Europäische Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität

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Europäische Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität

15. Februar 2021 Zusammenfassung Eine Strategie ist immer auch ein Plan, wie gesetzte Ziele zu erreichen sind. Die Europäische Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität verliert sich etwas planlos in zahlreichen Bekenntnissen zur nachhaltigen Mobilität, ohne die erforderlichen und messbaren Schritte zur Zielerfüllung aufzuzeigen. Das Etappenziel von 30 Millionen emissionsfreien Pkw bis 2030 müssten nach heutigem Stand fünf EU-Staaten schultern, wobei nur drei davon über Ansätze einer Grundversorgung beim Ausbau der Ladeinfrastruktur verfügen. Hier sind noch sehr dicke Bretter bei den EU-Mitgliedern zu bohren. Im Schienengüterverkehr und im Schienenpersonenverkehr werden sehr ambitionierte Verdoppelungsszenarien bis 2050 bzw. 2030 entworfen. Diese setzen unter anderem einen massiven Ausbau der Kapazitäten des Schienennetzes voraus...Zugleich wird jedoch kein Wort darüber verloren, wie die Planungs- und Genehmigungsverfahren für dieses Ziel fit gemacht werden können. Nicht zuletzt das europäische Umweltrecht sorgt dafür, dass große Infrastrukturprojekte heute kaum mehr zeitlich kalkulierbar sind. Ähnlich sieht es bei der Binnenschifffahrt aus. Hier wären Mammutinvestitionen vonnöten, um die gewünschten Verlagerungseffekte und Mengensteigerungen zu erzielen. Die Industrie wäre schon dankbar genug, wenn der Status quo beispielsweise auf dem Rhein durch flussbauliche Maßnahmen erhalten bliebe, um auch bei Niedrigwasser die industriellen Kernstandorte zu bedienen. Im Flugverkehr sollen höhere Abgaben für mehr Klimaschutz sorgen. Diese Strategie droht spätestens dann in eine Sackgasse zu führen, wenn ausländische Wettbewerber weiterhin ihre internationalen Drehkreuze ohne Kerosinsteuer über Istanbul, Dubai und künftig auch London anbieten. Neben den Emissionen wird so auch die Wertschöpfung verlagert. Intelligente Mobilität sieht anders aus. Zielführend sind bei aller Kritik die vielen kleinen guten Vorschläge, wie ein effizienteres Verkehrsmanagement im einheitlichen europäischen Luftraum, der Hochlauf alternativer Kraftstoffe, die Schaffung transeuropäischer Verkehrsnetze, die Automatisierung und Digitalisierung multimodaler Verkehrs- und Logistikketten sowie das klare Bekenntnis zur bezahlbaren und nachhaltigen Mobilität. Allerdings soll diese nur bedingt für den Lkw-Verkehr gelten, denn der Träger unseres Wohlstandes wird als Financier gebraucht. Wie die verladende Wirtschaft darauf reagiert, ist nicht Frage der Strategie. Neben Steuern, Abgaben und Löhnen sind aber auch Logistikkosten zunehmend standortentscheidend.

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Europäische Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität

Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung .............................................................................................................................. 1 Einleitung ............................................................................................................................................. 3 Klimaschutzziele müssen realistisch und berechenbar sein ......................................................... 4 Instrumente müssen technologieoffen sein ..................................................................................... 5 Auf dem Schienengüterverkehr lasten hohe Erwartungen ............................................................. 5 Der Straßenverkehr ist Financier des Technologiewandels ........................................................... 6 Klimaschutz im Luftverkehr darf nicht zu Wettbewerbsnachteilen führen ................................... 6 Stärkung der Schifffahrt erfordert Mammutprogramm für Investitionen ...................................... 7 Impressum ........................................................................................................................................... 7

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Europäische Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität

Einleitung Der freie Personen- und Güterverkehr gehört zu den fundamentalen Freiheitsrechten der Europäischen Union und des gemeinsamen Marktes. So steht unter dem ersten Kapitel „Our Vision“ der „Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität“, die die Europäischen Kommission am 9. Dezember 2020 vorgelegt hat. Schon im nächsten Satz wird die Dimension dieser Erkenntnis geschmälert, indem die EU-Kommission den Transportsektor mit zehn Millionen Beschäftigten und fünf Prozent Beitrag zum europäischen Bruttoinlandsprodukt nur als einen wichtigen Wirtschaftssektor ansieht. Das ist viel zu kurz gesprungen. Der Transportsektor ist in erster Linie „Enabler“ für wirtschaftlichen Wohlstand, für den Erhalt und die Ansiedlung von Industriestandorten an allen Orten der Europäischen Union und damit unverzichtbar beim Ausgleich regionaler Disparitäten sowie dem tagtäglichen Betrieb des europäischen Binnenmarktes. Es muss also darum gehen, die Leistungsfähigkeit der europäischen Transportwirtschaft trotz des Ziels der Klimaneutralität weiter auszubauen, wenn das Gesellschaftsmodell der sozialen Marktwirtschaft noch weitergetragen werden soll. Transportwirtschaft verbindet Menschen und Güter und bildet so Beziehungsgeflechte und Wertschöpfungsketten, die Grundlage unserer arbeitsteiligen Wirtschaftsordnung mit ihren freiheitlichen Grundwerten ist. Einer verlässlichen Infrastruktur und einem leistungsfähigen Transportsektor ist es zu verdanken, dass Industriestandorte in ganz Europa wettbewerbsfähig sind und sich eben nicht nur einzelne Cluster herausbilden, während andere Regionen wirtschaftlich im Abseits bleiben. Im Gegenteil: Jedem Beitrittsland der europäischen Union wurde ein höheres Maß an wirtschaftlicher Teilhabe am gemeinsamen Markt ermöglicht und damit Wohlstand und Stabilität für die Bevölkerung geschaffen. Der Transportsektor ist das Bindeglied zwischen 27 Volkswirtschaften mit 450 Millionen Menschen, die tagtäglich Güter konsumieren und unterschiedlichste Wertschöpfungsbeiträge leisten. Dank enormer technologischer Entwicklungen sind die Emissionen pro Tonnenkilometer oder Personenkilometer in den letzten 20 bis 30 Jahren deutlich gesunken – dies gilt für alle Verkehrsträger gleichermaßen. Aufgrund der stetig wachsenden Vernetzung der Wirtschaftsstandorte und der Teilhabe immer größerer Bevölkerungsteile am Wohlstand sind in Summe die Emissionen gestiegen. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, die wirtschaftliche, soziale und ökologische Stabilität im Sinne eines wirklichen Nachhaltigkeitsansatzes zu erhalten und auszubauen, während gleichzeitig Logistik- und Lieferketten effizienter, umweltfreundlicher und im Idealfall klimaneutral werden. Dass sich die EU-Kommission diesen Herausforderungen mit ehrgeizigen Etappenzielen nähern will, ist nachvollziehbar. Diese wirken aber insgesamt völlig losgelöst von gesamtgesellschaftlichen Zielen, die möglicherweise in einen fundamentalen Interessenskonflikt münden. Beispielsweise dann, wenn „grüner Stahl“ kostengünstiger in sonnenreichen Regionen hergestellt wird, in denen auch noch Eisenerz abgebaut wird, oder aufgrund steigender Transportkosten Standorte in abgelegenen Regionen unrentabel werden. Die zentrale Herausforderung für unsere Gesellschaft besteht darin, Klimaschutzziele mit ökonomischen und sozialen Interessen zu vereinen. Daher stellt die EU-Kommission zu Recht fest, dass Mobilität für alle bezahlbar und verfügbar sein muss.

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Klimaschutzziele müssen realistisch und berechenbar sein ▪

Der Anspruch der EU-Kommission, im Verkehr verschärfte Klimaschutzziele mithilfe der „Strategie für eine nachhaltige und intelligente Mobilität“ zu erreichen, setzt einen ganzheitlichen und sektorübergreifenden Ansatz für Klimaschutz und die Rahmenbedingungen für erforderliche Technologien, Infrastrukturen sowie Finanzmittel voraus. Dieser Rahmen soll nun aber erst im Verlauf der nächsten ein bis drei Jahre auf europäischer Ebene ausgehandelt werden. Fristen für nationale Umsetzungen gilt es zusätzlich einzurechnen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Federführung für zentrale Weichenstellungen wie Flottenregulierung, Emissionshandelssystem, Effort Sharing, Energiesteuerrichtlinie oder Erneuerbaren Energien-Richtline nicht bei der Generaldirektion Move sowie im Europäischen Parlament nicht beim Verkehrsausschuss und im Europäischen Rat nicht beim Verkehrsministerrat liegt. Damit wird das Ausrufen verschärfter Klimaschutzziele im Verkehr – insbesondere mit dem Zeithorizont bis 2030 – zu einer Gleichung mit vielen Unbekannten:

Es gibt noch keine gemeinschaftlich verabredeten Pfade für den Hochlauf der erforderlichen Technologien über alle Gremien der EU (KOM, Rat, EP) hinweg. Ebenso fehlt noch eine verbindliche Zustimmung der Mitgliedstaaten zu den enormen finanziellen Belastungen, die in den kommenden Jahren zu leisten sein werden.

Das Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen beziffert die durchschnittlichen jährlichen Investitionen in Fahrzeuge, rollendes Material, Schiffe, Flugzeuge und den Ausbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe auf rund 492 Mrd. EUR im Zeitraum 2011-2020. Allein für das Basisszenario (d. h. ohne weitere Zielverschärfungen und zusätzliche Maßnahmen) werden diese jährlichen Investitionen voraussichtlich auf 611 Mrd. EUR pro Jahr im Zeitraum 2021-2030 ansteigen müssen. Für die Jahre nach 2030 bis 2050 schätzt die KOM die erforderlichen Investitionen auf rund 700 Mrd. Euro pro Jahr.

Um das Ziel der EU-Kommission, bis 2030 mindestens 30 Millionen emissionsfreie Pkw auf Europas Straßen zu erreichen, müsste der Bestand an Null-Emissions-Fahrzeugen von heute 600.000 um das 50-fache ansteigen.

Bei jährlichen Neuzulassungen von maximal 15 Mio. Fahrzeugen (Vorkrisenniveau 2018) in der Europäischen Union müsste bis 2030 jedes fünfte neu zugelassene Fahrzeug über einen elektrischen Antrieb verfügen. 80 Prozent der Elektrofahrzeuge wurden 2019 in sechs EUStaaten einschließlich dem Vereinigten Königreich verkauft, so dass sich die Zielerreichung vor allem auf Deutschland, Frankreich, Spanien, Niederlande und Schweden konzentrieren dürfte.

Zum Laden der Elektrofahrzeuge geht die EU-Kommission von 3 Millionen Ladepunkten bis 2030 aus. Zum Vergleich: 2019 gab es fast 200.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte. Diese Zahl müsste um den Faktor 15 zulegen, wobei rund 75 Prozent der öffentlichen Ladepunkte in vier EU-Staaten Deutschland, Niederlande, Frankreich und dem Vereinigten Königreich konzentriert sind.

Für Deutschland als dem fahrzeugstärksten EU-Land geht der BDI von sieben bis zehn Mio. E-Fahrzeugen bis 2030 im Bestand aus; bei weiterhin sehr ambitionierter Förderung der Elektromobilität. Gutachter im Auftrag des Bundesumweltministeriums und Bundeswirtschaftsministeriums prognostizieren Bestandszahlen am unteren Rand dieser Einschätzung. Eine

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Verschärfung der Klimaschutzziele wird diese Lücke nicht schließen, weitere konkrete Maßnahmen und Investitionen sind erforderlich. ▪

Die gute Nachricht bei dem europäischen Ziel von 30 Millionen E-Fahrzeugen bis 2030 ist, dass die kumulierten Neuzulassungen tatsächlich auch in der EU bleiben. In Deutschland wären beispielsweise rund 14 Millionen Neuzulassungen erforderlich, um letztlich rund zehn Millionen E-Fahrzeuge bis 2030 im Bestand zu halten. In den letzten zehn Jahren sind rund 45 Prozent der neuzugelassenen E-Fahrzeuge nicht mehr im inländischen Bestand. Hohe Kaufprämien für E-Fahrzeuge in Deutschland befeuern gerade die Gebrauchtwagenmärkte in den europäischen Nachbarländern.

Darüber hinaus muss auch klar sein, dass ein ambitionierter Hochlauf der E-Mobilität und ergänzende Maßnahmen zum Stärken von Schiene, Bus, Binnenschifffahrt, weitere Effizienzsteigerungen und Digitalisierung nicht zum Erreichen nationaler Klimaschutzziele ausreichen. Der zweite zentrale Hebel neben der direkten Elektrifizierung sind CO 2-arme und CO2-neutrale Kraftstoffe. Mit diesem Politikmix liegen die Vorschläge der EU-Kommission richtig.

Instrumente müssen technologieoffen sein ▪

Die angekündigten Revisionen insbesondere der Flottenregulierung und Erneuerbaren Energien-Richtlinie (Leitinitiative 1 mit Maßnahmen 1-9, ergänzend Leitinitiative 2 mit Maßnahmen 12) bergen in der Tat das Potential, bei entsprechender Flankierung durch Förderung und Anreize (v. a. Maßnahmen 10, 11, 13) sowie CO2-Bepreisung (Leitinitiative 5 mit Maßnahmen 29, 30, 31, 32), den raschen Markthochlauf von alternativen Antrieben und Kraftstoffen für alle Verkehrsträger voranzubringen. Grundsätzlich positiv zu werten ist, dass in der Strategie durchgängig von erneuerbaren und CO2-armen Kraftstoffen sowie „Null-Emissions-Fahrzeuge“ die Rede ist (z. B. Punkt 81) und damit einen technologieoffenen Ansatz andeutet.

Aber insbesondere mit Blick auf den Straßenverkehr (Punkt 19) schränkt die Strategie diese Technologieoffenheit ein. Damit enthält die Strategie keine, über alle Gremien der EU (KOM, Rat, EP) hinweg, verbindliche Vereinbarung über den Einsatz von CO 2-armen und CO2-neutralen Technologien bei allen Verkehrsträgern. Auch Ausnahmen und Freiheiten bei der nationalen Ausgestaltung europäischer Rahmenvorgaben lassen offen, ob für das Industrieland Deutschland entscheidende Weichenstellungen für den technologieoffenen Hochlauf eines Wasserstoffmarktes sowie alternativen Antrieben und Kraftstoffen zeitnah erfolgen.

Auf dem Schienengüterverkehr lasten hohe Erwartungen ▪

Der Meilenstein, den Schienengüterverkehr bis 2030 um 50 Prozent zu steigern und bis 2050 zu verdoppeln (Maßnahme 9) ist vor allem als Ansporn zu verstehen. Dieses ambitionierte Ziel setzt unter anderem massive Investitionen in Kapazitäten voraus, wie sie zum Beispiel durch Bau neuer Strecken, Bahnhöfe und Verladestellen und die Erweiterung wichtiger Knoten erreicht werden.. Zugleich vergehen selbst für überschaubare Projekte wie den Brenner-Nordzulauf von der politischen Entscheidung bis zur Umsetzung inzwischen Jahrzehnte. Angesichts dessen verwundert es, dass in der Strategie der Kommission ausgerechnet naheliegende Querverweise zum Thema „Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren “ausgespart werden, zu dem eine Überarbeitung des europäischen Umweltrechts einen großen Beitrag leisten könnte.

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Vergleichsweise kurzfristig lassen sich Kapazitäten und Effizienz im europäischen Schienennetz durch umfassende Digitalisierung erhöhen. Ein möglichst flächendeckender Rollout der ETCS-Technologie, digitaler Stellwerke und der Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) bergen hierbei die größten Potentiale. Technologien zum Tracking und Tracing dürfen für die Integration der Schiene in leistungsfähige Logistikketten nicht fehlen, insbesondere wenn es um bisher weniger schienenaffine Güter geht. Aber auch das europäische KV-Netz muss dringend entsprechend der steigenden Bedarfe ausgebaut werden. Eine dezidierte Förderung entsprechender Terminals aber fehlt bisher auf europäischer Ebene, wäre jedoch das hervorragende Instrument, um den KV einen weiteren entscheidenden Entwicklungsschub zu ermöglichen.

Der Straßenverkehr ist Financier des Technologiewandels ▪

Als entscheidende Maßnahme für den Antriebswechsel gilt die Verteuerung des Straßenverkehrs. Neben einer Verschärfung der europäischen CO2-Flottenziele sowie strengere Regulierungen beim Verbrennungsmotor (Euro 7) sollen Systeme der CO2-Bepreisung – möglicherweise im Rahmen des Emissionshandelssystems und - über Straßenbenutzungsgebühren eine Lenkungswirkung erzielen.

Rechenmodelle der Nationalen Plattform zur Zukunft der Mobilität zeigen, dass neben deutlichen Mautabschlägen für Null-Emission-Lkw sowie der Förderung der Investitionen zusätzliche CO2-Preise in der Größenordnung von 65 bis 100 EUR/ Tonne CO 2äq erforderlich sind. Dies allein entspräche einer weiteren Kostensteigerung um 45 Prozent der heute in Deutschland zu zahlenden Lkw-Maut. Logistikkosten fallen damit noch stärker bei Standortfragen ins Gewicht, zumal sich andere Verkehrsträger an den Preissteigerungen des Straßenverkehrs in ihrer Preispolitik orientieren dürften.

Klimaschutz im Luftverkehr darf nicht zu Wettbewerbsnachteilen führen ▪

Der Vorstoß der EU-Kommission, die Ausnahmetatbestände in der Besteuerung von Kraftstoffen im Luft- und Seeverkehr im Rahmen der aktuellen Revision der Energiesteuerrichtlinie zu prüfen (Maßnahme 49), darf nicht zu negativen Auswirkungen im internationalen Wettbewerb führen. Denn in internationalen Abkommen hat sich die internationale Gemeinschaft auf eine Ausnahme der Besteuerung von Kerosin geeinigt. Ein europäischer Alleingang einer Kerosinsteuer würde unweigerlich zu Wettbewerbsnachteilen europäischer Fluggesellschaften und Carbon Leakage mittels „Tankering“ führen, wenn außereuropäische Fluggesellschaften steuerfreies Kerosin an den Flughäfen an den Grenzen zur EU, insb. an den großen Drehkreuzen Istanbul und London, tanken.

Eine Kerosinsteuer bedeutet nur eine Verteuerung und Schlechterstellung des europäischen Luftverkehrs im internationalen Wettbewerb, ohne klimaeffiziente Lenkungswirkung. Der Instrumentenmix für Klimaschutzmaßnahmen im Luftverkehr muss aufeinander abgestimmt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit auch in Zukunft zu gewährleisten. So erhebt Deutschland bereits eine Luftverkehrsteuer, die bereits um ein Vielfaches die Einnahmen aus einer Kerosinsteuer übersteigt, ohne dass diese Einnahmen in klimaeffiziente Maßnahmen in den Luftverkehr reinvestiert werden. Eine weitere finanzielle Belastung untergräbt nur die Wettbewerbsfähigkeit der Luftverkehrsstandorte in Europa.

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Die Unterstützung der EU für die Einführung des globalen Klimaschutz- und CO2-Bepreisungsinstruments CORSIA ist zu begrüßen (Maßnahme 48). Denn der internationale Charakter des Luftverkehrs benötigt auch einen globalen Ansatz, um negative externe Effekte zu vermindern und Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten.

Der Ansatz solle nicht sein, Verkehrsträger einfach durch Verknappung von zugeteilten Zertifikaten und die Ausweitung des ETS zu verteuern, sondern auch klimapolitisch sinnvolle Anreize zu setzen. Das europäische Emissionshandelssystem (EU-ETS) ist ein wichtiges Instrument zur Dekarbonisierung im Luftverkehr, sofern wie angekündigt, die Einnahmen aus dem EU ETS auch in Klimaschutzmaßnahmen reinvestiert werden.

Der BDI plädiert dafür, im Luftverkehr die Einnahmen in die entstehenden Mehrkosten beim Einsatz von nachhaltigen strombasierten Kraftstoffen, die auf absehbare Zeit um ein Vielfaches teurer als herkömmliches Kerosin sein werden, zu investieren. So könnte eine Zweckbindung der Einnahmen aus der Versteigerung von Zertifikaten für Luftfahrzeugbetreiber (EUAAs) festgelegt werden.

Stärkung der Schifffahrt erfordert Mammutprogramm für Investitionen ▪

Der anvisierte Meilenstein, den Transport auf Binnenwasserstraßen und im Kurzstreckenseeverkehr bis 2030 um 25 Prozent und bis 2050 um 50 Prozent zunehmen zu lassen, ist realitätsfern, sind doch ausreichende Kapazitäten sowie flussbauliche Maßnahmen bei der Binnenschifffahrt notwendige Prämisse für eine solche weitreichende Verkehrsverlagerung.

Eine Steigerung des Transports auf den Binnenwasserstraßen setzte aber voraus, dass die nötige Infrastruktur eine Verlagerung des Verkehrs auf das Binnenschiff auch gewährleistet. Ohne massive Investitionen in den nächsten Jahren ist eine Verlagerung schwerlich erreichbar. Hierfür muss die Europäische Kommission nun auch konkrete Lösungsvorschläge präsentieren. Hier treffen europäische Ambitionen auf nationalstaatliche Engpässe bei Planungsund Genehmigungsverfahren.

So sind beispielsweise in Deutschland jahrelang die zur Verfügung stehenden Gelder für Investitionen in den Verkehrsträger Wasserstraße aufgrund von Personalengpässen in der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt nicht ausreichend abgeflossen.

Es gilt, ideelle Ziele an den Realitäten in den Mitgliedstaaten zu orientieren und praxistauglich zur Umsetzung zu bringen. Darüber hinaus werden umfangreiche Projekte oftmals durch Verbandsklagen von Umweltverbänden mit rechtlichen Mitteln in Frage gestellt, obgleich der Dissens rein politischer Natur ist. Wer Verkehr auf umweltfreundliche Verkehrsträger verlagern will, darf den dafür dringend notwendigen Ausbau der Wasserstraßeninfrastruktur nicht torpedieren.

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Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0 Redaktion Jürgen Hasler Petra Richter Jonas Fritz Robin Kunst Abteilung Mobilität und Logistik T: +49 30 2028-1494 verkehr@bdi.eu

BDI Dokumentennummer: D 1302

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