CO2-Flottenregulierung schwere Nutzfahrzeuge
Klimapfad für schwere Nutzfahrzeuge durch Aufbau von Lade- und H2Tankinfrastruktur absichern
17. Mai 2023
Zusammenfassung
• Der von der EU-Kommission vorgeschlagene generelle Zielpfad über alle Fahrzeugklassen (-45 % ab dem 1. Januar 2030, -65 % ab dem 1. Januar 2035 und -90 % ab dem 1. Januar 2040) ist äußerst ambitioniert.
• Es fehlt eine entsprechende Flankierung durch die beiden Leitinstrumente: eine verstärkte Förderung des Aufbaus von leistungsfähigen und bedarfsgerechten Lade- und H2-Tankinfrastrukturen für alle Nutzfahrzeuge in Europa – entlang der Hauptverkehrsachsen und mindestens entsprechend den Vorgaben der AFIR – sowie CO2-Preissignale für den Straßenverkehr.
• Es muss ein europaweit verbindlich nutzbarer Indikator, der den Hochlauf von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben mit dem Aufbau von Lade- und H2-Tankinfrastruktur vergleicht, geschaffen sowie ab 2025 jährlich überprüft werden Bei festgestellten Abweichungen ist eine Nachjustierung der Flottenziele sowie der Strafzahlungen in Betracht zu ziehen. Das für 2028 von der KOM vorgeschlagene Review sollte auf 2027 vorgezogen werden.
• Der Vorschlag der KOM weist kurzfristig den Pfad hin zum elektrischen Antrieb für alle Nutzfahrzeugsegmente. Ein technologieoffener Ansatz müsste detaillierter auf die Minderungsziele der einzelnen Fahrzeuggruppen eingehen. Die Ausgestaltung der Grenzwerte muss mindestens die Zulassungsfähigkeit der drei wesentlichen Null-Emissions-Antriebstechnologien (ZEV) sicherstellen: batterie-elektrisch, Wasserstoff-Brennstoffzellen-elektrisch und Wasserstoffmotor.
• Das Primat der Technologieoffenheit muss beibehalten werden, um die Einbeziehung der freiwilligen Anrechnung von CO2-neutralen Kraftstoffen und klimaneutralen Vormaterialien zu gewährleisten.
• Ein konsistenter Regulierungsansatz muss auch ein einheitliches Hochlaufszenario für alternative Antriebe in den Vorgaben für ein neue EURO VII-Schadstoffnorm und in den verschärften CO2-Flottengrenzwerten umfassen. Die EU muss eine Angleichung der bislang unterschiedlichen Ambitionsniveaus sicherstellen.
CO2-Flottenregulierung schwere Nutzfahrzeuge
• Mit den derzeitigen Rahmenbedingungen – fehlende Lade- und H2-Tankinfrastruktur sowie fehlende CO2-Preissignale – ist selbst das derzeitige CO2-Reduktionsziel (eine Reduzierung um 30% bis 2030) schwer erreichbar.
• Der Vorschlag der EU-Kommission beinhaltet die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf neue Fahrzeuggruppen sowie auf Anhänger. Dafür braucht es weitere Nachjustierungen.
BDI-Empfehlungen zum Vorschlag der EU-Kommission für die Revision der CO2-Flottengrenzwerte für schwere Nutzfahrzeuge ((EU) 2019/1242)
Zielpfad ist ohne flankierende Rahmenbedingungen nicht erreichbar
Die Industrie setzt sich für ehrgeizige, aber technisch und wirtschaftlich realistische Ziele ein. Der von der EU-Kommission vorgeschlagene generelle Zielpfad über alle Fahrzeugklassen ist äußerst ambitioniert und ohne eine Flankierung nicht erreichbar. Vor allem kommt es auf leistungsfähige und bedarfsgerechte Lade- und H2-Tankinfrastrukturen für alle Nutzfahrzeuge in Europa an: entlang der Hauptverkehrsachsen und mindestens entsprechend den Vorgaben der AFIR. Unter den aktuellen Rahmenbedingungen ist selbst das aktuell noch geltende CO2-Reduktionsziel für schwere Nutzfahrzeuge (eine Reduzierung um 30% bis 2030) schwer erreichbar.
KOM-Vorschlag weist kurzfristig und einseitig Pfad zu elektrischem Antrieb
Der Schwerpunkt der Antriebswende bei schweren Nutzfahrzeugen liegt aus Sicht der Industrie auf zuverlässigen, effizienten und erschwinglichen Nullemissionsfahrzeugen (ZEV): Das heißt Fahrzeuge mit batterie-elektrischem, Wasserstoff-Brennstoffzellen-elektrischem Antrieb und Fahrzeuge mit Wasserstoffmotor. Der Vorschlag der KOM weist kurzfristig und einseitig den Pfad hin zum elektrischen Antrieb für alle Nutzfahrzeugsegmente. Ein technologieoffener Ansatz wird infolge der kurzfristigen und stringenten CO2-Reduktionsziele gefährdet. Mindestens muss die Ausgestaltung der Grenzwerte die Zulassungsfähigkeit der drei wesentlichen Antriebstechnologien für ZEV sicherstellen.
Flankierende Leitinstrumente sicherstellen: Lade- und H2-Tankinfrastrukturen sowie CO2Preissignale
Die beiden Leitinstrumente für den Hochlauf der alternativen Antriebe sind der umfassende Aufbau von leistungsfähigen und bedarfsgerechten Lade- und Tankinfrastrukturen für alle Nutzfahrzeuge und CO2-Preissignale für den Straßenverkehr. Der Aufbau der Lade- und Tankinfrastrukturen ist EU-weit über verstärkte Förderung der EU-Mitgliedstaaten und über die AFIR abzusichern. Das Setzen der CO2-Preissignale muss über die Umsetzung des ETS 2 und die CO2-basierte Ausrichtung der Energiesteuern auf Kraftstoffe in der ETD erfolgen. Die Lenkungswirkung eines künftigen CO2-Preissignals im Straßenverkehr hängt in Deutschland allerdings entscheidend von noch festzulegenden Vorgaben für die Zusammenführung von BEHG und ETS 2 ab. Die Umgestaltung der Energiesteuer, wie sie zurzeit auf europäischer Ebene diskutiert wird, muss die CO2-Lenkungswirkung stärken und gezielte Anreize für das Vermeiden fossiler Kraftstoffe setzen.
Verbindlichen Indikator für Aufbau von Lade- und H2-Tankinfrastrukturen implementieren
Um die enge Verknüpfung von Hochlauf der Fahrzeuge und Lade- und Tankinfrastrukturen angemessen in der Flottenregulierung abzusichern, empfiehlt die Industrie das Implementieren eines europaweit verbindlich nutzbaren Indikators zum Aufbau von Lade- und H2-Tankinfrastrukturen. Dieser Indikator sollte die Anzahl der im europäischen Markt zugelassenen Nutzfahrzeuge mit alternativen Antrieben und den jeweiligen definierten Flottengrenzwerten in den Fünf-Jahres-Perioden der Flottenregulierung abbilden und nutzfahrzeugspezifische Besonderheiten (z. B. Netzanbindung bei Ladeinfrastruktur, hohe Ladeleistungen im Megawatt Charging System, Bereitstellung von Wasserstoff an H2Tankstellen, Kapazitätsauslastung und Ausrüstungsgrad an wichtigen Fernverkehrskorridoren) berücksichtigen. Eine Bewertung des Indikators sollte jährlich ab dem Jahr 2025 erfolgen. Wenn Abweichungen von dem geplanten Hochlauf für Lade- und H2-Tankinfrastrutkur erkennbar sind, gilt es die Flottenregulierungsziele zu überprüfen und die Sanktionen für die Nichteinhaltung der CO2-
Verordnung gegen die Hersteller entsprechend anzupassen. Das von der KOM für 2028 geplante Review sollte daher um ein Jahr auf 2027 vorgezogen werden.
Ganzheitlichen Regulierungsansatz gewährleisten
Ein ganzheitlicher Ansatz für Anreize und Regulierung auf nationaler und EU-Ebene ist unabdingbar. Neben den beiden Leitinstrumenten Lade- und H2-Tankinfrastruktur sowie CO2-Bepreisung sind die EU-Institutionen aufgefordert, die weiteren verkehrsrelevanten Dossiers des FF55-Pakets und EU Green Deals z.B. Euro 7/VII, RED III, ETD, ETS, Effort Sharing sowie die industriepolitischen Weichenstellungen hinsichtlich Energieversorgung, Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft, Rohstoffe und Vorprodukte wie Halbleiter oder Batterie aufeinander abzustimmen.
Ambitionsniveaus von EURO VII und CO2 Flottengrenzwerten angleichen
Ein konsistenter Ansatz muss auch die Angleichung des Ambitionsniveaus (einschl. Umsetzungsaufwand und den Umsetzungszeitraum) für die neue EURO VII-Schadstoffnorm und verschärfte CO2Flottengrenzwerte umfassen. Beiden Regulierungsvorhaben der KOM liegen unterschiedliche Szenarien für den Hochlauf neuer Antriebstechnologien zugrunde: Im Euro VII-Vorschlag unterstellt die EUKommission einen deutlich niedrigen Markthochlauf, der für die Erfüllung der vorgeschlagenen CO2Flottenzielen schwerer Nutzfahrzeuge nicht ausreichen würde. Die beiden Ambitionsniveaus müssen angeglichen werden.
Anreizmechanismen beibehalten
Während der Transformationsphase und des Markthochlaufs alternativer Antriebstechnologien werden emissionsarme schwere Nutzfahrzeuge die Produktpalette in bestimmten Segmenten weiterhin ergänzen. Der Anreizmechanismus für null-emissions- und emissionsarme Nutzfahrzeuge (ZLEV) muss für diese Transformationsphase erhalten bleiben.
Keine Technologieverbote
Insgesamt gilt es, die Flottenregulierung technologieoffen auszugestalten. Ein generelles Verbot von Technologien lehnt die Industrie ab. Daher sollte die freiwillige Anrechnung von CO2-neutralen Kraftstoffen (RFNBOs, fortschrittliche Biokraftstoffe) ermöglicht werden. Ebenso sollten Ansätze für die freiwillige Anrechnung von klimaneutralen Primärmaterialien entwickelt werden. Es liegt eine Methodik für ein praktikables Anrechnungssystem auf dem Tisch, das freiwillig ist und die derzeitige Aufteilung der Verantwortung nicht verwischt.
Nachjustieren bei neuen Fahrzeuggruppen und Anhängern erforderlich
Im Hinblick auf die Einbeziehung neuer Fahrzeuggruppen (Nutzfahrzeuge ab 5 Tonnen, Reise- und Stadtbusse) und von Anhängern bedarf es weiterer Anpassungen und Nachbesserungen.
▪ Die CO2-Zielvorgaben für neue Fahrzeuggruppen bis zum Jahr 2030 auf der Grundlage eines Basisszenarios von 2025, d.h. innerhalb von weniger als fünf Jahren, ist unrealistisch, da dies nicht mit den Markthochlaufkurven dieser Fahrzeuggruppen korreliert.
– Eine stärkere Differenzierung der CO2-Flottengrenzwerte nach Fahrzeuggruppen für die FünfJahres-Perioden ab 2030 ist erforderlich.
– Das Ziel für Stadtbusse (100% ZEV-Verkaufsmandat für neu zugelassene Fahrzeuge) ab dem Jahr 2030 darf nicht im Widerspruch zum sinnvollen Ansatz der Clean Vehicle Directive stehen.
– Der Anreizmechanismus für emissionsfreie (ZEV) und emissionsarme Fahrzeuge (ZLEV) hat sich als sinnvolles und wirksames Mittel zur Förderung der Einführung von emissionsfreien Fahrzeugen erwiesen. Insbesondere für die neuen Fahrzeuggruppen ist es erforderlich, diesen Anreizmechanismus über das Jahr 2030 hinaus beizubehalten. Eine ersatzlose Streichung lehnt die Industrie ab.
▪ Die Berücksichtigung von Anhängern in der CO2-Flottenregulierung ist grundsätzlich begrüßenswert. Die geforderten CO2-Reduktionsziele für Anhänger (-7,5% für Deichsel- und Zentralachsanhänger sowie -15% für Sattelanhänger) sind mit dem aktuellen Stand der VECTO-Berechnungsmethodik nicht kalkulierbar sowie über alle Anhängergruppen mit allen bisher zulassungsfähigen technischen Lösungen im Anhänger nicht erreichbar. Die vorgeschlagenen Zielwerte aus dem Impact Assessment bedürfen einer weiteren Klärung.
– Keine pauschalen Grenzwertvorgaben für alle Untergruppen festlegen.
Anhänger sollten analog zu Lkw und Reisebussen in Fünf-Jahres-Schritten sukzessive ab dem Jahr 2030 an einen finalen CO2-Flottengrenzwert herangeführt werden.
– Die Definition eines emissionsfreien Anhängers ist zu begrüßen, denn ihr Einsatz kann in bestimmten Anwendungsfällen einen Beitrag zur THG-Minderung des Anhängers sowie von Nebenaggregaten leisten
– Weitere Detailfragen insbesondere für emissionsfreie Anhänger und kranbare Anhänger sind zu klären
– Unverhältnismäßig hohe Strafzahlungen bei Überschreitung der spezifischen Flottengrenzwerte für Anhänger (4250 Euro pro Gramm CO2 und Fahrzeug) sind zu vermeiden: Reduzierung der Strafzahlungen gemäß Artikel 8 für kleine Fahrzeughersteller und gleichzeitig Differenzierung nach Nettopreisen für Anhänger.
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