ISO/TC 323 Circular Economy
Internationale Normung strategisch spiegeln für die Förderung einer ganzheitlichen Circular Economy
Die Rolle der Normung in der Circular Economy
Bei der Transformation hin zu einem zirkulären Wirtschaftssystem ist ein Industrie- und Staatgrenzen übergreifendes Denken zentral. Circular Economy funktioniert nur, wenn Marktteilnehmer kooperieren und Wissenstransfer stattfindet. Planungssicherheit für zirkuläre Produkte und Prozesse sowie verlässliche Qualitätsstandards, die Produktsicherheit garantieren, sind dabei essenziell. Die industrielle Umstellung zu kreislauffähigeren Geschäftsmodellen ist ein komplexer Prozess, bei dem Unternehmen aktuell auf unterschiedliche Terminologie und Grundprinzipien zirkulären Wirtschaftens und nur wenige standardisierte Indikatorensysteme zur Unterstützung bei der Mess- und Bewertbarkeit zurückgreifen können.
Die Erarbeitung und Weiterentwicklung von Normen und Standards ist daher zentral, um diesen Erfordernissen Rechnung zu tragen. Zudem bestehen etablierte Strukturen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene für die Prozesse der Normung, über die industrielle Aktivitäten beeinflusst werden können.
Um eine solide und harmonisierte Normenstruktur zu erarbeiten, die die Ziele des Green Deals, des Circular Economy Action Plans (CEAP) und der deutschen Industrie mitträgt, braucht es eine verlässliche und progressive Struktur, um die Transferleistung der internationalen in die europäische Normung -und umgekehrt - zu garantieren.
Aktuelle Entwicklungen in der internationalen Normung
Aktuell werden in unterschiedlichen Gremien, auf allen drei Ebenen – national, europäisch und international – technische und strategische Normen erarbeitet und weiterentwickelt, um insbesondere die Transformation von kreislauffähigeren Produkten und Services zu beschleunigen und Marktzugangsbarrieren zu senken.
Der ISO/TC 323 Circular Economy auf internationaler Ebene ist mit fünf Arbeitsgruppen eines der ambitioniertesten Projekte in der Gremienlandschaft, was den Bereich der horizontalen Normung angeht. Hier sollen grundsätzliche Themen wie dem Aufstellen eines Product circularity data sheet, oder das Herunterbrechen von Terminologien und Prinzipien sowie Indikatorensysteme einer Circular Economy umgesetzt werden
Die Initiierung und der Grundgedanke hinter dem TC ist grundsätzlich begrüßenswert, denn es fehlt an industrieübergreifenden konsensualen Definitionen, und selbst im wissenschaftlichen Diskurs herrschen Konzeptunklarheiten von Circular Economy-Prinzipien und Definitionen vor.
Leider ziehen sich zum Teil große inhaltliche Diskrepanzen und Harmonisierungsbedarf durch die Arbeit in den unterschiedlichen Arbeitsgruppen des TC. Besonders hinsichtlich des Ziels, eine ganzheitliche Definition des Circular Economy Konzeptes zu normieren, die über den Abfallbegriff hinausgeht, sind Fehlentwicklungen zu beobachten. Dass auf internationaler Ebene grundsätzliche und horizontale Ideen normiert werden, die im Gegensatz zu der Auslegung der deutschen Industrie und den regulatorischen Rahmenbedingungen auf EU-Ebene stehen, muss unbedingt erkannt und strategisch verhindert werden. Es darf keinen Widerspruch zwischen ISO-, EN- und DIN-Normen geben.
Um diese Entwicklung für den europäischen Binnenmarkt in der EU aufzufangen, mit besonderem Vermerk auf die laufenden Regulierungsprozesse unter dem CEAP, sehen wir das Aufsetzen eines Spiegelgremiums auf EU-Ebene als strategisch äußerst wichtig an. In dem Vorschlag der schwedischen Normungsorganisation Swedish Institute for Standards (SIS) sehen wir jedoch Verbesserungsbedarf.
ISO TC 323: Status Quo
Das Technical Committee (TC) wurde 2018 auf Initiative der französischen Normungsorganisation Association francaise de normalisation (AFNOR) gegründet, um die Normung im Bereich Circular Economy zu unterstützen, verknüpft mit den Zielen der Sustainable Development Goals (SDGs) der UN.
ISO/TC 323 Circular Economy: Struktur
Es gibt 76 aktive Mitglieder, von denen 19 Mitglieder dem europäischen Kontinent zugeordnet werden können.
Die Arbeit wird in fünf Working Groups (WG) unterteilt,
1. ISO/TC 323/WG 1 - Terminology, principles, frameworks and management system standard
2. ISO/TC 323/WG 2 - Practical approaches to develop and implement Circular Economy
3. ISO/TC 323/WG 3 - Measuring and assessing circularity
4. ISO/TC 323/WG 4 - Circular Economy in practice: experience feedback
5. ISO/TC 323/WG 5 - Product circularity data sheet
Aktuell gibt es Normentwürfe im Entwurf Status aus drei Arbeitsgruppen,
▪ ISO/DIS 59004 Terminology, Principles and Guidance for Implementation
▪ ISO/DIS 59010 Guidance on the transition of business models and value networks
▪ ISO/DIS 59020 Measuring and assessing circularity
Bis Ende August gibt es die Möglichkeit die Entwürfe abzulehnen oder anzunehmen, aber große inhaltliche Veränderungen sind nicht mehr zu erwarten.
ISO/TC 323 - Circular economy
Kritische Bewertung der Inhalte aus den WGs im ISO/TC 323
▪ Das Ambitionslevel ist sehr gering
▪ Keine ganzheitliche Auslegung bei Grundsatzdefinitionen Punkte wie Lebensdauerverlängerung, Design, Upstream Innovation finden keine Beachtung in der Definition von Circular Economy
▪ Keine Anleitung für Zirkularität
▪ Konzepte sind teils nur wenig hilfreich bei der Übertragung auf Unternehmens- und Produktebene
Mögliche negative Auswirkungen
▪ Diskrepanz zu Zielen des Green Deals und des CEAP durch variierende Auslegung des Circular Economy Konzeptes
▪ Größer werdende Fragmentierung des EU-Binnenmarkt in der Circular Economy-Normung
▪ Lineare Konzepte werden ohne den notwendigen Transformationsprozess als Circular Economy deklariert
▪ Problem der Verfügbarkeit kritischer Rohstoffe in der EU wird unzureichend adressiert
▪ Insbesondere die Prinzipien von etablierten Umweltmanagementsysteme wie ISO 14001 et.al. werden unzureichend für die Bewertung von Handlungsoptionen herangezogen
Plädoyer für eine zielgerichtete europäische Spiegelung
Mit einer Spiegelung des ISO/TC 323 Circular Economy auf europäischer Ebene können die genannten negativen Auswirkungen aufgefangen werden. Insbesondere über die Option von europäischen Anhängen ist es möglich, die kommenden internationalen Normen an die Bedarfe des europäischen Binnenmarktes anzupassen.1
Wir fordern die europäische Spiegelung des ISO/TC 323 aus folgenden Gründen,
▪ Es werden Grundsatzfragen der Circular Economy definiert, die Auswirkungen für alle Industrien und elementare Bestandteile der Transformationen haben, z.B. Messbarkeit und Definitionen von Circular Economy und Managementsystemen
▪ In für die Industrie relevanten Gesetzgebungsvorhaben, wie z.B. der Ökodesign-Verordnung (ESPR), der Green Claims Directive, dem Critical Raw Materials Act und dem Digital Product Passport wird vor allem im Bereich der Definitionen auf die ISO TC323 Standards zurückgegriffen. Ohne europäische Anpassung wird hier riskiert, dass diese nicht mit den Hauptzielen der Gesetzgebungsvorhaben vereinbar sind.
Über das Sekretariats Mandat und/oder einen von DIN nominierten Convenor in einem europäischen CEN Spiegelgremium für das ISO/TC323 würde Deutschland andere Einflussmöglichkeiten bekommen und hätte die Möglichkeit, die Arbeit in dem Spiegelgremium aktiv zu moderieren und auch zu steuern.
Wir fordern außerdem eine Spiegelung über das DIN e.V. und die DKE in einem gemeinsamen Normungsspiegelgremium auf deutscher Ebene, um die gemeinsame ganzheitliche Auslegung von Circular Economy auf EU-Ebene zu gewährleisten und um auf die zum Teil fragmentierte Auslegung innerhalb der EU zu reagieren.
AK "Circular Economy"