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#Tax2025: Reform der steuerlichen Betriebsprüfung Steuerpolitik in der 20. Legislaturperiode – 2021 – 2025
April 2022 Lange Betriebsprüfungsdauern belasten die Unternehmen Steuerliche Betriebsprüfungen dauern in Deutschland nach wie vor zu lange und verursachen für Unternehmen wie Finanzverwaltung erheblichen Aufwand. Besonders Groß- und Konzernbetriebe und Unternehmen mit weitreichender internationaler Tätigkeit sind von zu langen Betriebsprüfungsdauern betroffen. Die im Jahr 2012 eingeführte „zeitnahe Betriebsprüfung“ (§ 4a BpO) kommt nicht flächendeckend zur Anwendung. Für die Unternehmen führen lange Prüfungsdauern zu jahrelanger Rechtsunsicherheit, zu einer aufwendigen Überprüfung lange zurückliegender Zeiträume, zu Archivierungskosten für relevante Unterlagen bzw. EDV-Systeme und zu hohen Zinsbelastungen.
Reform der steuerlichen Betriebsprüfung stärkt die Standortattraktivität Im internationalen Vergleich wird die Dauer der steuerlichen Betriebsprüfung zunehmend als Wettbewerbsnachteil wahrgenommen. Dies gilt vor allem gegenüber Ländern wie z. B. Österreich und den Niederlanden, die mit Modellen einer kontinuierlichen, zeitnahen Prüfung („begleitende Kontrolle“ bzw. „horizontal monitoring“) eine Alternative zur nachgelagerten steuerlichen Betriebsprüfung anbieten. Daher sollte die richtige Zielsetzung des Koalitionsvertrags von SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP, die steuerliche Betriebsprüfung zu modernisieren, möglichst rasch umgesetzt werden.
Vorschläge für eine effiziente und zeitnahe steuerliche Betriebsprüfung Die Betriebsprüfungspraxis in Deutschland kann durch zielgerichtete Reformen der Regelungen in der Abgabenordnung und durch die Optimierung der Prüfungsorganisation spürbar verbessert werden. Auch die konsequente Bildung von Prüfungsschwerpunkten und die Nutzung von innerbetrieblichen Kontrollsystemen (Tax Compliance Management Systeme) tragen zu einer verbesserten Prüfung bei. Von besonderer Bedeutung ist zudem die Digitalisierung und Standardisierung von Prozessen, die zu mehr Effizienz von Betriebsprüfungen führen.
Benjamin Koller | Abteilung Steuern und Finanzpolitik | T: +49 30 2028-1584 | b.koller@bdi.eu | www.bdi.eu
#Tax2025: Reform der steuerlichen Betriebsprüfung
Konkrete Vorschläge des BDI zu einer Reform der steuerlichen Betriebsprüfung:
Reform des Fristenkonzepts in der Abgabenordnung Das geltende Fristenkonzept der Abgabenordnung ist nicht mehr zeitgemäß. Insbesondere die Kombination der vierjährigen Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) mit der vierjährigen Ablaufhemmung (§ 171 Abs. 4 Satz 2 und 3 AO) setzt keine Anreize für einen zeitnahen Beginn der Prüfungen und eine schnelle Erledigung der Prüfungshandlungen. Stattdessen kann das geltende Fristenkonzept zu einer langen Phase der Rechtsunsicherheit für die Unternehmen führen. Daher sollte die Festsetzungsfrist von vier auf zwei Jahre verkürzt werden. Zudem sollte auch die Ablaufhemmung von vier auf zwei Jahre verkürzt werden. Sinnvoll wäre es auch, den Beginn der Ablaufhemmung nicht an das Kalenderjahr der Schlussbesprechung, sondern an das Kalenderjahr der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung zu knüpfen, um zusätzlich von vornherein Klarheit über die Dauer der Prüfung zu schaffen.
Beispiel: Zehn Jahre Rechtsunsicherheit nach dem derzeit geltenden Fristenkonzept Ein Unternehmen hat im Mai 2012 die Steuererklärung für das Jahr 2011 abgegeben. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des 31.12.2012. Im Rahmen der Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) wurde im Dezember 2016 mit einer Betriebsprüfung begonnen. Die Schlussbesprechung erfolgte im September 2017. Die Ablaufhemmung (§ 171 Abs. 4 Satz 3 AO) endet erst zum 31.12.2021, also zehn Jahre nach dem zu prüfenden Veranlagungsjahr.
Einführung einer neuen Verständigungsform Können steuerliche Sachverhalte bereits vor einer Betriebsprüfung zwischen Unternehmen und Finanzverwaltung geklärt werden, entlastet dies die Prüfungen spürbar. Eine spätere Betriebsprüfung muss sich mit diesem Sachverhalt nicht mehr eingehend beschäftigen. In der betrieblichen Praxis werden konkrete Rechtsfragen zu steuerlichen Fragen jedoch häufig nicht über eine verbindliche Auskunft (§ 89 AO) geklärt, weil ein Sachverhalt bereits verwirklicht ist oder die Zeit für ein Verfahren zur Beantragung einer verbindlichen Auskunft nicht zur Verfügung steht. Auch bei der verbindlichen Zusage (§ 204 AO) sind die Voraussetzungen (v. a. Darstellung des Sachverhalts im Prüfungsbericht und Bedeutung für die geschäftlichen Maßnahmen des Steuerpflichtigen) für die Unternehmen nicht immer erfüllbar. Die Einführung einer neuen Verständigungsform (z. B. als „verbindliche Entscheidung zur Sachverhaltsaufklärung“) ist daher eine sinnvolle Ergänzung. Dabei sollte ein steuerlich relevanter Sachverhalt durch den Steuerpflichtigen oder die Finanzverwaltung eindeutig skizziert und eine beiderseitig bindende Verständigung (in Schriftform oder elektronischer Form) eingeholt werden.
Verbesserung der Prüfungsorganisation Eine spürbare Erleichterung für die betriebliche Praxis kann zudem erreicht werden, indem die Prüfungshandlungen zwischen Bundes- und Landesfinanzbehörden besser aufeinander abgestimmt werden. Insbesondere sollten zeitliche Diskrepanzen und das mehrfache Aufgreifen von Sachverhalten vermieden werden. Prüfungsunterbrechungen, die z. B. dadurch hervorgerufen werden, dass zunächst nur eine Prüfungsanordnung erlassen wird, die Prüfer dann aber Außenprüfungen bei anderen Unternehmen fortsetzen, belasten die Unternehmen und sollten unterbleiben.
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#Tax2025: Reform der steuerlichen Betriebsprüfung
Bildung von Prüfungsschwerpunkten Ein weiterer Anknüpfungspunkt für eine effiziente Betriebsprüfung ist die Fokussierung auf wesentliche Sachverhalte und die Bildung von Prüfungsschwerpunkten. Die Prüfungsschwerpunkte sollten in einem gemeinsamen Auftaktgespräch zwischen Unternehmen und Finanzverwaltung festgelegt werden. So können die Unternehmen die zu prüfenden Unterlagen vorbereiten, was die Prüfung erleichtern und beschleunigen kann. Zur Auswahl von Prüffeldern können auch die Erkenntnisse aus innerbetrieblichen Kontrollsystemen (Tax Compliance Management System) der Unternehmen genutzt werden. Auf diese Weise sollte eine stärker prozessorientierte Prüfung anstelle der Belegprüfung erfolgen.
Digitalisierung der steuerlichen Betriebsprüfung Hohe Effizienzgewinne können durch eine stärkere Digitalisierung der Prüfungsprozesse erzielt werden. Dies betrifft z. B. den Einsatz von standardisierten Schnittstellen für die Datenübertragung zwischen Unternehmen und Finanzverwaltung. Entscheidend ist aber, dass Standardisierungsinitiativen stets in enger Abstimmung mit der betrieblichen Praxis erfolgen. Eine Hürde für effiziente Betriebsprüfungen ist auch die Kommunikation mit der Finanzverwaltung, die oftmals noch in Papierform erfolgt. Eine Kommunikation per E-Mail ist in der Regel wegen des Steuergeheimnisses nicht möglich. Daher stellen die von einzelnen Bundesländern (Bayern, Hessen, Schleswig-Holstein) eingeführten digitalen Datenräume für den Datenaustausch und die Kommunikation zwischen Unternehmen und Finanzverwaltung einen zukunftsgerichteten Ansatz dar. Hierbei kommt es aber darauf an, dass nicht jedes Bundesland einzelne Verfahren entwickelt, sondern bestehende Initiativen zu einem einheitlichen Vorgehen zusammengeführt werden.
Kooperative Prüfungsformen und „Joint Audits“ stärken Durch „Cooperative Compliance“ kann mehr Effizienz gerade bei grenzüberschreitenden Sachverhalten geschaffen werden. Gemeint sind moderne Prüfungskonzepte, bei denen sich Finanzverwaltung und Steuerpflichtige nicht (konfrontativ) gegenüberstehen, sondern in einer Form der Kooperation die Prüfungshandlungen optimieren. Beispiele sind die „begleitende Kontrolle“ in Österreich, „horizontal monitoring“ in den Niederlanden oder das OECD-Projekt „International Compliance Assurance Programme (ICAP) 2.0“. Diese Prüfungs- und Verständigungsansätze haben Vorbildcharakter und sollten auch in Deutschland Anwendung finden – z. B. im Rahmen von Pilotprojekten. Ein wichtiger Schritt zu mehr Effizienz bei grenzüberschreitenden Betriebsprüfungen sind außerdem „Joint Audits“ (gleichzeitige und gemeinsame Betriebsprüfungen mit Finanzverwaltungen aus verschiedenen Staaten). Das Instrument der „Joint Audits“, welches im vergangenen Jahr auf europäischer Ebene einen neuen Rechtsrahmen1 erhalten hat, sollte verstärkt zur Anwendung kommen – auch um Besteuerungskonflikte zwischen den Staaten zu vermeiden. Aus Sicht der Praxis wäre auch eine Initiativmöglichkeit der Unternehmen sinnvoll, um ein „Joint Audit“ einzuleiten.
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EU-Richtlinie 2021/514 vom 22. März 2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung (DAC 7)
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#Tax2025: Reform der steuerlichen Betriebsprüfung
Zusammenfassung Eine effiziente und zeitnahe Betriebsprüfung gehört zu den steuerlichen Erfolgsfaktoren eines modernen Industriestandorts. Für eine erfolgreiche Reform der Betriebsprüfung schlägt der BDI folgende konkrete Maßnahmen vor: ▪
Modernisierung des Fristenkonzepts mit Verkürzung von Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) und Ablaufhemmung (§ 171 Abs. 4 Satz 2 und 3 AO)
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Einführung einer neuen Verständigungsform („verbindliche Entscheidung zur Sachverhaltsaufklärung“)
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Verbesserung der Prüfungsorganisation, v. a. auch im Zusammenwirken von Landesund Bundesprüfern
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Bildung von Prüfungsschwerpunkten, prozessorientierte Prüfung
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Digitalisierung der steuerlichen Betriebsprüfung, v. a. mit Blick auf den Datenaustausch und die Kommunikation zwischen Unternehmen und Finanzverwaltungen
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Stärkung von kooperativen Prüfungsformen und „Joint Audits“
Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0 Registernummer: R000534 Redaktion Frau Dr. Monika Wünnemann Abteilungsleiterin Steuern und Finanzpolitik T: +49 30 2028-1507 m.wuennemann@bdi.eu Herr Benjamin Koller Referent Steuern und Finanzpolitik T: +49 30 2028-1584 b.koller@bdi.eu
BDI Dokumentennummer: D1495
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