Kurzposition zum Kabinettsentwurf für ein OZG-Änderungsgesetz
Wirtschaft erwartet weitere Anpassungen
Eine digitale und agile Verwaltung ist für die InnoNation, den modernen und innovativen Industriestandort Deutschland, essenziell. Eine fristgerechte und umfangreiche Implementierung des Onlinezugangsgesetzes durch Bund und Länder hätte Deutschlands Verwaltung zukunftssicherer aufgestellt und zudem die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts nachhaltig gestärkt. Um die Interaktion zwischen Verwaltung, Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft effizienter aufzustellen, müssen jetzt alle 575 OZG-Leistungen verbindlich, bundesweit und volldigital durchführbar sein
Die Bundesregierung hat am 24. Mai 2023 im Kabinett den Gesetzentwurf zur Änderung des Onlinezugangsgesetzes (OZG 2.0) beschlossen und zudem begleitende Eckpunkte verabschiedet. Damit soll der Rahmen für die weitere Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung gesetzt werden, nachdem es Bund und Ländern nicht gelungen ist, dass im Jahr 2017 verabschiedeten Onlinezugangsgesetz (OZG 1.0) formulierte Ziel einer bundesweit flächendeckenden Digitalisierung aller wesentlichen Verwaltungsleistungen auch nur annähernd zu erreichen.
Im Januar 2023 hat das Bundesministerium des Inneren und für Heimat (BMI) den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Onlinezugangsgesetzes sowie weiterer Vorschriften vorgelegt und die Verbände um Stellungnahme gebeten. Der Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) hat sich an dieser Anhörung beteiligt und am 8. Februar 2023 eine Stellungnahme zum Referentenentwurf veröffentlicht. Zusätzlich zu dieser Stellungnahme haben die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft – BDI, BDA, DIHK und ZDH – bereits im November 2022 in einer gemeinsamen Position ihre Erwartungen an und Vorschläge für die Weiterentwicklung des Onlinezugangsgesetzes dargelegt. Die Einzelstellungnahmen der Spitzenverbände zum Referentenentwurf wurden zudem im April 2023 in einem gemeinsamen Eckpunktepapier verdichtet. Die vorliegende Kurzstellungnahme ist eine Ergänzung zu den oben genannten Dokumenten und soll die Änderungen des Kabinettsentwurfs vom Mai 2023 gegenüber dem Referentenentwurf vom Januar 2023 berücksichtigen.
Die Wirtschaft erwartet endlich eine Trendwende bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in Deutschland. Die bisherige Bilanz der Digitalisierungsbemühungen ist äußerst ernüchternd. Bereits 2001 forderte der damalige Bundeskanzler, dass die Daten laufen müssen, nicht die Bürgerinnen und Bürger. Fast ein Vierteljahrhundert später ist dies immer noch eine verheißungsvolle Forderung.
Wie der Kabinettsentwurf der Bundesregierung selbst auf der zweiten Seite festhält, bilden die darin vorgeschlagenen Rechtsänderungen nur „die derzeit notwendigsten Bedarfe für die Fortsetzung der Verwaltungsmodernisierung ab“. Die Änderungsvorschläge sind aus Sicht der Wirtschaft notwendig, aber nicht hinreichend, um die Leistungsfähigkeit der deutschen Verwaltung zügig auf das in vielen anderen europäischen Staaten längst übliche Niveau zu heben und den besonderen Anforderungen von Unternehmen als „Power-Usern“ der öffentlichen Verwaltung Rechnung zu tragen. Denn eine moderne, digitale und serviceorientierte öffentliche Verwaltung ist nicht nur eine Frage von Komfort und Service für die Bürgerinnen und Bürger. Für Unternehmen ist sie eine zentrale Voraussetzung für die internationale Wettbewerbsfähigkeit und damit entscheidend für den Wirtschafts- und Zukunftsstandort Deutschland.
Stellungnahme zu Referentenentwurf bleibt aktuell
Der nun vorliegende Kabinettsentwurf, insbesondere in Verbindung mit den begleitenden Eckpunkten, enthält zwar viele positive Ansätze, wie die Ende-zu-Ende-Digitalisierung für bestimmter Prozesse oder die perspektivische Abschaffung der landeseigenen Bürgerkonten, jedoch wurde die Chance verpasst, mit der Novellierung des OZG den Fokus auf die Schaffung einer Entwicklungsplattform für die gesamte Verwaltung zu legen, der Umsetzung mehr Verbindlichkeit zu verleihen und wichtige Nachschärfungen für die Unternehmen vorzunehmen.
Die Vorschläge des Bundesverbandes der Deutschen Industrie zur Verbesserung des Referentenentwurfs wurden von der Bundesregierung nicht berücksichtigt. Lediglich die Forderung nach einer durchgängigen Digitalisierung wurde als neuer § 6 in das EGovG aufgenommen. Umso wichtiger ist es, dass im Rahmen der parlamentarischen Beratung des Gesetzentwurfs weitere Verbesserungen vorgenommen werden. Welche das sind, lässt sich weiterhin der BDI-Stellungnahme zum Referentenentwurf vom Februar 2023 entnehmen. Vier Aspekte sollen an dieser Stelle jedoch besonders hervorgehoben werden.
Das Wichtigste
Fokus auf Standards und Schnittstellen für Entwicklungsplattform
Der bisherige Ansatz, Softwarelösungen nach dem EfA-Prinzip ("Einer für alle") föderativ zu entwickeln und bereitzustellen, ist gescheitert. Zu oft passen die EfA-Lösungen eines Landes nicht zu den technischen Gegebenheiten oder rechtlichen Anforderungen eines anderen Landes, weil man es versäumt hat, sich vorher auf eine gemeinsame Entwicklungsplattform mit definierten Standards und Schnittstellen als Basis zu einigen. Das ist so, als würde man die Entwicklung neuer Züge für ein gemeinsames Schienennetz in Auftrag geben, ohne zu berücksichtigen, dass die Beteiligten unterschiedliche Spurweiten, Bahnsteighöhen und Signaltechniken verwenden. Dies betrifft vor allem Unternehmen, die Standorte in mehreren Bundesländern haben und daher sich in den verschiedenen Bundesländern mit unterschiedlichen Verfahren für die gleiche Verwaltungsleistung konfrontiert sehen Auch sucht man bislang vergeblich nach einer Übersicht, wann welche digitalisierte Leistung zu welchen Konditionen für die Nachnutzung zur Verfügung steht. Komponenten für wiederkehrende Prozessschritte in Verwaltungsverfahren wurden mehrfach entwickelt und sind nur bedingt kompatibel. Das muss sich ändern. Bund und Länder müssen rechtlich, technisch und organisatorisch enger zusammenarbeiten, damit die Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland endlich ein Erfolg wird. Zukünftig ist daher eine gemeinsame Entwicklungsplattform für die öffentliche Verwaltung in Deutschland erforderlich. Hierfür
müssen Basiskomponenten sowie Standards und Schnittstellen entwickelt und bundesweit einheitlich und verbindlich festgelegt und transparent veröffentlicht werden. Die Bereitstellung von Nutzerkonten als zentrale Basisdienste allein reicht nicht aus.
Mehr Verbindlichkeit schaffen
Es ist nicht nachvollziehbar, dass sich der Bund mit der Digitalisierung seiner Prozesse weitere fünf Jahre Zeit lassen will und diese Digitalisierung auch nur für „wesentliche Verwaltungsleistungen“ vorsieht. So wird die digitale Trendwende in der Verwaltung nicht gelingen. Das Onlinezugangsgesetz braucht dringend mehr Ambition und Verbindlichkeit durch einen klaren gesetzlichen Auftrag, was Bund, Länder und Kommunen bis wann umsetzen müssen. Die Verbindlichkeit muss auch bei den Paragrafen zur Nutzerzufriedenheit und zur Evaluierung gestärkt werden, die derzeit zahnlosen Tigern gleichen. Notwendig ist der Auftrag zur Entwicklung einer Methodik zur Prüfung der Nutzerfreundlichkeit digitaler Verwaltungsverfahren und deren anschließende verbindliche Anwendung. Die Überprüfung der Nutzerfreundlichkeit von Leistungen muss zudem Bestandteil des fortlaufenden Monitorings werden und nach Leistungsbündeln bis auf die Ebene einzelner Kommunen heruntergebrochen öffentlich zur Verfügung gestellt werden.
Rechtsansprüche schaffen und mit Registermodernisierung verzahnen
Um Anreize für eine zügige Digitalisierung von Leistungen und Registern zu schaffen, sollten Unternehmen innerhalb von drei Jahren einen Rechtsanspruch auf digitale Verwaltungsleistungen erhalten sowie das Recht, die Bereitstellung von Daten zu verweigern, wenn diese bereits in staatlichen Registern vorhanden sind. Beide Rechte könnten so ausgestaltet werden, dass sie gestaffelt wirksam werden: drei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes für die wichtigsten Verwaltungsleistungen und Register und fünf Jahre nach Inkrafttreten in vollem Umfang. Mit dem letztgenannten Anspruch würden die beiden zentralen Vorhaben der Verwaltungsmodernisierung – Onlinezugangsgesetz und Registermodernisierung – im Gesetz selbst miteinander verzahnt. Eine solche Verschränkung ist wichtig, weil nur vollständig vernetzte Register eine durchgängige Digitalisierung von Verwaltungsleistungen ermöglichen. Schöne Worte in den begleitenden Eckpunkten der Bundesregierung reichen nicht aus.
Nutzbarkeit des Organisationskontos sicherstellen und volles Potenzial entfalten
Das Organisationskonto spielt eine Schlüsselrolle für die Schaffung einer digitalen und anwenderorientierten öffentlichen Verwaltung und damit für die Entlastung der Unternehmen von unnötiger Bürokratie. Es besteht aber noch deutlicher Optimierungsbedarf hinsichtlich der Benutzerfreundlichkeit und Nutzbarkeit. Das Organisationskonto ist für Unternehmen nur dann sinnvoll nutzbar, wenn es alle bisher vorgesehenen sechs Module umfasst und zudem bundesweit einheitlich umgesetzt wird. Darüber hinaus sollte es nicht nur für B2G- sondern auch für B2B-Kommunikation freigegeben werden, um das volle Potenzial des Kontos auszunutzen.
Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
Datenschutz, der Schutz von Firmen Know-how und Cybersicherheit spielen im vorliegenden Entwurf lediglich eine untergeordnete Rolle. Das Know-how der Unternehmen muss auch in digitalen Prozessen aktiv geschützt werden Darüber hinaus muss die IT der örtlichen Behörden sicherstellen, dass vertrauliche Informationen verschlüsselt und sicher übertragen werden und nicht frei ins Internet gestellt werden (Planungssicherstellungsgesetz) Auch innerhalb der digitalen Behördenkommunikation muss der Schutz sensibler Daten gewährleistet sein
Impressum
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Redaktion
Dominic Glock (bis Mai 2023)
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Praktikant Digitalisierung und Innovation
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BDI Dokumentennummer: D1778