EU-China Comprehensive Agreement on Investment

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POSITION | AUSSENWIRTSCHAFT | CHINA

EU-China Comprehensive Agreement on Investment Was gewinnt die deutsche Industrie?

3. Mai 2021 Kernpunkte ▪

Die deutsche Industrie begrüßt, dass die Europäische Kommission und die chinesische Regierung zu einer Übereinstimmung beim Investitionsabkommen gekommen sind. Das EU-China Comprehensive Agreement on Investment (CAI) kann ein wegweisendes Abkommen werden, das das politische Engagement der Europäischen Union und der Volksrepublik China unterstreicht. Es kann zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die wirtschaftlichen Beziehungen sowie zur Lösung bestehender Herausforderungen beitragen.

Wichtige Ziele konnten erreicht und im Abkommen festgeschrieben werden. Dazu zählen u. a. das Verbot von erzwungenem Technologietransfer, Transparenzauflagen für Subventionen im Dienstleistungssektor und die Auflage, dass Staatsunternehmen sich marktkonform verhalten müssen. Ebenfalls positiv hervorzuheben ist die Zusage Chinas, den Zugang zu chinesischen Normungsgremien umfassend auch europäischen Unternehmen zu ermöglichen. Es wurde auch ein umfangreiches Nachhaltigkeitskapitel in dem Investitionsabkommen verankert. Hierin bekundet China, an der Übernahme der beiden Kernarbeitsnormen der International Labour Organization (ILO) gegen Zwangsarbeit zu arbeiten.

Einen besonderen Stellenwert misst der BDI der Etablierung effektiver Aufsichts- und Durchsetzungsmechanismen bei, um spürbare Verbesserungen in der Unternehmenspraxis zu erreichen. Der institutionelle Schlichtungsmechanismus des CAI spielt eine Schlüsselrolle, weil er Kommunikationskanäle auf der politischen Ebene und auf der Arbeitsebene einrichtet, um die Verpflichtungen zu überwachen und die laufenden Herausforderungen anzugehen.

Das CAI löst strukturelle Ungleichgewichte im Marktzugang nicht auf. Das chinesische System der Negativlisten bleibt ebenso bestehen wie zahlreicher Eingriffs- und Blockademöglichkeiten der chinesischen Behörden. Umgekehrt sichert die EU China auf unbestimmte Zeit die Offenheit des eigenen Marktes zu, was als großer Verhandlungserfolg für Peking zu werten ist. Wir fordern deshalb von der EU-Kommission, dass der Druck auf China, weitere Zugeständnissen in Richtung Reziprozität und Wettbewerbsgleichheit zu machen, aufrechterhalten bleibt.

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Faktoren, die Investitionen in China verkomplizieren oder indirekt behindern, wie z. B. Unsicherheiten im Kontext des Cybersicherheitsgesetzes, die Installation von Parteizellen in Unternehmen oder eine umfassende Offenlegung von Geschäftsinformationen innerhalb des Sozial-KreditSystems, werden gar nicht oder nicht ausreichend adressiert. Somit steht China weiterhin ein breites Instrumentarium zur Verfügung, um auf Investoren und Investitionen Einfluss zu nehmen.

Der BDI fordert von der EU-Kommission, einen regelmäßigen Überprüfungsmechanismus einzurichten, der Tempo und Grad der Implementierung verfolgt und weiterhin bestehende Problemfelder identifiziert und adressiert. Auch muss noch genau definiert werden, was passiert, sollte es zu Vertragsbrüchen kommen.

Insgesamt wertet der BDI das Investitionsabkommen als einen konstruktiven Baustein in einer Reihe von Politikmaßnahmen, die sowohl dem Ausbau der Beziehungen der EU zu China als auch dem Schaffen eines level playing field im unternehmerischen Wettbewerb zu Gute kommen müssen.

Der fehlende Teil des Abkommens zum Investitionsschutz muss nun zügig vorangebracht werden, um einen möglichst hohen Investitionsschutz zu erreichen. Die aktuellen Ereignisse zu Xinjiang-Fragen und den diesbezüglichen Sanktionen der EU und Gegensanktionen Chinas zeigen, wie anfällig europäische Unternehmen in Einzelfällen gegenüber politisch motivierten BoykottMaßnahmen der chinesischen Regierung gegen einzelne Unternehmen sein können.

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Inhaltsverzeichnis Kernpunkte........................................................................................................................................... 1 Einleitung ............................................................................................................................................. 4 Marktzugang ........................................................................................................................................ 4 Marktzugangsverpflichtungen Chinas gegenüber der EU .................................................................... 5 Zugang zu Normungsgremien ............................................................................................................... 7 Marktzugangsverpflichtungen der EU gegenüber China ...................................................................... 8 Level Playing Field .............................................................................................................................. 8 Staatsunternehmen ............................................................................................................................... 8 Transparenz bei Subventionen ............................................................................................................. 9 Erzwungener Technologietransfer ........................................................................................................ 9 Nachhaltigkeit .................................................................................................................................... 10 Umwelt und Klima ............................................................................................................................... 10 Corporate Social Responsibility (CSR) ............................................................................................... 11 Arbeitsfragen und ILO-Konventionen .................................................................................................. 11 Institutionelle Bestimmungen .......................................................................................................... 11 Offene Punkte .................................................................................................................................... 12 Weitere wirtschaftspolitische Instrumente der EU............................................................................... 12 Marktöffnung in China weiter vorantreiben ......................................................................................... 12 Schutz geistigen Eigentums ................................................................................................................ 12 Investitionsschutz ................................................................................................................................ 12 Impressum ......................................................................................................................................... 14

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Einleitung Ende Dezember 2020 haben sich die Europäische Union und China in einer politischen Einigung auf Kernpunkte zum Investitionsabkommen (Comprehensive Agreement on Investment – CAI) zwischen den beiden Handelspartnern verständigt. Damit konnte der Zeitplan, den die EU und China sich für den Abschluss des Abkommens im April 2019 selbst gegeben hatten, zumindest in einem wichtigen Teil eingehalten werden. Nachdem das ursprünglich für September 2020 geplante Treffen der 27 EUStaats- und Regierungschefs mit dem Staatspräsidenten Chinas aufgrund der Coronapandemie nicht stattfinden konnte, ist die nun beschlossene politische Einigung zum CAI das wichtigste Ergebnis der deutschen Ratspräsidentschaft in Bezug auf die Wirtschaftsbeziehungen mit China. Auf dem Weg zu einem künftigen umfassenden Abkommen, das Investorenschutz und einen unabhängigen Investor-Staat-Streitschlichtungsmechanismus einschließt, kann die politische Einigung zum Investitionsabkommen einen wichtigen Schritt darstellen. Es werden hiermit wichtige Standards definiert und festgehalten, hinter die China nach den Regelungen des Abkommens nicht mehr zurückfallen darf. Allerdings besteht in der deutschen Industrie die Sorge, dass die erreichten Zugeständnisse den Verhandlungsspielraum deutlich einschränken und es zukünftig deutlich schwerer machen, China zu weiteren Zugeständnissen zu bewegen. Die EU schränkt auf ihrer Seite den Spielraum ein und gibt ein wichtiges Druckmittel aus der Hand. Das CAI muss als ein Baustein im Gesamtkontext der EU-Chinapolitik gesehen werden. Der BDI setzt sich dafür ein, dass wichtige, aktuell in der Entwicklung befindliche bzw. neu zu schaffende Instrumente zur Verringerung von Wettbewerbsverzerrungen und mangelnder Reziprozität in der EU zukünftig mit Nachdruck verfolgt werden. Die inhaltlichen Schwerpunkte des Abkommens lassen sich unter drei Hauptüberschriften gliedern: Marktzugang, gleiche Wettbewerbsbedingungen (level playing field) und Nachhaltigkeit (mit den Unterkapiteln zu Umwelt, Klima und Arbeit). Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es noch keine Einigung zum Themenkomplex Investitionsschutz.

Marktzugang Der Marktzugang für EU-Unternehmen aus der verarbeitenden Industrie in China soll durch das Abkommen deutlich verbessert werden. Laut Aussagen der EU-Kommission ist China mit der EU so weitreichende Marktzugangsverpflichtungen wie mit keinem anderen Partner eingegangen. Dieser verbesserte Marktzugang wird unterlegt durch einen Staat-zu-Staat-Streitbeilegungsmechanismus. Diese Grundidee ist grundsätzlich richtig und der Abschluss ein erster Schritt, China zu mehr Reziprozität beim Marktzugang sowie bei der Behandlung von ausländischen Direktinvestitionen zu verpflichten und somit zu mehr Transparenz zu gelangen. Tatsächlich lässt sich feststellen, dass die gemachten Zusagen von chinesischer Seite vielmehr einen bereits über die letzten Jahre erreichten Status quo festschreiben, als dass in kritischen Bereichen weitergehende Öffnungsschritte erreicht werden. Die bestehende strukturelle Asymmetrie im Marktzugang in Form des chinesischen Systems der Negativlisten wird sogar ausdrücklich bestätigt. Im Anhang zu den Verpflichtungen auf chinesischer Seite („Schedules of China“) werden wie aus den beiden Negativlisten für ausländische Direktinvestitionen und den allgemeinen Marktzugang bekannt und – teilweise mit daraus entliehenen Formulierungen – Zugangsbeschränkungen und maximale Anteile für europäische Investoren aufgezählt. Auch werden bestehende Verbote bestätigt und damit verfestigt

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(z. B. das Verbot juristischer Beratung und Vertretung durch ausländische Rechtsanwälte). Ein weiteres Beispiel sind die Ausnahmen bei Investitionen im Bereich „Biologischer Ressourcen“ in der Negativliste des Annex I. Bessere Behandlungsoptionen für Patienten in China, die durch Lösungen von EU-Firmen bestünden, können so nicht angeboten werden. Darüber hinaus sind neue Einschränkungen bereits jetzt vorgesehen bzw. werden neue Unsicherheiten geschaffen. So behält sich China z. B. politischen Spielraum bei der Entscheidung vor, ob künftig die leitenden Führungskräfte von Non-Profit-Organisationen chinesische Staatsbürger sein müssen (Annex II, Entry 9). Unter diese Regelung könnte u. a. der Teil der Repräsentanzen der verfassten deutschen Wirtschaft in China fallen, die dort als Nichtregierungsorganisation registriert sind. Hier fordert der BDI eine Klarstellung. Neue Einschränkungen in der Interessenvertretung der verfassten deutschen und europäischen Wirtschaftsverbände auf dem zweitgrößten Markt der Welt müssen ausgeschlossen werden. Insgesamt muss festgehalten werden, dass die Forderungen der Industrie, die in der Startphase der Verhandlungen von BusinessEurope und vom BDI erhoben wurden, nur zu einem kleinen Teil erfüllt wurden. CAI ist kein Abkommen mit weitreichender Marktöffnung, die Öffnung des chinesischen Marktes für öffentliche Aufträge ist nicht erfolgt und ein umfassender Investitionsschutz konnte zwischen EU und China nicht erreicht werden. Diese unerledigten Aufgaben müssen weiter mit Priorität auf der China-Agenda der EU-Kommission stehen. Es ist davon auszugehen, dass sich mögliche positive Auswirkungen in den Bereichen mit verbessertem Marktzugang eher mittel- bis langfristig für die Unternehmen zeigen werden, die bereits in China investiert haben. Die Bedeutung des Investitionsstandorts China ist weiterhin groß, die meisten der bereits in China investierten deutschen Unternehmen planen weitere Investitionen und gehen von einer positiven Entwicklung des chinesischen Marktes in ihrer Branche aus. Es ist allerdings nicht damit zu rechnen, dass Neuinvestitionen aus Europa in China oder umgekehrt chinesische Investitionen in Europa aufgrund des CAI deutlich zunehmen werden. Die im Abkommen festgehaltenen Verpflichtungen für China betreffen nur zu kleinen Teilen das Verarbeitende Gewerbe. In deutlich größerem Maße sind die Zugänge für europäische Unternehmen im Bereich der Dienstleistungen Teil der Verhandlungen zum nun vorliegenden ersten Teil des Abkommens gewesen.

Marktzugangsverpflichtungen Chinas gegenüber der EU Automobilindustrie: Im Bereich Automobilherstellung wird die von China bereits im Jahr 2018 angekündigte Abschaffung bzw. das Auslaufen des Joint-Venture-Zwangs für alle ausländischen Hersteller bekräftigt. Der Zeitplan hierfür sieht drei Schritte vor: Seit 2018 Fahrzeuge mit neuartigen Antrieben; seit 2020 Nutzfahrzeuge mit konventionellem Antrieb; ab 2022: PKW mit konventionellem Antrieb. Mit dem CAI bestätigt China im Bereich der neuartigen Antriebe (new energy vehicles – NEV, vornehmlich E-Autos) verstärkt den Marktzugang, mit der Einschränkung, dass die Investition mehr als 1 Milliarden USD betragen muss. Die inzwischen weiter gekürzte Negativliste hat den Joint-Venture-Zwang für ausländische Unternehmen in vielen Branchen aufgehoben, 100%ige Tochtergesellschaften sind verstärkt möglich, dank der Ankündigung von 2018, nun auch in der Automobilherstellung. Die zu

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tätigende Investitionssumme ist allerdings hoch, Investitionen in diesem Bereich werden sich daher auf einzelne Großinvestitionen beschränken. Für die aus Sicht der deutschen Industrie ebenfalls wichtigen Automobilzulieferer war die Gründung eines WFOE (Wholly Foreign Owned Enterprise) zudem seit jeher möglich, hier gab es keine Einschränkungen beim Marktzugang in China. Maschinenbau: Im Bereich des Maschinenbaus gab es in der Vergangenheit keine Hürden bei „GreenfieldInvestitionen“. Bei der Übernahme von Maschinenbauunternehmen besteht sowohl in China eine Genehmigungspflicht wie auch in Deutschland im Rahmen der Investitionsprüfung für kritische Infrastrukturen ein Prüfvorbehalt. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) bemängelt, dass das Abkommen zwar eine Reihe von Märkten für EU-Unternehmen in China öffnet, aber ein echtes level playing field für europäische Unternehmen auf dem chinesischen Markt damit wohl nicht erreicht wird. Zudem fehlen für den Maschinen- und Anlagenbau wichtige Themen, wie öffentliches Auftragswesen, Zugang zu lokalen Fördermitteln und Fragen des Wettbewerbs- und Beihilferechts. Dienstleistungen Die vereinbarten Öffnungen im Dienstleistungsbereich kommen aufgrund der Most Favoured Nation (MFN)-Klausel nicht nur den Mitgliedstaaten der EU, sondern allen WTO-Mitgliedern (GATS) zugute. Damit orientiert sich das Abkommen deutlich stärker an den WTO-Regeln bzw. ist mit ihnen konform im Vergleich zum Phase One Deal zwischen den USA und China. Finanzdienstleistungen: Joint-Venture-Auflagen sowie Obergrenzen für ausländische Beteiligungen wurden bereits für das Bankwesen, den Handel mit Versicherungen und Wertpapieren und der Vermögensverwaltung abgeschafft. China hat zugesagt, diesen Prozess der Liberalisierung und Öffnung weiter fortzuführen. Damit werden Vorteile, die seit Abschluss des „Phase One Deals“ für US-Investmentfonds gelten, nun auch EU-Investoren und allen WTO-Mitgliedern eingeräumt. Gesundheitswesen: Joint-Venture-Auflagen für den Betrieb privater Krankenhäuser in acht zentralen chinesischen Städten (u. a. Peking, Schanghai und Hainan) sollen gänzlich aufgehoben werden, was generell begrüßt wird. Auch dies ist eine Entwicklung, die bereits 2019 begonnen hat, aber auch weiterhin keinen landesweiten Zugang für europäische Unternehmen in diesem Bereich ermöglicht. Eingeschränkt wird die Öffnungszusage zudem durch die Klausel, dass solche Investitionen nur unter Berücksichtigung von „Chinas Bedarf“ vorgenommen werden dürfen. Die Mehrheit des Personals in den Krankenhäusern muss chinesisch sein. Um eine vertiefte, langfristige Partnerschaft mit China im Gesundheitswesen zu ermöglichen und zu stärken, wäre eine landesweite, umfassende Befreiung der Joint-Venture Pflicht erstrebenswert. Hierzu wäre von Anbeginn an grundsätzlich eine Erweiterung über die acht zentralen chinesischen Städte hinaus in alle Provinzhauptstädte und deren unmittelbare Umgebung anzustreben. Darüber hinaus wäre ein Zeitplan und Mechanismus zur schrittweisen Aufhebung von Joint-Venture Auflagen auch in weiteren Tier-1, Tier-2 und Tier-3 Städten notwendig, um auch weiterhin im Interesse europäischer Unternehmen sowie chinesischer Gesundheitssysteme (Provinzebene) angemessen agieren zu können und das lokale Gesundheitssystem auch weiterhin nachhaltig zu unterstützen.

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Telekommunikation/Cloud-Dienste: China hat zugesagt, das Investitionsverbot für ausländische Investoren teilweise aufzuheben. Eine entsprechende Beteiligung im Bereich der Cloud-Dienste soll auf max. 50 Prozent begrenzt werden. Bei anderen Telekommunikationsdiensten wie Kommunikationsinfrastruktur, Satellitenkommunikation und Mobiltelefonen wird ein Höchstanteil von 49 Prozent vorgegeben. Damit wird faktisch ein neuer Joint-VentureZwang festgeschrieben. Im Bereich Clouddienste sind chinesische und amerikanische Unternehmen deutlich führend. Die Relevanz ist für die deutsche Industrie als Anbieter von CloudDiensten dort momentan eher gering. Für Industrie-4.0-Anwendungen spielen sie allerdings eine große Rolle, Unternehmen brauchen hier Datenhoheit. Eine vollständige Liberalisierung wäre hier wichtig gewesen. Dienstleistungen in Bauwesen, Seeverkehr, Luftverkehr, IT und Umwelt in China werden europäischen Investoren ermöglicht bzw. erleichtert. Eine Beurteilung, ob die angekündigten Öffnungsschritte der deutschen Industrie einen großen Nutzen im tatsächlichen Geschäft bringen, ist auf der Grundlage der Dokumente allein nicht möglich. Viel wird von der tatsächlichen Umsetzung des Abkommens in China, auch auf der Provinzebene und der darunter liegenden Lokalebene abhängen, also davon, wie das Abkommen politisch in China eingeschätzt und vorangetrieben wird. Die Festschreibung eines politisch hochrangigen Streitschlichtungsgremiums (Investment Committee) zwischen China und der EU, wie sie im Abkommen vorgesehen ist, kann ein wichtiger ergänzender Baustein sein.

Zugang zu Normungsgremien Das Abkommen sieht den gleichberechtigten Zugang von Unternehmen beider Vertragsparteien zu den jeweiligen Normungsgremien vor. Der BDI beurteilt positiv, dass Unternehmen aus der EU in China nun ein gleichberechtigter Zugang zu chinesischen Normungsgremien ermöglicht werden soll. Bereits in den vergangenen Jahren war ein Zugang zu Normungsgremien in einzelnen Teilbereichen eingeräumt worden, z. B. seit 2016 im Technical Committee TC 260, das für Standards im Kontext des chinesischen Cybersicherheitsgesetzes verantwortlich ist. Fraglich bleibt, ob der formelle Zugang zu den staatlich kontrollierten chinesischen Gremien dazu führt, dass sich der industriegetriebene Ansatz einer Kosten-Nutzen-Abwägung bei der Festlegung von Normen und Standards durchsetzen kann oder doch politisch getriebene Ansätze die Oberhand haben werden. Ein immer wieder vorgebrachter Kritikpunkt ist eine bestehende Intransparenz des chinesischen Normungssystems, seiner Gremien und deren Entscheidungen. Durch die im Abkommen nun vorgesehenen Regelungen muss China den Zugang zu allen Gremien von höchster staatlicher bis auf die lokale Ebene gewährleisten. Dies wird aber nicht verhindern, dass Absprachen in der Praxis informell und an den offiziellen Gremien vorbeigetroffen werden. Und ob mit dem Zugang auch entsprechende Stimmrechte einhergehen, ist auch unklar. Problematisch ist auch, dass sich die Unternehmen scheuen, bei Diskriminierung ihre Einbindung offen einzufordern, da sie negative Auswirkungen fürchten. Hier muss China seine Politik der Einschüchterung endlich aufgeben. Aufgrund der Intransparenz des Systems wird es an vielen Stellen schwierig bleiben, Reziprozität einzufordern, da sich die chinesische Regierung auf die offiziellen Wege berufen wird. Zudem scheint bei den sogenannten Association Standards (Normen, die z. B. von Handelskammern, Verbänden, Technologieallianzen u. a. nicht staatlichen Akteuren definiert werden), die nicht im Abkommen genannt sind und nicht der Standardization

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Administration of the People’s Republic of China (SAC) unterliegen, ein Schlupfloch zu bestehen. Staatsunternehmen oder Provinzregierungen können Association Standards, auf die europäische Unternehmen keinen Einfluss nehmen können, in ihren Ausschreibungen verpflichtend machen. Association Standards werden – so Prognosen auf der deutschen Industrie – in Zukunft in China an Bedeutung gewinnen. Als problematisch wird ebenfalls gesehen, dass im Text des Abkommens lediglich von einer Empfehlung an lokale und nicht staatliche Normungsgremien beider Seiten zur Beteiligung von Unternehmen an der Entwicklung von Normen und damit zusammenhängenden Konformitätsbewertungsverfahren durch diese Gremien die Rede ist, nicht von einer Verpflichtung. Damit ist der Anreiz für chinesische Entitäten gering, dies auch umzusetzen. Marktzugangsverpflichtungen der EU gegenüber China Im Energiebereich will die EU in einigen begrenzten Bereichen (Investitionen in Stromhandel und Stromerzeugung aus regenerativen Energien) und abhängig auch von weiteren Öffnungsschritten Chinas eine verbindliche Marktöffnung für chinesische Unternehmen festschreiben.

Level Playing Field Besonders wichtig für die deutsche Industrie ist, klare Regeln für den Umgang mit Staatsunternehmen, mit Subventionen und gegen erzwungenen Technologietransfer völkerrechtlich verbindlich festzuschreiben. Sollte die Durchsetzung, z. B. von mehr Transparenz bei Subventionen, mithilfe des Abkommens gelingen, schafft dies mehr Rechtssicherheit und Handlungsoptionen für EU-Unternehmen in China. Staatsunternehmen Das Abkommen enthält eine Formulierung, die zusagt, dass alle durch das Abkommen erfassten Unternehmen (covered entities) und damit auch chinesische Staatsunternehmen (state-owned enterprises, SOE) verpflichtet sind, zukünftig nach marktorientierten Grundsätzen in ihren geschäftlichen Aktivitäten, bei Kauf und Verkauf ihrer Produkte zu operieren. Damit soll garantiert sein, dass inländische und ausländisch investierte Unternehmen gleichbehandelt werden (Section II, Artikel 3bis, Absatz 3 Non-discriminatory Treatment and Commercial Considerations). Die Bundesregierung und die EUKommission müssen sicherstellen, dass die Definition von covered entitites von chinesischer Seite Staatsunternehmen auf allen Ebenen einschließt. Wie gut diese Vorgabe für Unternehmen umgesetzt wird, hängt davon ab, wie gut die Kontroll-, Transparenz- und Implementierungsmechanismen sind. Dass China in Zukunft auf Markteingriffe und teilweise nicht mit Marktregeln konforme Subventionspraktiken verzichten wird, bleibt fraglich, zumal immer wieder die „sozialistische Marktwirtschaft chinesischer Prägung“ beschworen wird, und die Rolle der SOE sogar noch gestärkt werden soll. Die Klausel ist außerdem wesentlich weniger ehrgeizig als im EU-Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Japan oder im EU-Freihandelsabkommen mit Vietnam, die beide eigene Kapitel über Staatsunternehmen enthalten. Diese Kapitel, die nahezu identische Formulierungen enthalten, schließen die Vertragsparteien nicht davon aus, Staatsunternehmen zu gründen und zu behalten oder Monopole zu benennen. Allerdings verpflichten sie diese Staatsunternehmen zu einer nicht-diskriminierenden

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Behandlung bei ihren kommerziellen Überlegungen zum Kauf oder Verkauf von Waren und Dienstleistungen. Im Abkommen mit Japan müssen die Staatsunternehmen die Bestimmungen der OECD-Richtlinien zur Corporate Governance von SOE einhalten. Beide Abkommen verpflichten darüber hinaus die Regulierungsbehörden, unabhängig und ohne Rechenschaftspflicht gegenüber den Staatsunternehmen und den designierten Monopolen zu arbeiten. Transparenz bei Subventionen Es wurde laut Angaben der EU-Kommission erreicht, dass Transparenzverpflichtungen auch auf Dienstleistungsbereiche erweitert werden. Damit werde eine Lücke im WTO-Regelwerk geschlossen. Das Versäumnis Chinas, Subventionen vollständig zu notifizieren oder rechtzeitig zu melden, stellt jedoch ein ernsthaftes Problem für das Funktionieren des WTO-Übereinkommens über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen (das sogenannte SCM-Abkommen) dar. Zugleich wurde in 17 WTO-Streitschlichtungsfällen seit dem Beitritt Chinas zur Organisation im Jahr 2001 geprüft, ob Chinas Subventionen im Einklang mit dem SCM-Abkommen stehen. In dem Abkommen wurde deswegen ein Konsultationsmechanismus zu wettbewerbsverzerrenden Auswirkungen vereinbart, in dem beide Seiten sich zur Auskunft über Subventionen verpflichten. Bei den Subventionen in Chinas Dienstleistungsbereich scheint das größere Problem nicht die Notifizierung, sondern eher der Reformbedarf des SCM-Abkommens zu sein. Der BDI fordert deshalb, dass das multilaterale Rahmenwerk überarbeitetet wird, um marktverzerrende Subventionen genauer und klarer zu definieren und sie so besser zu verhindern. Beim Konsultationsmechanismus zu wettbewerbsverzerrenden Auswirkungen bleibt offen, wie die Einhaltung im Einzelfall überprüft werden kann und welcher Mechanismus greift, wenn sich in den Konsultationen wettbewerbsverzerrende Subventionen bestätigen sollten. Gerade weil kein Sanktionsmechanismus vorgesehen ist, wird es umso wichtiger, dass die EU-Kommission in ihren eigenen Bestrebungen um die Schaffung eines level playing field voranschreitet. Ein Schritt in diese Richtung ist die Schaffung eines neuen wettbewerbsrechtlichen Instruments zum Umgang mit Subventionen aus Drittstaaten (Weißbuch der Europäischen Kommission, 2020) Erzwungener Technologietransfer Es wurde erreicht, dass der Transfer von Technologie als Vorbedingung für den Marktzugang als unzulässig angesehen wird. Ebenso darf die Nutzung von chinesischer Technologie keine Voraussetzung für den Marktzugang sein. Damit führt China die Vorgaben des eigenen, im letzten Jahr eingeführten neuen Gesetzes zu ausländischen Investitionen in China (Foreign Investment Law - FIL) weiter. Allerdings verbleibt auch hier ein Graubereich, den auch das CAI wohl nicht abdeckt. Das FIL spricht nur davon, dass von Seiten der Regierung kein Technologietransfer vorgeschrieben ist. Bei Staatsunternehmen, die eine sehr große Marktmacht, z. B. bei der Vergabe von Aufträgen haben, gilt das explizit nicht. Hier wird von Technologietransfers im Rahmen von „marktbasierten Geschäftsverhandlungen“ gesprochen, wobei jedoch nicht ausgeschlossen werden kann, dass der chinesische Staat im Hintergrund nicht doch interveniert, um selbst gesteckte Ziele der Wirtschafts- und Technologiepläne (z. B. im Fünfjahresplan oder bei Made in China 2025) zu erreichen. Das Verbot zwangsweisen Technologietransfers ist trotz des CAI nicht vollumfänglich gewährleistet und schützt gerade die besonders innovativen Hightech Branchen wie z. B. die Biotechnologie nicht. Denn die Positivlisten des Annex III des CAI, deren Listung erst den Schutzbereich des CAI eröffnet,

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nennen den pharmazeutischen Sektor oder den Bereich klinischer Studien nicht. Im Gegenteil formuliert das CAI sogar Ausnahmen in Bezug auf klinische Forschung, insbesondere genetische Diagnostik, Stammzellen und sonstigen biologischen Ressourcen. Auch schreibt das Human-Genetic Resources-Gesetz vor, dass ausländische Unternehmen ihre Datenerhebung, -speicherung und -auswertung nur gemeinsam mit einem chinesischen Partner durchführen dürfen; insofern ergibt sich ein neuer tätigkeitsbezogener Joint-Venture-Zwang. Das ausländische Unternehmen muss Erkenntnisse aus Forschung und klinischen Studien zudem sowohl mit dem chinesischen Partner als auch mit dem Ministerium für Wissenschaft und Technologie (MOST) teilen.

Nachhaltigkeit Neu für ein Investitionsabkommen, aber in Anlehnung an die Texte jüngerer EU-Freihandelsabkommen (Japan, Vietnam), enthält der Text zum EU-China-Investitionsabkommen – anders als z. B. das RCEP-Abkommen – ein Kapitel zum Themenkomplex Nachhaltigkeit. Der Fokus liegt auf CSR (Corporate Social Responsibility) und Fragen zu Umwelt, Klima und Arbeit einschließlich der Frage der Ratifizierung der ILO-Konventionen zu Zwangsarbeit. Umwelt und Klima Im Kapitel zu Umwelt und Klima liegt der Schwerpunkt auf einer generellen Selbstverpflichtung beider Seiten, sich an bestehende Abkommen, wie z. B. das Pariser Klimaabkommen und internationale Standards, zu halten und diese nicht zugunsten der Anwerbung von Investitionen abzusenken. Beide Parteien heben die Notwendigkeit einer zukünftigen Zusammenarbeit bei investitionsrelevanten Politiken hervor. Ein Bekenntnis zur internationalen Zusammenarbeit über die in Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens verankerten Kooperationsmechanismen und damit im Rahmen internationaler Marktmechanismen fehlt bedauerlicherweise. Diese spezifische Formulierung fehlt ebenso in den Abkommen mit Japan, Südkorea und Vietnam. Die Vereinbarung, bei investitionsrelevanten Politiken zusammenzuarbeiten, sollte die EU nutzen, um gemeinsam mit China einem level playing field bei der klimarelevanten Bepreisung von CO₂ näher zu kommen. Das Abkommen enthält die Standardklausel „right to regulate“, die besagt, dass die Vertragsparteien das Recht der jeweils anderen Partei anerkennen, ihre eigene nachhaltige Entwicklungs-, Arbeits- und Umweltpolitik zu bestimmen. Die EU-Freihandelsabkommen mit Korea und Vietnam gehen jedoch darüber hinaus, indem sie festlegen, dass die Parteien versuchen sollen sicherzustellen, dass ihre nationalen Gesetze und Politiken ein „hohes Niveau“ an Umwelt- und Arbeitsschutz gewährleisten. Der BDI bedauert, dass es nicht gelungen ist, mit China ein ebenso hohes Niveau anzustreben. Die Verpflichtung im Investitionsabkommen zur Überwachung der Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung ist im Vergleich zu anderen EU-Abkommen ebenfalls merklich verwässert. In den beiden Freihandelsabkommen der EU mit Südkorea und Vietnam verpflichten sich die Vertragsparteien zur Überprüfung, Überwachung und Bewertung der Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung. Das CAI erkennt lediglich die Bedeutung eines solchen Überwachungsprozesses an, verpflichtet die Vertragsparteien aber nicht dazu, dies tatsächlich zu tun.

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Es ist positiv, dass dieses Kapitel die Parteien dazu verpflichtet, Investitionen in Umweltgüter und Dienstleistungen zu „erleichtern und zu fördern“. Es wäre jedoch hilfreich, wenn damit auch eine Weiterentwicklung des WTO Environmental Goods Agreement (EGA) signalisiert würde, dessen Verhandlungen derzeit auf Eis liegen. Corporate Social Responsibility (CSR) Im Abschnitt zu CSR verpflichten sich beide Seiten zur Anerkennung von international etablierten Leitlinien und Prinzipien. Dies entspricht jedoch nicht dem Niveau des Engagements in den Abkommen mit Vietnam oder Japan, die die Parteien ausdrücklich zur „Förderung“ des CSR verpflichten, im Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Japan sogar durch den Austausch von Informationen und Best Practices. Arbeitsfragen und ILO-Konventionen Laut Angaben der EU-Kommission hat sich China im Teil des Abkommens zum Themenbereich Nachhaltigkeit zu einer umfassenden Umsetzung der vier bereits ratifizierten grundlegenden ILO-Konventionen verpflichtet. Zusätzlich hat China erklärt, es wolle andauernde und verstärkte Anstrengungen („continued and sustained efforts on its own initiative“) darin unternehmen, die ILO-Konventionen zum Verbot von Zwangsarbeit (Nr. 29 und 105) zu ratifizieren. Die Sprache zur Ratifizierung der beiden ILO-Konventionen zu Arbeitnehmerversammlungsfreiheit (Nr. 87) und Kollektivverhandlungsrecht (Nr. 98) lässt mit der verwendeten Formulierung, dass China auf die Ratifizierung „hinarbeiten“ soll, der chinesischen Führung noch etlichen Spielraum und verschafft ihr Zeit in einer kritischen Frage. Im Vergleich zu anderen EU-Abkommen fehlt der Begriff der Zwangsarbeit und die Verpflichtung zu ihrer Abschaffung. Aus Sicht der deutschen Industrie ist diese „weiche“ Formulierung enttäuschend. In den Freihandelsabkommen mit Vietnam und Südkorea und im Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Japan „bekräftigen“ die Parteien ihre Verpflichtung gemäß der ILO-Declaration on Fundamental Principles and Rights at Work zur „Achtung, Förderung und wirksamen Umsetzung der Prinzipien“, darunter insbesondere die „Abschaffung aller Formen von Zwangs- oder Pflichtarbeit“.

Institutionelle Bestimmungen Ähnlich wie bei anderen Handelsabkommen der EU und Chinas sollen nach Inkrafttreten des Abkommens mehrere Ausschüsse eingerichtet werden, die die Arbeit des Abkommens unterstützen. Der politisch besetzte Investitionsausschuss (Investment Committee) ist der wichtigste von ihnen und hat die Aufgabe, die ordnungsgemäße Funktion des Abkommens zu gewährleisten und seine Umsetzung zu überwachen und zu erleichtern. Dieser Ausschuss wird einmal im Jahr tagen und darf den Parteien Empfehlungen zur verbesserten Umsetzung geben, verbindliche Auslegungen der Bestimmungen beschließen und in Mediationsverfahren erzielte einvernehmliche Lösungen übernehmen. Zusätzlich sollen zwei Arbeitsgruppen für Investitionen bzw. nachhaltige Entwicklung eingerichtet werden. Die erste soll den Investitionsausschuss generell unterstützen; die zweite soll die effektive Umsetzung des Kapitels zur nachhaltigen Entwicklung überwachen. Das Kapitel „Institutionelle Bestimmungen“ weist die Parteien außerdem an, einen regelmäßigen Dialog mit nicht staatlichen Akteuren zu führen.

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Offene Punkte Weitere wirtschaftspolitische Instrumente der EU CAI sollte von der EU-Kommission und den Regierungen der Mitgliedstaaten als ein Baustein in einer Reihe von Politikmaßnahmen betrachtet werden. Der BDI fordert die Entscheider in der EU dazu auf, auch den Ausbau unilateraler Instrumente zum Schutz des Wettbewerbs in der EU voranzutreiben. Dazu zählen vor allem die Überarbeitung und Finalisierung des Vorschlags für ein „International Procurement Instrument“ („IPI“), eine europäische Koordinierung bezüglich des „Investment Screening" und ein verbessertes Regelwerk zur Bekämpfung ungerechtfertigter staatlicher Subventionen im Wettbewerbsbereich und bei der Vergabe öffentlicher Aufträge („Foreign Subsidies Instrument“). In diesen Bereichen sollte auch die Entwicklung gemeinsamer Instrumente mit Partnern wie den USA, Japan oder Australien geprüft werden. Marktöffnung in China weiter vorantreiben Die EU muss den positiven Druck auf China aufrechterhalten, auch in Zukunft weitere substanzielle Zugeständnisse beim Marktzugang und bei Wirtschaftsreformen zu machen. Insgesamt zeigt das CAI, dass der bilaterale Verhandlungsweg nur ein Teil der Lösung im Systemwettbewerb mit China darstellt. Die Marktöffnung im Bereich öffentlicher Aufträge in China ist weiterhin unzureichend. Während dieser Themenbereich im CAI weitgehend ausgeklammert ist, bleibt es absolut unerlässlich, dass China nun möglichst bald ein akzeptables Angebot für einen Beitritt zu dem insoweit wesentlichen plurilateralen Government Procurement Agreement (GPA) der WTO vorlegt. Dieses Abkommen gilt zwar nicht für alle WTO-Mitgliedsstaaten, doch immerhin für 47 zumeist bedeutende Staaten einschließlich der 27 Mitgliedsstaaten der EU, der USA, Kanadas, des Vereinigten Königreichs und Japans. Das GPA ist damit das weltweit bisher wichtigste Abkommen zur Marktöffnung im Bereich öffentlicher Aufträge. Nachdem China über viele Jahre hinweg wiederholt nur für die übrigen GPAMitgliedsstaaten inakzeptable Beitrittsofferten, d. h. Marktöffnungsangebote für einen GPA-Beitritt, vorgelegt hat, sollte das Land nun baldigst eine akzeptable Beitrittsofferte präsentieren. Schutz geistigen Eigentums Der Themenkomplex Schutz geistigen Eigentums (IPR Schutz) bleibt im EU-China Investitionsabkommen ebenfalls weitgehend unbehandelt. Über den Abschnitt zum Verbot von erzwungenem Technologietransfer hat allerdings ein wichtiger Aspekt zum verstärkten Schutz geistigen Eigentums Eingang in den Text des CAI gefunden. Vor dem Hintergrund, dass der traditionelle Rahmen eines Investitionsabkommens durch Ergänzung der Kapitel zu Marktzugang und gleiche Wettbewerbsbedingungen bereits erweitert wurde, wäre die Ergänzung eines eigenen Kapitels zu IPR Schutz wünschenswert gewesen. Das Thema ist nach wie vor für europäische Unternehmen von großer Bedeutung. Es bestehen in China weiterhin erhebliche Defizite, sowohl bei der Durchsetzbarkeit bestehender Rechte als auch bei der Zubemessung eines angemessenen Schadensersatzes. Eine Stärkung des chinesischen Justizsystems, der effektivere Schutz von Geschäftsgeheimnissen oder effektivere Patentverfahren sollten hier u. a. auf der Forderungsliste der EU-Kommission stehen. Investitionsschutz Ein bedeutender Schwerpunkt eines Investitionsabkommens ist der Bereich des Investitionsschutzes, der im CAI zurückgestellt wurde und in zukünftigen Verhandlungen aufgegriffen werden muss. Beim Investitionsschutz, insbesondere der Frage der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit, gibt es offenbar

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derzeit nicht überbrückbare Differenzen. Beide Seiten haben sich im CAI darauf geeinigt, dass innerhalb von zwei Jahren nach Unterzeichnung von CAI auch dieser Bereich abgeschlossen werden soll. Die EU sollte alle Kraft darauf verwenden, einen modernen und effektiven Mechanismus zur Lösung von Investitionsstreitigkeiten zu etablieren – das ist das zentrale Element aller bestehenden Investitionsschutzabkommen Deutschlands. Die EU hat bereits einen zukunftsweisenden Standard entwickelt, der durch die Aufnahme in das Abkommen zu einem globalen Standard werden könnte. Dieser Standard geht auf Kritik an der völkerrechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit ein, wie sie etwa im Zuge der Diskussionen um TTIP von Seiten der Zivilgesellschaft vorgebracht wurde. So sollen etwa ungerechtfertigte Klagen eingedämmt werden. Zugleich sollen die Regulierungshoheit der Staaten in Fragen nachhaltiger Politik geschützt werden und zu diesem Zweck Investitionsstreitigkeiten vor staatlich bestellten ständigen Schiedsgerichtshöfen verhandelt werden. Nachdem die EU diesen auch international richtungsweisenden Standard bereits in ihren Investitionsabkommen mit Kanada und Vietnam zur Anwendung bringen konnte, besteht durch einen Abschluss mit China die Chance, einen derartigen Investitionsschutz-Standard, der breite Akzeptanz genießt und damit Investitionen fördert, auf globaler Ebene weiter zu etablieren. Der BDI begrüßt daher, dass der bilaterale deutsch-chinesische Investitionsvertrag zunächst in Kraft bleibt, der ein hohes Investitionsschutzniveau sicherstellt. Brüssel und Peking sollten als Ziel vereinbaren, das Investitionsabkommen in einem zweiten Schritt zukünftig auch auf den Investitionsschutz auszudehnen. Das hohe Schutzniveau der bilateralen Verträge muss dabei zwingend erreicht werden. Gleichzeitig sollte China auch im eigenen Interesse die Chance ergreifen, den der EU-Standard für die Entwicklung des völkerrechtlichen Investitionsschutzes bietet. Dadurch könnten China und die EU nicht nur ihre wechselseitigen Investitionsbeziehungen auf eine nachhaltigere Grundlage stellen, sondern auch eine wichtige Wegmarke setzen hin zu einer multilateralen Lösung zum Schutz grenzüberschreitender Investitionen, an der auf UN-Ebene seit einigen Jahren gearbeitet wird (Arbeiten der UNCITRAL an einem „Multilateral Investment Court“).

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Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0 Redaktion Abteilung Internationale Märkte: Patricia Schetelig, Friedolin Strack BDI-Büro Peking: Stefan Gätzner, Wolfgang Krieger Abteilung Außenwirtschaftspolitik: Dr. Christoph Sprich, Katherine Tepper Abteilung Recht, Wettbewerb und Verbraucherpolitik: Dr. Peter Schäfer

BDI Dokumentennummer: D 1348

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