Optionsmodell ermöglicht rechtsformneutrale Besteuerung von Unternehmen
Mit dem Optionsmodell, das im Zuge des Körperschaftsteuermodernisierungsgesetzes (KöMoG) am 25. Juni 2021 vom Bundesrat verabschiedet wurde, wurde die Grundlage für eine rechtsformneutrale Besteuerung von Personenunternehmen geschaffen. Nunmehr können sich Personenunternehmen auf Antrag wie eine Kapitalgesellschaft besteuern lassen. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat noch am 10. November 2021 ein BMF Schreiben zum Optionsmodell veröffentlicht, um erste Zweifelsfragen zu klären und eine Erstanwendung in 2022 damit zu ermöglichen.
Praxistaugliche gesetzliche Nachbesserung des Optionsmodells notwendig
Der Koalitionsvertrag sieht eine Evaluierung des Optionsmodells vor, um seine Wirkung und Anwendung in der Praxis zu prüfen. Zwar haben nur etwa 150 Unternehmen die Option zur Körperschaftsbesteuerung zum 1. Januar 2022 beantragt, was jedoch auch mit der Kurzfristigkeit der Einführung von Gesetz und BMF Schreiben begründet werden kann. Eine spätere Evaluierung der Inanspruchnahme ist jedoch nicht notwendig, da die zahlreichen Mängel des Optionsmodells bereits jetzt bekannt sind.1 Es sind daher dringend gesetzliche Nachbesserungen bei der Behandlung des Sonderbetriebsvermögens und der Ergänzungsbilanzen, beim Umgang mit Sperrfristen und Verlustvorträgen, beim Zusammenspiel mit der Thesaurierungsbegünstigung sowie die Ermöglichung der Organgesellschaftsfähigkeit der optierenden Gesellschaft notwendig
Das Optionsmodell wirkt als fiktiver Formwechsel
Mit dem KöMoG wurde Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften in § 1a KStG erstmals die Möglichkeit geschaffen, durch einen fiktiven Formwechsel wie Kapitalgesellschaften besteuert zu werden. Abgesehen von der steuerlichen Angleichung an eine Kapitalgesellschaft bleibt die optierende Gesellschaft zivilrechtlich jedoch eine Personengesellschaft und profitiert damit auch weiterhin von ihren zivilrechtlichen Vorteilen So bestehen die wesentlichen Vorteile einer Personengesellschaft u. a. in einer einfacheren und kostengünstigeren Gründung der Gesellschaft, einer
1 Diese haben wir auch in unserer Broschüre zum Optionsmodell bereits ausführlich dargelegt.
Dr. Nadja Fochmann
Abteilung Steuern
Finanzpolitik
fochmann@bdi.eu
www.bdi.eu
einfacheren und flexibleren Organisationsstruktur, geringeren Buchführungspflichten für einige Personengesellschaften und keinen Publizitätspflichten, solange die Größenkriterien nach dem Publizitätsgesetz nicht überschritten werden. Zudem bieten gerade Personengesellschaften die Möglichkeit, die Besonderheiten eines Familienverbundes adäquat abzubilden. Darüber hinaus wird das Optionsmodell für international verwobene Personenunternehmen interessant sein, da die steuerlichen Besonderheiten von Personengesellschaften (z. B. Sonderbetriebsvermögen sowie Sonder und Ergänzungsbilanzen) im internationalen Vergleich weitestgehend unbekannt sind Das Optionsmodell kann somit eine steuerliche und steuersystematische Angleichung an international gängige Kapitalgesellschaftsbesteuerung herstellen.
Obwohl die Optionsausübung nach § 1a KStG nur einen fiktiven Formwechsel auslöst, hat die Bezugnahme des § 1a Abs. 2 KStG auf §§ 1 und 25 UmwStG zur Folge, dass sämtliche Voraussetzungen eines tatsächlichen Formwechsels vorliegen müssen, auch wenn dieser nur fingiert erfolgt. So müssen insbesondere für den Betrieb funktional wesentliche Wirtschaftsgüter eingebracht werden, damit die Buchwerte steuerneutral fortgeführt werden können. Die Option ist grundsätzlich unwiderruflich auf Antrag von der optierenden Gesellschaft zu stellen und muss damit nicht jährlich erneuert werden. Die optierende Gesellschaft hat jedoch die Möglichkeit zur Rückoption in ein Personenunternehmen. Die Rückoption kann aber auch zwangsweise immer dann erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Option nicht länger vorliegen. Aus der Bezugnahme des Optionsmodells auf den realen Formwechsel folgt jedoch, dass Problemfelder, die bereits bei realen Formwechseln bestehen, auch auf den fiktiven Formwechsel wirken. Der im folgenden skizzierte Nachbesserungsbedarf sind gemeinsame Überlegungen der Spitzenorganisationen der deutschen Wirtschaft:
Die Behandlung des Sonderbetriebsvermögens vereinfachen
Sonderbetriebsvermögen (SBV) sind Vermögensgegenstände, die einem oder mehreren Gesellschaftern gehören und von der Personengesellschaft genutzt werden, wie z. B. vom Unternehmen genutzte Immobilien, die ein Gesellschafter innehat. Sie stellen in ihrer Zuordnung funktional wesentliche Wirtschaftsgüter und somit gerade kein Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft dar.
Aufgrund der Anknüpfung an bestehende umwandlungssteuerliche Regelungen muss das funktional wesentliche SBV in die optierende Gesellschaft eingebracht werden, um eine Buchwertfortführung zu erwirken und damit die Besteuerung von stillen Reserven zu umgehen. Dies bedingt jedoch eine zwangsweise Anpassung der Beteiligungsquote der Gesellschafter oder eine Einlagepflicht der anderen Gesellschafter, die vielleicht nicht leistbar ist. Tatsächlich ist es für den lediglich fiktiven Formwechsel jedoch steuerlich nicht erforderlich, auch die Einbringung des SBV zu fordern. Gerade im Hinblick auf die Möglichkeit der Rückoption könnte eine Steuerverstrickung dieser Vermögensgegenstände während der Optionszeit auch auf anderem Wege sichergestellt werden. Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat hierzu bereits Vorschläge vorgelegt. Diese sehen beispielsweise vor, das SBV bis zu dem Zeitpunkt weiterhin steuerverstrickt zu behandeln, bis die tatsächliche Veräußerung eintritt („Rest Betriebsvermögen“).2 So können etwa die Regelungen zur Betriebsaufspaltung als Vorlage für die Behandlung des SBV dienen.
Die Problematik der nötigen Einbringung des SBV wurde in der Praxis gelöst, indem man dieses im Vorfeld in ein anderes Betriebsvermögen überführt oder übertragen hat. Das BMF Schreiben zum
2 Vgl. IDW Positionspapier zum Einstieg in eine rechtsformneutrale Besteuerung („Optionsmodell“), 2. Aufl. (Stand 13.11.2019).
Optionsmodell fordert hierfür zu überprüfen, ob infolge der Gesamtplanrechtsprechung die Voraussetzungen für die Anwendung von § 20 UmwStG vorliegen oder nicht. Der Bundesfinanzhof hat allerdings mittlerweile in unterschiedlichen Verfahren im Zusammenhang mit § 6 Abs. 3 EStG und §§ 20 ff. UmwStG eine Anwendung des Gesamtplangedankens abgelehnt und folgt vielmehr einer streng stichtagsbezogenen Sichtweise.3
Dementsprechend muss der Gesetzgeber schnellstmöglich die aktuelle Rechtsprechung zum Gesamtplangedanken auch in das UmwStG sowie den UmwStE aufnehmen und darüber hinaus kurzfristig klarstellen, wann eine für die Anwendung von § 20 UmwStG schädliche Übertragung oder Überführung von funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen in ein anderes Betriebsvermögen nach Ansicht der Finanzverwaltung in zeitlichem und wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Option vorliegt.
Den Wegfall der Ergänzungsbilanzen vermeiden
Ergänzungsbilanzen sind von den Gesellschaftern insbesondere immer dann zu erstellen, wenn der Kaufpreis des Gesellschafteranteils an der Personenunternehmung den Betrag des für ihn in der Steuerbilanz der Personengesellschaft ausgewiesenen Kapitalkontos übersteigt Auch sie sollen, analog zum realen Formwechsel, mit Beginn der Option wegfallen. Diese Regelung ist für den lediglich fiktiven Formwechsel unnötig. Wichtiger Bestandteil der Option ist die Möglichkeit der Rückoption. Diese wird jedoch durch den endgültigen Wegfall von Ergänzungsbilanzen erschwert, wenn nicht sogar in den betreffenden Fällen konterkariert. Anstelle eines kompletten Wegfalls der Ergänzungsbilanzen sollten die Ergebnisse der Ergänzungsbilanzen fortgeführt werden und im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung nach § 60 EStDV berücksichtigt werden.
Die Verletzung von Sperrfristen ausnehmen
Der Zweck von Sperrfristen ist es, steuerliche Vorteile zu verhindern, die nicht dem eigentlichen unternehmerischen Sinn (z. B. einer Umstrukturierung) dienen, sondern zur Realisierung stiller Reserven genutzt werden. Auch der rein fiktive Formwechsel kann dazu führen, dass Sperrfristverletzungen ausgelöst werden. Bringt bspw. der Gesellschafter einer Personengesellschaft wie gefordert sein SBV vor der Optionsausübung in die Gesellschaft ein, so löst die anschließende Option eine Sperrfristverletzung aus, was zur Nachversteuerung der stillen Reserven des SBV führt. Dies ist jedoch unsystematisch und stellt eine derart hohe Hürde der Optionsausübung dar, dass der Sinn und Zweck der fiktiven Umwandlung, ins Leere zu laufen droht.
Mit Blick auf die vom Gesetzgeber beabsichtigten Ziele des Optionsmodells, nämlich eine rechtsformneutrale Besteuerung zu ermöglichen, ist es notwendig, keine unnötigen Hürden bei der Optionsausübung aufzubauen. Daher sollte auf eine Sperrfristverletzung allein durch die Option verzichtet werden; zumindest aber sollten die Folgen vor dem Hintergrund des Zwecks der Option überdacht und im Ergebnis deutlich reduziert werden.
3 Vgl. u.a. BFH v. 2.8.2012, IV R 41/11, BStBl II 2019, 715, v. 9.12.2014, IV R 29/14, BStBl II 2019,723 und v. 12.5.2016, IV R 12/15, BStBl II 2019, 726. Vgl. auch BMF v. 20.11.2019, IV C 6 - S 2241/15/10003, BStBl I 2019, 1291.
Auf den Untergang von Verlustvorträgen und weiteren Vorträgen verzichten
Das BMF Schreiben hat klargestellt, dass ein vortragsfähiger Gewerbeverlust der optierenden Gesellschaft infolge der Optionsausübung untergeht und auch im Falle der Rückoption nicht wiederauflebt
Dies soll auch für den Zinsvortrag und einen EBITDA Vortrag sowie für Verluste nach § 15a und § 15b EStG gelten. Dieser umfangreiche Verlustuntergang würde für die betreffenden Unternehmen eine derart hohe Hürde darstellen, dass die Optionsausübung wahrscheinlich nicht in Anspruch genommen werden kann. Der Gesetzgeber sollte daher auf den Untergang dieser Vorträge verzichten.
Die Organgesellschaftsfähigkeit der optierenden Gesellschaft ermöglichen
Das BMF-Schreiben verneint die Organgesellschaftsfähigkeit der optierenden Gesellschaft und verweist dabei vor allem auf die eintragungspflichtige Form und den organisationsrechtlichen Charakter des Gewinnabführungsvertrags. Problematisch sei, dass nach dem deutschen Gesellschaftsrecht keine Eintragungspflicht für Personengesellschaften in das Handelsregister bestünde. Dabei ist jedoch auch die Eintragung des Gewinnabführungsvertrags bei Kapitalgesellschaften nicht im Steuerrecht selbst verankert. § 14 Abs. 2 KStG knüpft an die zivilrechtliche Wirksamkeit des Gewinnabführungsvertrags an. Das Erfordernis der Eintragung in das Handelsregister ergibt sich dabei aus dem Handelsrecht und nicht aus dem Steuerrecht. Dementsprechend stellt auch R 14.5 Abs. 1 KStR fest, dass bei einer eingegliederten AG oder KGaA die Wirksamkeit des Gewinnabführungsvertrags eintritt, sobald er in Schriftform abgeschlossen ist.
Eine optierte Personenhandelsgesellschaft ist für Zwecke der Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft zu behandeln. Damit finden grundsätzlich alle Regelungen des KStG Anwendungen, die auf Kapitalgesellschaften Bezug nehmen. Ein wirksamer Vertrag, der inhaltlich einem Gewinnabführungsvertrag entspricht und die erforderlichen Regelungen zur Verlustübernahme enthält, ist deshalb auch steuerlich anzuerkennen. Ohne die Organgesellschaftsfähigkeit der optierenden Gesellschaft wird das Optionsmodell für viele bestehende und zukünftige Unternehmensverbunde nicht umsetzbar sein. Vor diesem Hintergrund sollte eine Organgesellschaftsfähigkeit für die optierende Gesellschaft nicht ausgeschlossen werden, da dies ein weiteres großes Hemmnis für eine Optionsausübung darstellt
Das Zusammenspiel mit der Thesaurierungsbegünstigung ermöglichen
Die aktuellen Regeln zum fiktiven Formwechsel würden für Unternehmen, die bisher die Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG genutzt haben, zu einer vollständigen Nachversteuerung des nachversteuerungspflichtigen Betrags beim Wechsel zum Optionsmodell führen. Demnach müssten die Gesellschafter einen möglicherweise über die Jahre kumulierten Betrag sofort mit 25 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag nachversteuern, was eine enorme Belastung darstellen kann. Für Unternehmen, die in der Vergangenheit nennenswerte Gewinne thesauriert haben, dürfte dies faktisch den Ausschluss von der Optionsmöglichkeit nach § 1a KStG bedeuten.
Eine Nachversteuerung im Falle eines lediglich fiktiven Formwechsels wäre jedoch nicht zwingend erforderlich. Bei Ausübung der Option kommt es, bei einer späteren Entnahme der zuvor (vor Optionsausübung) thesaurierten Gewinne als nunmehr fiktive Dividenden, zur Ertragsbesteuerung auf Gesellschafterebene nach § 1a Abs. 3 Nr. 1 KStG. So käme es nur zu einer zeitlichen Verschiebung der Steuerzahlung, wenn der Wechsel von der Thesaurierungsbegünstigung zum Optionsmodell nicht zu einer Nachversteuerung der thesaurierten Gewinne führen würde und stattdessen eine Dividendenbesteuerung bei späterer Ausschüttung erfolgen würde. Ein Verzicht auf die Nachversteuerung würde damit zum einen die Optionsmöglichkeit für Unternehmen faktisch erst ermöglichen, die bisher die
Thesaurierungsbegünstigung genutzt haben, zum anderen würde er keine Besteuerungslücke schaffen, da bei einer späteren Ausschüttung die Dividenden ohnehin entsprechend besteuert werden.
Zusammenfassung
Das Optionsmodell wurde 2021 eingeführt, um der langjährigen Forderung einer rechtsformunabhängigen Besteuerung entgegen zu kommen, ohne die zivilrechtlichen Besonderheiten einer Personengesellschaft aufgeben zu müssen. Dieses Ziel ist richtig, allerdings birgt die aktuelle Ausgestaltung des Optionsmodells so viele Mängel, dass die Inanspruchnahme der Option in der Praxis faktisch zumeist unmöglich ist. Wir schlagen daher folgende Nachbesserungen des Optionsmodells vor, die im Zuge einer Evaluierung schnellstmöglich erfolgen sollten:
Die Behandlung des Sonderbetriebsvermögens vereinfachen: Das Sonderbetriebsvermögen sollte nicht zwangsweise eingebracht werden müssen, sondern als Rest Betriebsvermögen weitergeführt werden können. Die Rechtsprechung zum Gesamtplangedanken muss schnellstmöglich auch in das UmwStG sowie den UmwStE aufgenommen werden.
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Den Wegfall der Ergänzungsbilanzen vermeiden: Anstelle eines kompletten Wegfalls der Ergänzungsbilanzen sollten die Ergebnisse der Ergänzungsbilanzen fortgeführt und im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung nach § 60 EStDV berücksichtigt werden
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Die Verletzung von Sperrfristen ausnehmen: Auf eine Sperrfristverletzung allein durch die Option sollte verzichtet werden
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Auf den Untergang von Verlustvorträgen etc. verzichten: Auf den Untergang von Gewerbeverlusten, Zinsvortrag und einen EBITDA Vortrag etc. sollte verzichtet werden.
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Die Organgesellschaftsfähigkeit ermöglichen: Die Organgesellschaftsfähigkeit einer optierenden Gesellschaft sollte nicht ausgeschlossen werden.
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Das Zusammenspiel mit der Thesaurierungsbegünstigung: Auf eine Nachversteuerung thesaurierter Gewinne bei Optionsausübung sollte verzichtet werden, da diese steuerverstrickt im Unternehmen verbleiben und bei späterer Ausschüttung in selber Höhe versteuert werden.
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