Stellungnahme
BDI zum Entwurf der EU-Kommission für eine Richtlinie über die Begründung und Kommunikation umweltbezogener Angaben
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(Green-Claims) vom 22.03.2023
BDI zum Green Claims Richtlinienentwurf
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.
Stand: 26.05.2023
1. Mehr Transparenz bei umweltbezogenen Aussagen zu Produkten und Dienstleistungen unterstützt Wettbewerb im EUBinnenmarkt
Umweltaussagen spielen eine immer wichtigere Rolle für die Meinungsbildung und Kaufentscheidungen von Konsumenten. Die Nachhaltigkeit von ProduktenundDienstleistungensindzueinemWettbewerbsfaktorgeworden. Als „Grün“ beziehungsweise nachhaltig deklarierte Produkte verzeichnen aufdemEU-BinnenmarktinzwischeneingrößeresWachstumalsandereProdukte.AllerdingskanndieQualitätderumweltbezogenenAussagenundDeklarationen der individuellen Hersteller über ihre Produkte und Dienstleistungen stark schwanken. Für Verbraucher und Verbraucherinnen, die nach verlässlichen Informationen für ihre Konsumentscheidungen suchen, kann das irreführend sein. Innerhalb der EU gibt es zudem rund 230 freiwillige Umweltzeichen,dieverwendetwerdenundsehrunterschiedlicheFunktionsweisen haben. Daher begrüßt der BDI grundsätzlich die Bemühungen der EU-Kommission,beiumweltbezogenenAussagenimBusinesstoConsumer Verkehr (B2B) mehr Transparenz im Wettbewerb zu schaffen und „Greenwashing“zuvermeiden.
2. Obligatorische Begutachtung durch externe Prüfstellen kontraproduktiv
Art. 10 Nr. 1 und Nr.2 geben denMitgliedsstaaten auf, Prüfsysteme für die umweltbezogenenWerbeaussagenundUmweltsiegelzuentwickeln.DieVoraussetzungen der Prüfung werden im weiteren Artikel 10 genannt. Hierdurch werden Unternehmen, die umweltbezogene Aussagen machen oder Umweltkennzeichnungssysteme verwenden wollen, verpflichtet, diese Angaben durch externe Prüfstellen (Art. 11) überprüfen zu lassen. Dieser Erlaubnisvorbehalt für umweltbezogene Unternehmenskommunikation stellt ein dem deutschen und europäischen Wettbewerbsrecht bislang fremdes Instrument dar, das einen unverhältnismäßigen Eingriff in die geschützten RechtspositionenderbetroffenenUnternehmenbegründenwürde.
Seit Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken(„UGP-RL“)imBusinesstoConsumer(B2C)-BereichgeltenbereitsEUweit einheitliche Regelungen in Bezug auf unlautere Geschäftspraktiken (Prinzip der Vollharmonisierung Art. 4 UGP-RL). Insbesondere das Verbot irreführender Geschäftspraktiken (Art. 6, 7 UGP-RL) gilt innerhalb der gesamtenEUunderfasstohneweiteresauchFällevon„Greenwashing“.
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Hinzu kommt, dass diese Bestimmungen zu hohen Verwaltungskosten und einemerheblichenadministrativenundbürokratischenAufwandführenwerden,dieSpontaneitätundSchnelligkeithemmenwerden,vondenendasMarketinginweitenTeilenlebt.DiezusätzlichenKostenbetreffenUnternehmen aller Größenklassen insbesondere aber kleine und mittlere Unternehmen (KMU).
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DeradministrativeAufwandistzudemnichtalleinfürUnternehmenrelevant. AuchdiePrüfstellenundzuständigenBehördenderMitgliedsstaaten,welche die Prüfzertifikate kontrollieren, müssen einen erheblichen Mehraufwand leisten, der zu Verzögerungen im Zulassungsprozess führen kann. Der Vorschlag der EU-Kommission lässt nicht erkennen, ob überhaupt bewertet wurde, wie viele solcher umweltbezogenen Werbeaussagen branchenübergreifend täglich beziehungsweise pro Jahr entwickelt werden, und wie eine leistungsfähige Infrastruktur aufgebaut werden kann, welche die dann notwendigenVerifizierungenvornimmt.InderFolgekönntensichwenigerUnternehmeninderLagesehen,dieumweltfreundlichenAspekteihrerProdukte auch zu kommunizieren, was nicht zuletzt auch zum Schaden für Verbraucher und Verbraucherinnen wäre. Investitionen in umweltschützende, aber „überobligatorische“ Maßnahmen, die nicht kommuniziert werden (dürfen), könnten fortan unterbleiben. Das aber würde den gesetzten Zielen des europäischenGreenDealszuwiderlaufen.
EineobligatorischeVorab-Prüfungsolltedaherentwederganzentfallenoder sogestaltetwerden,dassderbürokratischeAufwandunddieKostenfürUnternehmen und vor allem für KMU so gering wie möglich gehalten werden.
Außerdem wären angemessene und ausreichende Übergangsregelungen zu umweltbezogenen Werbeaussagen auf Produktverpackungen, die bei Wirksamwerden der neuen Vorgaben bereits auf dem Markt sind, dringend notwendig.ErforderlichwärenschließlichdieFestlegungdermaximalenDauer einesVerifizierungsverfahrensundRegelungenzurStreitbeilegungzwischen demwerbendenUnternehmenundderverifizierendenInstitution.
3. UmsetzungsfristenfürMitgliedstaatendeutlicherhöhen
Für die Mitgliedstaaten, die die Verifizierungssysteme einrichten und kompetenteInstitutionenakkreditierensollen,sinddiehierfürvorgesehenenFristen viel zu knapp bemessen. Artikel 25 des Richtlinienvorschlags sieht vor, dass die Mitgliedstaaten innerhalb von 18 Monaten nach Inkrafttreten der Richtlinie die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen
undveröffentlichen, und dassdiese Maßnahmen24Monatenach InkrafttretenderRichtlinieanzuwendensind.Dasbedeutetallerdings,dassdieRegierungen innerhalb von nur sechs Monaten nach Verabschiedung der UmsetzungsvorschriftendurchdieMitgliedstaateneineausreichendeZahlvonPrüfernakkreditierenmüssen,dieinderLagesind,innerhalbdiesersehrkurzen FristeinevermutlichsehrhoheZahlvonAnträgenaufÜberprüfungundZertifizierung von Umweltangaben und Kennzeichnungen zu prüfen. Es dürfte unmöglichsein,dieseAufgabeinnerhalbvonnursechsMonatenzubewältigen mit der Folge, dass ein Großteil der umweltbezogenen Angaben und Kennzeichnungen innerhalb von 24 Monaten nach Inkrafttreten der Richtlinie eingestellt wird, darunter auch viele Angaben, die solide begründet sind und den Anforderungen der Richtlinie genügen. Dies liefe aber den Zielen dieser Gesetzesinitiative zuwider, die Verbraucherinnen und Verbraucher überdieUmwelteigenschaftenvonUnternehmenundihrenProduktenzuinformieren und wird die Bemühungen um umweltfreundliche Innovationen starkbeeinträchtigen.DasInkrafttretendernationalenRechtsvorschriftenzur Umsetzung der in der Richtlinie enthaltenen Anforderung der ex-ante-Prüfung könnte realistischerweise frühestens 30 Monate nach dem Datum der Veröffentlichungerfolgen.
4. Branchenstandardsberücksichtigenunderhalten
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In der Vergangenheit wurden Hersteller und Verbände von öffentlichen Institutionen motiviert, Branchenvereinbarungen zu treffen und Umweltstandardszuschaffen,diezumTeilüberLogosgeschütztsind,wiezumBeispiel derEMICODEdurchdieGemeinschaftEmissionskontrollierteVerlegewerkstoffe, Klebstoffe und Bauprodukte e. V. (GEV) für emissionsarme chemischeBauprodukte.Dieseistinzwischeninternationalaufgestellt,hattejedoch national begonnen. Diese Systeme würden nun erheblichen bürokratischen Anforderungen unterworfen, die unverhältnismäßig sind. Die Gestaltungsfreiheiten der Systeme sind erheblich eingeschränkt (zum Beispiel Art. 8), obwohl sie gut funktionieren und im Markt Orientierung geben. Neue Vereinbarungen dieser Art zu treffen, würde nach diesem Aufwand kaum eine BranchemehrinAngriffnehmen.“
5. AufwandfürAktualisierungenderAussagenminimieren
Die Richtigkeit der mit den Werbeaussagen getroffenen Umweltangaben muss nach Art. 9 spätestens 5 Jahren nach Datum, an dem die zugrundeliegenden Studien oder Berechnungen durchgeführt wurden, überprüft und
aktualisiert werden. Hier ist auf die damit verbundenen Kosten und den administrativenAufwandhinzuweisen,diemit einersolchenÜberprüfungund Aktualisierung einhergehen. Es ist nicht klar, wofür etwa Aktualisierungen erfolgenmüssen.GegebenenfallswirddiesbereitsdurchgeringfügigeMaterialänderungnotwendig,wasausgeschlossenwerdenmuss.Dahersindhierzu klareAussagennotwendig.AuchistimweiterenVerfahrendaraufzuachten, dass der Zeitraum von 5 Jahren nicht verringert wird, um weiteren Kostenaufwandzuvermeiden.
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6. Zeitraumfüreventuelle Korrekturmaßnahmen verlängern
Art.15Abs.1verpflichtetdiezuständigenBehördenderMitgliedsstaatenzur regelmäßigen Überprüfung der auf dem EU-Markt verwendeten Umweltangaben und der Veröffentlichung des Ergebnisses gegenüber der Öffentlichkeit.FürdenFall,dassumweltbezogeneWerbeaussagenoderKennzeichnungen im Widerspruch zur Richtlinie stehen, sollen die Unternehmen gemäß Art. 15 Abs. 3 binnen 30 Tagen nach einem Hinweis durch die Behörden angemessene Korrekturmaßnahmen vornehmen. Es bleibt hierbei völlig offen, was angemessene Korrekturmaßnahmen sein sollen. Auch ist der Zeitraum für die Durchführung der Korrekturmaßnahmen viel zu gering angesetzt. Rückruf, Umetikettierung oder die Entwicklung neuer Verpackungen benötigenZeit.DieFristvon30Tagenmussdaherdringendverlängertwerden.Ebensosollteklargestelltwerden,wasangemesseneMaßnahmensind.
7. SanktionsmaßnahmenEU-einheitlichgestalten
Art. 17 legt fest, dass die Sanktionsregeln von Mitgliedsstaaten festgelegt werdensollen.DasgefährdetdieGleichbehandlungvonUnternehmeninden Mitgliedsstaaten. Für ein „level-playing-field“ ist die Festlegung gleicher Sanktionsregeln innerhalb der Mitgliedsstaaten der EU notwendig, sonst werden die Länder voneinander abweichende Bußgeldtatbestände schaffen. InDeutschlandwürdeeshingegenwahrscheinlichbeidenbisherigenRechtsschutzmöglichkeitenausdemLauterkeitsrechtbleiben.DieZusammenarbeit von Behörden und Mitgliedsstaaten scheint hier sinnvoll. Die Sanktionsregeln müssen verhältnismäßig sein und ausreichend abschreckend, um die Einhaltung der Vorgaben herbeizuführen. Es ist richtig, zwischen vorsätzlichenundfahrlässigenVerstößenzudifferenzieren,wieinArt.17,Abs.2(b) angelegt. Die in Art. 17 Abs. 3 konkret genannten Maßnahmen sind allerdingszuhart.
Insbesondere sollte die in Art. 17 Abs. 3 (b) vorgesehene Vorteilsabschöpfung gestrichen beziehungsweise zumindest weiter konkretisiert werden. Denn bei komplexen Produkten wie Kraftfahrzeuge ist der erzielte Gewinn nichtnotwendigerweise(nur)aufeinebestimmteWerbeaussagezuUmwelteigenschaften zurückzuführen. Würde es aufgrund einer unsubstantiierten umweltbezogenen Werbeaussage zur Abschöpfung von Gewinnen aus dem VerkaufderProduktekommen,drohtengeradebeihochpreisigenGüternerheblichewirtschaftlicheRisiken,dieinkeinemVerhältniszudem(vermeintlichen)VorteilausderbeanstandetenWerbungstehen.EineGewinnabschöpfung kommt deshalb allenfalls insoweit in Betracht, als der erzielte Gewinn nachweislich auf die unsubstantiierte Umweltaussage zurückzuführen ist. Ferner müsste eine solche Gewinnabschöpfung auf das nach Art. 17 Abs. 3 (a) zu zahlende Bußgeld angerechnet werden, um eine Doppelbestrafung zu vermeiden.
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8. EinbindungallerStakeholder sicherstellen
Der Richtlinienvorschlag sieht vor, dass die EU-Kommission Durchführungsrechtsakte und delegierte Rechtsakte zur weiteren Ausgestaltung der Richtlinieerlassenkann(vgl.Art.3(4),Art.5(8),Art.8(8),Art.10(9),Art. 21). Dies umfasst unter anderem dieVerabschiedung weitererVorgaben für Nachweise von „Umwelt-Claims“, zur deren Kommunikation sowie Zulassungsanforderungen an Prüfstellen. Derartig signifikante Änderungen der AnforderungensolltennichtdurchdieEU-Kommissionallein,sondernunter Einhaltung derLeitlinien zur besserenRechtsetzung der EU unter Einbezug aller relevanten Stakeholder und nach Durchführung einer Folgenabschätzungerlassenwerden.