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#Tax2025: Neuregelung des steuerlichen Zinssatzes Steuerpolitik in der 20. Legislaturperiode – 2021-2025
Januar 2022 Verfassungsgerechte Neuregelung notwendig Angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die gesetzlich festgelegte Höhe der Verzinsung von i. H. v. 0,5 Prozent pro Monat bzw. 6 Prozent pro Jahr ab dem 1. Januar 2014 nicht verfassungsgemäß ist. Der Gesetzgeber ist nun aufgefordert, bis 31. Juli 2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung für die Steuerzinsen (Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen) zu schaffen, die rückwirkend für Verzinsungszeiträume ab 2019 für alle offenen Fälle gilt.
Zeitnahe Rechtssicherheit für die Unternehmen Für die Unternehmen ist nun entscheidend, dass zeitnah Rechtssicherheit geschaffen wird und der Umstellungsaufwand begrenzt wird. Ziel muss eine nachvollziehbare und bürokratiearme Lösung sein, die sowohl von den Unternehmen als auch von der Finanzverwaltung administrierbar ist. Dies gilt umso mehr, da Steuernachforderungen und -erstattungen oftmals in Folge von steuerlichen Betriebsprüfungen erwachsen.
Vorschlag für eine Neuregelung der Steuerzinsen Die Höhe des Zinssatzes sollte anhand des Basiszinssatzes (§ 247 BGB) zuzüglich eines marktgerechten Aufschlags festgelegt werden. Für die Praxis besonders wichtig ist, dass unterjährige und zu häufige Anpassungen des Zinssatzes vermieden werden. Zudem sollten weitergehende ertragsteuerliche und verfahrensrechtliche Aspekte reformiert werden. Überfällig ist vor allem, Steuerzinsen endlich symmetrisch gleich zu behandeln: Wenn Nachforderungszinsen steuerlich nicht abziehbar sind, sollten Erstattungszinsen steuerfrei sein. Außerdem sollte auch der Stundungszinssatz gem. § 234 AO in realitätsgerechter Weise abgesenkt werden. Aus Sicht der Praxis wäre es nicht nachvollziehbar, wenn eine Stundung, der kein Säumnis zugrunde liegt, weiterhin mit einer hohen Verzinsung von 0,5 Prozent für jeden Monat belegt würde, eine Steuernachzahlung dagegen niedriger verzinst wird.
Benjamin Koller | Abteilung Steuern und Finanzpolitik | T: +49 30 2028-1584 | b.koller@bdi.eu | www.bdi.eu
#Tax2025: Neuregelung des steuerlichen Zinssatzes
Steuerlichen Zinssatz realitätsgerecht und nachvollziehbar festlegen Der steuerliche Zinssatz muss nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts realitätsgerecht festgelegt werden. Dies ist die Voraussetzung, um den Liquiditätsvorteil abzuschöpfen, der durch eine zeitlich verschobene Steuerfestsetzung entsteht. Auf diese Weise wird eine gleichheitsgerechte Behandlung der Steuerpflichtigen sichergestellt. Für die Festlegung eines realitätsgerechten steuerlichen Zinssatzes ist der Basiszinssatz gem. § 247 Abs. 1 BGB eine geeignete Ausgangsgröße. Bezugsgröße des Basiszinssatzes ist der Hauptrefinanzierungssatz der Europäischen Zentralbank. Der Basiszinssatz bildet damit das aktuelle allgemeine Zinsniveau auf Ebene der Zentralbanken ab. Er wird von der Deutschen Bundesbank bekanntgegeben und ist in hohem Maße nachvollziehbar sowie transparent. Um das Zinsniveau auf Ebene der Steuerpflichtigen realitätsgerecht abzubilden, muss der Basiszinssatz um einen Zuschlag ergänzt werden. Zur Bestimmung des Zuschlages sollte eine Orientierung an den Anlage- und Kreditzinsen vorgenommen werden. Der Zuschlag kann entweder starr (regelmäßige Evaluation und Anpassung des Zuschlags) oder variabel (automatischer Anpassungsmechanismus) ausgestaltet werden. Steuerlicher Zinssatz = Basiszinssatz + Zuschlag (Mittelwert aus Anlage- und Kreditzinsen) Grundsätzlich sollte bei der Neuregelung keine Unterscheidung zwischen Nachforderungs- und Erstattungszinsen vorgenommen werden, sondern – wie bisher – ein einheitlicher Zinssatz gelten.
Veränderungen des Zinsniveaus zukünftig berücksichtigen Damit die Neuregelung dauerhaft verfassungsgerecht ist, muss sichergestellt werden, dass bei einem veränderten Zinsniveau zukünftig eine regelmäßige Anpassung des steuerlichen Zinssatzes erfolgt. Um unnötige Bürokratie auf Seiten der Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung zu vermeiden, sollten solche zukünftigen Anpassungen des Zinssatzes nicht zu kleinteilig, d.h. nur um volle Prozentpunkte erfolgen. Für eine künftige Anpassung des Zinssatzes bestehen zwei Möglichkeiten: 1. Starrer Zinssatz (regelmäßige Evaluation) Wird der steuerliche Zinssatz – wie bisher – als starrer Zinssatz in der Abgabenordnung gesetzlich bestimmt, sollte bereits im Gesetzgebungsverfahren eine regelmäßige Überprüfung des steuerlichen Zinssatzes festgelegt werden. Dies kann z. B. durch Evaluierungen im Abstand von zwei Jahren erfolgen. Führt die Evaluierung zu dem Ergebnis, dass der neu ermittelte steuerliche Zinssatz um mehr als einen vollen Prozentpunkt vom bisherigen Zinssatz abweicht, ist der Zinssatz zum 1. Januar des Folgejahres gesetzlich anzupassen. 2. Variabler Zinssatz (automatischer Anpassungsmechanismus) Alternativ kann der steuerliche Zinssatz auch als variabler Zinssatz mit einem gesetzlichen Anpassungsmechanismus ausgestaltet werden. Dabei wird gesetzlich geregelt, dass der steuerliche Zinssatz als Summe aus Basiszinssatz und Zuschlag jährlich zu ermitteln und zum 1. Januar festzulegen ist.
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#Tax2025: Neuregelung des steuerlichen Zinssatzes
Unabhängig davon, ob der steuerliche Zinssatz als starrer oder variabler Zinssatz ausgestaltet ist, sollten keine unterjährigen Anpassungen des steuerlichen Zinssatzes vorgenommen werden. Ergibt sich im Rahmen der Berechnung aus Basiszinssatz und Zuschlag ein negativer Wert, so sollte der steuerliche Zinssatz mit Null festgesetzt werden.
Ertragsteuerlichen Reformbedarf angehen Aktuell sind Erstattungszinsen zu versteuern (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG). Nachforderungszinsen sind hingegen bei der Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer nicht zum Abzug zugelassen (§ 12 Nr. 3 EStG, § 10 Nr. 2 KStG). Die Neuregelung des steuerlichen Zinssatzes sollte genutzt werden, um eine symmetrische Behandlung von Nachforderungs- und Erstattungszinsen herzustellen. Erstattungszinsen sollten wieder steuerfrei gem. § 3 EStG gestellt werden. Dies würde auch zu einer sachgerechten Lösung führen, wenn keine Saldierung von Nachforderungs- und Erstattungszinsen ermöglicht wird. So lässt sich vermeiden, dass ein Steuerpflichtiger – obwohl er in der Gesamtbetrachtung von Nachzahlung und Erstattung tatsächlich keine Liquiditätsvorteile erlangt hat – Erstattungszinsen versteuern muss und im Gegenzug die Nachforderungszinsen nicht abzugsfähig sind. Alternativ könnte eine symmetrische Gesetzeslage auch durch die Abzugsfähigkeit von Nachforderungszinsen wiederhergestellt werden. Bei der Gewerbesteuer wäre dann allerdings zu beachten, dass die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Zinsen (§ 8 Nr. 1 Buchstabe a GewStG) die gewünschte symmetrische Gesetzeslage nicht unterläuft.
Freiwillige Anzahlungen gesetzlich ermöglichen Aktuell führt die Soll-Verzinsung im Nachzahlungsfall dazu, dass Steuerpflichtige keine gesetzliche Möglichkeit haben, das Ende des Zinslaufes durch freiwillige Zahlungen vor Wirksamkeit der Steuerfestsetzung eigenständig herbeizuführen. In der Praxis erlässt die Finanzverwaltung die Nachforderungszinsen jedoch oftmals aus sachlichen Billigkeitsgründen, soweit der Steuerpflichtige auf die Steuerzahlungsforderung freiwillige Zahlungen erbracht und das Finanzamt diese angenommen und behalten hat. Zukünftig sollte die gesetzliche Möglichkeit von freiwilligen Steuerzahlungen eröffnet werden, um Nachzahlungen zu vermeiden. Anzahlungen werden hierbei nur im Ausmaß der Steuernachforderungen verrechnet, es erfolgt keine Verzinsung von überzahlten Beträgen. Dies wirkt Gestaltungsanreizen entgegen.
Keine gesonderte Behandlung bei Gewerbesteuer Die Reform der Vollverzinsung darf keinesfalls dazu führen, dass auf kommunaler Ebene gesonderte Regelungen für die Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen bei der Gewerbesteuer eingeführt werden. Stattdessen sollte geregelt werden, dass für die Zinsen zur Gewerbesteuer die AOrechtlichen Vorschriften vollumfänglich anzuwenden sind. Dies ist bislang nicht der Fall. So ist in Fällen von Widersprüchen gegen einen Zinsbescheid das allgemeine Verwaltungsrecht (§ 68 VwGO ff.) anzuwenden. In einzelnen Bundesländern muss z. B. direkt Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht werden. Für die Unternehmen ist dies mit zusätzlichem Aufwand und Kosten verbunden.
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#Tax2025: Neuregelung des steuerlichen Zinssatzes
Die Auslegungsregelungen des AEAO zu § 233a sollten bundeseinheitlich auch für alle Kommunen verbindlich in der Rechtsanwendung sein. Dies gilt besonders auch für freiwillige Zahlungen und Anzahlungen des Steuerpflichtigen.
Zusammenfassung Für eine erfolgreiche Reform des steuerlichen Zinssatzes kommt es darauf an, verfassungskonforme Regelungen zu schaffen, die eine möglichst einfache Administrierbarkeit für Steuerpflichtige und Finanzverwaltung gewährleisten. Dazu sind die folgenden Aspekte von Bedeutung: ▪
Realitätsgerechte und nachvollziehbare Festsetzung des steuerlichen Zinssatzes: Summe aus Basiszinssatz (§ 247 Abs. 1 BGB) und marktgerechtem Zuschlag (Mittelwert aus Anlage- und Kreditzinsen)
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Einheitlicher Zinssatz für Nachforderungs- und Erstattungszinsen
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Berücksichtigung zukünftiger Veränderungen des Zinsniveaus für eine dauerhaft verfassungskonforme Regelung: Anpassung des steuerlichen Zinssatzes auf Grundlage regelmäßiger Evaluationen oder durch einen automatischen gesetzlichen Anpassungsmechanismus
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Einführung eines Schwankungskorridors: Anpassung des steuerlichen Zinssatzes stets um volle Prozentpunkte
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Keine unterjährigen Anpassungen des steuerlichen Zinssatzes
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Nachforderungs- und Erstattungszinsen ertragsteuerlich symmetrisch behandeln: Entweder die Steuerfreiheit von Erstattungszinsen herstellen oder die Abziehbarkeit von Nachforderungszinsen ermöglichen.
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Gesetzliche Regelung für freiwillige Anzahlungen schaffen
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Keine gesonderte Behandlung bei der Gewerbesteuer
Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0 Redaktion Frau Dr. Monika Wünnemann Abteilungsleiterin Steuern und Finanzpolitik T: +49 30 2028-1507 m.wuennemann@bdi.eu
Herr Benjamin Koller Referent Steuern und Finanzpolitik T: +49 30 2028-1584 b.koller@bdi.eu
BDI Dokumentennummer: D 1490
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