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II. Weitere Vorschläge für die EEG Novelle
II. Weitere Vorschläge für die EEG-Novelle
1. Messen und Schätzen
Der BDI schlägt vor, angesichts der derzeitigen tiefgehenden Herausforderungen für die Wirtschaft durch die Corona-Pandemie, die Übergangsfrist für die Einführung eines Messkonzepts und den Einbau mess- und eichrechtskonformer Messeinrichtungen für EEG-Drittstrommengen um ein Jahr bis Dezember 2021 zu verlängern. (§ 104 Abs. 10 und 11 Nr. 5 EEG). Die Bitte um Fristverlängerung hat der BDI auch in einem Schreiben an die BMWi-Hausspitze Ende Mai 2020 dargelegt und näher ausgeführt.
Neben dieser Fristverlängerung wäre es sehr wünschenswert, wenn der Gesetzgeber selbst zum Thema der Abgrenzung der Drittstrommengen in geeigneter Weise einen Hinweis gibt, dass er die heute von Bundesnetzagentur und BAFA ermöglichte exemplarische Messung gleichartiger bzw. gleicher Stromverbrauchseinrichtungen wie geleaste Automaten, Drucker, IT-Komponenten etc. unterstützt und diese daher über den 31.12.2020 hinaus dauerhaft fortgeführt wird. Die exemplarischen Messungen sind bei der untergesetzlichen Ausgestaltung der Drittstrommengenabgrenzung ein zentraler Faktor, um unverhältnismäßigen Aufwand zu vermeiden. Die Industrie benötigt aber ein Signal, ob sie mit diesem Ansatz weiterhin planen kann.
Die inzwischen schon länger währende Debatte über die Drittstrommengen hat bei vielen Betroffenen für Unverständnis gesorgt, mit welcher Komplexität das EEG 2017 den Sachverhalt normiert hat. Dass die BNetzA es erst während des aktuellen Gesetzgebungsverfahrens zum EEG 2021 geschafft hat, den „Leitfaden zum Messen und Schätzen bei EEG-Umlagepflichten“ zum EEG 2017 zu veröffentlichen, spricht Bände. Dieser Leitfaden vom 8.10.2020 umfasst gut 80 Seiten und schafft für Unternehmen im Corona-Krisenmodus kurz vor Fristende (Ende 2020) eine enorme Herausforderung.
Der BDI möchte anregen, dieses Thema im laufenden Verfahren – neben der genannten, notwendigen Fristverlängerung – deutlich durch eine minimalinvasive Änderung des § 62a EEG, die die „geringfügigen Stromverbräuche Dritter“ regelt, zu vereinfachen. Die Regelung sollte wie folgt gefasst werden:
„Stromverbräuche einer anderen Person sind den Stromverbräuchen des Letztverbrauchers zuzurechnen, wenn sie
1. 2. gegenüber dem Dritten nicht gesondert abgerechnet werden und verbraucht werden a) in den Räumlichkeiten, auf dem Grundstück oder dem Betriebsgelände des Letztverbrauchers und b) im Fall einer gewerblichen Nutzung zur Erbringung einer Leistung der anderen Person gegenüber dem Letztverbraucher oder des Letztverbrauchers gegenüber der anderen Person.“
Begründung:
Strom, den ein Dritter von dem Letztverbraucher erhält, um für diesen eine Leistung in dessen Räumlichkeiten oder auf seinem Betriebsgelände zu erbringen, ohne dass dieser Strom im Einzelfall gegenüber dem Dritten gesondert abgerechnet und vergütet würde, sollte generell dem Verbrauch des Letztverbrauchers zugeschlagen werden. Unter diesen Rahmenbedingungen verbraucht der Dritte den Strom nämlich letztlich zum Nutzen und auf Kosten des Letztverbrauchers, sodass es gerechtfertigt ist, den Stromverbrauch des Dritten dem Letztverbraucher zuzurechnen. Deshalb kann es auch
nicht darauf ankommen, ob der Verbrauch des Dritten zusätzlich geringfügig oder eine gesonderte Abrechnung üblich ist oder nicht.
Die Zurechnung gleichwohl auch von der Geringfügigkeit des Verbrauchs als auch davon abhängig zu machen, dass der Verbrauch üblicherweise nicht gesondert abgerechnet wird, nötigt in den Fällen, in denen der Letztverbraucher für seinen eigenen Stromverbrauch Umlageprivilegien in Anspruch nehmen kann, zu einer sehr kleinteiligen Erfassung und Abgrenzung. Wie diese Abgrenzung im Einzelfall vorzunehmen ist, ist für die Normadressaten kaum verlässlich vorherzusehen. Sowohl für die Geringfügigkeit als auch die Üblichkeit der Abrechnung fehlen klare Maßstäbe. Zudem produziert die Abgrenzung in der Praxis, wie sie aktuell durch den Entwurf des Leitfadens der BNetzA zum Messen und Schätzen vorgezeichnet wird, ausufernde Differenzierungen, für die ein nachvollziehbarer sachlicher Grund häufig nicht mehr zu erkennen ist. Das hat für den Normadressaten Konsequenzen weit über den betroffenen Drittverbrauch hinaus. Ist eine notwendige Abgrenzung unterblieben, so geht aus Sicht der BNetzA ein etwaiges Umlageprivileg für den gesamten, von diesem Drittverbrauch nicht abgegrenzten privilegierten Eigenverbrauch, verloren.
2. Verwaltungsaufwand und Erhöhung der Planungssicherheit bei der BesAR
Wegen des hohen administrativen Aufwands der jährlichen Antragsstellung und der hohen „Volatilität“ der BesAR-Voraussetzungen, sollte die Begrenzungswirkung des BesAR-Bescheids zumindest für KMU zeitlich deutlich verlängert werden, z. B. auf fünf Jahre. Denn wenn ein Unternehmen nicht weiß, wie es nächstes Jahr weitergeht, denkt es nur noch von Jahr zu Jahr und investiert gerade nicht bei den großen Energieverbrauchseinheiten. Gilt eine Begrenzung für fünf Jahre, werden Investitionen deutlich planbarer und eher durchgeführt.
3. § 104 Abs. EEG (Ergänzung der Vorschrift zur “Scheibenpacht”)
Die bisherige Regelung des § 104 Abs. 4 EEG, die am 01.01.2017 in Kraft getreten ist, führt in der Rechtspraxis zu sehr unterschiedlichen Auslegungen. Die Übertragungsnetzbetreiber, die zur Geltendmachung und Durchsetzung der EEG Umlagezahlungen gesetzlich verpflichtet sind, haben zur Vermeidung eigener Risiken bereits in einigen sehr komplexen Fällen mit einer Vielzahl von Verfahrensbeteiligten gerichtliche Klagen eingereicht, um für einige der auslegungsrelevanten Fragestellungen Rechtssicherheit zu erlangen. Da es kein behördliches oder verwaltungsrechtliches Verfahren zur Klärung der Fragestellungen gibt, drohen aktuell bundesweit zahlreiche Gerichtsverfahren mit erwartbarem unterschiedlichem Ausgang, die sich bis zu einer höchstrichterlichen Rechtsprechung zudem über viele Jahre hinziehen würden.
Dringend erforderlich ist es außerdem, dass durch eine Klarstellung des § 104 Abs. 4 EEG, die Rechtsunsicherheiten, die der Gesetzgeber im EEG 2017 bereits beseitigen wollte, hinsichtlich des Bestandsschutzes der Stromeigenerzeugung bei anteiligen Erzeugungskapazitäten sowie einer realitätsgerechten Definition des räumlichen Zusammenhangs, behoben werden. Andernfalls drohen massive Risiken durch EEG-Umlagebelastungen, die gerade in der aktuellen Situation äußerst belastend wirken könnten.
Mit dem Ziel der Schaffung von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden schlägt der BDI deshalb folgende Anpassungen des § 104 Abs. 4 EEG vor.
Zu Satz 2 – Klarstellung des Nutzungsrechts
Ausschließlich zur Bestimmung des Betreibers und der von ihm erzeugten Strommengen im Rahmen von Satz 1 Nummer 1 gilt ein anteiliges unmittelbares oder mittelbares vertragliches Nutzungsrecht
des Letztverbrauchers an einer bestimmbaren Erzeugungskapazität, die sich auf eine oder mehrere Stromerzeugungsanlagen bezieht, als eigenständige Stromerzeugungsanlage, wenn und soweit der Letztverbraucher diese wie eine Stromerzeugungsanlage betrieben hat.
Begründung zu Satz 2:
Die Ersetzung des Wortes der „bestimmten“ Erzeugungskapazität in Satz 2 durch das Wort einer „bestimmbaren“ Erzeugungskapazität erfolgt, um klarzustellen, dass nicht ausschließlich auf eine Stromerzeugungsanlage als technische Einheit im Sinne von § 3 Nr. 43b EEG abzustellen ist. Eine dezentrale Energieerzeugung bedarf regelmäßig einer Reservebesicherung. Soweit die Reservebesicherung dezentral erfolgt, werden in der Praxis zwei oder auch mehrere Stromerzeugungsanlagen aufeinander abgestimmt betrieben. Auch wenn im Wege der Kraft-Wärme-Kopplung unternehmensbezogen zeitgleich mit Strom auch Wärme beziehungsweise Prozessdampf erzeugt wird, beschränken sich die Zuordnungen der Erzeugungskapazitäten nicht immer auf eine Stromerzeugungsanlage als einzelne technische Einheit, sondern auf ein Gesamtkraftwerk, zu dem beispielsweise mehrere Generatoren zusammengefasst sind. Von einer bestimmbaren Erzeugungskapazität ist außerdem auszugehen, wenn das anteilige vertragliche Nutzungsrecht bei einer Würdigung der vertraglichen und tatsächlichen Gesamtumstände dem Stromverbrauch bestimmbarer Stromverbrauchseinrichtungen des Letztverbrauchers zugeordnet werden kann.
Zu Satz 3 neu – Klarstellung der Betreibereigenschaft
„Das Betreiben im Sinne von Satz 2 wird unwiderleglich vermutet, wenn der Letztverbraucher die wesentlichen Erzeugungskosten mit wirtschaftlichen Risiken für die Erzeugung der ihm anteilig zuzuordnenden Strommenge trägt.“
Begründung zu Satz 3:
Die bisherige Regelung des § 104 Absatz 4 EEG 2017 hat in der Rechtsanwendung in den letzten Jahren zu Auslegungsschwierigkeiten geführt. Insbesondere war umstritten, wer als Betreiber einer Stromerzeugungsanlage bei bestandsgeschützten Scheibenpachtmodellen anzusehen ist. In der Vergangenheit haben viele Unternehmen kein eigenes Kraftwerk neu errichtet, sondern eine „Scheibe“ von einem bereits bestehenden Kraftwerk gepachtet.
Der Bundesgerichtshof hat dabei in mehreren Urteilen Kriterien zur Bestimmung des Betreibers einer Stromerzeugungsanlage entwickelt. Danach ist Betreiber einer Stromerzeugungsanlage derjenige, der, ohne notwendigerweise Eigentümer zu sein, die tatsächliche Herrschaft über die Anlage ausübt, ihre Arbeitsweise eigenverantwortlich bestimmt, und sie auf eigene Rechnung nutzt und damit das wirtschaftliche Risiko trägt. Bei der Bestimmung des Betreibers der Pachtscheibe ist der übereinstimmende Parteiwille zugrunde zu legen, der allen anderen Auslegungsmethoden vorgeht. Da in der Praxis der Unternehmen niemals alle vorgenannten Kriterien gleich stark ausgeprägt sind, ist eine wertende Gesamtbetrachtung (KG Berlin, Urt. vom 31.10.2016 – 2 U 78/14 EnWG) anhand des Parteiwillens bei der Ausgestaltung des Nutzungsrechts vorzunehmen. Danach ist eine pachttypische Risikoreduzierung in einzelnen Teilbereichen unschädlich, solange nicht durch die Verschiebung wesentlicher wirtschaftlicher Risiken insgesamt ein anderer als der Scheibenpächter als Träger des wirtschaftlichen Risikos anzusehen ist.
Die gesetzliche Ergänzung dient folglich dazu, die Rechtssicherheit im Bereich der wirtschaftlich bedeutsamen Eigenversorgung zu stärken. Die Übergangsbestimmung in § 104 Absatz 4 EEG wird um eine unwiderlegbare Vermutungsregelung ergänzt, die die Kriterien der oben genannten Rechtsprechung aufgreift. Darüber hinaus sollen mit der Regelung insbesondere die Fälle erfasst werden, in
denen der Betreiber durch die vertragliche Ausgestaltung das wirtschaftliche Risiko übernimmt und damit die Betreibereigenschaft positiv vermutet werden kann.
Zu Satz 7 – Vermeidung von Härtefällen
Elektrizitätsversorgungsunternehmen und Letztverbraucher, die eine Mitteilung gemäß § 104 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 abgegeben haben, werden im Vertrauen darauf geschützt, dass sie von einer EEG-umlagefreien Eigenerzeugung beziehungsweise von einem EEG-umlagefreien Nutzungs- und Auftragsverhältnis ausgegangen sind. Wenn entgegen dieser Annahme in der Mitteilung die materiellen Voraussetzungen des § 104 Absatz 4 EEG nicht vollumfänglich vorliegen und deshalb ein Leistungsverweigerungsrecht seitens der ÜNB nicht anerkannt wird, sollten in der Folge entstehende Härtefälle dadurch vermieden werden, indem Rückzahlungsansprüche bezüglich der EEG-Umlage auf den Zeitraum beginnend ab dem 01.08.2014 begrenzt werden.
Zu diesem Datum ist das EEG 2014 in Kraft getreten. Seither ist, so der Gesetzgeber, klar, dass sich ein Letztverbraucher nicht auf die Eigenversorgungs- bzw. Eigenerzeugungsprivilegien berufen kann, soweit er Strom aus einer „gepachteten Kraftwerksscheibe“ verbraucht. Dieser Umstand legt es nahe, Rückforderungen für Zeiträume vor diesem Datum generell auszuschließen.
Klarstellung des Betreiberbegriffes auch für Alleinbetreiber-Pachtmodelle
Ähnliche Rechtsunklarheit hinsichtlich der Betreiberstellung, insbesondere hinsichtlich der Bewertung üblicher, pachttypischer Risikoverteilung, gibt es nicht nur bei Scheibenpachtmodellen, sondern auch für viele von § 104 Abs. 4 nicht umfasste Alleinbetreiber-Pachtmodelle, von denen einige ebenfalls bereits von Seiten der ÜNB in Frage gestellt wurden. Auch für solche Fälle sollte der Betreiberbegriff zur Vermeidung von (u.U. sehr weit zurückwirkenden) Rechtsstreitigkeiten analog zu dem Vorschlag für § 104 Abs. 4 Satz 3 oben dringend klargestellt werden.
4. Corona-Hilfe bei Eigenstromerzeugung
Wenn im Falle einer Eigenstromerzeugung auf Basis von produktionsabhängigen Prozessgasen aufgrund der Corona-Krise vorübergehend nur ein geringerer Anteil durch Eigenstrom gedeckt werden kann, so sollte für das Jahr 2020 beim Eigenstromprivileg die durchschnittliche Eigenstrommenge der letzten drei Jahre zugrunde gelegt werden können.
5. 1 GWh-Selbstbehalt (§ 64 Abs. 2 Nr. 1 EEG)
Für viele Unternehmen des Mittelstands wäre es eine erhebliche Entlastung in der Corona-Wirtschaftskrise, wenn der Selbstbehalt von einer GWh, für den in jedem Fall die volle Umlage gezahlt werden muss, um mindestens die Hälfte reduziert würde. Ganz generell ist ohnehin festzuhalten, dass Selbstbehalte in absoluten Werten tendenziell immer zu Lasten kleinerer Unternehmen gehen, da diese dadurch relativ gesehen stärker getroffen werden als große Unternehmen.
6. Rechtsnachfolge bei Bestandsanlagen (§ 61 h Abs. 1 EEG)
Unternehmen müssen in der Lage sein, flexibel auf das Marktumfeld zu reagieren. Dazu gehört die Möglichkeit, die Unternehmensstruktur den aktuellen Bedingungen anzupassen. Das gilt umso mehr in Zeiten von Corona. Unternehmen können dies jedoch nur eingeschränkt tun, wenn damit eine Einschränkung oder der Verlust der für sie wettbewerbsrelevanten Entlastung bei der EEG-Umlage droht. Dies ist nach derzeitiger Rechtslage jedoch der Fall, da ein Unternehmen in Folge von Restrukturierungen i. d. R. den Bestandsschutz verliert, wenn damit ein Wechsel des Betreibers/Letztverbrauchers