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China: Wachstumsausblick

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Quellenverzeichnis

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Fiskalische Maßnahmen der Biden-Administration

Nach dem American Rescue Plan und dem Infrastructure Investment and Jobs Act im vergangenen Jahr haben die Demokraten im Sommer 2022 ein weiteres umfangreiches Ausgabenpaket verabschieden. Zwar ist der Inflation Reduction Act (IRA) kleineren Umfangs als der ursprünglich vorgesehene Build Back Better Act, der ein zentrales Element von US-Präsident Bidens innenpolitischer Agenda werden sollte, Ende 2021 aber mangels Demokratischer Mehrheit im Senat gescheitert war. Dennoch sieht das Gesetz, das Mitte August 2022 nach einem Kompromiss zwischen der Parteiführung und wichtigen zentristischen Mitgliedern der Demokratischen Partei verabschiedet wurde, Ausgaben von rund 433 Milliarden US-Dollar vor, davon allein 369 Milliarden US-Dollar für den Klimaschutz. Diese Investitionen umfassen unter anderem (Senate Democrats 2022a):

▪ 27 Milliarden US-Dollar für einen Fonds zur Verringerung von Treibhausgasemissionen zur

Finanzierung von emissionsarmen und emissionsfreien Technologien zusammen mit Mitteln aus dem Privatsektor; ▪ zwei Milliarden US-Dollar an Zuschüssen für die Umrüstung von Automobilwerken auf die Produktion sauberer Fahrzeuge; ▪ zehn Milliarden US-Dollar an Steuergutschriften für Investitionen in Produktionsanlagen für saubere Technologien (Solaranlagen, Windturbinen, saubere Fahrzeuge usw.); ▪ 30 Milliarden US-Dollar in Form von Zuschuss- und Darlehensprogrammen für Staaten und

Stromversorgungsunternehmen zur Steigerung der sauberen Stromerzeugung (Senate Democrats 2022b).

Laut Schätzungen des Congressional Budget Office (CBO) könnte der IRA neue Einnahmen in Höhe von 739 Milliarden US-Dollar generieren. Innerhalb der nächsten zehn Jahre könnte das Gesetz das Haushaltsdefizit insgesamt um etwa 110 Milliarden US-Dollar reduzieren (CBO 2022).

China: Wachstumsausblick

Chinas Wirtschaft wuchs im dritten Quartal überraschend positiv um 3,9 Prozent. Verglichen mit einem Wachstum von 0,4 Prozent im vorangegangenen Quartal ist eine deutliche Erholung zu verzeichnen. Nachdem die Wirtschaft im ersten Quartal noch um 4,3 Prozent gewachsen war, ist sie danach immer wieder ins Stocken geraten.

Im Land ist die Stimmung durch die Null-Covid-Strategie und den immer wieder verhängten Lockdowns generell gesunken. Ein Ausstieg aus dieser Politik ist auch nach Abschluss des 20. Parteikongresses nicht abzusehen. Hinzu kommen das harte Durchgreifen in der Technologie- und Immobilienbranche sowie Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen und zur Eindämmung finanzieller Risiken, die ebenfalls auf das Wachstum drücken. In Kombination haben sich diese Maßnahmen deutlich auf das Investitionsklima für Privatunternehmen und ausländische Investoren ausgewirkt. Zudem verlief die Weichenstellung auf dem Parteikongress eindeutig in Richtung einer dauerhaften Stärkung der staatlichen Wirtschaft.

Aber auch die sich verschlechternden Aussichten für die Weltwirtschaft verstärken den konjunkturellen Druck. Der Krieg Russlands in der Ukraine hat die Inflation weltweit in die Höhe schnellen lassen und die Kaufkraft in Chinas wichtigsten Exportmärkten verringert. Die Exporte waren für Chinas Wachstum während der Pandemie ein stabilisierender Faktor, so dass die sinkende Nachfrage die Risiken nun noch erhöht. Die Zentralbanken, vor allem die US-Notenbank, haben mit raschen Zinserhöhungen

reagiert. Dies wiederum führt zu Kapitalabflüssen, da die Anleger sichere Häfen suchen, und setzt die chinesische Währung unter Abwärtsdruck.

Bisher haben die politischen Entscheidungsträger Chinas ihre Konjunkturmaßnahmen auf die Angebotsseite ausgerichtet, vor allem, um die Hightech-Produktion zu stärken, die Innovation zu fördern und die Infrastrukturausgaben zu erhöhen. Die derzeitigen Konjunkturmaßnahmen dienen vorrangig den langfristigen strategischen Zielen der KPCh - der Modernisierung der Wirtschaft und der Verringerung der technologischen Abhängigkeit vom Westen. Doch ohne einen grundlegenden Politikwechsel werden sich Konsum und private Investitionen nicht verbessern. Angesichts der immer größeren wirtschaftlichen Unsicherheit halten sich die Haushalte und Unternehmen mit ihren Ausgaben deutlich zurück.

Sollte es zu keinem grundsätzlichen Kurswechsel kommen, wird die aktuelle Wirtschaftspolitik die Frustration in der Privatwirtschaft und der Mittelschicht weiter erhöhen. Für eine Rückkehr zu einer weitaus pragmatischeren Wirtschaftspolitik gibt es derzeit jedoch kaum Anzeichen. Stattdessen sind weitere ideologisch motivierte Maßnahmen und eine Ausweitung des Staatskapitalismus zu erwarten. Dies wird sich negativ auf die Effizienz der Kapitalallokation auswirken und Chinas langfristige Wachstumsaussichten deutlich schmälern.

Die chinesische Wirtschaft wird auch deswegen im Jahr 2022 enttäuschen und weit unter dem inzwischen aufgegebenen Wachstumsziel von rund 5,5 Prozent liegen. In den ersten drei Quartalen ist die chinesische Wirtschaft bisher um drei Prozent gewachsen, was die Großbanken veranlasst hat, ihre Wachstumsprognosen auch für das Gesamtjahr und für 2023 noch einmal zu senken.

Erholung der Baubranche, Dienstleistungssektor weiterhin schwach

Am stärksten erholte sich die Bautätigkeit, die im dritten Quartal um 7,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr zulegte. Das verarbeitende Gewerbe wuchs um vier Prozent und der Dienstleistungssektor um 3,2 Prozent. Ein Großteil dieser Verbesserung ist jedoch auf den Vergleich mit einer niedrigen Ausgangsbasis im Vorjahr zurückzuführen, so war beispielsweise die Bautätigkeit im Vergleichszeitraum des dritten Quartals 2021 um 1,8 Prozent zurückgegangen.

Das Wachstum des Dienstleistungssektors ist nach wie vor die Schwachstelle der Wirtschaft und zeigte im dritten Quartal nur geringe Verbesserungen. So wuchsen beispielsweise die IT-bezogenen Dienstleistungen, die seit langem ein wichtiger Wachstumsmotor für den Dienstleistungssektor sind, um 7,9 Prozent, gegenüber 7,6 Prozent im zweiten Quartal des Vorjahres. Der Sektor bleibt jedoch weit hinter dem Wachstum von 21,7 Prozent zurück, das 2019 vor der Pandemie und dem harten Durchgreifen der Regierung gegen den chinesischen Technologiesektor verzeichnet wurde.

Die schwache Wirtschaft belastet zudem die Staatsfinanzen. Die Ausgaben für Gesundheitsdienste im Zusammenhang mit der Durchsetzung der strengen Covid-Maßnahmen und für die wachsenden Kosten zur Milderung des Drucks auf den Arbeitsmarkt steigen. Die wichtigsten Einnahmequellen geraten unterdessen ins Stocken. Die Einnahmen aus der Einkommenssteuer für Unternehmen wuchsen um 2,1 Prozent und damit so wenig wie seit fast zwei Jahren nicht mehr, während die Einnahmen aus Grundstücksverkäufen im dritten Quartal um 8,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgingen.

Die Industrietätigkeit blieb eine wichtige Triebkraft des gesamten BIP-Wachstums. Im dritten Quartal wuchs die industrielle Wertschöpfung um 4,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das Wachstum des

verarbeitenden Gewerbes betrug im Durchschnitt 4,1 Prozent und war damit das stärkste Quartalsergebnis seit dem zweiten Quartal 2021, unterstützt durch einen Sprung im September, der ein Wachstum von 6,4 Prozent brachte. Der Fokus der Regierung auf angebotsseitige Anreize und Maßnahmen zur Minimierung von Unterbrechungen der Lieferkette scheint sich vorerst auszuzahlen.

Ein Lichtblick sind nach wie vor die Hightech-Industrien, die im September besonders gut abschnitten. Die Wertschöpfung stieg im September um 9,3 Prozent gegenüber dem gleichen Monat des Jahres 2021, wenngleich das Wachstum nicht mehr zweistellig war. Im dritten Quartal lag das durchschnittliche Produktionswachstum im Fahrzeugbau bei sieben Prozent, in der Elektrotechnik und im Maschinenbau bei 14,4 Prozent und bei elektronischen Erzeugnissen bei 7,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Das Vertrauen unter den Herstellern und Dienstleistern sank am Ende des dritten Quartals. Der CaixinEinkaufsmanagerindex (PMI) für das verarbeitende Gewerbe lag im September bei 48,1, und der PMI für den Dienstleistungssektor ist von einem starken Wert von 55,5 im Juli auf 49,3 im September gefallen.

Außenhandel und Exportüberschüsse wachsen stark

Die Exporte sind weiterhin eine wichtige Stütze der Wirtschaft, auch wenn sich das Exportwachstum im dritten Quartal verlangsamt hat. Das Exportwachstum in US-Dollar fiel von 17,9 Prozent Ende des zweiten Quartals im Jahresvergleich auf 5,7 Prozent im September. Trotz des langsameren Wachstums exportierte China im September immer noch Waren im Wert von 322 Milliarden US-Dollar, nicht weit unter dem Allzeitrekord von 340 Milliarden US-Dollar im Dezember 2021 und deutlich über dem Niveau vor der Pandemie von 218 Milliarden US-Dollar im September 2019.

Die steigende Inflation und die geringeren Wachstumsaussichten in den wichtigsten Märkten haben die Nachfrage nach chinesischen Waren bisher nicht nennenswert beeinträchtigt. Die Ausfuhren in die EU stiegen in den ersten neun Monaten des Jahres 2022 um 16,9 Prozent, während die Exporte in die Vereinigten Staaten und den ASEAN-Raum im gleichen Zeitraum um 8,9 Prozent und 20,6 Prozent zulegten.

Die Fahrzeugexporte haben einen neuen Höchststand erreicht, da chinesische Unternehmen auf eine globale Expansion drängen, insbesondere bei Elektrofahrzeugen (EV). In den ersten neun Monaten des Jahres 2022 stiegen die Autoexporte um 64,6 Prozent und erreichten damit ein Rekordniveau. China hat nun Deutschland überholt und ist nun der zweitgrößte Autoexporteur der Welt nach Japan.

Die Importe wuchsen kaum, im September nur um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr und in den ersten neun Monaten um 4,1 Prozent. Abgesehen von den Rohstoffen ist Chinas Nachfrage nach im Ausland hergestellten Waren schwach. Die Autoimporte gingen um 0,6 Prozent zurück und die Einfuhren von Werkzeugmaschinen schrumpften um 12,3 Prozent.

Die Diskrepanz zwischen Exporten und Importen hat zu einer immer größer werdenden Handelslücke geführt. Chinas Handelsbilanzüberschuss erreichte im Juli mit 101,3 Milliarden US-Dollar ein monatliches Rekordhoch. Im September verringerte er sich geringfügig auf 84,6 Milliarden US-Dollar, bleibt aber weiterhin auf Rekordniveau.

China: Außenhandel*

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2018

* in Milliarden US-Dollar Quelle: Macrobond 2019 2020 2021

Handelsüberschüsse Exporte Importe 2022

Konjunkturmaßnahmen zur Stützung notwendig

Die staatlichen Konjunkturmaßnahmen, einschließlich billigerer Kredite, treiben die Investitionen der staatlichen Unternehmen (SOE) an. Die Investitionen staatlicher Unternehmen beschleunigten sich im dritten Quartal und stiegen bis Ende des dritten Quartals um 10,6 Prozent, verglichen mit einem Anstieg von 9,2 Prozent am Ende des zweiten Quartals.

Die Infrastrukturinvestitionen nahmen allmählich an Fahrt auf, nachdem die Regierung im Juli einen Infrastrukturplan in Höhe von 6,8 Billionen Chinesische Yuan angekündigt hatte. Die Infrastrukturinvestitionen stiegen in den ersten neun Monaten des Jahres um 8,6 Prozent und erreichten damit den bisher höchsten Stand im Jahr 2022. Die Auswirkungen der höheren Infrastrukturausgaben können jedoch die stagnierenden Immobilieninvestitionen nicht ausgleichen.

Konsumentenpreise bleiben moderat, Erzeugerpreise normalisieren sich

Die Verbraucherinflation beschleunigte sich im dritten Quartal und erreichte im September 2,8 Prozent im Jahresvergleich - der stärkste monatliche Anstieg seit April 2020. Im Vergleich zum Fünf-JahresDurchschnitt von zwei Prozent lag die Inflation jedoch nur geringfügig höher. Die Jahresinflation bleibt unter dem Jahresziel von drei Prozent. Steigende Preise werden für die politischen Entscheidungsträger kein Hauptanliegen sein, da sie weitere Konjunkturmaßnahmen ergreifen werden.

Seit dem Beginn des russischen Krieges in der Ukraine ist China von den höheren Energiepreisen nicht verschont geblieben. Die Preise erreichten jedoch im zweiten Quartal ihren Höchststand und haben sich im dritten Quartal weiter abgeschwächt. Der monatliche Anstieg der Kraftstoffpreise für Fahrzeuge ging im Jahresvergleich von 32,8 Prozent im Juni auf 19 Prozent im September zurück, und der Anstieg der Energiekosten für die Industrie fiel im Jahresvergleich von 29,4 Prozent im Juni auf 14,3 Prozent im September.

Der Erzeugerpreisindex (PPI) ist seit elf Monaten in Folge gesunken und lag im September um 0,9 Prozent unter dem Vorjahreswert. Der Rückgang ist auf die weltweit sinkenden Rohstoff- und Energiepreise zurückzuführen, spiegelt aber auch die anhaltende Nachfrageschwäche in der Wirtschaft wider. Bislang haben die Konjunkturmaßnahmen die Preise im Baugewerbe nicht in die Höhe getrieben.

Arbeitsmarkt bleibt stabil, Jugendarbeitslosigkeit weiter problematisch

Auf dem Arbeitsmarkt machen sich die anhaltende Konsumschwäche im Dienstleistungssektor und im Einzelhandel sowie die Abschwächung im Immobilien- und Technologiesektor bemerkbar. Im verarbeitenden Gewerbe ist das Bild gemischter. Die Sektoren Automobil, Maschinenbau und Elektronik sind Lichtblicke; zusammengenommen haben sie bis 2022 mehr als eine Million neue Arbeitsplätze geschaffen.

Die Zahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze in den Städten dürfte das Jahresziel von elf Millionen erreichen, nachdem sie am Ende des dritten Quartals bereits zehn Millionen erreicht hatte. Dennoch dürfte es das schlechteste Jahr für neue Arbeitsplätze seit Beginn der Pandemie im Jahr 2020 werden.

Die Arbeitslosigkeit in den Städten blieb stabil und lag Ende September bei 5,5 Prozent, nachdem sie im August auf ein etwas niedrigeres Niveau (5,3 Prozent) gefallen war. Allerdings erreichte die Jugendarbeitslosigkeit im August mit 19,9 Prozent einen neuen Rekordwert. Bis zum Ende des dritten Quartals ging die Quote auf 17,5 Prozent zurück, bleibt aber aufgrund der Rekordzahl neuer Hochschulabsolventen, die in den Arbeitsmarkt eintreten, auf hohem Niveau.

Einzelhandel unter Druck

Bis Ende September waren immer noch ca. 30 Millionen Menschen in irgendeiner Form von Abriegelungen betroffen. Die Unvorhersehbarkeit der Maßnahmen und das Fehlen einer Ausstiegsstrategie verhindern eine spürbare Verbesserung der Einzelhandelsausgaben. Die Stimmung ist auf einem Rekordtief, da die Verbraucher ihre Ausgaben zugunsten von Einsparungen zurückhalten.

Die Einzelhandelsausgaben stiegen im dritten Quartal zwar weiter an, sind aber nach wie vor anfällig. Das Wachstum erreichte im August mit 5,4 Prozent den höchsten Stand seit Januar, fiel dann aber im September auf nur noch 2,5 Prozent. Die Furcht der Verbraucher, von einer Abriegelung betroffen zu sein, trifft die Ausgaben im Gaststättengewerbe besonders hart.

Die lokalen Regierungen geben Gutscheine und Subventionen aus, um den Konsum anzukurbeln. Der Konsum ist jedoch nicht die Hauptpriorität des staatlichen Konjunkturprogramms, das nach wie vor das verarbeitende Gewerbe und Investitionen bevorzugt.

Einer der wenigen Lichtblicke war die Erholung der Autoverkäufe, die durch staatliche Anreize wie Subventionen für Elektrofahrzeuge (EVs) gefördert wurde. Die Autoverkäufe stiegen im dritten Quartal um 13,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

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