November 2023 INDUSTRIEPOLITIK DOSSIER
Industriebericht Industrieproduktion und Handel nach Branchen
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Im laufenden Jahr dürfte die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe stagnieren. In den Unternehmen gehen die Auftragsbestände kontinuierlich zurück. Die Industrieproduktion lässt langsam nach. Das noch im Frühjahr erwartete Produktionswachstum von einem Prozent dürfte angesichts des bisherigen Verlaufs nicht mehr zu erreichen sein.
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In der Europäischen Union dürfte die Industrieproduktion im laufenden Jahr sinken. Kräftige Produktionseinbußen in den energieintensiven Branchen, aber auch in der Elektroindustrie überlagern die positiven Entwicklungen im Fahrzeugbau und in der pharmazeutischen Industrie.
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Im Jahr 2023 dürften die deutschen Warenexporte nach unseren Einschätzungen in nominaler Rechnung um zwei Prozent sinken (2022: plus 15,6 Prozent). Ein schwaches China-Geschäft und rückläufige Exporte in die EU belasten das Ergebnis, bei ansonsten gut laufenden Geschäften mit Drittländern.
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Wir rechnen im Jahr 2023 mit einem Rückgang des weltweiten Warenhandels um ein Prozent. Die Warenexporte aus den entwickelten Volkswirtschaften dürften um mehr als 1½ Prozent sinken, die Warenexporte aus den Schwellenländern hingegen um einen halben Prozentpunkt steigen.
Industriebericht | Industrieproduktion und Handel nach Branchen 16/11/2023
Inhaltsverzeichnis Industrieproduktion weltweit: Kaum Expansion zu erwarten ......................................................... 3 Entwickelte Volkswirtschaften: Nur US-Industrie sorgt noch für Wachstum ......................................... 3 Schwellenländer: China wieder Wachstumsmotor; Rebound-Effekt in Mittel- und Ost-Europa ........... 4 Vereinigte Staaten: Uneindeutige Signale zum Jahresende ................................................................. 5 China: Wachstum kehrt zurück ............................................................................................................. 6 Japan: Industrieproduktion seit drei Jahren in einer Seitwärtsbewegung ............................................. 7 Südkorea: Nach schwachem Jahresauftakt Erholung am aktuellen Rand ........................................... 8 Vereinigtes Königreich: Erholung setzt mit Verspätung ein .................................................................. 9 Europäische Union: Erholung im Kraftfahrzeugbau aber kräftige Produktionseinbußen bei energieintensiven Branchen ................................................................................................................ 10 Deutschland: Produktion stagniert trotz Entspannung bei Lieferengpässen ...................................... 12 Frankreich: Stabile Seitwärtsbewegung aber keine Erholung vom Corona-Einbruch ........................ 13 Italien: Produktion seit Sommer über Vorkrisenniveau ....................................................................... 14 Spanien: Produktion wieder geringer als im Corona-Jahr .................................................................. 15 Welthandel........................................................................................................................................... 16 Entwicklung der deutschen Exporte .................................................................................................... 17 Industriebranchen in Deutschland .................................................................................................. 19 Automobilindustrie: Produktion setzt Erholungskurs fort .................................................................... 19 Baukonjunktur: schwierige Baujahre 2023 und 2024 zu erwarten ...................................................... 20 Baustoff-Steine-Erden-Industrie: Baukrise lässt Produktion einbrechen ............................................ 21 Chemie und Pharmaindustrie: Hoffnungen ruhen auf 2024 ................................................................ 22 Deutsche Elektro- und Digitalindustrie steuert erneut auf Jahreswachstum zu .................................. 23 Digitalbranche ..................................................................................................................................... 24 Gießerei-Industrie: Frostiger Herbst 2023 ........................................................................................... 24 Glasindustrie: negative Entwicklung aber Silberstreif am Horizont..................................................... 25 Keramische Industrie ........................................................................................................................... 26 Luftverkehrswirtschaft ......................................................................................................................... 27 Maschinenbau: Im Bann zahlreicher Herausforderungen ................................................................... 28 Nichteisen-Metallindustrie ................................................................................................................... 28 Pharmaindustrie setzt Normalisierung nach Corona-Pandemie fort ................................................... 30 Stahl- und Metallverarbeitung: Produktion nach drei Quartalen 2,6 Prozent unter Vorjahresniveau . 31 Textil- und Modeindustrie: Heterogene Entwicklung, herausfordernde Aussichten ........................... 32 Impressum ......................................................................................................................................... 33
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Industriebericht | Industrieproduktion und Handel nach Branchen 16/11/2023
Industrieproduktion weltweit: Kaum Expansion zu erwarten Nach Daten des Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis (CPB) stieg die weltweite Industrieproduktion (Produzierendes Gewerbe ohne Bau) im ersten Quartal 2023 im Vorjahresvergleich leicht um 0,5 Prozent. Im zweiten Quartal erhöhte sich der industrielle Ausstoß zwar mit plus 1,5 Prozent etwas stärker. Das Expansionstempo aus den beiden Vorjahren wurde damit aber bei weitem verfehlt. In den ersten beiden Monaten des dritten Quartals trat die globale Industriekonjunktur auf der Stelle. Per August lag die Industrieproduktion gerade noch 0,7 Prozent über dem Niveau des Vorjahreszeitraums. Für den weiteren Jahresverlauf deutet wenig auf eine Beschleunigung der industriellen Aktivitäten hin. Der Einkaufsmanagerindex für die Industrie hatte sich zwar im August und September etwas erholt, diesen Zuwachs aber im Oktober wieder abgegeben. Mit einem Wert von 48,8 Indexpunkten befindet er sich seit etwas mehr als einem Jahr im Kontraktionsbereich. Für das gesamte Jahr ist ein Anstieg der weltweiten Industrieproduktion um knapp ein Prozent möglich, wenn das aktuelle Produktionsniveau bis zum Jahresende gehalten werden kann.
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*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender- und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quellen: Macrobond, Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis, eigene Berechnungen
Entwickelte Volkswirtschaften: Nur US-Industrie sorgt noch für Wachstum In den entwickelten Volkswirtschaften ist die Industrieproduktion im ersten Quartal des laufenden Jahres im Vorjahresvergleich um ein Prozent gesunken. Im zweiten Quartal (minus 1,1 Prozent) und auch in den ersten beiden Monaten des dritten Quartals nahmen die Aktivitäten noch stärker ab. Per August lag die Industrieproduktion um 1,3 Prozent unter dem Niveau des Vorjahreszeitraums. Mit minus zehn Prozent verbuchte die Industrie in den übrigen entwickelten asiatischen Staaten die stärksten Produktionseinbußen. Im Gegensatz dazu ging in den sonstigen entwickelten Volkswirtschaften die Industrieproduktion mit minus 0,2 Prozent nur leicht zurück. Nur die US-Industrie konnte in der
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Industriebericht | Industrieproduktion und Handel nach Branchen 16/11/2023
Gruppe der entwickelten Volkswirtschaften ihren Ausstoß leicht erhöhen. Während die Industrieproduktion in Japan und im Euroraum mit minus 1,3 Prozent bzw. 1,4 Prozent zurückging, fielen die Produktionseinbußen im Vereinigten Königreich mit minus 0,7 Prozent etwas geringer aus. Für den weiteren Jahresverlauf zeichnet sich ein weiterer Rückgang der industriellen Aktivitäten ab. Der Einkaufsmanagerindex für die Industrie dieser Ländergruppe ist zwar im Oktober das zweite Mal in Folge gestiegen. Er lag mit 47,5 Indexpunkten noch deutlich unterhalb der 50-Punkte-Grenze, ab der eine Expansion angezeigt wird. Wir rechnen mit Blick auf den bisherigen Verlauf und die Stimmungsindikatoren im vierten Quartal mit einer leicht abnehmenden Produktion. Dies hätte zur Folge, dass im Jahresergebnis 2023 die Industrieproduktion in den entwickelten Volkswirtschaften um mehr als ein Prozent zurückgehen dürfte. Entwickelte Volkswirtschaften: Industrieproduktion*, Einkaufsmanagerindex 60
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*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender- und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quellen: Macrobond, Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis (CPB)
Schwellenländer: China wieder Wachstumsmotor; Rebound-Effekt in Mittel- und Ost-Europa Die Industrieproduktion in den Schwellenländern ist zum Jahresbeginn 2023 dank des hohen Expansionstempos in China und den restlichen asiatischen Schwellenländern mit plus 1,8 Prozent im Vorjahresvergleich gestiegen. Zudem erholte sich im zweiten Quartal die Industrie in Mittel- und Osteuropa kräftig, so dass die Industrieproduktion der Schwellenländer um insgesamt 3,3 Prozent zulegen konnte. In den ersten beiden Monaten des dritten Quartals setzte sich die Aufwärtsbewegung fort, so dass die Industrieproduktion per August 2023 gegenüber den ersten acht Monaten des Vorjahres um 2,5 Prozent zulegte. Die chinesische Industrie hat mit einem Produktionsplus von 3,8 Prozent wieder die Rolle der Wachstumslokomotive übernommen. Aufgrund des starken Rebound-Effektes stieg auch die Industrieproduktion in Mittel- und Osteuropa mit plus 2,9 Prozent überdurchschnittlich. Leicht unterdurchschnittlich war der Produktionsanstieg der Industrien in den asiatischen Schwellenländern mit Ausnahme Chinas (plus 2,4 Prozent). Die Industrieproduktion in Lateinamerika trat mit einem
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Industriebericht | Industrieproduktion und Handel nach Branchen 16/11/2023
Plus von 0,4 Prozent in den ersten acht Monaten auf der Stelle. Auch bedingt durch die gesunkenen Preise für fossile Energieträger nahm die Produktion in Afrika und dem Mittleren Osten in diesem Zeitraum um 0,7 Prozent ab. Nach einem Jahr Pause gehen zwar von Chinas Industrie in der Gruppe der Schwellenländer wieder die stärksten Wachstumsimpulse aus. Dieser Impuls fällt aber nur halb so stark aus wie im Durchschnitt der vergangenen Dekade. Daher dürfte auch das Wachstum für die Industrie in den Schwellenländern im laufenden Jahr deutlich geringer ausfallen. Der Einkaufsmanagerindex für diese Ländergruppe ist zuletzt zwei Mal in Folge gesunken und liegt per Oktober 2023 mit 50,1 Indexpunkten nur noch knapp oberhalb der Schwelle von 50. Angesichts des bisherigen Verlaufs dürfte, selbst bei einer Seitwärtsbewegung im vierten Quartal, die Industrieproduktion in den Schwellenländern im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr in einer Größenordnung von zwei Prozent zulegen. Schwellenländer: Industrieproduktion*, Einkaufsmanagerindex 55
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*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender- und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quellen: Macrobond, Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis (CPB)
Vereinigte Staaten: Uneindeutige Signale zum Jahresende Die US-amerikanische Industrie (Produzierendes Gewerbe ohne Bau) hat ihr hohes Expansionstempo aus dem Vorjahr nicht halten können. Im ersten Quartal 2023 stieg die Industrieproduktion im Vorjahresvergleich um 0,9 Prozent und damit nur noch halb so stark wie zum Jahresende 2022. Wachstumstreiber war vor allem der Kraftfahrzeugbau. Auch die Produktion von pharmazeutischen Erzeugnissen legte etwas zu. Im zweiten und dritten Quartal 2023 konnte das Produktionsniveau des jeweiligen Vorjahresquartals gehalten werden. In der Summe stieg der industrielle Ausstoß in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres im Vergleich zum Vorjahrszeitraum um 0,3 Prozent. Im Verarbeitenden Gewerbe sank die Fertigung im gleichen Zeitraum hingegen um minus 0,6 Prozent. Unter den einzelnen Branchen des Verarbeitenden Gewerbes stieg die Produktion per September im Kraftfahrzeugbau um 6,5 Prozent. Die darin enthaltende Pkw-Produktion nahm sogar um acht Prozent zu. Die chemische Industrie konnte ihre Produktion nur leicht um 0,9 Prozent ausweiten, ohne den
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Pharma-Bereich hat sich der Ausstoß jedoch um 2,7 Prozent vermindert. Während die Herstellung von Computern in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres ebenfalls um 0,9 Prozent zunahm, ging die Fertigung von elektronischen Geräten und Ausrüstung um ein Prozent zurück. Überdurchschnittliche Produktionseinbußen verzeichneten auch der Maschinenbau mit minus zwei Prozent und die Ernährungsindustrie mit minus 1,7 Prozent. Am aktuellen Rand zeichnet sich eine leichte Belebung ab. So stieg die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe im kalender- und saisonbereinigten Zweimonatsvergleich August/September 2023 gegenüber dem Vorzeitraum um plus 0,3 Prozent. Gleichzeitig erreichte der Einkaufmanagerindex für die Industrie im Oktober erstmals seit sechs Monaten wieder einen Wert von 50 Indexpunkten, ab dem eine Expansion angezeigt wird, was für eine leichte Belebung im Schlussquartal spricht. Für das Jahresergebnis halten wir unsere Prognose vom Frühjahr aufrecht, als wir mit einer stagnierenden Produktion für das Verarbeitenden Gewerbe gerechnet haben. Vereinigte Staaten: Industrieproduktion*, Einkaufsmanagerindex 65
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*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender- und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quellen: Macrobond, Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis (CPB)
China: Wachstum kehrt zurück Die chinesische Industrie ist zu Jahresbeginn 2023 auf Wachstumskurs eingeschwenkt. Auf Basis der Daten des Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis (CPB) stieg die Industrieproduktion im ersten Quartal 2023 im Vergleich zum Vorquartal um 4,3 Prozent. Der Vorjahresvergleich fiel mit plus 2,4 Prozent jedoch nicht ganz so kräftig aus. Nach amtlichen chinesischen Zahlen stieg vor allem die Produktion von elektrischen Geräten und chemischen Produkten. Während die Automobilproduktion nahezu stagnierte, ging die Herstellung von Papier und Textilien zurück. Im zweiten Quartal verminderte sich die Industrieproduktion im Vergleich zum Vorquartal um 2,6 Prozent. Aufgrund des Basiseffektes – durch die Null-Covid-Strategie der chinesischen Regierung kam es im zweiten Quartal 2022 zu erheblichen Produktionsbehinderungen – wurde das Vorjahrsniveau mit plus 4,8 Prozent deutlich übertroffen. Dies erklärt auch die im Vorjahresvergleich starke Produktionsausweitung um mehr als
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25 Prozent in der Automobilindustrie und von knapp einem Sechstel in der Elektroindustrie. Die chemische Industrie konnte ihre Produktion um rund sieben Prozent steigern. Während die Papierindustrie und die metallverarbeitende Industrie ihre Aktivitäten etwas ausweiten konnte, sank die Produktion in der Textilindustrie erneut. Am aktuellen Rand setzt sich die Erholung fort. Die chinesische Industrie erhöhte laut CPB-Angaben in den ersten beiden Monaten des dritten Quartals ihren Ausstoß im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 4,4 Prozent. Gegenüber Mai / Juni 2023 sind die Aktivitäten um 1,8 Prozent gestiegen. Zweistellig Zuwachsraten verbuchten die chemische Industrie und die Elektroindustrie. Auch Chinas Maschinenbauer und Fahrzeugbauer blieben auf Wachstumskurs. Die Produktion von pharmazeutischen Erzeugnissen sowie Textil und Bekleidung ging im Vergleich zum Vorjahr weiter zurück. Der Einkaufmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe bewegte sich im August und September oberhalb der Schwelle von 50 Indexpunkten, die eine Expansion signalisiert. Zu Beginn des vierten Quartals sank er jedoch auf einen Wert von 49,5 Punkten ab. Dies spricht dafür, dass sich die Produktion im vierten Quartal etwas schwächer entwickelt als im Sommerhalbjahr. Für das gesamte Jahr 2023 rechnen wir jetzt nur noch mit einem Anstieg der Industrieproduktion um vier Prozent (bisher fünf Prozent). China: Industrieproduktion*, Einkaufsmanagerindex 55
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*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender-und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quellen: Macrobond, Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis (CPB)
Japan: Industrieproduktion seit drei Jahren in einer Seitwärtsbewegung Die japanische Industrie tritt seit Ende der Corona-Pandemie auf der Stelle. Zum Auftakt des laufenden Jahres sank die Produktion des Produzierenden Gewerbes (ohne Bau) im ersten Quartal im Vorjahrsvergleich um 1,4 Prozent. Im zweiten Quartal wurde der Ausstoß mit plus 1,1 Prozent wieder erhöht. Ab Jahresmitte gerieten die Aktivitäten wieder ins Stocken. Im Ergebnis lag die Produktion in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres knapp zwei Prozent unterhalb des Vorjahresniveaus. Im Verarbeitenden Gewerbe wurde per September 2023 das Produktionsniveau des Vorjahreszeitraums um 1,5 Prozent verfehlt. Unter den einzelnen Branchen sank die Produktion im Maschinenbau
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mit minus 6,5 Prozent deutlich. Die Chemieindustrie verbuchte zusammen mit dem Pharma-Bereich einen Produktionsrückgang um 4,6 Prozent. Das reine Chemieergebnis (Basischemie) lief dabei mit minus 7,6 Prozent deutlich schlechter. Überdurchschnittliche Produktionseinbußen verzeichneten auch die energieintensiven Branchen Papier und Keramik mit minus 5,7 bzw. minus 5,9 Prozent, die metallverarbeitende Industrie mit minus 3,6 Prozent und die Zementindustrie mit minus 8,2 Prozent. In der Elektroindustrie setzte nach dem schwachen Vorjahresergebnis eine deutliche Erholung ein (plus 9,3 Prozent). Im Fahrzeugbau war der Produktionsanstieg mit plus 14,8 Prozent sogar zweistellig. Japans Industriekonjunktur hat zum Ende des dritten Quartals an Schwung verloren. Im kalender- und saisonbereinigten Zweimonatsvergleich August / September 2023 sank die Produktion gegenüber dem Vorzeitraum um minus 2,1 Prozent. Insbesondere im Maschinenbau und im Fahrzeugbau verminderten sich die Aktivitäten. Der Einkaufmanagerindex (PMI) für das Verarbeitenden Gewerbe ist seit seinem Jahreshoch im Mai vier Mal in Folge um insgesamt mehr als zwei Indexpunkte gesunken. Im Oktober gab es zwar eine leichte Erholung. Mit einem Wert von 48,7 liegt er noch immer im Kontraktionsbereich, so dass die Produktion im vierten Quartal erneut sinken dürfte. Dies würde für das Jahresergebnis einen Rückgang der Industrieproduktion um knapp zwei Prozent bedeuten. Japan: Industrieproduktion*, Einkaufsmanagerindex 60
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*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender-und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quelle: Macrobond
Südkorea: Nach schwachem Jahresauftakt Erholung am aktuellen Rand Südkoreas Industrie (produzierendes Gewerbe ohne Bau) ist mit einem zweistelligen Minus im ersten Quartal ins Jahr 2023 gestartet. Ursache für den starken Rückgang waren vor allem die um knapp ein Drittel gesunkenen Aktivitäten in der Elektroindustrie. Darüber hinaus sank im ersten Quartal die Produktion in der chemischen Industrie im Vorjahresvergleich um etwas mehr als ein Fünftel. Auch im zweiten Quartal wurde das Vorjahresniveau um mehr als sechs Prozent verfehlt. Chemie- und Elekt-
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roindustrie waren erneut schwach, dafür steigerten die pharmazeutische Industrie und der Fahrzeugbau ihren Ausstoß. Auch die Metallerzeugung legte zu. In der Summe wurde im dritten Quartal das Vorjahresergebnis um 2,3 Prozent verfehlt. Im Verarbeitenden Gewerbe ist die Produktion in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres gegenüber dem Vorjahreszeitraum um sieben Prozent gesunken. Unter den einzelnen Branchen konnten die Hersteller von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen ihre Produktion mit plus 13 Prozent am stärksten ausweiten. Der Bereich Pharmaka (plus 9,5 Prozent) und die metallverarbeitende Industrie (plus 2,9 Prozent) verbuchten ebenfalls Produktionszuwächse. Die Elektroindustrie (minus 17,7 Prozent) und die chemische Industrie (minus 13,8 Prozent) konnten sich nicht vom schwachen Jahresstart erholen. Der Maschinenbau verbuchte per September Produktionseinbußen von fünf Prozent. Für den restlichen Jahresverlauf deutet sich eine konjunkturelle Erholung an. Im kalender- und saisonbereinigten Zweimonatsvergleich August / September 2023 stieg die Industrieproduktion gegenüber dem Vorzeitraum um mehr als fünf Prozent. Der Einkaufmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe lag zuletzt zwei Indexpunkte über dem Jahrestief vom Juni 2023. Mit einem Wert von 49,8 Punkten im Oktober liegt er nur noch knapp unterhalb der Expansionsschwelle. Wir halten unsere Prognose von April aufrecht und rechnen weiterhin für das Verarbeitende Gewerbe mit einem Rückgang der Produktion um minus drei Prozent. Südkorea: Industrieproduktion*, Einkaufsmanagerindex 60
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*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender- und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quelle: Macrobond
Vereinigtes Königreich: Erholung setzt mit Verspätung ein In Großbritannien hat die Industrieproduktion in der ersten Jahreshälfte 2023 weiter abgenommen. Im ersten Quartal sank die Produktion im Produzierenden Gewerbe (ohne Bau) im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 2,2 Prozent, im zweiten Quartal gab sie nochmals um 0,5 Prozent nach. Erst im dritten Quartal setzte eine Erholung ein, zu der vor allem die Hersteller von pharmazeutischen Produkten und von Elektronik beitrugen. Aufgrund des schwachen ersten Halbjahres fiel die Produktion in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres um minus 0,5 Prozent geringer aus als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum.
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Im Gegensatz dazu ist der Ausstoß im Verarbeitende Gewerbe im gleichen Zeitraum um 0,9 Prozent gestiegen. Unter den einzelnen Industriebranchen verzeichneten der Fahrzeugbau mit plus 13,7 Prozent und die Hersteller von pharmazeutischen Produkten mit plus 11,5 Prozent die mit Abstand stärksten Zuwächse. Die Herstellung von Basismetallen stieg um 4,2 Prozent, die von Datenverarbeitungsgeräten und optischen Erzeugnissen um 5,1 Prozent. Die Hersteller von elektrischen Ausrüstungen steigerten ihre Produktion nur leicht (plus 0,5 Prozent). Rückläufig war die Ausbringung in der Ernährungsindustrie mit minus 0,9 Prozent und im Maschinenbau (minus 2,5 Prozent). Unter den energieintensiven Branchen verbuchte die chemische Industrie mit minus 10,5 Prozent deutliche Produktionseinbußen. In der Papierindustrie sank die Produktion mit minus 5,3 Prozent nicht ganz so stark. Der Einkaufmanagerindex für die Industrie bewegt sich bereits seit mehr als einem Jahr im Kontraktionsbereich und sackte im August 2023 auf ein Jahrestief von 43 Punkten. Im September und Oktober schätzten die Einkaufsmanager die Lage zwar wieder etwas besser ein. Mit 44,8 Punkten befindet sich der Index aber noch immer weit unterhalb der Expansionsschwelle. Insofern dürften sich die industriellen Aktivitäten im vierten Quartal eher verhalten entwickeln. Die positive Entwicklung im ersten Halbjahr und das niedrige Ausgangsniveau sprechen aber dafür, dass wir für das Vereinigte Königreich im laufenden Jahr mit einem Anstieg der Industrieproduktion in einer Größenordnung von einem Prozent im Vergleich zum Vorjahr rechnen. Vereinigtes Königreich: Industrieproduktion*, Einkaufsmanagerindex 70
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Quelle: Macrobond
Europäische Union: Erholung im Kraftfahrzeugbau aber kräftige Produktionseinbußen bei energieintensiven Branchen In der Europäischen Union konnte die Industrie ihre Aktivitäten zu Jahresbeginn leicht steigern. Die Produktion im Produzierenden Gewerbe (ohne Bau) stieg im ersten Quartal 2023 gegenüber dem Vorjahresquartal um 0,2 Prozent. Hierzu beigetragen hat vor allem die starke Produktionsausweitung im Fahrzeugbau und in der pharmazeutischen Industrie. Energieintensive Industrien aus den Bereichen Chemie, Kunststoffe, Papier und Metalle mussten ihre Ausbringung deutlich zurückfahren. Im zweiten Quartal sank die Produktion im Vorjahresvergleich um minus 1,2 Prozent und zu Beginn des
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dritten Quartals setzte sich der Sinkflug weiter fort. In der Summe gab die EU-Industrieproduktion in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 1,2 Prozent nach. Europäische Union EU27: Industrieproduktion*, Einkaufsmanagerindex 65
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*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender- und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quelle: Macrobond
Im Verarbeitenden Gewerbe sank die Produktion in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres mit minus 0,4 Prozent nicht ganz so stark. Unter den Leitbranchen verzeichnete der Fahrzeugbau mit plus 14,6 Prozent und die pharmazeutische Industrie mit plus 10,9 Prozent die stärksten Zuwächse. Auch der sonstige Fahrzeugbau konnte seine Produktion mit plus 9,8 Prozent nochmals deutlich steigern. Im Gegensatz dazu konnte der Maschinenbau seine Aktivitäten mit plus 0,3 Prozent nur marginal steigern. Die Elektroindustrie verfehlte nach zwei ausgesprochen guten Jahren das Vorjahresniveau um 5,6 Prozent. In den energieintensiven Industriezweigen wurden die Aktivitäten aufgrund der hohen Energiepreise deutlich zurückgefahren. In der chemischen Industrie verminderte sich der Ausstoß im Zeitraum Januar bis August um minus 11,2 Prozent, in der Papierindustrie um 11,6 Prozent und bei den Herstellern von Gummi- und Kunststoffwaren um minus 4,9 Prozent. Die weniger konjunkturreagible, aber auch energieintensive Ernährungs- und Genussmittelindustrie senkte ihre Produktion im gleichen Zeitraum um 1,1 Prozent. Die metallerzeugendenden und -verarbeitenden Unternehmen reduzierten ihre Produktion per August um 2,9 Prozent. Die Entwicklungen am aktuellen Rand deuten auf weiter sinkende industrielle Aktivitäten hin. In der Zweimonatsbetrachtung Juli / August 2023 sank die Produktion des Verarbeitenden Gewerbes in der EU saison- und kalenderbereinigt sowohl gegenüber dem Vorzeitraum als auch gegenüber den Vorjahresmonaten um jeweils drei Prozent. Gleichzeitig ist der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe im Oktober auf einen Wert von 43,2 Punkten abgesackt. Dies war der zeitniedrigste Wert im laufenden Jahr 2023. Wir rechnen im vierten Quartal mit weiteren Produktionseinschränkungen, so dass die Produktion im Jahresergebnis im Vergleich zum Vorjahr um etwas mehr als ein Prozent sinken dürfte.
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Deutschland: Produktion stagniert trotz Entspannung bei Lieferengpässen In Deutschland ist die Industrie mit einem Mini-Wachstum in das Jahr 2023 gestartet. So stieg die Produktion des Produzierenden Gewerbes (ohne Bau) im ersten Quartal 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 0,4 Prozent. Der starke Rückgang in der Energieerzeugung und in den energieintensiven Industrien wurde durch die kräftige Expansion im Fahrzeugbau und die gestiegenen Aktivitäten im Maschinenbau sowie in der Elektroindustrie überkompensiert. Im zweiten Quartal gerieten die Aktivitäten ins Stocken. Trotz abnehmender Lieferengpässe, vor allem in der Automobilindustrie, nahmen die industriellen Aktivitäten um minus 0,2 Prozent ab. Im dritten Quartal produzierten, abgesehen vom Fahrzeugbau und vom sonstigen Fahrzeugbau, nahezu alle Branchen weniger als vor Jahresfrist. Im Ergebnis sank die Industrieproduktion in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um minus ein Prozent. Deutschland: Industrieproduktion*, Einkaufsmanagerindex 70
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*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender- und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quelle: Macrobond
Im Verarbeitenden Gewerbe stieg die Produktion im Zeitraum Januar bis September 2023 im Vorjahresvergleich in kalender- und saisonbereinigter Rechnung um 0,2 Prozent. Mit Blick auf die einzelnen Branchen verzeichneten der Fahrzeugbau mit plus 14,4 Prozent und der sonstige Fahrzeugbau mit plus 8,5 Prozent die stärksten Zuwächse. Deutlich geringere Wachstumsraten erzielten die Elektroindustrie mit plus 2,8 Prozent und der Maschinenbau mit plus 0,5 Prozent. Die energieintensiveren Branchen haben ihre Produktion deutlich heruntergefahren. Chemische Industrie, Papierindustrie, die Hersteller von Glas und Keramik produzierten per September jeweils über 14 Prozent weniger als im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Bei den metallerzeugenden und -verarbeitenden Betrieben sank die Produktion mit minus 3,3 Prozent deutlich schwächer. Die weniger konjunkturreagible Ernährungsund Genussmittelindustrie produzierte 2,7 Prozent weniger als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Auch die Herstellung von Pharmazeutika sank leicht um minus 1,1 Prozent. Der Ausblick für die restlichen drei Monate des laufenden Jahres sind eher verhalten. In den Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes gehen die Auftragsbestände deutlich zurück. Am aktuellen
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Rand sank die Industrieproduktion in der Zweimonatsbetrachtung August / September 2023 gegenüber dem Vorzeitraum um 0,9 Prozent und im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sogar um minus zwei Prozent. In den energieintensiven Branchen Chemie und Metalle scheint sich eine Bodenbildung abzuzeichnen. Hier stieg die Produktion am aktuellen Rand leicht an. Der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe hat seit Jahresbeginn kontinuierlich an Boden verloren und sank im Juli auf ein Jahrestief von nur noch 38,8 Punkten. Im Oktober ist er zwar das dritte Mal in Folge gestiegen. Mit nunmehr 40,8 Indexpunkten liegt er aber immer noch weit unter dem Wert von 50, ab dem eine Expansion angezeigt wird. Das von uns im Frühjahr prognostizierte Produktionswachstum von plus ein Prozent dürfte angesichts des bisherigen Verlaufs und der weiter sinkenden Produktion im Verarbeitenden Gewerbe nicht mehr zu erreichen sein. Wir rechnen für das Jahr 2023 nunmehr mit einer stagnierenden Produktion. Frankreich: Stabile Seitwärtsbewegung aber keine Erholung vom Corona-Einbruch Frankreichs Industrie befand sich im laufenden Jahr in einer Seitwärtsbewegung. Das Produzierende Gewerbe (ohne Bau) verbuchte im ersten Quartal 2023 zunächst einen leichten Produktionsrückgang von 0,3 Prozent (Vorjahresvergleich). Im zweiten Quartal setzte eine leichte konjunkturelle Belebung ein, das Produktionsniveau des Vorjahres wurde um 1,3 Prozent übertroffen. Zu Beginn der zweiten Jahreshälfte zog die Industriekonjunktur weiter an. Die Ausbringung stieg im Vergleich zum dritten Quartal 2022 zwar um 0,8 Prozent, war damit aber immer noch rund vier Prozent geringer als vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist die Produktion in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres um insgesamt 0,6 Prozent gestiegen. Frankreich: Industrieproduktion*, Einkaufsmanagerindex 60
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Einkaufsmanagerindex saisonbereinigt (linke Achse)
*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender- und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quelle: Macrobond
Im Verarbeitenden Gewerbe stieg die Produktion per September um 0,8 Prozent. Die stärksten Produktionssteigerungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verbuchte der Fahrzeugbau mit einem Plus von 13,9 Prozent, gefolgt vom sonstigen Fahrzeugbau, der mit plus 10,5 Prozent ebenfalls zweistellig zulegen konnte. Die Elektroindustrie mit plus 4,5 Prozent und der Maschinenbau mit plus 6,6 Prozent
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konnten per September ebenfalls ein überdurchschnittliches Produktionsplus ausweisen. Die weniger konjunkturreagiblen Ernährungsindustrie drosselte ihre Produktion um 2,1 Prozent und die pharmazeutische Industrie um minus 1,7 Prozent. Unter den energieintensiven Branchen verminderten die metallherstellenden und -verarbeitenden Industrien ihre Produktion um insgesamt 1,5 Prozent. In der chemischen Industrie sank die Produktion mit minus 3,1 Prozent, deutlich geringer als in der gesamten Europäischen Union. Zu Jahresende dürfte sich die konjunkturelle Entwicklung etwas abkühlen. In der Zweimonatsbetrachtung August / September 2023 sank die Industrieproduktion saison- und kalenderbereinigt gegenüber dem Vorzeitraum um 0,3 Prozent. Gleichzeitig ist der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe, der sich bereits seit Februar im Kontraktionsbereich bewegt, im Oktober auf ein neues Jahrestief von nur noch 42,8 Punkten abgesackt. Angesichts des sich abzeichnenden schwachen vierten Quartals halbieren wir das von uns im Frühjahr für das Verarbeitende Gewerbe prognostizierte Produktionswachstum von plus ein Prozent auf nunmehr 0,5 Prozent. Italien: Produktion seit Sommer über Vorkrisenniveau Italiens Industrie (Produzierendes Gewerbe ohne Bau) ist mit einem Rücksetzer in das Jahr 2023 gestartet. Die Industrieproduktion sank im Vorjahresvergleich um 1,3 Prozent. Im zweiten Quartal gingen die Aktivitäten mit minus 3,8 Prozent sogar noch stärker zurück. Auch im dritten Quartal lag die Ausbringung in der Industrie trotz leichter Erholung unter dem Vorjahresniveau. Alles in allem sank die Industrieproduktion in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 2,7 Prozent. Italien: Industrieproduktion*, Einkaufsmanagerindex 70
70 50
60
30 50 10 40 -10 30
-30
20
-50 2019
2020
Industrieproduktion (rechte Achse)
2021
2022
2023
Einkaufsmanagerindex saisonbereinigt (linke Achse)
*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender-und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quelle: Macrobond
Das Verarbeitende Gewerbe weist für den gleichen Zeitraum in saison- und kalenderbereinigter Rechnung mit minus 2,1 Prozent einen ähnlich starken Produktionsrückgang aus. Unter den einzelnen Branchen verbuchte die chemische Industrie mit minus 8,3 Prozent die mit Abstand stärksten Produktionseinbußen. Die metallverarbeitende Industrie musste ihre Produktion mit minus 3,7 Prozent ebenfalls deutlich drosseln. In der weniger energieintensiven Elektroindustrie sank die Ausbringung in den ersten neuen Monaten ebenfalls, mit minus 2,1 Prozent aber nicht ganz so heftig. Pharmazeutische
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Industrie (plus 9,6 Prozent) und sonstiger Fahrzeugbau (plus 11,3 Prozent) konnten ihre Aktivitäten nicht nur kräftig ausweiten. Sie produzierten im dritten Quartal 2023 auch deutlich mehr als vor Ausbruch der Corona-Pandemie Ende 2019. Auch bei den Herstellern von Kraftfahrzeugen und -teilen und im Maschinenbau war die Produktion zuletzt höher als vor der Pandemie. Während im Fahrzeugbau die Produktion per September um 8,7 Prozent zulegte, lag die Produktion im Maschinenbau mit plus 0,2 Prozent nur leicht über Vorjahresniveau. Im weiteren Jahresverlauf dürften die Aktivitäten im Verarbeitenden Gewerbe weiter nachlassen. Der Einkaufsmanagerindex ist zwar seit Juni 2023 drei Monate in Folge gestiegen, blieb aber weiterhin deutlich unterhalb der Expansionsschwelle von 50 Punkten. Im Oktober sank er auf 44,9 Punkte und damit auf den zweitniedrigsten Wert des laufenden Jahres. Wir erwarten einen weiteren Produktionsrückgang im Jahresendquartal. Im Jahresergebnis dürfte die Produktion entgegen unserer Prognose vom Frühjahr nicht um ein Prozent steigen, sondern im Vergleich zum Vorjahr um zwei Prozent sinken. Spanien: Produktion wieder geringer als im Corona-Jahr Die industriellen Aktivitäten in Spanien haben zu Jahresbeginn 2023 nochmals leicht zugenommen. Das Produzierende Gewerbe (ohne Bau) verbuchte im ersten Quartal 2023 ein Produktionsplus von 1,2 Prozent (Vorjahresvergleich). Dies erstreckte sich über nahezu alle Branchen. Nur die chemische Industrie und die Hersteller von Gummi- und Kunststoffwaren mussten ihre Produktion im ersten Quartal zurückfahren. Im Frühjahr geriet der Konjunkturmotor ins Stottern. Im zweiten Quartal sank die Produktion im Produzierenden Gewerbe im Vorjahresvergleich um 1,9 Prozent. Mit dem Fahrzeugbau, der pharmazeutischen Industrie und der Elektroindustrie gab es nur wenige Branchen, die sich dem Abwärtstrend entziehen konnten. Die Abwärtsbewegung hielt auch zu Beginn des dritten Quartals an, so dass Spaniens Industrie in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres die Produktion im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um ein Prozent zurückfahren musste. Spanien: Industrieproduktion*, Einkaufsmanagerindex 65
40 30
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2021
Industrieproduktion (rechte Achse)
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2023
Einkaufsmanagerindex saisonbereinigt (linke Achse)
*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender-und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quelle: Macrobond
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Im Verarbeitenden Gewerbe sank die Produktion im gleichen Zeitraum um 0,1 Prozent und war damit auch geringer als im Corona-Jahr 2019. Unter den Leitbranchen sank die Produktion der chemischen Industrie um 4,7 Prozent. Die metallerzeugende und -verarbeitende Industrie reduzierte ihre Ausbringung um 1,9 Prozent. Kaum Bewegung gab es im Maschinenbau (plus 0,6 Prozent). Der Fahrzeugbau, der sonstige Fahrzeugbau und die Hersteller von Pharmazeutika konnten an ihren guten Vorjahresergebnissen anknüpfen und ihre Produktion um jeweils mehr als zehn Prozent ausweiten. In der Elektroindustrie lag der Ausstoß 9,2 Prozent über dem Vorjahresniveau. Die weniger konjunkturreagible Nahrungs- und Genussmittelindustrie fuhr ihre Produktion per August 2023 im Vorjahresvergleich um zwei Prozent zurück. Die zuletzt verfügbaren Daten deuten darauf hin, dass die konjunkturelle Schwäche weiter anhält. Am aktuellen Rand stagnierte die Produktion in der Zweimonatsbetrachtung Juli / August 2023 gegenüber dem Vorzeitraum. Das Vorjahrsniveau wurde um 0,9 Prozent verfehlt. Der Einkaufmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe liegt bereits seit April unterhalb der Schwelle von 50 Punkten, ab der eine Kontraktion angezeigt wird. Im Oktober hat er mehr als zwei Indexpunkte abgegeben und sackte damit auf ein Jahrestief von nur noch 45,1 Punkten. Wir erwarten im vierten Quartal einen weiteren Produktionsrückgang, so dass im Jahresvergleich die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe im Vergleich zum Vorjahr um ein Prozent sinken dürfte. Welthandel Die weltweiten Handelsaktivitäten sind bereits zum Jahresbeginn 2023 ins Stocken geraten. Im ersten Quartal 2023 sank das Welthandelsvolumen nach Angaben des Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis (CPB) im Vergleich zum Vorquartal um zwei Prozent. Im zweiten Quartal setzte sich die Abwärtsbewegung mit etwas geringerem Tempo fort (minus 0,8 Prozent). Per August ist das weltweite Handelsvolumen im Vergleich zu den ersten acht Monaten des Vorjahres um 1,9 Prozent gesunken.
Welt: Exporte nach Herkunftsregionen 30 25 20 15 10 5 0 -5 entwickelte Volkswirtschaften Schwellenländer
-10 -15 -20
2019 2020 2021 2022 Index: 2-Monatsdurchschnitt, kalender- und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr
2023
Quelle: Macrobond
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Die Schwellenländer exportierten in den ersten acht Monaten insgesamt 0,3 Prozent weniger Waren als vor Jahresfrist. Die Exporte aus den asiatischen Schwellenländern (ohne China) gingen mit minus 4,4 Prozent am stärksten zurück. Die Ausfuhren aus Lateinamerika sowie aus Afrika und dem Mittleren Osten verminderten sich jeweils um 0,3 Prozent. Gegen den Trend stiegen die Ausfuhren aus Mittelund Osteuropa mit plus 3,9 Prozent kräftig. Chinas Exporte legten mit plus ein Prozent ebenfalls zu. Die Exporte der entwickelten Volkswirtschaften sanken per August 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um insgesamt 1,2 Prozent. Dabei verlief das Exportgeschäft in dieser Ländergruppe sehr heterogen. Japans Ausfuhren sanken in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres um 1,7 Prozent. Mit minus 6,7 Prozent war der Rückgang in der Gruppe der restlichen entwickelten asiatischen Volkswirtschaften deutlich stärker. Die Exporte aus dem Vereinigten Königreich gaben um 1,5 Prozent nach. Aus dem Euroraum wurden 1,3 Prozent weniger Waren ausgeführt als vor Jahresfrist. Im Gegensatz dazu kamen starke Impulse von den Vereinigten Staaten, die ihre Warenausfuhren um 3,6 Prozent steigern konnten. Die Exporte aus den restlichen entwickelten Volkswirtschaften stiegen mit plus 1,1 Prozent nicht ganz so stark. Am aktuellen Rand scheint sich eine Bodenbildung abzuzeichnen. Die weltweiten Exporte stiegen im August 2023 im Vergleich zum Vormonat um 1,1 Prozent. Während die Exporte aus den entwickelten Volkswirtschaften zuletzt um 0,5 Prozent zulegen konnten, stiegen die Ausfuhren aus den Schwellenländern mit plus 2,2 Prozent etwas stärker. Sollten die Handelsaktivitäten bis zum Jahresende stagnieren, dürfte der weltweite Warenhandel im laufenden Jahr nicht wie im Frühjahr 2023 prognostiziert um mehr als zwei Prozent steigen, sondern um knapp ein Prozent zurückgehen. Entwicklung der deutschen Exporte Die deutschen Exporte sind auch nach dem Jahreswechsel 2022 / 2023 weiter angestiegen. Die Ausfuhren erhöhten sich im ersten Quartal 2023 gegenüber dem Vorjahresquartal um 6,6 Prozent. Belebt hat sich vor allem der Handel mit den USA und dem Vereinigten Königreich. Nur die Ausfuhren nach China gaben mit minus 11,5 Prozent deutlich nach. Im zweiten Quartal geriet das Exportgeschäft mit minus 0,7 Prozent ins Stocken. Die Ausfuhren zu den EU-Handelspartnern, nach China und in die USA gaben im unteren einstelligen Bereich nach. Im Gegensatz dazu konnten die Ausfuhren ins Vereinigte Königreich und in den Rest der Welt nochmals gesteigert werden. Im dritten Quartal verminderten sich die Ausfuhren um insgesamt minus 5,2 Prozent. Der Rückgang erstreckte sich mit Ausnahme Großbritanniens über alle Regionen, wobei der Handel mit China am stärksten zurückging (minus 9,9 Prozent). Alles in allem stagnierten die deutschen Exporte in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (plus 0,1 Prozent). Mit Blick auf die Zielregionen sind die Exporte in das Vereinigte Königreich mit plus 5,5 Prozent am stärksten gestiegen. Die Geschäfte mit den USA legten mit plus 2,1 Prozent ebenfalls zu. Die Ausfuhren in die Eurozone sanken um minus 1,5 Prozent. Der Handel mit den restlichen Mitgliedstaaten der EU entwickelte sich mit minus zwei Prozent etwas schwächer. Deutlich schlechter lief das China-Geschäft, das um 8,7 Prozent zurückging. Die Exporte in die restlichen Länder stiegen dagegen um 3,1 Prozent. Am aktuellen Rand hat sich der Rückgang der Exportaktivitäten weiter beschleunigt. In den Monaten August und September 2023 sind sie im Vergleich zum Vorzeitraum in nominaler Rechnung um minus 1,9 Prozent gesunken. Die Stimmung unter den Exporteuren ist entsprechend. Laut ifo-Institut werden
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die Exportaussichten seit Juni 2023 unter den befragten Unternehmen mehrheitlich negativ eingeschätzt. Selbst bei nahezu stagnierenden Exporten bis zum Jahresende, dürften für das gesamte Jahr 2023 die deutschen Exporte um nominal minus zwei Prozent sinken. Deutschland: Exporte nach Zielregionen 50 40 30 20 10 0 -10 -20 -30
restliche Länder V.Königreich USA China Euroraum
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2022
2023
Index: 2-Monatsdurchschnitt, kalender- und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quellen: Macrobond, Deutsche Bundesbank
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Industriebranchen in Deutschland Automobilindustrie: Produktion setzt Erholungskurs fort Produktion Die Produktionsrückgänge der letzten Jahre aufgrund der diversen Krisen (Corona, Materialengpässe, Ukraine-Krieg) haben die inländische Fertigung, die im Jahr 2017 noch bei über 5,6 Millionen Pkw lag, im Jahr 2021 bis auf 3,1 Millionen Einheiten reduziert. Nachdem es im Jahr 2022 zu einem leichten Rebound auf knapp 3,5 Millionen Stück kam, dürfte dieses Jahr der höchste relative Zuwachs der Produktion seit 1976 verzeichnet werden. Wir gehen momentan noch von einem Zuwachs von 15 Prozent auf vier Millionen Pkw aus. In den ersten zehn Monaten lag das Plus nach den vorläufigen Oktoberzahlen sogar bei 23 Prozent. Hintergrund für diese starke Entwicklung ist neben der sich langsam stabilisierenden Lage insbes. bei dem Halbleiterangebot vor allem der kräftige Hochlauf der Elektromobilität. Deutschland ist inzwischen nach China das zweitwichtigste Produktionsland für ElektroPkw weltweit noch vor den USA. In den ersten neun Monaten verdoppelte sich die Fertigung rein batterieelektrischer Pkw (BEV). Damit waren 24 Prozent aller in Deutschland hergestellten Pkw vollständig elektrisch angetrieben. Das übertraf den Dieselanteil, der nur noch 20 Prozent betrug, deutlich. Mit einem Anteil von 49 Prozent stand der Benziner an Platz eins, Die restlichen sieben Prozent der Inlandsproduktion entfielen auf Plug-In Hybride (PHEV). Die Kapazitätsauslastung in der Automobilindustrie sank im vierten Quartal laut ifo leicht von 87,1 Prozent auf 85,4 Prozent, speziell bei den Pkw-Herstellern ging es sogar von 86,9 Prozent auf 79,7 Prozent zurück. Die schwächere Auslastung ist auf die schon seit über einem Jahr rückläufige Auftragseingänge zurückzuführen, die derzeit noch von einem hohen Auftragspolster abgefedert werden, die Auftragsbestände schmelzen jedoch zunehmend dahin und bewegen sich in Richtung Normalniveau. Die Materialknappheit erweist sich in der Automobilindustrie weiterhin als der führende Produktionsengpass. Danach folgen der Fachkräftemangel und der Auftragsmangel, die beide insbes. bei den Zulieferern Flaschenhälse für die Fertigung darstellen. Die Beschäftigung hat sich im Jahresverlauf insgesamt trotz der Transformation vom Verbrenner zum Elektroantrieb, die insbes. die Zulieferer sehr herausfordert, stabil entwickelt. Im August betrug die Anzahl der Beschäftigten in der Automobilindustrie 779.300 und lag damit 0,5 Prozent über dem Vorjahreswert. Dabei kam das Wachstum aus dem Bereich der Hersteller von Kraftwagen, die ihr Personal um 1,5 Prozent aufstocken konnten. Die Zulieferer konnten ihre Belegschaft nahezu konstant halten (minus 0,1 Prozent). Export In den ersten zehn Monaten entwickelten sich die Exporte mit einem Plus von 22 Prozent auf 2,6 Millionen Pkw ähnlich gut wie die Produktion. Auch hier wird der noch überdurchschnittlich hohe Auftragsbestand sukzessive abgebaut. Die Exportquote sinkt um 0,8 Prozentpunkte auf 75,2 Prozent. Als wichtigster Handelspartner in den ersten drei Quartalen hat Großbritannien mit 296.000 Pkw (plus 24 Prozent) die USA mit 291.500 Pkw (plus 14 Prozent) überholt. Es folgte China mit 196.200 Einheiten (minus 15 Prozent). Die Exporterwartungen haben sich laut ifo zuletzt leicht verbessert. Es sind nun nahezu genauso viele Firmen positiv wie negativ eingestellt bzgl. der zukünftigen Entwicklung.
Kontakt: Alexander Fritz; Tel.: +49 30 8978 423 33; E-Mail: alexander.fritz@vda.de
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Baukonjunktur: schwierige Baujahre 2023 und 2024 zu erwarten Die Produktion im Bauhauptgewerbe wird bereits seit 2022 durch mehrere Probleme gebremst. Die hohen Baumaterialpreise führen zu deutlichen Baupreissteigerungen, die in dieser Größenordnung bisher noch nicht erlebt wurden. Die deutliche Zinssteigerungen am Kapitalmarkt (plus drei Prozentpunkte von Januar 2022 bis September 2023) verteuert die Refinanzierung von Baumaßnahmen deutlich. Gleichzeitig schlägt die hohe Inflationsrate auf die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte durch. Die Baugenehmigungen, für die es nur Werte im Hochbau gibt, zeigen an, wohin die Entwicklung geht. Von Januar bis August 2023 war bei den veranschlagten Baukosten ein realer Rückgang von 30 Prozent zu verzeichnen. Die Zahl der genehmigten Wohnungen ging sogar noch stärker zurück. Der Auftragseingang im Bauhauptgewerbe befindet sich seit dem zweiten Quartal 2022 in einem deutlichen Abwärtstrend, von Januar bis August 2023 war ein realer Rückgang von 7,8 Prozent zu verzeichnen. Herbei gab es allerdings eine deutlich gespaltene Entwicklung. Während die Aufträge im Tiefbau um zwei Prozent zulegten, gingen sie im Hochbau um 16,7 Prozent zurück, besonders drastisch im Wohnungsbau mit 24,7 Prozent. Im laufenden Jahr lebt das deutsche Bauhauptgewerbe noch von den rekordhohen Auftragsbeständen, die sich bis zum Jahresbeginn 2022 aufgebaut hatten. Reichten diese im Februar 2022 bei normaler Produktion noch für fünf Monate, war bis zum Oktober 2023 ein deutlicher Rückgang auf 3,7 Monate zu verzeichnen, im Hochbau sogar von 5,6 auf 3,6 Monate. Begleitend zu dieser negativen Grundtendenz hat sich die Stimmung in der Branche drastisch verschlechtert. Der Saldo der Geschäftserwartungen im Rahmen des ifo Konjunkturtestes ging von Januar 2023 von plus vier Punkten bis zum Oktober auf minus 17 Punkte zurück. Die Geschäftserwartungen pendeln im laufenden Jahr um die 40-Punkte-Marke. Eine Besserung ist derzeit nicht in Sicht. Die Bauindustrie erwartet für das laufende Jahr einen realen Rückgang des baugewerblichen Umsatzes im Bauhauptgewerbe von fünf Prozent. Besonders stark betroffen wird der Wohnungsbau sein, wo das Bauhauptgewerbe nahezu ausschließlich im Neubau tätig ist. Die starken Preissteigerungen, der deutliche Anstieg des Zinsniveaus, der nahezu komplette Wegfall der staatlichen Förderung und die Probleme, die hohen Baukosten über die Kaltmiete oder über den Quadratmeterpreis auch am Markt unterbringen zu können, haben die Investoren nachhaltig verunsichert. Der reale Rückgang in dieser Sparte wird 2023 voraussichtlich bei acht Prozent liegen. Deutlich besser sieht es dagegen im gewerblichen Bau und im öffentlichen Bau aus. Beide Sparten profitieren von der recht positiven Entwicklung der Aktivitäten im Tiefbau. Auch der Hochbau läuft hier deutlich besser als im Wohnungsbau. Die Umsätze in diesen beiden Sparten dürften im laufenden Jahr um real etwa drei Prozent zurückgehen. Relativ stabil entwickelt sich dagegen noch der Bauarbeitsmarkt. Für das laufende Jahr erwartet die Bauindustrie trotz des Produktionsrückgangs eine Stabilisierung der Beschäftigtenzahl auf dem Vorjahresniveau von 927.000. Dies dürfte aber auch der Tatsache geschuldet sein, dass ein Viertel der Beschäftigten älter als 55 Jahre ist und in absehbarer Zeit aus dem Erwerbsleben ausscheidet.
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2024 ist mit einem weiteren realen Rückgang der Produktion im Bauhauptgewerbe zu rechnen. Eine drastische Verbesserung der Auftragseingänge steht branchenweit nicht zu erwarten, wodurch mit einem weiteren deutlichen Abschmelzen der Auftragsbestände zu rechnen ist. Stabil bis leicht positiv dürfte sich aber auch 2024 die Produktion im Tiefbau zeigen. Dennoch ist mit einem Ende des baukonjunkturellen Rückgangs nicht vor dem Jahr 2025 zu rechnen.
Kontakt: Heinrich Weitz; Tel.: +49 30 21286 144; E-Mail: heinrich.weitz@bauindustrie.de
Baustoff-Steine-Erden-Industrie: Baukrise lässt Produktion einbrechen Der Absturz der Baukonjunktur insbesondere im Wohnungsbau hat die Konjunkturerwartungen für die Baustoff-Steine-Erden-Industrie erheblich eingetrübt. Nachdem der bbs am Jahresanfang noch einen moderaten Produktionsrückgang in der Größenordnung von minus vier Prozent erwartet hat, stellt sich die Situation aktuell deutlich schlechter dar: Einige wohnungsbauaffine Subsektoren, etwa Mauerziegel, Porenbeton und Kalksandstein, sind mit Produktionsrückgängen von einem Drittel und mehr konfrontiert. Zwar sind die Rückgänge in denjenigen Wirtschaftszweigen, die auch in den (stabileren) Tiefbau liefern (z.B. Beton, Kies/Sand), weniger drastisch; aber auch hier sind deutliche Minusraten zu verzeichnen. Alles in allem ging die Baustoff-Steine-Erden-Produktion von Januar bis September 2023 gegenüber dem Vorjahr um 16 Prozent zurück; im September betrug der Rückgang minus 20 Prozent. Für das Jahr 2023 insgesamt erwartet der bbs einen Produktionsrückgang in der Größenordnung von minus 15 Prozent, wobei weiterhin – je nach Abnehmerstruktur – große Unterschiede zwischen den einzelnen Teilbereichen bestehen. Die angespannte Situation wird bestätigt durch den Verlauf des ifo-Konjunkturtests im Bereich Glas, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden. Die Einschätzungen zur Geschäftslage haben sich mit einem Saldo von minus 14 Prozentpunkten erheblich abgekühlt. Die Geschäftserwartungen befinden sich mit minus 46 Punkten stabil auf sehr pessimistischem Niveau. Auch die Beurteilung der Auftragsbestände ist deutlich negativ. Entsprechend erwartet der bbs infolge des aktuellen Produktionseinbruchs auch zunehmende Investitionszurückhaltung seitens der Unternehmen. Der massive Produktionsrückgang in Teilen der Baustoff-Steine-Erden-Industrie hat unterausgelastete Kapazitäten zur Folge. Entsprechend sind Kurzarbeit und temporäre Produktionsdrosselungen oder -stilllegungen vielerorts auf der Agenda. Bereits jetzt sind Auswirkungen der Krise auf die Beschäftigung absehbar: Nach dem lang anhaltenden positiven Aufwärtstrend bei der Beschäftigung war im laufenden Jahr ein sich beschleunigender Rückgang zu verzeichnen. Die Zahl der Beschäftigten lag im August 2023 1,6 Prozent unter dem Vorjahreswert. Damit ein nachhaltiger Kapazitätsabbau vermieden werden kann, sind konjunkturelle Nachfrageimpulse dringend erforderlich. Hier sind das Ende September vorgestellte Maßnahmenpaket der Bundesregierung sowie der Bund-Länder-Pakt zur Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung wichtige erste Schritte. Um Wirkung zu entfalten, müssen die Maßnahmen nun aber schnellstmöglich und vollumfänglich umgesetzt und punktuell ergänzt werden.
Kontakt: Christian Engelke; Tel.: +49 30 7261 999 29; E-Mail: c.engelke@bvbaustoffe.de
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Chemie und Pharmaindustrie: Hoffnungen ruhen auf 2024 Produktion Die Lage für die deutsche Chemieindustrie bleibt schwierig. Zwar legte die Produktion in den Sommermonaten wieder leicht zu. Eine Trendwende war das allerdings noch nicht. Von Januar bis September lag die Produktion der Branche insgesamt um fast zehn Prozent niedriger als im Vorjahr. Rechnet man die Pharmazeutika heraus, betrug der Produktionsrückgang fast 14 Prozent. Insbesondere die von der Energiekrise besonders stark gebeutelte Grundstoffchemie verzeichnete noch immer Produktionsniveaus, die deutlich niedriger lagen als im Vorjahr. Die Erzeugerpreise und damit auch der Branchenumsatz waren im Jahresverlauf abwärtsgerichtet. Der Gesamtumsatz der Branche lag in den ersten neun Monaten des Jahres um über zwölf Prozent niedriger als im Vorjahr. Ohne die Pharmaumsätze betrug der Rückgang 15,5 Prozent. Die Auftragsbücher leerten sich weiter. Fast 50 Prozent der Unternehmen beklagten zuletzt einen Auftragsmangel. Angesichts dieser Entwicklung herrscht in den Unternehmen weiterhin Rezessionsstimmung: Die aktuelle Geschäftslage wird negativ beurteilt. Mit einer Belebung wird überwiegend nicht gerechnet. Sowohl die Exporterwartungen als auch die Produktionspläne der Unternehmen verharren im negativen Bereich. Die hohen Energie- und Rohstoffkosten und der Auftragsmangel werden die Geschäfte weiterhin belasten. Nahezu alle Unternehmen treten daher auf die Kostenbremse. Vermehrt wird mittlerweile über umfangreiche Restrukturierungsmaßnahmen und Effizienzprogramme berichtet. Dazu gehören u.a. die Schließung von Produktionsanlagen, die Aufgabe einzelner Geschäftsfelder, die Ausgliederung von Unternehmensteilen oder die Verlagerung von Investitionen ins Ausland. Weltwirtschaftliche Flaute, Rezession in Deutschland, schwache Industriekonjunktur sowie international nicht wettbewerbsfähige Energie- und Rohstoffpreise: In dieser Gemengelage bleibt das Chemiegeschäft schwierig. Für das Gesamtjahr 2023 rechnet der VCI daher weiterhin mit einem Produktionsrückgang von rund acht Prozent. Rechnet man das Pharmageschäft heraus dürfte die Produktion in diesem Jahr um rund elf Prozent niedriger liegen als 2022. Der Branchenumsatz insgesamt wird voraussichtlich um rund 14 Prozent sinken. Die Unternehmen hoffen nun auf eine Belebung im kommenden Jahr. Exporte: keine Impulse aus dem Auslandsgeschäft Vom Auslandsgeschäft kamen keine Impulse. Die Auslandsumsätze mit Chemikalien blieben bis zuletzt deutlich unter Vorjahr. Dagegen entwickelten sich die Pharmaumsätze robust aufwärts. Die Exportmöglichkeiten in den wichtigsten Markt der deutschen Chemie, nach Europa, waren begrenzt. Eine stagnierende Wirtschaft in Europa und eine rückläufige Industrieproduktion bremsten die Verkäufe. In Übersee sah die wirtschaftliche Entwicklung zwar insgesamt etwas besser aus. Die Industrieproduktion und damit die Chemienachfrage blieben aber ohne nennenswerte Dynamik. Weltweit gab es in Teilen der Chemie Überkapazitäten. Europäische Standorte sind wegen der hohen Produktionskosten hier im Nachteil. Vor diesem Hintergrund bleibt das Exportgeschäft der deutschen Chemieunternehmen schwierig.
Kontakt: Christiane Kellermann; Tel.: +49 69 2556 1585; E-Mail: kellermann@vci.de
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Deutsche Elektro- und Digitalindustrie steuert erneut auf Jahreswachstum zu Die deutsche Elektro- und Digitalindustrie präsentiert sich im bisherigen Jahresverlauf 2023 gegenüber der eingetrübten Gesamtwirtschaft vergleichsweise widerstandsfähig. So konnte die Branche ihre preisbereinigte Produktion in den ersten neun Monaten um 2,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum steigern. Sie blieb damit – anders als viele andere Branchen des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland – noch auf Wachstumskurs. Weil die Erzeugerpreise innerhalb der Elektroindustrie – trotz Seitwärtstendenz in den letzten Monaten – im aktuellen Jahr über ihrem entsprechenden Vorjahresniveau liegen, fiel der Zuwachs beim (nominalen) Umsatz noch höher aus. Von Januar bis einschließlich September steht hier ein Plus von 9,4 Prozent zu Buche. Nichtsdestotrotz werden konjunkturelle Bremsspuren inzwischen auch für die deutsche Elektro- und Digitalindustrie an verschiedenen Stellen sichtbar. Beispielsweise hat die Dynamik bei neuen Aufträgen im Jahresverlauf abgenommen, sodass zuletzt für den Gesamtzeitraum der ersten drei Quartale insgesamt ein Auftragsrückgang um 1,3 Prozent resultierte. Zwar lag die Auftragsreichweite zu Beginn des vierten Quartals mit 4,8 Produktionsmonaten noch immer deutlich oberhalb des langjährigen Mittels (von 2,8 Produktionsmonaten zwischen 2000 und 2020), inzwischen spiegelt sich die zunehmend eingetrübte Konjunktur aber auch in einer vergleichsweise niedrigen Kapazitätsauslastung von 81,8 Prozent wider. Dazu passen die von den Elektrounternehmen im Rahmen des ifo-Konjunkturtests gegebenen Antworten, nach denen inzwischen nicht nur die Geschäftserwartung, sondern zuletzt auch zwei Monate in Folge die aktuelle Geschäftslage mehrheitlich negativ bewertet wurde. Als häufigstes Produktionshemmnis nannten die Elektrofirmen bei der jüngsten Befragung im Oktober mit fehlenden Aufträgen zudem ein Hemmnis, das der Nachfrageseite zuzurechnen ist. Bei den Beschäftigten in der Elektroindustrie hingegen kann von einer nachlassenden Dynamik noch keine Rede sein. Ende August 2023 beschäftigte die Branche insgesamt 909.000 Menschen und damit 2,5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Ein Grund für die stabile Entwicklung der Beschäftigten dürfte auch sein, dass die Unternehmen die Herausforderung des demografischen Wandels antizipieren. In den nächsten zehn Jahren wird die Branche schätzungsweise ein Viertel ihrer jetzigen Beschäftigten ersetzen müssen. Für das Gesamtjahr 2023 rechnet der ZVEI noch mit einem Anstieg der preisbereinigten Produktion in Höhe von ein bis zwei Prozent. Diesem Korridor könnte sich die bisher noch darüber liegende Zuwachsrate in den verbleibenden drei Monaten von oben annähern – auch weil die Vergleichswerte aus dem Schlussquartal 2022 hoch sind. Mittel- bis langfristig sollte die deutsche Elektro- und Digitalindustrie strukturellen Rückenwind in Form von Digitalisierung, Elektrifizierung und Automation haben. Elektroexporte: China-Exporte rückläufig, USA-Geschäft legt weiter zu Die (nominalen) Ausfuhren der deutschen Elektro- und Digitalindustrie haben sich in den ersten acht Monaten 2023 gegenüber Vorjahr um 8,2 Prozent erhöht. Im gleichen Zeitraum stiegen die Ausfuhrpreise um fünf Prozent. Obwohl die Elektroexporte in den letzten zwei Monaten jeweils leicht unter Vorjahr lagen, sollte am Ende des Jahres noch ein Plus Bestand haben. Damit würde die deutsche Elektro- und Digitalindustrie den Rekordwert aus 2022 nochmal steigern können. Einen zweistelligen Anstieg verzeichneten die US-Exporte, die von Januar bis August um 11,1 Prozent über Vorjahr lagen. Auch die Branchenausfuhren in die Eurozone kletterten um 10,4 Prozent. Dagegen reduzierten sich die Elektroexporte nach China in den ersten acht Monaten dieses Jahres um 3,7 Prozent.
Kontakt: Matthias Düllmann; Tel.: +49 69 6302 329; E-Mail: matthias.duellmann@zvei.org
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Digitalbranche In der Digitalbranche liefen die Geschäfte im Oktober erneut schlechter als im September. Die Aussichten für die kommenden Monate sind von Unsicherheit geprägt. Die aktuelle Geschäftslage der ITund Telekommunikationsunternehmen liegt im Oktober bei 21,9 Punkten und damit 4,1 Zähler niedriger als im September. Die Geschäftserwartungen für die kommenden Monate notierten bei minus 4,3 Punkten, was einer Veränderung von Plus 7,6 Zählern zum Vormonat entspricht. Im September waren die Geschäftserwartungen bereits um 3,5 Zähler auf den Tiefststand des Jahres von minus 11,9 Punkte zurückgegangen. Der Bitkom-ifo-Digitalindex bildet die aktuelle Geschäftslage und die Geschäftserwartungen für die kommenden drei Monate ab und berechnet daraus das Geschäftsklima. Dieses liegt mit 8,4 Punkten weiterhin im Plus und verbesserte sich leicht gegenüber September (plus 2,2). Für die Gesamtwirtschaft weist das ifo-Institut ein Geschäftsklima von minus zehn Punkten aus. Damit erweist sich die Digitalbranche krisenfester im Vergleich zur gesamten deutschen Wirtschaft. Das größte Geschäftshemmnis der Branche ist weiterhin der Mangel an Fachkräften. Zwar ging der Index im Oktober im Vergleich zum Vorquartal um 1,1 Punkte zurück, bleibt mit 44,6 Punkten aber auf sehr hohem Niveau. Fehlende Nachfrage wird zunehmend stärker als Problem gesehen, der Index stiegt um vier auf 35,5 Punkte. Nahezu irrelevant sind Finanzierungsschwierigkeiten, die konstant bei niedrigen 3,8 Punkten (minus 0,3) liegen. Die IT- und Telekommunikationsunternehmen wollen weiterhin zusätzliche Jobs schaffen. Die Beschäftigungserwartungen liegen bei 16,1 Punkten (plus 1,9). Das bedeutet, dass die überwiegende Mehrheit der Unternehmen in den kommenden drei Monaten zusätzliche Arbeitskräfte einstellen will. Die Nachfrage nach Digital-Fachkräften ist hoch und hat weiter angezogen. Demgegenüber gibt der Index der Preiserwartungen weiter nach und notiert bei 17,1 Punkten (minus 3,7).
Kontakt: Dr. Florian Bayer; Tel.: +49 30 2757 6162; E-Mail: f.bayer@bitkom.org
Gießerei-Industrie: Frostiger Herbst 2023 Die Gussproduktion stieg zwischen Januar und August 2023 um 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Während die Eisen- und Stahlgießereien um 0,9 Prozent unter dem Produktionsniveau liegen, beziffert sich das Plus der Nicht-Eisen-Metallgießereien auf vier Prozent. Vom Niveau des Jahres 2018 sind die deutschen Gießereien mit einer gegenwärtigen Produktion von 2,6 Millionen Tonnen im laufenden Kalenderjahr noch 22 Prozent entfernt. Hinsichtlich statistischer Basiseffekte im ersten Quartal, welche mit dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine und den dann explodierten Energiepreisen in Verbindung stehen, liegt das Umsatzplus der deutschen Gießereien im Zeitraum zwischen Januar und August bei 5,1 Prozent. In den knapp 600 Unternehmen (BDG Erhebung) sind aktuell rund 70.000 Personen beschäftigt. Bei den deutschen Gießereien ist die Stimmungslage im Herbst 2023 bereits bitterkalt. Das GießereiGeschäftsklima des Ifo-Institutes liegt im Oktober bei minus 56,3 Punkten. Verkehren die Erwartungen für die kommenden sechs Monate bereits seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine konstant im Minus, haben diese in den vergangenen Monaten einen Negativrekord nach dem anderen aufgestellt. Ende Oktober, dem Monat, in dem ein Krieg in und um Israel zunehmen zu eskalieren droht, liegen
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die Erwartungen der deutschen Gießereien im Saldo bei minus 76,1 Punkten. Umso kritischer ist dies, da die aktuelle Lagebeurteilung ebenfalls zusehends einbricht. Betrug der Saldo vor genau einem Jahr noch plus 44,7 Punkte, verzeichnet er seither eine vollständige Kehrtwende. Ende Oktober notiert die Lagebeurteilung bereits bei minus 33,3 Saldenpunkten. Die Rekord-Auftragsbestände aus dem Vorjahr sind bereits sukzessive abgebaut worden. Dies hängt jedoch weniger mit einer gesteigerten Produktion, wie vielmehr mit sehr niedrigen Auftragseingängen zusammen. So liegen die Auftragseingänge in den ersten drei Quartalen des Jahres 2023 14 Prozent unter dem Vorjahreszeitraum. Die Auftragseingänge stellen damit bereits die meistgenannte Produktionsbehinderung dar. Die Kapazitätsauslastung liegt für die Gießerei-Industrie insgesamt mit 78,4 Prozent bereits unter dem historischen Durchschnitt. Die anhaltende Debatte um den Brückenstrompreis dürfte sich erheblich auf die Stimmungslage auswirken. Gleichwohl bestätigen die Realdaten die äußerst angespannte Stimmungslage in vielen Aspekten. Ein weiterer Blick auf die ifo-Daten lässt durchblicken, dass die Standortfrage allseits präsent ist. So verschlechtert sich wenig überraschend die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Nicht-EUAusland seit Monaten. Deutlich pessimistischer wird mittlerweile die Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der EU bewertet. Knapp die Hälfte der deutschen Gießereien hat etwa eine Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit im letzten Quartal gegenüber anderen EU-Staaten vernommen. Eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit sieht hier kein einziges Unternehmen. Die Planungsunsicherheit hinsichtlich der Energiekosten ist Gift für den Industriestandort Deutschland.
Kontakt: Tillman van de Sand; Tel.: +49 211 6871 301; E-Mail: tillman.vandesand@bdguss.de
Glasindustrie: negative Entwicklung aber Silberstreif am Horizont Die konjunkturelle Situation in der deutschen Glasindustrie ist aktuell nicht gut. Die Konjunktur der Glasindustrie passt sich damit dem allgemeinen Verlauf der Gesamtwirtschaft in Deutschland an. Seit dem Sommer entwickelt sie sich sogar etwas schwächer als die Gesamtwirtschaft. Die Glasindustrie hatte sich in den letzten Jahren als sehr robust erwiesen. Sie konnte sich auch während der CoronaPandemie und der Gasmangellage recht gut behaupten. Diese Entwicklung hat aber leider im Frühjahr 2023 ein Ende gefunden. Gerade im Inland ist die Nachfrage sowohl nach Behälterglas, Flachglas als auch nach Spezialglas merklich zurückgegangen. Die Gründe für den Rückgang sind vielfältig. Bei Flachglas und Glaswolle ist es die schwache Baukonjunktur. Im Bereich Behälterglas (Verpackungsglas für Lebensmittel und Getränke) ist es der Abbau von Lagerkapazitäten, der sich über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg bis hin zum Einzelhandel erstreckt. Hinzu kommt die allgemeine Kaufzurückhaltung der Konsumenten. Zwar hat sich das Geschäftsklima in den letzten drei Monaten leicht verbessert, es befindet sich aber immer noch auf einem sehr niedrigen Niveau. Dies spiegelt sich ebenfalls in den Umsatzzahlen wider. Laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes nimmt der kumulierte Umsatz Januar bis September 2023 für die gesamte Glasindustrie gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 0,9 Prozent ab. Trotz dieser negativen Entwicklung gibt es einen Silberstreif am Horizont. Im September haben sich die Auslandsumsätze sowohl real als auch preisbereinigt gegenüber dem Vormonat um 13,3 Prozent erhöht (preisbereinigt: Eurozone 16,2 Prozent; Nicht-Euro-Zone 10,7 Prozent). Das bedeutet reales Wachstum im
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Auslandsgeschäft. Das könnte ein Indiz dafür sein, dass die Talsohle durchschritten ist und es nun wieder aufwärtsgeht. Das Inland ist dagegen nach wie vor schwach und fällt sogar gegenüber dem Vormonat noch weiter ab. Daher ist es wichtig, dass der Inlandsmarkt wiederbelebt wird und die Politik hierfür endlich entsprechende Maßnahmen ergreift. Dazu gehört auch die Einführung eines Brückenstrompreises für die energieintensive Industrie, um die Wettbewerbsfähigkeit – auch gegenüber Wettbewerbern in der EU – wiederherzustellen und die Transformation voranzubringen.
Kontakt: Dr. Johann Overath; Tel.: +49 211 9022 7821; E-Mail: overath@bvglas.de
Keramische Industrie Das Jahr 2023 lief für die Industrie in den ersten Quartalen gut an. Die stark gestiegenen Energiekosten haben aber auch die keramischen Unternehmen als energieintensive Industrie hart getroffen, ebenso wie die hohen Inflationsraten. Anfang des Jahres 2023 sind die Geschäfte der Porzellanindustrie rückläufig, es ist ein Auftragseingang von minus sieben Prozent verzeichnet worden. Es ist davon auszugehen, dass das Vorjahresniveau im Bereich Geschirr nicht erreicht wird. Die Technische Keramik konnte Ihren Gesamtumsatz um rund 16,9 Prozent in 2022 gegenüber 2021 steigern und somit bereits das Krisenniveau deutlich vergessen machen. Das Jahr 2023 lief für die Technische Keramik insgesamt mit hohem Umsatzwachstum an. Aber auch in diesem Bereich wird ein bemerkbarer Rückgang des Auftragseinganges verzeichnet – minus 9,7 Prozent im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahr. Die Lage bei den Automobilzulieferern könnte den Absatz teilweise rückläufig beeinflussen. Weitgehend von negativen Auswirkungen der Pandemie verschont geblieben ist die Sanitär-Keramik. Sie wird nun aber von den hohen Inflationsraten und dem damit verbundenen Kaufkraftverlust getroffen. Die Auftragslage verschlechtert sich derzeit um ganze 16,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Hersteller der Ofenkacheln verzeichneten im Jahr 2023 zwar insgesamt ein sehr gutes Umsatzwachstum. Die Auftragslage im Jahr 2023 lässt jedoch auch auf einen Rückgang der Umsatzahlen im letzten Quartal 2023 schließen. Die Auftragslage zeigt bereits jetzt einen Einbruch der Umsätze an und ist bei weitem niedriger als im Vorjahr. Die derzeitige Rezession und hohe Inflation im Jahr 2023 könnten den steigenden Trend der privaten Konsumenten schmälern und insbesondere das Geschirr und Ofenkacheln sowie Projektgeschäfte schmälern. Daher ist mit einem sinkenden Wachstum der Industrie in den kommenden Monaten zu rechnen. Des Weiteren ist die energieintensive Keramikindustrie von den auf hohem Niveau verharrenden Gaspreisen stark betroffen, die ebenfalls zu Wettbewerbsnachteilen führen werden. Ferner führt die in Deutschland eingeführte CO2-Bepreisung für Kleinanlagen zu einer Schieflage im internationalen Wettbewerb, insbesondere bei der feinkeramischen Industrie als Betreiber von Kleinanlagen, die nicht im EU-ETS sind. Deutsche Keramikwerke sind von der Politik mit deutlichen Wettbewerbsnachteilen belastet. Auch haben die politischen Debatten zum Heizungsgesetz der Sanitär-Keramik nicht geholfen.
Kontakt: Jenny Tanner; Tel.: +49 9287 808 25; E-Mail: tanner@keramverband.de
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Luftverkehrswirtschaft Auch wenn sich die Ergebnislage in Teilen der deutschen Luftverkehrswirtschaft 2023 wieder deutlich verbessert hat, hinkt die Verkehrsentwicklung in Deutschland dem übrigen Europa deutlich hinterher. Gleichzeitig sieht sich die Branche vor die Herausforderung gestellt, die wettbewerbsneutrale Dekarbonisierung des Luftverkehrs weiter voranzubringen. In Europa hat sich im Sommer 2023 die Zahl der angebotenen Sitzplätze in Europa (EU / EWR / UK) weiter dem Vorkrisenniveau angenähert und insgesamt 94 Prozent des Niveaus von 2019 erreicht. Deutschland konnte mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten. Hier wurden nur 82 Prozent der Sitze im Vergleich zum Sommer 2019 angeboten. Das sind neun Prozent mehr als im Sommer 2022. Im restlichen Europa ohne Deutschland wurde mit 98 Prozent fast wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht. Im laufenden Jahr wurden an den deutschen Flughäfen im Passagierverkehr bis einschließlich September 149 Millionen ein- und aussteigende Passagiere gezählt. Das sind 78 Prozent des Niveaus von Januar – September 2019 und 22 Prozent mehr als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Für diese im europäischen Vergleich schwache Entwicklung sind folgende Gründe maßgeblich: ▪
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Die europäischen Punkt-zu-Punkt-Fluggesellschaften verlagern ihre Flotten und damit ihre Geschäftstätigkeit zunehmend an Flughäfen außerhalb Deutschlands. Ursache für diesen Trend sind die hohen Standortkosten in Deutschland, die durch staatliche Abgaben und Gebühren, wie Luftverkehrsteuer, Luftsicherheitsgebühren oder Flugsicherungsgebühren getrieben werden. In der Folge leidet die Attraktivität deutscher Wirtschaftsstandorte an dem reduzierten Flugangebot zu europäischen Metropolen. Ein bedeutender Teil des innerdeutschen Verkehrs ist nach Ende der Corona-Pandemie nicht zurückgekommen. Insbesondere auf den dezentralen Strecken, die keine Zubringerfunktion für die internationalen Drehkreuz-Flughäfen haben, hat sich der Verkehr auf Schiene oder Straße verlagert oder wurde durch digitale Kommunikationsformen ersetzt. Das innerdeutsche Passagieraufkommen liegt im laufenden Jahr bis einschließlich September bei 49 Prozent des Vergleichszeitraums 2019. Im Langstreckenverkehr setzt sich aufgrund von wettbewerbsverzerrender Regulierung der seit Jahren zu beobachtende Trend zur Verlagerung von Verkehrsströmen im aufkommensstarken Markt Deutschland-Asien auf Drehkreuze an Nicht-EU-Standorten wie Doha, Dubai oder Istanbul fort.
Die Luftfracht kann nicht an die starke Entwicklung der Corona-Jahre anknüpfen. Das Frachtaufkommen fällt von Januar bis September 2023 um acht Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Im Vergleich zu 2019 geht das Aufkommen im Vergleichszeitraum um drei Prozent zurück. Die in den vergangenen Monaten noch hohe Inflation, politische Krisen, die schwache Konjunkturentwicklung und Lieferkettenprobleme hemmen die Entwicklung. Im Ausblick auf das Angebot der kommenden sechs Monate setzt sich die aktuelle Entwicklung fort. Gegenüber dem letztjährigen Vergleichszeitraum wird sich das Sitzplatzangebot an den deutschen Flughäfen von November 2023 bis April 2024 voraussichtlich um 13 Prozent erhöhen. Damit werden allerdings nur 81 Prozent des Vor-Corona-Niveaus erreicht, während die restlichen europäischen Staaten in diesem Zeitraum bereits 101 Prozent erreichen.
Kontakt: Dirk Helf; Tel.: +49 30 5200 771 45; E-Mail: dirk.helf@bdl.aero
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Maschinenbau: Im Bann zahlreicher Herausforderungen Im Maschinen- und Anlagenbau in Deutschland übertraf die preisbereinigte Produktion in den ersten neun Monaten des Jahres ihr Vorjahresniveau um 1,1 Prozent. Angesichts sinkender Bestellungen ist dieses Plus allein den hohen Auftragsbeständen (Stand August elf Monate Reichweite) zu verdanken. Allerdings war die leichte Produktionsausweitung erst dadurch möglich geworden, dass die Beeinträchtigungen der vorgelagerten Lieferketten deutlich zurückgegangen waren. Klagten Anfang Dezember 2022 noch fast drei Viertel (74 Prozent) der Maschinenbauer über angespannte oder sogar gerissene Lieferketten, so waren es Ende Oktober 2023 nur noch ein Fünftel (19 Prozent). Damit ist der Maschinenbau zwar noch ein Stück weit von normalen Verhältnissen entfernt. Doch die Entspannung ist signifikant kräftig ausgefallen. Nach Einschätzung der Unternehmen wird sich dieser Trend in den nächsten Monaten weiter fortsetzen. Doch können die Auftragsbestände die Produktion immer weniger stark puffern. Sie liegen aktuell (im August) zwar mit einer Reichweite von elf Monaten noch über dem langjährigen Durchschnitt, sind aber extrem ungleich verteilt: In 60 Prozent der Unternehmen sind sie nach Ergebnissen der 20. Blitzumfrage des VDMA Ende Oktober bereits unterdurchschnittlich lang. Daher rechnen die VDMA-Volkswirte nach wie vor damit, dass die im Herbst 2022 für 2023 aufgestellte Prognose von einem realen Rückgang in Höhe von zwei Prozent für die Produktion von Anlagen, Maschinen, Komponenten und Dienstleistungen die realistischste Setzung ist. Diese Bild wird durch zwei Ergebnisse des Ifo-Konjunkturtests gestützt: Die Kapazitätsauslastung ist von Juli mit 88,8 Prozent auf 85,9 Prozent im Oktober deutlich gesunken. Im selben Zeitraum sind die Klagen über Auftragsmangel von 24 Prozent auf 34 Prozent der Befragten gestiegen. Für 2024 deutet sich ein weiterer Rückgang der realen Produktion an. So hat der Auftragseingang in den ersten neun Monaten des Jahres sein Vorjahresniveau mit einem Minus von 14 Prozent klar verfehlt. 22 Prozent der Unternehmen gaben in der Blitzumfrage vom Oktober an, dass der Auftragsbestand ihre Produktion im kommenden Jahr nicht mehr stützen kann. Bei weiteren 46 Prozent der Befragten kann er nur noch wenig puffern. Und noch immer halten sich viele Investoren angesichts der zahlreichen Ungewissheiten und Herausforderungen mit den Orders für neue Maschinen und Anlagen zurück. Der Krieg in der Ukraine, neuerdings auch der Krieg im Nahen Osten, die Spannungen zwischen den USA und China, die magere Performance der chinesischen Wirtschaft, die nach wie vor zu hohen Inflationsraten sowie die gestiegenen Zinsen sind sicher nur einige der Faktoren, die gegenwärtig auf die Investitionslaune drücken. Hinzu kommt, dass sich über drei Viertel der Maschinenbauer selbst über ein Zuviel an Bürokratie enorm belastet sehen. Die Dringlichkeit der Verbesserung von Standortfaktoren wie die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte (68 Prozent der Befragten) sowie die hohen Energiepreise (58 Prozent) oder die hohen Arbeitskosten (56 Prozent) und die Steuerbelastung (52 Prozent) werden von der Mehrzahl der Firmen als sehr hoch empfunden. Freilich gibt es aber auch Chancen: Exakt ein Viertel der Befragten Maschinenbauer führten die Automatisierung bzw. auch die Digitalisierung als Chance auf. 61 Prozent sehen den Aufbau resilienter Lieferketten und 45 Prozent den Klimawandel als Chance.
Kontakt: Olaf Wortmann; Tel.: +49 69 6603 1373; E-Mail: olaf.wortmann@vdma.org
Nichteisen-Metallindustrie Die Lage in der deutschen Nichteisen(NE)-Metallindustrie war im Oktober deutlich schlechter als vor einem Jahr. Im internationalen Vergleich extrem hohe Preise für Strom und Erdgas haben in energieintensiven Teilbranchen wie der Metallerzeugung zu deutlichen Produktionsdrosselungen und sogar
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zu -stilllegungen am Standort Deutschland geführt. Das Strompreispaket der Bundesregierung schafft Planungssicherheit für die besonders stromintensiven Standorte, bedeutet aber für die große Mehrheit der NE-Metallunternehmen nur einen Erhalt des Status quo und keine spürbare Senkung der Strompreise. Die Auftragslage blieb in über der Hälfte der Unternehmen angespannt. Etwa 20 Prozent der Unternehmen waren bereits in Kurzarbeit und etliche planten diese in den nächsten drei Monaten. Dennoch blieb der grundsätzliche Personalmangel (Nachfolgeproblematik für ältere Belegschaft, hohe Krankenquote) herausfordernd. Im ersten Halbjahr 2023 erzielte die Branche mit 107.000 Beschäftigten in 630 Unternehmen eine Produktion von 3,1 Millionen Tonnen (minus zwölf Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2022) und einen Umsatz von 35 Milliarden Euro. Allein 54 Prozent des Umsatzes entfielen auf das Inland, den bedeutendsten Absatzmarkt. Die Branche setzt sich zusammen aus den Wertschöpfungsstufen Erzeugung (Rohmetall), Halbzeug (erste Bearbeitung zu Bändern, Blechen, Stangen, Profilen, Rohren und Drähten), Weiterverarbeitung (Folien, dünne Bänder, Tuben, Aerosol-, sonstige Dosen und Pulver), Guss und Feuerverzinkung. Unter den Erzeugern von Rohaluminium hatten im ersten Halbjahr 2023 die Primäraluminiumproduzenten mit minus 50 Prozent den größten Rückgang zu verkraften. Vor der Energiekrise stellten sie fast dreimal so viel her. Die Fertigung der Refiner und die Produktion der Remelter, deren Produkte im Wesentlichen im Halbzeugbereich weiterverarbeitet werden, sank weniger stark (minus ein Prozent beziehungsweise minus zehn Prozent). Die Produktion von Aluminiumhalbzeug belief sich im selben Zeitraum auf 1,2 Millionen Tonnen und verzeichnete damit ein Minus von zehn Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr des Vorjahres. Das Fertigungsvolumen der Aluminiumweiterverarbeitung verringerte sich gegenüber den ersten sechs Monaten 2022 um neun Prozent auf 161.000 Tonnen. In der Kupferindustrie wies die bedeutendste Teilbranche, die Hersteller von Walz-, Press- und Ziehprodukten aus Kupfer und Kupferlegierungen, im ersten Halbjahr 2023 einen Produktionsrückgang von 18 Prozent gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum auf 347.000 Tonnen aus. Die Erzeugung von Blei, Zink, Zinn und deren Legierungen litt unter energiekostenbedingten Produktionsstilllegungen und brach um 33 Prozent ein. Ebenso sank die Produktion von Halbzeug aus Zink, Nickel, Blei, Zinn und anderen NE-Metallen um 23 Prozent im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum auf 69.000 Tonnen. Die NE-Metallgießerei-Industrie produzierte im selben Zeitraum 441.000 Tonnen Gussteile, vier Prozent mehr als im Vergleichszeitraum 2022. Einbruch im Außenhandel Der Auslandsumsatz der NE-Metallindustrie belief sich im ersten Halbjahr 2023 auf 16 Milliarden Euro. Die Exportquote verharrte auf dem bereits niedrigen Vorjahresniveau von 46 Prozent. Deutschland ist seit vielen Jahren nicht nur Nettoimporteur von Erz und Konzentrat, sondern auch von Rohmetall. Mit anderen Worten: Es wird erheblich mehr Rohmetall importiert als exportiert. Hier spiegelt sich die Abhängigkeit der deutschen Industrie von Importen einiger Rohmetalle wie Aluminium, Nickel, Zink, Zinn und etlicher Seltenmetalle aus dem Ausland wider. Die Rohmetalleinfuhr brach im Zeitraum von Januar bis Mai 2023 um 55 Prozent gegenüber dem jeweiligen Vorjahreszeitraum auf 767.000 Tonnen ein. Auch die Ausfuhr von Rohmetall sank um 51 Prozent auf 204.000 Tonnen. In den ersten fünf Monaten 2023 übertrafen die Exporte wieder die Einfuhr von Halbzeug. Maßgeblich hierfür war ein größerer Einbruch bei den Einfuhren in Höhe von 19 Prozent auf 857.000 Tonnen, als bei den Ausfuhren mit sechs Prozent auf 957.000 Tonnen.
Kontakt: Oliver Eisenberg; Tel.: +49 30 726207 167; E-Mail: oliver.eisenberg@kupfer.de
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Pharmaindustrie setzt Normalisierung nach Corona-Pandemie fort Die Produktion in der Pharmaindustrie nähert sich allmählich – wenn auch unter starken Schwankungen im Monatsverlauf – dem deutlich niedrigeren Vor-Corona-Niveau an und sinkt dieses Jahr im Durchschnitt um 1,4 Prozent. Dabei verharren die Inlandsumsätze in etwa auf dem Vorkrisenniveau, auf das sie bereits Ende vergangenen Jahres zurückgefallen waren. Zuvor hatten sie gut anderthalb Jahre lang – angeschoben durch die Impfstoffproduktion – um mehr als ein Viertel darüber gelegen. Im Vorjahresvergleich bewegen sie sich damit nun gut zwanzig Prozent niedriger. Die Auslandsumsätzen hatten indes im Sommer erneut deutlich angezogen. Ohne eine Impfwelle in den kommenden Monaten dürften aber auch sie sich im Folgenden normalisieren – und damit wieder auf den Aufwärtstrend von vor der Pandemie einschwenken. Dieses Jahr übersteigen sie das ohnehin hohe Vorjahresniveau voraussichtlich um sieben Prozent. Alles in allem sinken die Umsätze um (real) 2,9 Prozent. Der Beschäftigungsaufbau folgt wie in der Produktion einem anhaltend positiven Trend. Auch in diesem Jahr werden die Belegschaften in der Summe deutlich größer – zuletzt lag die Beschäftigung fast acht Prozent höher als ein Jahr zuvor. Dies hängt vor allem mit dem Erfolg einzelner Unternehmen zusammen, die entweder neue Standorte eröffnet haben oder die gewonnenen Spielräume aus den letzten beiden Jahren nutzen, um ihre Innovationskraft zu stärken. Gerade die Entscheidungen für die Neueröffnung von Standorten und damit den Aufbau von Belegschaften liegt jedoch zumeist Jahre zurück. Für viele andere Unternehmen hingegen haben die gesetzlichen Änderungen (GKV-FinStG) aus dem vergangenen Jahr zu Stelleneinsparungen geführt. Dies zeigen auch Zahlen des ifo-Instituts, bei denen ein historisch großer Anteil der befragten Unternehmen angibt, Stellenkürzungen vornehmen zu wollen, so dass der Beschäftigungsaufbau spürbar abflachen dürfte. Die Investitionen dürften im vergangenen Jahr deutlich, um knapp sechs Prozent eingebrochen sein. Die starken Preissteigerungen bei Vorleistungen haben die Pharmaindustrie empfindlich getroffen: Viele Vorprodukte hatten sich stark verteuert, ohne dass die Unternehmen die gestiegenen Kosten – anders als dies in den übrigen Branchen der Fall war – weiterreichen konnten. Allein das hatte die Finanzierungsspielräume eingeengt. Erschwerend kommen wiederrum die Einschnitte aus dem GKVFinanzstabilisierungsgesetz hinzu. Dies verschlechtert aber nicht nur die finanziellen Spielräume für dringend erforderliche Investitionen, sondern vor allem die entscheidenden Rahmenbedingungen. In der Folge erodiert die Qualität des Sach- und Forschungskapitals: Trotz eines voraussichtlich verhaltenen Anstiegs bei den Investitionen in diesem Jahr bleiben die Aufwendungen für neue Ausrüstungen sowie für Forschung & Entwicklung weit hinter dem in den Vorjahren erreichten Niveau zurück – und das, obwohl Produktion und Beschäftigung seit geraumer Zeit merklich zulegen.
Kontakt: Dr. Simon Junker; Tel.: +49 30 2060 4511; E-Mail: s.junker@vfa.de
Lage der Stahlindustrie: Fast alle Stahl-Konjunkturindikatoren liegen 2023 im Minus Die Rohstahlerzeugung befindet sich seit dem letzten Hochpunkt 2017 (rund 43 Millionen Tonnen) im Abwärtstrend. In den ersten drei Quartalen 2023 wurden lediglich rund 36 Millionen Tonnen (auf das Jahr hochgerechnet) hergestellt und damit rund vier Prozent weniger als im Vorjahr. Verglichen mit 2017 ist das ein Produktionsverlust von rund 16 Prozent. Überdurchschnittlich belastet sind aus-
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gerechnet die Elektrostahlunternehmen, die bereits heute vergleichsweisen CO2-armen Stahl herstellen können. In diesem Bereich, der durch einen hohen Fremdstrombezug gekennzeichnet ist, schlagen die hohen Stromkosten besonders stark zu Buche. Mit Blick auf die Stahlnachfrage 2023 nimmt Deutschland in der EU eine Sonderstellung ein: Der Einbruch der Marktversorgung in diesem Jahr fällt angesichts der Probleme im Industriebereich (hohe Energiepreise und steigende Zinsen) größer aus als im Rest der EU. 2023 könnte die Marktversorgung in Deutschland um rund zehn Prozent sinken (EU: minus fünf Prozent). Damit würde sie zum ersten Mal seit dem Krisenjahr 2009 wieder die 30 Millionen Tonnen-Grenze unterschreiten. Seit 2017 hätte die deutsche Inlandsnachfrage dann fast 30 Prozent an Tonnage eingebüßt. Auch der Ausblick für die Stahlindustrie in Deutschland ist gedämpft. Die Auftragseingänge stagnieren im Vergleich zum Vorjahr und liegen damit weiterhin unter dem Niveau der Coronakrise. Es wird damit gerechnet, dass die Stahlnachfrage im Jahr 2024 keine wirkliche Erholung, sondern lediglich eine technische Korrektur in Richtung Lageraufbau erfahren wird. Sie dürfte daher mit einem Volumen von rund 32 Millionen Tonnen auf einem niedrigen Level bleiben. Die europäische Stahlkonjunktur ist weiterhin durch einen erheblichen Importdruck gekennzeichnet. Die Importquote liegt aktuell aufgrund der weiter bestehenden Strukturkrise in der Stahlindustrie auf einem historisch hohen Niveau. Diese Bedrohung könnte sich angesichts der erheblichen Unterschiede der Energiekosten im Vergleich zu anderen stahlerzeugenden Regionen in der Welt verfestigen.
Kontakt: Bernhard Krischer; Tel.: +49 211 6707 963; E-Mail: Bernhard.Krischer@wvstahl.de
Stahl- und Metallverarbeitung: Produktion nach drei Quartalen 2,6 Prozent unter Vorjahresniveau Der Rückgang der Produktion hat sich im dritten Quartal 2023 auf 4,2 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert beschleunigt, im ersten Halbjahr lag das Minus noch bei 1,7 Prozent. Gegenüber dem Vorquartal 2/2023 fällt die Ausbringung im dritten Quartal um 2,9 Prozent niedriger aus. Im September verfehlte die Branche den Vorjahreswert um 6,5 Prozent. Inzwischen liegen zwölf von 14 Wirtschaftszweigen unter dem Vorjahresniveau, vier davon zweistellig. Allein die Bereiche Infrastruktur und Sicherheit konnten Zuwächse verzeichnen. Die großen deutschen Industrien Maschinenbau und Fahrzeugbau sind ebenso rückläufig wie Konsumgüterbereiche. Da die Nachfrage weiterhin schwach bleibt – im dritten Quartal liegen die Auftragseingänge 9,5 Prozent niedriger als im Vorquartal 2/2023 – stehen die Vorzeichen für das Schlussquartal des Jahres 2023 ebenfalls auf Rückgang. Daher muss die Prognose für die Produktion im Jahr 2023 auf minus drei Prozent reduziert werden. Das Geschäftsklima der Stahl und Metall verarbeitenden Industrien in Deutschland hat sich im Oktober marginal aufgehellt. Dies suggerieren jedenfalls die saisonbereinigten Werte der ifo-Umfrage. Demnach ist die Einschätzung der aktuellen Lage im Vergleich zum Vormonat unverändert (0,1 Saldenpunkte verbessert) und die Geschäftserwartungen sind um 1,7 Saldenpunkte weniger pessimistisch. Der Blick auf die Ursprungswerte ohne Bereinigung um saisonale Schwankungen zeigt hingegen ein anderes Bild: Der Anteil der Unternehmer, die ihre Geschäftsalge als gut bezeichnen, sinkt um weitere
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2,8 Prozentpunkte und damit unter 20 Prozent, diese Marke wurde zuletzt im Corona-Jahr 2020 unterschritten. Noch dramatischer entwickelt sich die Erwartung, inzwischen gehen 49 Prozent der Umfrageteilnehmer von einer Verschlechterung aus, das sind nochmals 3,7 Prozent mehr als im Vormonat. Lediglich noch 5,8 Prozent bleiben optimistisch im Hinblick auf die Geschäftsentwicklung in den kommenden sechs Monaten. Sämtliche Indikatoren deuten darauf hin, dass der Industriestandort Deutschland insgesamt in Gefahr ist, nicht nur die besonders energieintensiven Wirtschaftszweige. Entlastungen müssen daher in der Breite für alle Industrien wirksam sein und sehr schnell entschieden werden. Die Politik darf ihre Handlungsfähigkeit nicht länger in ergebnislosen Debatten verspielen.
Kontakt: Holger Ade; Tel.: +49 233 1958 821; E-Mail: hade@wsm-net.de
Textil- und Modeindustrie: Heterogene Entwicklung, herausfordernde Aussichten Die konjunkturelle Erholung in der Textil- und Modeindustrie kommt seit etlichen Monaten nur langsam voran. Dabei bestehen zwischen den Segmenten erhebliche Unterschiede: Während die Konjunkturdaten bei Textil im laufenden Jahr nahezu durchgehend rückläufig waren, kam das Bekleidungssegment gut aus den Krisenjahren heraus. So liegen per August 2023 die Bekleidungsumsätze um 15,2 Prozent und die Beschäftigung 4,6 Prozent über Vorjahr. Textil hingegen musste einen Umsatzrückgang von minus 0,8 Prozent hinnehmen und die Zahl der Beschäftigten ging um minus 1,6 Prozent zurück. Es lassen sich drei wesentliche Ursachen für diese gespaltene Entwicklung ausmachen: Textil ist in großen Teilen energieintensiv, ist als Zulieferindustrie für andere Industriebranchen von deren, in den vergangenen Monaten oft schwierigen Entwicklung abhängig und nicht zuletzt: Die Textilindustrie ist auf Vorprodukte aus petrochemischen Rohstoffen angewiesen. Die Entwicklungen auf den Rohstoff-, Energie- und Absatzmärkten waren für die Textilindustrie in den vergangenen Monaten daher sehr herausfordernd. Anders Bekleidung: Als konsumnähere Branche konnten auch real erfreuliche Umsatzzuwächse erzielt werden. Der inländische Konsum war zuletzt überdurchschnittlich stark. Bekleidung ist zudem weit weniger energieintensiv als Textil. Die Exporte steigen bei Bekleidung mit plus 1,1 Prozent nur unterdurchschnittlich, bei Textil nehmen sie im laufenden Jahr sogar um, minus 4,5 Prozent ab. Nachdem der Export Anfang des Jahres für einige Monate die Umsätze gestützt hatte, nahm die Dynamik in jüngster Zeit spürbar ab. Die kurzfristigen Perspektiven haben sich, nach einem Zwischenhoch Anfang des Jahres, wieder eingetrübt. Lageeinschätzungen und Erwartungen sanken tendenziell stetig ab, und zwar in beiden Segmenten. Bekleidung befindet sich jedoch noch immer auf einem höheren Niveau als Textil. Der jüngsten Verbandserhebung zufolge rechnen knapp 45 Prozent der Unternehmen kurzfristig mit schlechteren Umsätzen, im Mai waren es noch 37 Prozent. Allerdings hat sich auch die Zahl der Unternehmen leicht auf gut 20 Prozent erhöht, die bessere Umsätze erwarten.
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Es zeigt sich, dass die Preissteigerungen eine immer stärkere Herausforderung für die Unternehmen darstellen. Für fast die Hälfte der Unternehmen sind Energie-, Lohn- und Rohstoffpreise das Hauptproblem. Ein weiteres Drittel der Befragten gibt an, die nachlassende Nachfrage sei die dringlichste Herausforderung. Dem gegenüber sinkt sogar das Problem Fachkräftemangel relativ in der Bedeutung. Vor diesem Hintergrund gibt nur eine Minderheit von zwölf Prozent der Unternehmen an, in den kommenden Monaten investieren zu wollen. Am aktuellen Rand zeigen sich wieder etwas optimistischere Erwartungen. Das Produktionsvolumen steigt wieder allmählich an. Dennoch wird die Produktion der Gesamtbranche niedriger als im Vorjahr liegen. Insgesamt ist nicht mit einer baldigen Trendwende zu rechnen.
Kontakt: Marcus Jacoangeli; Tel.: +49 30 7262 2024; E-Mail: mjacoangeli@textil-mode.de
Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29 10178 Berlin T: +49 30 2028-0 www.bdi.eu Lobbyregisternummer R000534 Autor Thomas Hüne T: +49 30 2028 1592 t.huene@bdi.eu Redaktion / Grafiken Dr. Klaus Günter Deutsch T: +49 30 2028 1591 k.deutsch@bdi.eu Marta Gancarek T: +49 30 2028 1588 m.gancarek@bdi.eu
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