Aufbau eines Initialnetzes für schwere Nutzfahrzeuge

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DISKUSSION | MOBILITÄTSPOLITIK | ELEKTROMOBILITÄT UND LADEINFRASTRUKTUR

Aufbau eines Initialnetzes für schwere Nutzfahrzeuge

Konzept und Ausschreibung schnellstmöglich umsetzen

Januar 2024

Empfehlungen für den Aufbau eines Initialnetzes für schwere Nutzfahrzeuge

In der aktuellen Markthochlaufphase von elektrisch betriebenen schweren Nutzfahrzeugen gilt es, einen vorauslaufenden, bedarfsgerechten und flächendeckenden Aufbau von Ladeinfrastruktur (LIS) durch passgenaue Rahmenbedingungen und Förderung sicherzustellen. Ein besonderer Fokus muss dabei auf die erforderlichen Netzanschlüsse gelegt werden. Fahrzeughersteller, Zulieferer, die Speditions-, Transport- und Logistikbranche sowie Hersteller und Betreiber von Ladeinfrastrukturen brauchen Planungssicherheit hinsichtlich LIS, um den raschen Hochlauf der BEV-Lkw abzusichern, insbesondere aufgrund der ambitionierten Klimaschutzziele und der bereits eingeführten CO2-Komponente in der Lkw-Maut Dafür ist entscheidend, den Bedarf an Förderung im weiteren Markthochlauf eng zu monitoren und ggf. neu zu justieren.

Ein Gesamtkonzept für LIS muss im Blick behalten, dass betriebliche und öffentlich-zugängliche LIS parallel aufzubauen sind und beide in der Anfangsphase einer Förderung bedürfen. Zusätzlich gilt es zu beachten, dass der ohnehin bestehende Mangel an Lkw-Parkplätzen nicht durch den Ladeinfrastrukturaufbau verschärft wird und eine Koordination zwischen LIS- und Lkw-Parkplatzausbau erfordert, denn aktuell fehlen in Deutschland 40.000 Lkw-Parkplätze. Es ist wünschenswert, den Ausbau der LIS auch mit dem Ausbau adäquater Lkw-Parkplätze zu synchronisieren. Dafür braucht es dringend zusätzliche Flächen. Im Rahmen dieses Gesamtkonzeptes LIS für schwere Nutzfahrzeuge ist es richtig und wichtig, ein Initialnetz entlang der Hauptverkehrsachsen des nationalen Straßengüterverkehrs, d. h. Bundesautobahnen, aufzubauen.

Was jetzt zu tun ist:

▪ Konzept und 1. Ausschreibung zum Initialnetz schnellstmöglich umsetzen

▪ Adäquate Maßnahmen für betriebliches Laden, einschließlich Fahrzeugförderung, und

▪ adäquate Maßnahmen für öffentlich zugängliche LIS an Autohöfen, v. a. für Netzanschlusskosten, auf den Weg bringen

Petra Richter | Mobilität und Logistik | T: +49 30 2028-1514 | p richter@bdi.eu | www.bdi.eu

Die deutsche Industrie unterstützt die Maßnahmen der Bundesregierung im Masterplan Ladeinfrastruktur II und den Ansatz der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur (NLL), ein Konzept für die Ausschreibung des Initialnetzes zu erarbeiten und zu verabschieden sowie die 1. Ausschreibung durchzuführen.

Ergänzt werden muss dieser Ansatz durch adäquate Maßnahmen für betriebliches Laden, einschließlich einer Fahrzeugförderung, und für öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur an Autohöfen, v. a. im Hinblick auf ein Level-Playing-Field bei der Förderung von Netzanschlusskosten

Die Umsetzung der Maßnahmen zum Initialnetz war ursprünglich für 2023 angekündigt. Es gilt, deutlich an Tempo zu gewinnen und die einleitenden Maßnahmen unverzüglich zu beginnen und möglichst bis Mitte des Jahres 2024 umzusetzen.

Konzept

für das Initialnetz flexibel ausgestalten

Bei der Ausgestaltung des Konzepts für ein Initialnetz wirbt der BDI dafür, Erfahrungen aus den Förderansätzen für E-Pkw zu nutzen und zugleich die Besonderheiten des gewerblichen Straßengüterverkehrs zu berücksichtigen. Insbesondere darf die Förderung keinen Eingriff in den Markt bedeuten. Sie dient als Anschubfinanzierung und muss a) limitiert in der Förderhöhe und b) rein Capex-orientiert sein Den Ansatz der NLL, die Netzanschlüsse der Rastanlagen separat voranzubringen, unterstützt die Industrie. Die Bundesregierung sollte grundsätzlich für die gesamte Bedarfsplanung einen Schwerpunkt auf vorgelagerte Förderungen bspw. für die Netzanschlüsse legen, da dies eines der zentralen Erfolgskriterien des Aufbaus von LIS für schwere Nutzfahrzeuge darstellt Außerdem muss das Konzept ausreichend Flexibilitäten für künftige Entwicklungen enthalten. Zu enge Vorgaben z. B. hinsichtlich erforderlicher Ladeleistungen, Preismodellen sowie technischer Lösungen zur Sicherstellung von Zusatz- und Komfortfunktionen verteuern den Aufbau von LIS und bremsen ergänzende privatwirtschaftliche Initiativen unnötig aus.

Reservierungsfunktion durch marktwirtschaftliche Lösung sicherstellen

Für das Einhalten gesetzlicher Vorgaben zu Lenk- und Ruhezeiten ist es für die Kundinnen und Kunden unverzichtbar, dass insbesondere eine Reservierungsfunktion von Beginn an vorhanden ist. Die Frage, wie Reservierungen an Rastanlagen sichergestellt werden können, gilt es noch zu klären Autohöfe können dagegen Reservierungsfunktionen bereits heute problemlos anbieten. Im Ausschreibungskonzept – sowie grundsätzlich in allen künftigen Vorgaben des Gesetzgebers/Regulierers –sollte nur die Bereitstellung solcher Funktionen vorgeschrieben werden. Mit der Vorgabe, dass die LIS Roaming-kompatibel sein muss, kann die Politik eine marktwirtschaftliche Entwicklung von technologischen Lösungen sicherstellen. Eine gesetzliche Vorgabe der vermeintlich geeigneten Technologie ist nicht erforderlich.

Weitere Aspekte integrieren

▪ Die Anforderungen an die Projektierung sowie das Standort-Setup sollten ein gewisses Maß an Flexibilität bieten, beispielsweise bei der geforderten Ladeleistung oder zum Design der LIS. Neben den Standardanforderungen sollte ein Spielraum gegeben sein, welche zusätzliche Technologie installiert werden könnte – sei es ein Angebot für das „Übernacht-Laden“ oder Ultra Fast Charging mit MCS-Standard Auch sollte es keine starren Vorgaben für die Anordnung und Aufteilung von Ladebuchten geben. Diese sollten vielmehr durch die Erfahrung und Expertise der Charge Point Operator (CPO) entschieden werden dürfen.

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▪ Zudem muss es möglich sein, bestehende Rahmenverträge, bspw. mit Hardwarelieferanten, nutzen zu dürfen. Bisher stellten diese Verträge einen förderschädlichen vorzeitigen Maßnahmenbeginn dar.

▪ Auch die Zusammenarbeit mit Projektgesellschaften wurde bisher ausgeschlossen oder unnötig verkompliziert (Fakturierungs-, Bezahl- und Beschaffungsprozesse). Hier erwarten wir mehr Freiräume.

▪ Der Einsatz von Batteriespeicher- und Lastmanagement-Systemen sollte frei durch den CPO entschieden werden können, um den Standort optimal betreiben zu können und zur Verfügung stehende Netzanschlussleistungen bestmöglich zu nutzen.

▪ Die Vorgaben zur Preisgestaltung des jeweiligen Ladestandortes/Ladeparks sollten auf ein Mindestmaß beschränkt bleiben und Flexibilitäten für eine Anpassung aufgrund der tatsächlichen Marktentwicklung enthalten. Ziel der Regulierung muss es sein, Preistransparenz und fairen Wettbewerb sicherzustellen

Zentrale Hemmnisse „Netzanschlüsse und Flächenverfügbarkeit“ abbauen

Für den vorauslaufenden, bedarfsgerechten und flächendeckenden Aufbau von LIS braucht es neben einer gezielten Fortschreibung der Förderung verbesserte Rahmenbedingungen. Grundsätzliche Hemmnisse bestehen v. a. im Hinblick auf das Vorhandensein von Netzanschlüssen und der Verfügbarkeit von Flächen, was den Hochlauf von E-Mobilität ausbremst. So weist auch die für Flächen entlang der Bundesautobahnen (BAB) zuständige Autobahn GmbH aktuell kaum neue Flächen aus. Vorhandene Autohöfe bieten vorhandene Flächen einschließlich attraktiver Standortfaktoren wie z. B. Sanitär-, Sicherheits- und Aufenthaltsinfrastrukturen. Die Politik sollte daher gezielt darauf hinwirken:

▪ die Verfügbarkeit von grüner Energie und Flächen zu erhöhen,

▪ bürokratische Hürden abzubauen insbesondere hinsichtlich,

– einer vereinfachten, schnelleren und insbesondere deutschlandweit einheitlichen Beantragung und Zuteilung von Netzanschlüssen innerhalb eines gesetzlich geregelten zeitlichen Rahmens,

– der differierenden Forderungen in den Landesbauordnungen,

– die Komplexität von Förderprogrammen zu reduzieren,

– stabile politische Rahmenbedingungen für den Ladeinfrastrukturbetrieb z. B. zur Vermeidung von gesetzlich induzierten Umbaukosten zu schaffen,

– schnellstmöglich die Baugenehmigungsfreiheit für Trafostationen und sonstige Nebeneinrichtungen von Ladestationen ohne Maßbeschränkungen und Zusatzkriterien in den Landesbauordnungen zu verankern (Maßnahme 50 des Masterplans Ladeinfrastruktur II),

– hinderliche Vorgaben wie bspw. Lärmgutachten und Nachtladeverbote für Ladesäulen abzuschaffen.

▪ die Potenziale der Sektorenkopplung durch intelligentes Laden elektrischer Fahrzeuge zu nutzen.

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Förderung von Netzanschlüssen für alle Standorteigentümer sicherstellen

Der Aufbau von Ladeinfrastruktur für schwere Nutzfahrzeuge setzt einen Netzanschluss bis hin zur Mittel- und Hochspannungsebene voraus Für Hochspannungsnetzanschlüsse brauchen die Netzbetreiber nach eigenen Aussagen eine Vorlaufzeit von 8 bis 10 Jahren. Deshalb ist ein vorausschauender Netzausbau ausschlaggebend für den Hochlauf von Ladeinfrastruktur für schwere Nutzfahrzeuge. Für den raschen Aufbau von Ladeinfrastruktur sollten Förderprogramme grundsätzlich parallel zum Ladeinfrastrukturantrag auch eine Beantragung von Netzanschlüssen durch den Standorteigentümer beinhalten. Der Standorteigentümer übergibt dann den Antrag auf Netzanschluss an den CPO. Im Rahmen des Initialnetzes ist die Bedeutung der vorauslaufenden Bestellung der Netzanschlüsse richtigerweise vorgesehen. Es gilt darauf zu achten, dass alle Standorteigentümer von einer adäquaten Förderung für Netzanschlüsse profitieren können, um ein Level-Playing-Field sicherzustellen. Eine einseitige Bevorzugung der Autobahn GmbH im Rahmen der Ausschreibung des Initialnetzes würde wettbewerbsverzerrend wirken.

Autohofstandorte zusätzlich in der Bedarfsplanung berücksichtigen

Die intensiven Vorarbeiten der NLL für ein Initialnetz-Konzept haben ergeben, dass ausschließlich Rastanlagen an BAB berücksichtigt werden können. Im ersten Ausschreibungsverfahren des Initialnetzes sind ausschließlich unbewirtschaftete Raststätten vorgesehen. Aus Sicht der Industrie hätte die Planung von Beginn an weitere Standorte in der Nähe der BAB entsprechend der Bedarfsplanung berücksichtigen sollen Nur mit attraktiven Standorten für LIS wird es gelingen, Kunden, d. h. Unternehmen der Speditions-, Transport- und Logistikbranche, trotz der aktuell hohen Anschaffungskosten für alternative Nutzfahrzeuge, zum Antriebswechsel zu bewegen. Autohöfe bieten insbesondere folgende Vorteile:

▪ Autohöfe bieten bereits heute Reservierungsfunktionen an, was dem konkreten Nutzerbedarf entspricht.

▪ Die Standorte können eine bessere Auslastung durch die Anfahrbarkeit von beiden Seiten der Autobahn erreichen. Das kann insbesondere in der Marktanlaufphase dazu beitragen, mehr Kunden durch eine größere Abdeckung von Transportstrecken zu gewinnen. Zugleich trägt es dazu bei, für diese ersten Investitionen in Ladestationen die Betriebskosten zu reduzieren.

▪ Auch mit Blick auf den heute schon bestehenden Mangel an Lkw-Parkplätzen auf unbewirtschafteten Raststätten können Autohöfe aufgrund ihres Aufbaus besser sicherstellen, dass z. B. keine Blockaden von LIS-Stellplätzen durch Verbrenner-Lkw erfolgen.

▪ Die Skalierbarkeit, d. h. der schrittweise Ausbau der LIS am jeweiligen Standort, ist leichter umzusetzen.

Für eine bedarfsgerechte öffentlich zugängliche LIS braucht es adäquate Maßnahmen für Autohöfe, v. a. im Hinblick auf ein Level-Playing-Field bei der Förderung von Netzanschlusskosten.

Rahmenbedingungen für weiteren Aufbau öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur kontinuierlich anpassen

Der weitere Aufbau von öffentlich zugänglicher LIS für schwere Nutzfahrzeuge hängt von zahlreichen weiteren Faktoren ab, die es schrittweise in den Blick zu nehmen gilt. Bereits heute absehbar sind die nachfolgend aufgeführten Empfehlungen:

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Rechtsunsicherheiten für Autohöfe vermeiden

Flächen für erneuerbare Tank- und Ladeinfrastruktur reduzieren ggf. die Anzahl der verfügbaren Stellplätze. Das kann zu einem Verlust des Autohof-Schildes führen, denn es müssen „mindestens 50 LkwStellplätze an schwach frequentierten (DTV bis 50.000 Kfz) und 100 Lkw-Stellplätze an stärker frequentierten Autobahnen vorhanden“ sein (VwV StVO, zu Zeichen 448.1 „Autohof“, II.4.) Um Rechtsunsicherheiten für den Aufbau von LIS an Autohöfen zu vermeiden, braucht es die Anpassung der rechtlichen Vorgaben für das „Autohof-Schild“.

Integration von Anhängern sicherstellen

Beim Markthochlauf der BEV-Lkw und bedarfsgerechter LIS gilt es auch die Integration von Anhängern zu berücksichtigen. So sind insbesondere vollelektrische/teilelektrische Kühlgeräte an Anhängern aktuell auf einen Ladeanschluss mit Standard-CEE-Stecker angewiesen. Eine Berücksichtigung der universellen Ladefähigkeit dieser Anhänger beim Aufbau von Ladeinfrastruktur, auch im Initialnetz, wäre wünschenswert.

Ladeinfrastrukturaufbau durch Datenverfügbarkeiten unterstützen

Für die Umsetzung der weiteren Bedarfsplanung sollte die NLL auch eine initialisierende Funktion übernehmen, z. B. im Hinblick auf das Angebot einer Datenplattform, die Marktakteuren den Zugriff auf Mautdaten und Leasingdaten für gezielte Investitionen ermöglicht

Zentrale Anlaufstelle für Förderprojekte einrichten

Eine zentrale und spezialisierte Anlaufstelle für Fragen zur Förderung und Förderprogrammen sollte aufgebaut werden, die Unternehmen bei Antragsverfahren und deren Abwicklung unterstützt.

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Impressum

Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu

T: +49 30 2028-0

Lobbyregisternummer: R000534

Redaktion

Petra Richter

Stellvertretende Abteilungsleiterin

Mobilität und Logistik

T: +49 30 2028-1514 p.richter@bdi.eu

BDI Dokumentennummer: D 1879

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