begründen Sie Ihre Antwort nach Möglichkeit anhand von konkreten Daten/Zahlen. Berücksichtigen Sie bei Ihrer Begründung auch die folgenden Fragen: Was sind die einzelnen Treiber für den zukünftigen Wasserstoffbedarf und die Wasserstofferzeugung? Welcher Bedarf an Erdgas wird in welchen Sektoren weiterhin bestehen? Wird nach Ihrer Ansicht die Wasserstoffnachfrage gegenüber dem Wasserstoffangebot dominieren, oder andersherum, und wie sollte dies verzahnt werden, auch mit dem Aufwuchs der Infrastruktur?
Szenario I: Lokale Inselnetze, Verbrauch und Erzeugung von Wasserstoff aufgrund lokaler Agglomeration von regionalen Bedarfen. Szenario II: Lokale Inselnetze, einzelne lange Transportleitungen verbinden verschiedene lokale Inselnetze oder Wasserstoffproduktionsstandorte, bzw. ermöglichen Importe von Wasserstoff aus dem Ausland. Szenario III: Engmaschige Verteilernetze, einzelne lange Transportleitungen verbinden flächendeckende Verteilernetze aufgrund der hohen Zunahme des Wasserstoffverbrauchs in unterschiedlichen Sektoren, wie z. B. im Verkehrssektor. Wie in dem 2019 veröffentlichten Papier “Eine Industrie-Roadmap für den Einsatz klimafreundlicher Gase“ aufgezeigt, bedarf es aus Sicht des BDI für die Markteinführung klimafreundlicher Gase einerseits einer Fokussierung auf den Industrie- und Verkehrssektor, um bereits kurzfristig die erforderlichen Kostenreduktionen zu erzielen. Insbesondere können große Industriestandorte und -regionen mit einem großen zur stofflichen www.bdi.eu
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Verwendung vorgesehenem Wasserstoffbedarf, eine große Abnahme sicherstellen. In einem weiteren Schritt wird andererseits der Wärmemarkt für den Bedarf von Wasserstoff eine Rolle spielen, damit es am Ende zu einer marktbasierten Öffnung für alle Verbrauchssektoren kommt. Es ist bereits aus heutiger Sicht zu erwarten, dass der Bedarf an reinem Wasserstoff insbesondere bei großindustriellen Verbrauchern langfristig bestehen bleibt oder tendenziell steigt. Die Kapazitäten der bestehenden Wasserstoffnetze werden mit großer Wahrscheinlichkeit nicht ausreichen, um den künftigen Bedarf in allen Sektoren abzudecken. Daher wird sich aus unserer Sicht, in kurzer bis mittlerer Frist, Szenario II einpendeln und sich im Rahmen einer grenzüberschreitenden Wasserstoffwirtschaft zu Szenario III entwickeln: Zunächst erfolgt ein Aufbau von lokalen Wasserstoffmärkten (dezentrale Erzeugung, Industriecluster, lokale Nachfrage durch z. B. Mobilitätsanwendungen in Ballungsräumen und Großregionen). Zugleich aber aufgrund der sehr hohen Bedarfe im Industriebereich (z. B. Chemie/Stahlindustrie) und vermutlich nicht ausreichender standortnaher Erzeugung (Problem EE-Strom-Antransport) entsteht auch der Bedarf an FerntransportLeitungen, um große Industriestandorte mit Erzeugungsschwerpunkten (dezentral, aber auch Offshore-nah) zu verbinden. Zur Sicherung der Versorgung auch der lokalen „Inseln“ ist im Endeffekt auch eine Anbindung an Speicher, andere Industrieinseln bzw. das Ausland erforderlich. Auch dies spricht für den Ausbau der Transportnetze. Die reine Betrachtung der Fernleitungsnetze (ohne Verteilnetze) ist jedoch langfristig unzureichend. Die großen Industrieverbraucher und der dezentrale Verkehr müssen i.d.R. über das Verteilnetz versorgt werden. Daher muss die Verteilnetzebene ebenso in Betracht gezogen werden. 2.2 Welche Aufgabe wird Ihrer Ansicht nach beim reinen Wasserstofftransport den Transport- bzw. Fernleitungen zukommen und welche den Verteilnetzen? Wird es Ihrer Ansicht nach auch reine Wasserstoffleitungen auf Verteilernetzebene geben? Aus unserer Sicht wird auf Fernleitungsebene vorrangig der Transport von sortenreinem Wasserstoff von/zu Erzeugungs- und Verbrauchsschwerpunkten (und Verteilnetzen) sowie Anbindung von Speichern stattfinden. Dies berücksichtigt auch die in Frage 1 erläuterten Qualitätsanforderungen bestimmter sensibler Endkunden. Im Verteilnetz ist eine Beimischung möglich, sofern dies regional sinnvoll erscheint. Auch im Verteilnetz sind reine Wasserstoff-Leitungen möglich – abhängig von der Situation vor Ort (Bedarf bestehender Verbraucher, Entwicklung neuer Gebiete). Beispielsweise dürfte an Industriestandorten www.bdi.eu
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auch im Verteilnetz zunächst ein Bedarf an parallelen Wasserstoff- und Erdgasnetzen (weiterhin) gegeben sein, aufgrund der Qualitätsanforderungen der ansässigen Verbraucher. Die an solchen Standorten bereits heute bestehende Parallelität zwischen Wasserstoff- und Erdgasnetzen im Verteilnetz sollte erwartungsgemäß bestehen bleiben, allerdings können sich die Bedarfe ändern (zunehmende Nachfrage nach Wasserstoff möglich). Damit ist auch der Bedarf an eine Anbindung an Wasserstoffnetzwerken auf Verteil- oder Fernleitungsnetze außerhalb des entsprechenden Industriestandortes verbunden (vorgelagerte Netze). Gleichwohl schließen wir auch im Transportnetz nicht aus, dass zukünftig regional und abhängig von der angeschlossenen Verbraucherstruktur, auch gewisse Beimischungskonzentrationen möglich sein werden. Diese sind gemäß der aktuellen Regelwerke nach erfolgter Prüfung der Verträglichkeit auch heute schon in Teilnetzen zulässig. 2.3 Wie schätzen Sie den grenzüberschreitenden Transport von Wasserstoff ein? Wird es grenzüberschreitende Wasserstoffnetze geben? Wenn ja, welche Szenarien halten Sie dabei für realistisch? Der grenzüberschreitende Transport von Wasserstoff spielt für den effizienten Aufbau eines funktionierenden Wasserstoffmarktes eine zentrale Rolle. Den zukünftigen Bedarf an Wasserstoff autark innerhalb Deutschlands zu erzeugen ist weder ökologisch sinnvoll noch ökonomisch effizient. Ein grenzüberschreitender offener Wasserstoffmarkt gehört auch zu den Zielen der europäischen Wasserstoffstrategie. Notwendig für den grenzüberschreitenden Handel und Transport von Wasserstoff sind eine frühzeitige Festlegung grenzüberschreitender Standards (Qualitätsanforderungen und Interoperabilität). Ein einheitliches Klassifizierungssystem erneuerbarer Gase mit einer Einführung eines europaweiten Herkunftsmechanismus sehen wir daher bereits bis Ende dieses Jahres erforderlich, um die Entwicklung unterschiedlicher lokaler Initiativen von vornherein zu vermeiden, indem direkt auf europäisch harmonisierte Standards gesetzt wird. Im Gasmarkt hat die Beimischung von Odorierungsmitteln gezeigt, dass Unterschiede in Qualitätspraktiken durchaus ein Hindernis für den grenzüberschreitenden Handel mit Gas darstellen kann. Bei dem Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft besteht die Chance, solche Ineffizienzen von vornherein zu vermeiden. Grenzüberschreitende Leitungen werden sich sehr wahrscheinlich zunächst durch bilaterale Kooperation von Gas-Fernleitungsnetzbetreibern ergeben und durch Umwidmung bestehender Erdgasleitungen entstehen. Zu erwarten ist dies v. a. zunächst im Bereich der heute bestehenden L-Gas-Gebiete, in www.bdi.eu
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denen parallele L- und H-Gas-Leitungen verlaufen und wo die L-GasLeitungen durch den Rückgang der L-Gas-Produktion nicht mehr benötigt werden (Nordwesteuropa: D, NL, B, Nordfrankreich). Um die notwendige Infrastrukturentwicklung in Abstimmung mit den europäischen Partnern vorantreiben zu können, empfiehlt der BDI eine Evaluierung verschiedener Infrastrukturentwicklungsszenarien für klimaneutrale Gase einzuleiten. Der BDI begrüßt die Entwicklung eines gemeinsamen Szenariorahmens für Strom und Gas auf europäischer Ebene (ENTSOG/ENTSOE). Dies könnte auch Vorzeigemodell für eine Umsetzung auf nationaler Ebene werden. 2.4 Welche Akteure werden Ihrer Ansicht nach in dem von Ihnen am wahrscheinlichsten erachteten Szenario aktiv werden (bspw. VNB, FNB, PtG-Anlagenbetreiber, Nachfrager, weitere)? Welche konkrete Rolle werden die unterschiedlichen Akteure spielen? Wer wird Treiber für den Wasserstofftransport in dem von Ihnen als am wahrscheinlichsten erachteten Szenario sein (Einspeiser von H2 wie PtG-Anlagenbetreiber oder Nachfrager nach H2)? Der Industrie kommt auf der Nachfrageseite eine große Rolle zu (siehe Antwort 2.1), denn Wasserstoff wird einen wichtigen Bestandteil der Dekarbonisierung industrieller Wertschöpfungsketten darstellen. Laut BDIRoadmap wird zunächst in den Sektoren Industrie und Verkehr Wasserstoff seine Anwendung finden - in einem weiteren Schritt im Wärmesektor. Laut Wuppertal-Institut würden ca. 225 TWh Wasserstoff jährlich benötigt um 100 % Prozent der heute inländisch in der Grundstoffchemie eingesetzten fossilen Rohstoffe durch synthetische Einsatzstoffe aus Wasserstoff und CO2 zu ersetzen. Auch auf der Erzeugungsseite wird es Treiber geben, wie etwa PtGAnlagenbetreiber. Voraussetzung für beide Seiten ist die parallele Entstehung einer funktionierenden Wasserstoffinfrastruktur. Diese Entwicklungen sind vor allem auch von politisch-regulatorischen Rahmenbedingungen abhängig, d. h. von den entsprechenden Anreizen bzw. der entsprechenden Maßnahme auf Nachfrageseite. 2.5 Wie schätzen Sie den Wettbewerb zwischen den Produkten Erdgas und Wasserstoff ein? Beim Angebot von Wasserstoff gibt es unterschiedliche Erzeugungstechnologien (z. B. PtG über Erneuerbare Energien, Erdgasreformierung). Wie wird sich der Wettbewerb beim Angebot von Wasserstoff entwickeln? In vielen industriellen Bereichen, wie etwa der stofflichen Nutzung von Erdgas, stellt Wasserstoff eine Möglichkeit der Substitution dar. Allerdings ist Wasserstoff gegenüber Erdgas noch nicht wettbewerbsfähig und bedarf daher in einer Markthochlaufphase einer Unterstützung durch Entlastungen www.bdi.eu
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und Förderungen, um in den Bereich der finanzierbaren Nutzung zu kommen. Zwischen den Energieträgern Erdgas und Wasserstoff wird der Wettbewerb sehr wahrscheinlich nicht in allen Teilbereichen zeitgleich und sofort entstehen. Die Bepreisung von CO2 wird insbesondere in CO2-intensiven Prozessen eine rasche Substitution durch Wasserstoff begünstigen. Das neu entstandene Kosten-Gap stellt eine große Herausforderung dar. Seit letztem Sommer befinden sich die europäischen Gasgroßhandelspreise auf einem Rekordtief. Dieser Effekt wurde durch die Corona-Krise noch weiter verstärkt. Hinsichtlich des Wettbewerbs der verschiedenen Wasserstofferzeugungstechnologien steht die Politik in der Verantwortung, die Bedingungen technologieneutral zu gestalten. Sowohl die deutsche als auch die europäische Wasserstoffstrategie setzen klar auf den „grünen“ Wasserstoff. Für andere Erzeugungstechnologien wird eher nur eine Übergangsrolle gesehen. Unter Kostengesichtspunkten sollte dabei der Wettbewerb aller Technologien ermöglicht werden. Zusätzlich muss berücksichtigt werden, dass für eine großflächige Nutzung von Wasserstoff in der Industrie die Mengen an verfügbaren grünen Wasserstoff nicht ausreichend sein werden. Daher wird „blauer“ und „türkiser“ Wasserstoff, insbesondere für den Markthochlauf, genauso notwendig sein. Unter Klimagesichtspunkten ist weniger die Erzeugungstechnologie relevant als der CO2-Fußabdruck. Für die Wasserstoffnutzung im Verkehrssektor, z. B. zur Erzeugung von Methanol aus CO2, ist ein schneller Markthochlauf des „grünen“ Wasserstoffs unbedingt erforderlich. 3 Einführung einer Regulierung für reine Wasserstoffnetze 3.1 Zur Beurteilung der Regulierungsnotwendigkeit von Wasserstoffnetzen ist zu bewerten, ob derzeit oder zukünftig ein möglicher Missbrauch von Marktmacht oder eine Diskriminierung auf dem Markt „Transport“ vorliegen. Nur dann wäre aus ökonomischer Sicht ein Einschreiten des Staates angezeigt, um ein ineffizientes Marktergebnis zu verhindern. Teilen Sie diese Prämisse? Die bestehenden Wasserstoffnetze dienen heute vorwiegend der privaten Nutzung. Insofern besteht immer die Möglichkeit einer Ausnutzung von Marktmacht im Sinne eines Preishöhenmissbrauchs, d. h. eine Gestaltung der Netzzugangsbedingungen (Entgelte) durch den Netzbetreiber zu seinen Gunsten. Je nach Unternehmensstruktur (vertikale Integration) oder Wettbewerbssituation (ggf. Konkurrenz zwischen Unternehmen auf unterschiedlichen Stufen der Wasserstoffwertschöpfungskette) ist der Anreiz zu Diskriminierung ebenfalls vorhanden. Insofern ist eine Wahrscheinlichkeit von Marktmachtmissbrauch und Diskriminierung gegeben, was eine Netzregulierung der Wasserstoffnetze erfordern würde.
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Übergangslösungen können für bestehende Wasserstoff-Pipelines notwendig werden, die nicht für ein Entry-Exit-System dimensioniert wurden. Bestehende industrielle Wasserstoffnetze mit Arealcharakter sind nicht ohne Weiteres für das bestehende Entry-Exit-Modell geeignet. Deshalb empfehlen wir zunächst eine Beibehaltung der aktuellen Freiheitsgrade. Weitere regulatorische und ordnungspolitische Anpassungen im europäischen und deutschen Recht, die für einen funktionierenden wettbewerblichen Wasserstoffmarkt ebenfalls unerlässlich sind, sollten zeitnah in einem zweiten Schritt angegangen werden. Dies betrifft auch die Entwicklungen eines fairen Wettbewerbsrahmens für bestehende und künftige Formen der Energiespeicherung. 3.2 Halten Sie die Einführung einer Regulierung für Wasserstoffnetze zielführend? Wenn ja, wo sehen Sie ohne Regulierung ganz konkret einen möglichen Missbrauch von Marktmacht oder eine Diskriminierung? a) Eine Zugangsregulierung wäre notwendig, wenn es wahrscheinlich ist, dass es z. B. zur Verweigerung von Durchleitungen oder zur Verweigerung der Abnahme von Wasserstoff Dritter kommt. Sehen Sie dies als wahrscheinlich an? Sehen Sie hier auf der Verteilernetzebene andere Probleme als auf der Fernleitungsnetzebene? Dies hängt von der Struktur der Unternehmen ab. Sofern H2Fernleitungsnetze von bestehenden Erdgas-FNB betrieben werden, dürfte aufgrund des Unbundlings die Gefahr einer Zugangsdiskriminierung eher gering sein. Anders sähe dies aus, wenn diese FNB zugleich auf anderen Stufen der H2-Wertschöpfungskette aktiv sind (ggf. in laufenden/geplanten Projekten bereits der Fall). Im Falle bestehender H2-Infrastrukturen sind die historisch gewachsenen Strukturen, Leitungskapazitäten sowie Verträge, die einer Durchleitung oder Einspeisung von H2 durch Dritte entgegenstehen können (vgl. Antwort 4.6) zu berücksichtigen. Gleichwohl ist unstreitig, dass für den Aufbau eines wettbewerblichen H2-Marktes neu errichtete oder umzuwidmende H2-Leitungen bereits von Beginn an ein diskriminierungsfreier Netzzugang ermöglicht werden muss. Ohne diskriminierungsfreien Netzzugang wird der Aufbau eines wettbewerblichen Wasserstoffmarktes nicht möglich sein. Das gilt in jedem Fall, wenn die Wasserstoffinfrastruktur als natürliches Monopol einzustufen ist. b) Eine Entgeltregulierung wäre notwendig, wenn z. B. eine ineffiziente Preissetzung für den Wasserstofftransport zu befürchten ist und die Netzbetreiber Monopolrenten abschöpfen könnten. Sehen Sie dies als wahrscheinlich
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an? Sehen Sie hier auf der Verteilernetzebene andere Probleme als auf der Fernleitungsnetzebene? Ein unabhängiger Wasserstoff-Netzbetreiber dürfte immer den Anreiz haben, Monopolrenditen abzuschöpfen. Ob ihm dies gelingt, hängt von alternativen Transportmöglichkeiten ab (möglicherweise parallel verlaufende alternative Netze oder nicht-leitungsgebundene Transportmöglichkeiten). Dies ist zunächst einmal unabhängig davon, ob die Fernleitungs- oder Verteilnetzebene betroffen ist. 3.3 Gibt es derzeitige oder künftig zu erwartende Hemmnisse für die Entwicklung oder den Zugang zu einer Wasserstoffinfrastruktur, die durch eine Regulierung abgebaut werden können? Bitte begründen Sie Ihre Antwort auch im Vergleich zu derzeit regulierten Infrastrukturen (Strom, Gas), bzw. unregulierten Infrastrukturen (z. B. Fernwärme, Mineralölnetze). Gerade zu Beginn des Aufbaus einer Wasserstoffwirtschaft ist davon auszugehen, dass Marktrollen vermischt sind, so dass sich die Zugangsfrage zu den Netzen in besonderem Maße stellt. Dies spricht dem Grundsatz nach für eine Regulierung von Beginn an. 3.4 Welche weiteren Vor- bzw. Nachteile sehen Sie insbesondere im Hinblick auf die bestehenden Wasserstoffnetze in einer Regulierung der derzeitig unregulierten reinen Wasserstoffinfrastruktur? Bereits vorhandene Gasinfrastrukturen können aufgrund ihrer Transport- und saisonalen Speicherfähigkeit zeitnah für Wasserstoff verwendet und perspektivisch umfassend für eine zukünftige Wasserstoffwirtschaft genutzt werden. Bisherige reine Wasserstoffinfrastrukturen werden von vertikal integrierten Unternehmen betrieben. Bisher hat eher eine direkte Verbraucher-ErzeugerKonstellation im Vordergrund gestanden und die Netze sind bisher in dieser Beziehung eher zweitrangig gewesen. Der Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft kann nun die Marktrollen verändern. Bisherige Abnehmer werden ggf. selbst zu Erzeugern (und damit zu Konkurrenten der Netzbetreiber auf der Erzeugungs- oder Vertriebs-Stufe). Hier stellt sich die Zugangsfrage in besonderem Maße. Sofern Transportkapazitäten in diesen Netzen vorhanden sind, sollten diese genutzt werden, um langwierigen (und ggf. ineffizienten) parallelen Leitungsneubau zu vermeiden. Grundsätzlich bietet die Regulierungserfahrung aus dem Strom- und Gasbereich einen guten Ansatzpunkt für die Regulierung von Wasserstoff. Allerdings muss dieser Markt erst hochgefahren werden. Aus diesem Grund sollte mit die Regulierung auch im Lichte der unter Ziff. 2.1. genannten Szenarien schrittweise bzw. dynamisch erfolgen, um den diskriminierungsfreien Transport und Handel zu ermöglichen. www.bdi.eu
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Regulierungsumfang und -tiefe müssen gemäß der Marktentwicklung schrittweise angepasst werden. Bei jedem Schritt sollte überprüft werden, ob für diesen Bereich überhaupt der Missbrauch eines „natürlichen Monopols“ vorliegt, der eine Regulierung erfordert. Während des Markthochlaufs mit vergleichsweise hohen spezifischen Infrastrukturkosten können staatliche Zuschüsse erwogen werden. 4 Umfang einer möglichen Regulierung für reine Wasserstoffnetze 4.1 Bei der Einführung eines Regulierungsregimes für Wasserstoffnetze ist zu prüfen, in welchem Umfang dieses notwendig ist. Es könnte ausreichen, eine konsequente Zugangs- und Entgeltregulierung für Wasserstoffnetze einzuführen, ohne dabei eine umfangreiche Entflechtung dieser Netze vorzunehmen. Andererseits könnte auch eine konsequente Entflechtung eine weniger strenge Zugangs- und Entgeltregulierung erlauben. Bitte nehmen Sie dazu Stellung und begründen Sie Ihre Meinung. Die Erfahrungen mit Netzzugangs- und Entflechtungsregelungen im Stromund Gasbereich haben sich bewährt und zu der Entwicklung von transparenten und wettbewerblichen Märkten beigetragen. Das Entflechtungsregime sieht Abstufungen vor, die Rücksicht auf die Größe der betroffenen Unternehmen nehmen. Dabei gilt: Je weniger strikt die Entflechtung, umso stärker sollte auf die Zugangsbedingungen geachtet werden. Gleichzeitig sollte unnötiger administrativer Aufwand vermieden werden. Wie in Frage 3 beschrieben, stellen Wasserstoffnetze, genau wie reine Erdgasnetze, einen Anreiz einer natürlichen Monopolbildung dar. In einem zunehmend dekarbonisierten Energiesystem werden Wasserstoffnetze für die öffentliche Energieversorgung eingesetzt werden. Die bereits bestehenden Entflechtungsvorgaben sollten also grundsätzlich Anwendung finden. Eine Regulierung der Wasserstoffnetze würde zudem eine integrierte Netzplanung zwischen Strom-, Gas- und Wasserstoffnetzen erleichtern. Hier könnte auch das Prinzip einer dynamischen Regulierung angewendet werden: Regulierung so viel wie notwendig und Anpassungen gemäß den Entwicklungen des Wasserstoffmarktes, d. h. eine sukzessive Schaffung eines konsistenten Regulierungsrahmens (auf Basis der bestehenden Erdgasregulierung), der schrittweise an die Bedürfnisse des Wasserstoffmarktes angepasst wird. Weitere Anpassungen sollten kontinuierlich mit den Marktakteuren konsultiert werden. 4.2 Halten Sie es für zielführend, zwischen der Einführung einer Regulierung auf Fernleitungs- und Verteilnetzebene zu
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unterscheiden, oder sollte eine Regulierung für Wasserstoffnetze im Allgemeinen eingeführt werden? Im Grundsatz dürfte auf beiden Ebenen eine Regulierungsnotwendigkeit bestehen. In der konkreten Ausgestaltung können Differenzierungen sinnvoll sein (vgl. obige Ausführungen zum Umfang der Entflechtung). Wie in der vorherigen Antwort dargestellt, könnte es hierbei eine anpassungsfähige, dynamische Regulierung geben. 4.3 Halten Sie die Einführung eines Netzbetreibers, der sowohl Erdgas- als auch Wasserstoffnetze betreibt (sog. KombiNetzbetreiber) für sinnvoll? Es bestehen keine Einwände gegen Kombi-Netzbetreiber (dabei muss aber zwingend der Funktionsumfang und durch eine Regulierungsbehörde anerkannte Kosten innerhalb der Erlösobergrenze transparent der jeweiligen Commodity zugeordnet werden). 4.4 Die Einführung möglicher Regulierungsvorschriften könnte über die Anpassung bestehender Regelungen im EnWG bzw. der entsprechenden Verordnungen (bspw. GasNZV, GasNEV etc.) z. B. über die definitorische Erweiterung des Gasbegriffes vorgenommen werden oder aber in einem separaten Kapitel des EnWG bzw. einem separaten Gesetz gestaltet werden. Was würden Sie für sinnvoller halten? In unserem gemeinsamen Verbändepapier haben BDI, FNB Gas, VIK und DIHK dazu aufgerufen, eine technologieoffene Definition in sowohl EnWG als auch GasNZV zu integrieren (siehe Frage 1.4 ). Eine Anpassung im EnWG und den entsprechenden Verordnungen hätte den Vorteil, dass nachgeordnete Normen auf bestehende Regelungen aufbauen könnte. Zugleich würde damit politisch signalisiert, dass Wasserstoff als Energieträger neben Strom und Gas angesehen wird. 4.5 Ab wann sollten die Regulierungsvorschriften effektiv Anwendung finden? Von welchen Parametern (z. B. Verbrauch, Erzeugung, Anbieter- und Nachfragerstruktur, Netzstruktur) sollte man diesen Schritt abhängig machen? Könnte für die Anlaufphase auch eine stufenweise Einführung von Regulierungsschriften sinnvoll sein? Wenn ja, welche und über welchen Zeitraum? Für einen schnellen Markthochlauf ist ein schneller Zugang zu existierenden bzw. kurzfristig zu schaffende Wasserstoffnetzwerke erforderlich, sofern es sich um ein natürliches Monopol handelt. Wir empfehlen im Lichte der unter Ziff. 2.1. genannten Szenarien eine schrittweise bzw. dynamische Regulierung. Eine Zugangsregulierung (grundsätzlicher Anspruch auf diskriminierenden Zugang Dritter) sollte ebenso rasch wie möglich eingeführt werden wie www.bdi.eu
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Regelungen, die Investitionen in den Neubau von Wasserstoffleitung bzw. die Umrüstung existierender Erdgas- zu Wasserstoffleitungen ermöglichen. Zusätzlich zum Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur sollten europäisch handelbare und technologieneutrale Herkunftsnachweise auch einen bilanziellen Zugang zu treibhausgasneutral erzeugtem Wasserstoff ermöglichen. Dadurch wird jedoch eine diskriminierungsfreie Netzzugangsregulierung nicht obsolet. Außerdem wird ein funktionierender Herkunftsnachweismechanismus insbesondere auch für eine Anrechenbarkeit von Wasserstoff an EE-Ziele sowie CO2-Minderungsziele wichtig werden. Ein transparentes Zertifizierungssystem für Wasserstoff muss aufgebaut werden, um den Wettbewerb in globalen Geschäften nicht zu verzerren und eine Anrechnung der treibhausgasmindernden Wirkung von klimaschonend erzeugtem Wasserstoff zu ermöglichen (z. B. Anerkennung im Rahmen der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie RED II). Darüber hinaus sind technische Standards zu definieren und grenzüberschreitend umzusetzen sowie eine EU-weite Standardsierung (auch für die Zertifizierung) einzuführen. Eine marktgerechte Umsetzung einer weiterentwickelten, technologieoffenen RED II kann den Einsatz von Wasserstofftechnologien absatzorientiert (in Raffinerien und auch bei CCU) signifikant befördern. Dabei ist darauf zu achten, dass die Umsetzung die europaweit gültigen Quotierungen bei der Produktion von Treibstoffen technologieoffen und auch national besser berücksichtigt. 4.6 Wären Übergangsregelungen für bestehende Wasserstoffnetze denkbar? Wie sollten diese konkret aussehen? Welche Dauer dieser Übergangsregelungen ist maximal vertretbar? Sonder- und/oder Übergangsregelungen erscheinen erforderlich, da sich die in Deutschland historisch gewachsenen, bestehenden Wasserstoffinfrastrukturen und -Leitungen wesentlich von den öffentlichen Versorgungsnetzen für Strom und insbesondere Erdgas unterscheiden (unterschiedliche Druckniveaus oder besondere H2-Reinheitsanforderungen von Kunden etc.). Darüber hinaus sprechen bestehende Verträge, Vertrauensschutzgründe und der ausschließliche Zweck der rohstofflichen Produktbelieferung der Kunden gegen eine pauschale Ausweitung der Regulierung auf bestehende H2-Infrastrukturen. Sonder- und/oder Übergangsregelungen sollten einen diskriminierungsfreien Zugang Dritter nicht grundsätzlich in Frage stellen. Aus der Regulierungshistorie der Energienetze sind Übergangsregelungen bekannt. Diese Erfahrungen können auch an dieser Stelle angewendet werden. 4.7 Sind aus Ihrer Sicht Regelungen für den Übergang von Erdgasnetzen zu reinen Wasserstoffnetzen notwendig? Welche Regelungen wären aus Ihrer Sicht notwendig und welche Gründe sprechen hierfür? Die Einspeisung von Wasserstoff in Erdgasnetze (Fernleitungs- und Verteilnetze) kann wirtschaftlich sinnvoll sein, z. B. wenn parallele www.bdi.eu
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Infrastrukturen wirtschaftlich nicht darstellbar sind oder eine dezentrale Wasserstofferzeugungsanlage sich in einem Netzgebiet ohne Wasserstoffnetzanschluss befindet. Hinsichtlich der Herstellung von Netzanschlüssen zur Einspeisung von Wasserstoff in bestehende Erdgasnetze sollte durch entsprechende Regelungen im Energiewirtschaftsgesetz und der Gasnetzzugangsverordnung sichergestellt werden, dass sich die Einspeisungen innerhalb der Grenzen der DVGW-Regelwerke bewegen und dass bestehende Nutzer des jeweiligen Erdgasnetzes hierdurch nicht beeinträchtigt werden. Es darf beispielsweise nicht dazu kommen, dass Netzbereiche auf Wasserstoff umgestellt werden und damit die Erdgasversorgung von Kunden oder Gebieten eingestellt wird. Eine große Herausforderung liegt in einem bedarfsgerechten Aufbau der zukünftigen Wasserstoffinfrastruktur. Es muss zum einen vermieden werden, dass unnötige Investitionen in Wasserstoffinfrastruktur vorgenommen werden, bei denen kein Bedarf vorliegt. Zum anderen sollte vermieden werden, dass Netzbereiche von Erdgas auf Wasserstoff umgestellt werden, obwohl noch der entsprechende Kundenbedarf an Erdgas besteht. 5 Regelungen zu Netzanschluss, Netzzugang und Netzausbau von Wasserstoffnetzen 5.1 Sollte bei den Regelungen über den Netzanschluss und zugang von Wasserstofferzeugungsanlagen ein Einspeisevorrang nach Erzeugungsart (z. B. „grüner“ oder „blauer“ Wasserstoff) erfolgen? Wenn ja, nach welchen Kriterien? Nein, auch diesbezüglich ist Technologieneutralität, wie in Frage 1.4 ausgeführt, zu wahren (Kostengründe, letztlich ist CO2-Fußabdruck für Klimawirkung entscheidend), daher keine Differenzierung, kein Einspeisevorrang für eine bestimmte Technologie. 5.2 Sollte auch ein Einspeisevorrang für bestimmte Erzeugungsarten von Wasserstoff bei den heute bereits bestehenden industriellen Wasserstoffleitungen geschaffen werden? Oder sollte es hier Ausnahmeregelungen geben? siehe. 5.1 5.3 Sind weitere differenzierende Regeln zur Privilegierung unterschiedlicher Wasserstoffarten notwendig? Wenn ja, nach welchen Kriterien? siehe 5.1 Die Wertigkeit der verschiedenen Herstellungsprozesse für Wasserstoff definiert sich durch eine konsequente CO2-Bepreisung. Eine zusätzliche Bewertung und Priorisierung durch entsprechende Regulierungen ist abzulehnen.
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5.4 Ist beim Transport von Wasserstoff ein Kapazitätsmodell notwendig? Wenn ja, wie sollte dieses ausgestaltet sein? Sollten sich die Netznutzungs- und Entgeltmodelle an denen für Erdgasoder für Stromnetze orientieren? Eine Anlehnung an das existierende Gasmarktdesign ist plausibel, da sich Gas und Wasserstoff physikalisch ähneln. Eine physikalische Netzberechnung zur Ermittlung des Bedarfs und der Nutzung von Wasserstoffnetzen wird erforderlich sein. Aufkommens- und Nachfrageentwicklungen können bereits in der Aufbauphase, wenn auch im Vergleich zu einem vermaschten Erdgasmarkt wenig komplexen Markt, modelliert werden. 5.5 Welche Bilanzierungsregeln sollten für Wasserstoff angewendet werden? Müsste ein eigener Wasserstoffbilanzkreis eingeführt werden? Bedarf es jeweils separater Bilanzkreise für jede Wasserstoffart („grünen“, „blauen“ Wasserstoff, etc.), vergleichbar mit Biogasbilanzkreisen und EEG-Bilanzkreisen? Wie kann ein Regel- und Ausgleichsenergiesystem aussehen? Die Bilanzierung von Wasserstoff sollte analog zur Erdgasbilanzierung erfolgen. Reine Wasserstoffnetze benötigen eigene Bilanzkreise, daher bedarf es einer klarstellenden Bezugnahme auf Gasversorgungsnetze in der Definition des Ausdrucks „Bilanzkreis“. Einzelne „farbige“ Bilanzkreise sollten vermieden werden. Ein gemeinsamer Wasserstoff-Bilanzkreis reicht aus, da die Eigenschaft separat über Zertifikate abgebildet werden kann. Wichtig ist zudem, eine europäische Abstimmung der Bilanzkreisprozesse, um grenzüberschreitende Transporte zu ermöglichen. 5.6 Bedarf es eines virtuellen Handelspunktes für Wasserstoff? Die Einrichtung eines VHP ist grundsätzlich sinnvoll, jedoch nicht gleich zu Beginn, ab Szenario III ist ein VHP absolut notwendig. Allerdings sollte sich der Etablierung ebenfalls schrittweise schon in Szenario II genähert werden. Anfangs ist eher die Entstehung von lokalen Clustern zu erwarten, die schrittweise miteinander verbunden werden könnten. Die Errichtung eines VHPs ist wichtig für die Entstehung eines liquiden, handelbaren Marktes für Wasserstoff inklusive eines transparenten Preismechanismus. Allerdings bedarf es dafür gleichzeitig ausreichend Marktteilnehmer und einer entsprechenden Standardisierung des handelbaren Produktes. Die Bildung eines eigenen virtuellen Handelspunkt für Wasserstoff wird sich positiv auf die Entwicklung des Gesamtmarktes auswirken. Voraussetzung dafür ist ein Mindestmaß an physischen Verbindungsmöglichkeiten zwischen den Clustern. Da sich die Preisbildung zwischen Wasserstoff und www.bdi.eu
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Erdgas derzeit und absehbar fundamental unterscheiden wird, sollte es ein eigenständiges Marktsignal geben, welches dann auch Basis für weitere Prozesse (Bilanzierung, Mehr- und Mindermengenabrechnung, etc.) sein sollte. 5.7 Bedarf es zur Ermittlung des nötigen Wasserstoffinfrastrukturnetzes eines separaten Wasserstoffnetzentwicklungsplans? Welche Schnittstellen bieten sich zum Netzentwicklungsplan Strom und Erdgas genau an? Sollte ein Wasserstoff-NEP sowohl die Verteiler- als auch die Fernleitungsnetzbetreiberebene umfassen? Generell ist die Verzahnung von Gas- und Stromnetzplanung sinnvoll; die H2-Infrastrukturplanung muss hierbei einbezogen werden. WasserstoffProjekte (Quellen, Senken) im Verteilnetz sollten in der Szenarienentwicklung ebenfalls berücksichtigt werden, allerdings sollten konkrete Netzausbaumaßnahmen im Verteilnetz eher kein Bestandteil dieses Gesamt-NEPs sein (dies würde Komplexität zu sehr erhöhen), sondern stattdessen die Planung einer künftigen Wasserstoffinfarstruktur analog zum heutigen Vorgehen über die (Gas- bzw. H2-) VNBs im Rahmen von Langfristprognosen berücksichtigt werden. Das Instrument der Netzentwicklungsplanung in der Gas- und Stromnetzplanung hat sich bewährt und sollte aus unserer Sicht auch auf die Wasserstoffnetzplanung Anwendung finden. Bei der integrierten Netzentwicklungsplanung von Strom-, Erdgas und H2Infrastruktur sollte eine Gesamtkostenoptimierung angestrebt werden, beispielsweise ggf. durch teilweise Verlagerung von Kapazitäten für den Transport der Leistung aus Produktionsspitzen von EE-Strom in die Wasserstoffinfrastruktur. Wasserstoffleitungen sind ein Teil der deutschen Energieinfrastruktur und ihr Aufbau basiert maßgeblich auf der Umstellung bestehender Erdgasleitungen. Für die Umstellung von Erdgasleitungen zu Wasserstoffleitungen muss sowohl der weitere Bedarf an Erdgas als auch der Bedarf an Wasserstoff integriert werden und netzübergreifend betrachtet werden, um eine effiziente zeitoptimierte Planung der Transportnetze sicherzustellen. Dabei bieten sich nachfolgende Planungsinstrumenten: • •
•
Schnittstellen
zu
existierenden
Bedarf an Elektrolysekapazität bei der Stromnetzplanung zur weiteren Integration von erneuerbaren Energien nachfrageorientierte und korrespondierende Netzbedarfsentwicklung sowohl im Gas- als auch im Wasserstoffmarkt und Bestimmung des Umwidmungspotenzials des Erdgasnetzes Beimischung von Wasserstoff in bestehende Erdgasleitungen.
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Wasserstoff, der durch das Elektrolyseverfahren produziert wird, stellt im Sinne der europäischen Strategie für Sektorintegration eine ideelle Verknüpfung und ein Zusammenspiel des Strom- und Gasnetzes dar. Aus diesem Grund ist eine generelle Verzahnung von Gas- und Stromnetzplanung sinnvoll. Industrieunternehmen werden ihre Investitionsentscheidungen für die Dekarbonsierung ihrer Systeme erst dann treffen können, wenn sie wissen, dass die Transportfrage für Wasserstoff verlässlich gelöst ist. Daher sind ein nachvollziehbarer Szenariorahmen und Infrastrukturplanung ein wichtiges Element für zukünftige Investitionsentscheidungen. 5.8 Welche Rolle spielt in solch einem Plan die Allokation von Anlagen zur Produktion bzw. zur Abnahme von Wasserstoff? Sollten bspw. die H2-Produktionsanlagen in der Nähe der Stromerzeugungsanlagen (EE) oder in der Nähe der industriellen Wasserstoffabnehmer allokiert werden? Welche Auswirkungen haben solche Entscheidungen Ihrer Ansicht nach auf die Strombzw. Gasinfrastruktur? Die genaue Standortwahl sollte dem Markt überlassen bleiben, der hier auch politisch-gesetzgeberische Anreize berücksichtigt. Die Netzausbauplanung müsste dann die geplanten Projekte aufnehmen und berücksichtigen, sollte aber keine zentrale oder dezentrale Wasserstoff-Erzeugung vorgeben. Bezüglich industrieller Abnahme können die entsprechenden heute existierenden industriellen Standorte herangezogen werden. Eine Vorabfestlegung von Produktionsanlagen für Wasserstoff in die Nähe von Stromerzeugungsanlagen innerhalb der Netzplanung Wasserstoff führt im Ergebnis zu einer verzerrten Netzausbauplanung. Generell sind die Kriterien der RED II, Erwägungsgrund 90 zu berücksichtigen, die möglichst schnell zu implementieren sind: „renewability“, „geographical correlation“, „temporal correlation“, „additionality“ Aktuell schafft die fehlende Methodologie nach Art. 27 (3) der europäischen Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED II) ein Investitionshindernis für Elektrolyse-Anlagen im Raffineriebereich. Solange die Unsicherheit darüber besteht, wann Wasserstoff als „grün“ gilt, wenn der Strom für die Elektrolyse aus dem Netz bezogen wird, können Investitionen an den Standorten, die auf den Netzbezug angewiesen sind, nicht erfolgen. Laut RED II soll der entsprechende delegierte Rechtsakt spätestens bis Dezember 2021 vorgelegt werden. Dieser Zeitpunkt ist zu spät, um den in der NWS avisierten Markthochlauf von „grünem“ Wasserstoff im Raffineriesektor kurzfristig zu ermöglichen. Zudem stellt die geplante Revision der RED II (bis Juni 2021) eine zusätzliche regulatorische Unsicherheit dar.
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Daher sollte Deutschland als eines der führenden Länder beim Thema Wasserstoff im Rahmen der laufenden EU-Ratspräsidentschaft einen pragmatischen Vorschlag für die Phase des Markthochlaufs, die in der europäischen Wasserstoffstrategie bis 2024 definiert wird, vorlegen. Die relevanten Sollbestimmungen des Erwägungsgrunds 90 der RED II bezüglich der Anforderungen an den Strombezug für die Kraftstoffproduktion sind aus Sicht der Industrie für den Markthochlauf der Wasserstoffproduktion zu restriktiv und können zu einer wesentlichen Hürde für die Entwicklung eines wettbewerbsfähigen Wasserstoffmarktes in Deutschland und in der EU werden. Denn beim aktuellen Stand des Netzausbaus und des Ausbaus von erneuerbaren Energien in Deutschland (aber auch der EU) werden nur sehr wenige Standorte mit geringer Kapazität die vier Anforderungen – erneuerbare Eigenschaft des Stroms, geografische und zeitliche Korrelation der Strom- und Kraftstoffproduktion sowie die Zusätzlichkeit der Stromerzeugung – erfüllen können. In der Phase des Markthochlaufs sollen daher aus unserer Sicht folgende Anforderungen gelten: -
Die Mitgliedstaaten sollen zusätzliche Ausbaupfade für erneuerbare Energien einführen, die zur Versorgung von Elektrolyse-Anlagen (auch bilanziell) in der EU vorgesehen sind. Im Fall Deutschlands sollte durch einen solchen Ausbaupfad eine zusätzliche Stromerzeugung von mindestens 20 TWh1 im Jahr 2030 sichergestellt werden.
-
Die Betreiber der Elektrolyse-Anlagen können den eingesetzten Strom mit den auf dem europäischen Markt verfügbaren Herkunftsnachweisen zertifizieren.
Erst mit wachsendem Ausbau erneuerbarer Energien, dem Netzausbau und zunehmender Marktreife sollen weitere Anforderungen schrittweise miteinbezogen werden. Dabei ist zu beachten, dass mit wachsendem Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung der erneuerbare Anteil am zur Wasserstoffherstellung eingesetzten Strom auch ohne weiteren Nachweis entsprechend steigt. 5.9 Halten Sie einen aktiven Allokationsanreiz zur Errichtung von z. B. Elektrolyseuren in Gebieten mit viel EE-Strom für geeignet? Könnten diese Allokationsanreize auch die Ansiedlung neuer Abnehmer von Wasserstoff (Tankstellen, Industrie etc.) umfassen? Wenn ja, welche Allokationsanreize sind konkret vorstellbar? Beschreiben Sie bitte detailliert die Art und Weise der Ausgestaltung, und für welche Marktteilnehmer diese anwendbar sein sollten. 1
Die erforderliche Elektrolyse-Energie bei 4000 Volllaststunden und 5 GW Elektrolyse-Kapazität.
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Nein, s. Antwort 5.8. Investitionsentscheidungen sollten im Grundsatz dem Markt überlassen bleiben und durch marktpreisliche Anreize induziert werden. Sie obliegen der individuellen Abwägung des einzelnen potenziellen Wasserstofferzeugers, der zwischen Transport von Strom und Transport von Wasserstoff entscheiden muss. Gerade im Industriebereich dürfte die Lenkungswirkung von Allokationssignalen sehr begrenzt sein. Hier könnten Allokationssignale sogar eine verbrauchsnahe Wasserstofferzeugung verhindern. Weiter bestehende Hemmnisse zu Lasten von Elektrolyseuren (z. B. EEG-Umlage usw.) schnell abgebaut werden, damit die Marktteilnehmer gerade in der Markthochlaufphase genügend Anreize haben, um derartige Anlagen zu errichten. 5.10 Welche Rolle spielen Speicher in der Wasserstoffinfrastruktur und wie sollten sie regulatorisch behandelt werden? Eine Einbindung von Speichern in die Wasserstoffinfrastruktur ist sinnvoll, auch im Sinne des Zusammenspiels zwischen Strom- und Gasnetz. So kann etwa vorhandener Überschussstrom in Form von Wasserstoff gespeichert werden und gleichzeitig Stromnetzengpässe beheben. Speicherbetreiber können ihre Speicher umstellen und an das Wasserstoffnetz anschließen, sie sollten aber nicht zu einer Umstellung verpflichtet werden. Wasserstoffspeicher könnten regulatorisch (schrittweise) analog zu Erdgasspeichern behandelt werden. Sofern eine Umstellung einzelner Speicher von Erdgas auf Wasserstoff ansteht, sollten Übergangsregelungen und -fristen im Dialog mit den Betreibern der entsprechenden Anlagen evaluiert werden. Allerdings ist hier eine differenzierte Betrachtung erforderlich: H2 wird heutzutage bereits mittels technischer Speicherbehälter gespeichert und genutzt. Diese müssen dauerhaft von einer Regulierung ausgenommen werden. Sofern den heutigen Gasspeichern (Kavernen-/Porenspeicher) vergleichbare Wasserstoffspeicher zur Verfügung stehen, bietet sich eine regulatorische Analogie zur Erdgasspeichern an. 6 Mögliche Finanzierungsvarianten von Wasserstoffnetzen 6.1 Wer sollte die Kosten der Infrastruktur tragen, z. B. alle Abnehmer von Strom und Gas, alle Erdgaskunden, oder nur die Nutzer von Wasserstoff? Was wären jeweils die jeweiligen Vorund Nachteile? Die Option, dass die Kosten der Umstrukturierung und der Erweiterung des Fernleitungsnetzes hin zu einem Wasserstoffnetz den bekannten Grundsätzen der Anreizregulierung gemäß § 23 ARegV folgen würde, scheint aus unserer Sicht sinnvoll und sollte geprüft werden.
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Grundsätzlich müsste die Kostentragung verursachungsgerecht erfolgen,d. h. von den an das Wasserstoff-Netz angeschlossenen Ein- und Ausspeisepunkten. Allerdings werden die Erdgasnutzer gemäß der bestehenden politischen Strategien langfristig weitgehend zu Wasserstoffnutzern. Somit sollten auch die Erdgasnutzer an den Kosten beteiligt werden, sofern die Kosten für Erdgasnutzer nicht erheblich beeinträchtigt werden, um gerade in der Aufbauphase entstehenden hohe Preise für tendenziell wenige Wasserstoffnutzer zu verhindern. Auf diese Weise kann der Kosteneffekt des langsamen Abbaus des Erdgasnetzes bis 2050, dann auf umgekehrten Weg vermieden werden, da auch die Wasserstoffkunden dann noch die Kosten des Rest-Erdgasnetzes mittragen würden. In der Gesamtsicht handelt es sich bei einer Finanzierung der Wasserstoff- und Erdgasnetze durch beide Nutzergruppen um eine Mischkalkulation. Im aktuellen Rechtsrahmen ist eine Kostenwälzung für den Aufbau von Wasserstoffnetzen auf die Verbraucher nicht vorgesehen. In Anlehnung an die Marktraumumstellung nach § 19a EnWG könnte durch den Gesetzgeber eine Kostenwälzung eingeführt werden. 6.2 Ist zu befürchten, dass reine Netzentgelte für Nutzer der Wasserstoffinfrastruktur, insbesondere in der Anfangsphase (i.e. bei möglicherweise nur geringen Wasserstoffmengen), zu prohibitiv hohen Endkundenpreisen führen? Dies ist durchaus wahrscheinlich in 6.1.sind mögliche Lösungen skizziert. 6.3 Wie groß schätzen Sie den Umfang der zukünftigen Notwendigkeit von Sonderabschreibungen aufgrund nicht mehr benötigter Erdgasleitungen ein? Dies hängt neben den Regelungen zur Umwidmung von heutigen Erdgasnetzen in künftigen Wasserstoffnetzen vor allem von zwei Aspekten ab: Erstens, ob bzw. unter welchen Bedingungen alle Sektoren, die heute Erdgas nutzen, in Zukunft auch Wasserstoff nutzen dürfen. Besonders der Wärmemarkt ist hier entscheidend. Zweitens ob (bzw. unter welchen Regeln) und bis wann Wasserstoff auf der Basis von Erdgas eine Rolle spielen wird. Da die Dekarbonisierung dann auch verbrauchsnah erfolgen kann, sind in diesem Umfang auch die Erdgasleitungen weiterhin notwendig. 6.4 Wäre die Abfrage oder Einschätzung der Zahlungsbereitschaften verschiedener Nutzergruppen (Wasserstoffkunden, Erdgaskunden, Stromkunden etc.) sinnvoll? Wie könnte man dies gegebenenfalls umsetzen? 6.5 Welche anderen Finanzierungsmodelle (Steuern, Umlagen, etc.) wären denkbar? Wer würde die Kosten in diesen Modellen tragen? Was wären jeweils die jeweiligen Vor- und Nachteile?
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siehe 6.1 Finanzierung über Netzentgelte, sofern Kosten für Erdgasverbraucher nicht erheblich steigen. 6.6 Welche Gesamtkosten erwarten Sie für den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur (mittel- und langfristig (z. B. für 2030 und 2050) und welche Effekte auf die Gasnetzentgelte hätte die Einführung einer Entgeltregulierung für Wasserstoffinfrastruktur? Wie würden sich die Effekte auf die Regionen und Verbrauchergruppen verteilen (z. B. Industriekunden und Haushaltskunden)? Keine quantitative Aussage möglich, diesbezüglich sind Untersuchungen erforderlich. 6.7 Welche Gründe sprechen aus Ihrer Sicht für und welche gegen eine Anwendung der Anreizregulierungsverordnung? Sofern Sie eine vollständige Anwendung der Anreizregulierungsverordnung nicht für notwendig erachten: Welche Ausgestaltung sollte eine vereinfachte Anreizregulierung aus Ihrer Sicht haben? Können sämtliche Instrumente der ARegV wie Kapitalkostenaufschlag oder Investitionsmaßnahmen, Effizienzvergleich etc. auf Wasserstoffnetze angewandt werden? Die Kostenumverteilung auf die Endverbraucher über die Netzentgelte könnte praktikabel sein, sofern die Kosten für die Erdgasnutzer nicht erheblich steigen (siehe 6.1) des in Frage 1.4. erwähnten Verbändepapiers von BDI, FNG Gas, BDEW, DIHK und VIK. Allerdings ist die Situation beim Aufbau des Wasserstoffnetzes eine andere als bei der Liberalisierung der Strom- und Erdgasnetze Mitte der 90er Jahre: Damals waren gut ausgebaute Netze vorhanden (auch wenn heute weiterer Netzausbaubedarf besteht). Der Fokus der (Anreiz-)Regulierung lag auf Abschmelzen ineffizienter Kosten. Beim Aufbau der Wasserstoffnetze müsste der Fokus (auch) auf Investitionen liegen (natürlich unter Beachtung kosteneffizienter Lösungen). Daher scheint eine 1:1-Übertragung bestehender Regulierungsvorgaben zu Beginn des Aufbaus eines Wasserstoffnetzes insbesondere aufgrund einer möglichen schwierigen Vergleichbarkeit nicht zwingend angezeigt. 6.8 Halten Sie die Einführung eines Effizienzvergleichs für Betreiber von regulierten Wasserstoffnetzen für sinnvoll? Wie könnte er sinnvoll umgesetzt werden? Sollte ein Effizienzvergleich aus Ihrer Sicht nicht möglich sein, wie sollten Effizienzanreize dann sinnvoll und wirksam gesetzt werden? Es dürfte mittelfristig sinnvoll sein, in der Anfangsphase ggf. problematisch und nicht praktikabel (Referenzbasis für einen Effizienzvergleich noch zu klein).
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6.9 Welche Gründe sprechen aus Ihrer Sicht für und welche gegen eine Cost Plus- oder Yardstick-Regulierung? In der Anfangsphase wegen Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur (Investitionsbedarf) scheint eher eine Cost-plus-Regulierung, ergänzt um Vergleichsinstrumente, sinnvoll zu sein. Anreizregulierung allein auf Basis Effizienzvergleich erscheint erst zu einem späteren Zeitpunkt, vor allem, da die Referenzbasis für einen Effizienzvergleich noch zu klein ist (siehe oben). 6.10 Unter der Prämisse, dass es eine reine Wasserstoffinfrastruktur mit Wasserstoffnetzentgelten geben sollte, mit welchem System sollen die Kosten auf die Entgelte umgelegt werden? Das heißt können das im Bereich der Gas-VNB genutzte Netzpartizipationsmodell und das Briefmarkenmodell im FNBBereich auch für Wasserstoff Anwendung finden? Die Ergänzung der zusätzlichen Gasfamilie „Wasserstoff“ würde grundsätzlich nichts am bestehenden Regulierungsrahmen ändern. Es ist daher denkbar, dass bestehende Entgeltmodelle auf die Wasserstoffinfrastrukturen angewendet werden können, da die spezifischen Kosten für den Transport vergleichbar sind. Gemäß den heute gültigen Regelungen sind die Entgeltmodelle bereits bei Beimischung von Wasserstoff anzuwenden. 6.11 Wäre es sinnvoll, bestimmte Lenkungsstrukturen zur Steuerung der Wasserstoffnachfrage in die Entgeltsysteme zu implementieren? Welche Ansätze sehen Sie dafür? Mögliche Stellschrauben könnten die Art der Entgelte (Kapazitätsentgelte, Leistungsentgelte, Arbeitsentgelte) oder bestimmte Rabattregelungen sein. 6.12 Müssten evtl. Parameter wie Nutzungsdauern etc. oder Anlageklassen der Gasinfrastruktur für Wasserstoffnetze angepasst werden? -6.13 Sehen Sie Unterschiede bei der Anwendung der Entgeltregulierungsvorschriften z. B. zwischen der Anlaufphase und einem späteren Zeitpunkt mit einem weiter entwickelten Wasserstoffnetz? Sofern Sie sich für eine stufenweise Einführung aussprechen, legen Sie bitte dar, welche Instrumente Sie für die jeweiligen Phasen als angemessen ansehen. Siehe oben, Fragen 6.7 - 6.9
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