#Tax2025: Digitalisierung des Steuerrechts

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#Tax2025: Digitalisierung des Steuerrechts Steuerpolitik in der 20. Legislaturperiode – 2021 – 2025

April 2022 Dringender Handlungsbedarf in Deutschland Die Digitalisierung des Steuerrechts ist eine der dringend anstehenden steuerpolitischen Aufgaben. In Deutschland besteht erheblicher Handlungsbedarf. Zwar gibt es seit mehreren Jahren die Elektronische Steuererklärung, die Elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) und die E-Bilanz. Von einer Digitalisierung, die den gesamten Prozess von der Steuererklärung bis zum Steuerbescheid umfasst, ist die deutsche Finanzverwaltung aber noch zu weit entfernt. Daher ist die Zielsetzung im Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP richtig, die Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens konsequent weiter voranzutreiben.

Digitales Steuerverfahren ist ein wesentlicher Standortvorteil Digitale Steuerverfahren sind ein entscheidender Standortvorteil für die Unternehmen im internationalen Wettbewerb. Andere Staaten sind Deutschland dabei einen Schritt voraus: So wickelt Österreich mit dem E-Government-Portal „FinanzOnline“ das gesamte Besteuerungsverfahren digital ab – von der Erstellung und Übermittlung von Steuererklärungen bis zur Zustellung von Steuerbescheiden. In Deutschland ist das Besteuerungsverfahren dagegen noch viel zu oft ein papiergebundener Prozess. Dies führt zu Medienbrüchen, digitalen Einbahnstraßen und Effizienzverlusten.

Vorschlag für konkrete Schritte zu einem digitalen Besteuerungsverfahren Steuerpflichtige und Finanzverwaltung müssen in einem durchgehend digitalen Prozess miteinander kommunizieren können. Konkret heißt das, dass auf die elektronische Steuererklärung ein digitaler Steuerbescheid folgen muss. Im Bereich der steuerlichen Betriebsprüfung müssen die digitale Kommunikation ausgeweitet und der digitale Datenaustausch ausgebaut und standardisiert werden. Zudem muss – wie im Koalitionsvertrag verankert – sichergestellt werden, dass steuerliche Regelungen auch digital umsetzbar sind. Es gilt daher, bereits im Gesetzgebungsverfahren die digitale Umsetzung und Befolgung neuer Normen zu berücksichtigen. Vergleichbar mit der Überprüfung der Bürokratiebelastung neuer Regelungen durch den Nationalen Normenkontrollrat müssen Gesetzesinitiativen zukünftig auch einem „Digital-TÜV“ unterzogen werden.

Benjamin Koller | Abteilung Steuern und Finanzpolitik | T: +49 30 2028-1584 | b.koller@bdi.eu | www.bdi.eu


#Tax2025: Digitalisierung des Steuerrechts

Durchgehend digitales Besteuerungsverfahren ermöglichen Im deutschen Besteuerungsverfahren gibt es positive Beispiele der Digitalisierung, u. a. die seit mehreren Jahren etablierte digitale Übermittlung der Lohnsteuerabzugsmerkmale an die Arbeitgeber. Jedoch existieren noch viele papiergebundene Verfahren und digitale Einbahnstraßen, bei denen Steuerpflichtige auf eine elektronische Steuererklärung einen Papierbescheid erhalten. Der vollständig digitale Steuerbescheid muss die Regel werden, denn hierfür wurde bereits 2017 die rechtliche Grundlage geschaffen (§ 122a AO). Dabei reicht es nicht aus, den Papierbescheid lediglich in elektronischer Form (z. B. im pdf-Format) zum Abruf bereitzustellen. Vielmehr muss der Bescheid auch in strukturierter Form und damit maschinenlesbar erstellt werden. Dies ermöglicht einen automatischen Vergleich der Daten des Steuerbescheids mit den Daten der elektronischen Steuererklärung. Medienbrüche und die aufwendige Erfassung von Papierbescheiden gehören damit der Vergangenheit an. Bei der Grundsteuer muss die Neuregelung in den Ländern und Gemeinden mit einem Digitalisierungsschub einhergehen. Auf die elektronischen Steuererklärungen und Anzeigen der Steuerpflichtigen muss eine digitale Bereitstellung strukturierter Bescheide sowohl auf Seiten der Finanzverwaltung als auch auf kommunaler Seite folgen. Zudem sollte die programmtechnische Verbindung von Daten der Finanzverwaltung mit Daten anderer Behörden (v. a. Kataster-, Vermessungs- und Grundbuchämter) zügig umgesetzt werden. Auch bei der Gewerbesteuer kann durch digitale Steuerbescheide eine erhebliche Bürokratieentlastung erreicht werden – insbesondere da die Papierbescheide der Gemeinden derzeit noch unterschiedlich strukturiert sind (siehe Beispiel). Zudem sollte eine Gewerbesteuer-Clearingstelle geschaffen werden, um den hohen bürokratischen Aufwand bei der Zerlegung der Gewerbesteuer zu reduzieren. Unternehmen mit Betriebsstätten in mehreren Gemeinden werden so spürbar entlastet, da sie – statt in mehreren Gemeinden – nur noch einen einheitlichen Ansprechpartner haben. Im Ergebnis kann hiermit ein einheitliches digitales Besteuerungsverfahren bei der Gewerbesteuer geschaffen werden. Bei der elektronischen Bilanz (E-Bilanz) sollte die bereits bei der Einführung diskutierte elektronische Datenrückübermittlung endlich ermöglicht werden. Bei der Umsetzung dieser Digitalisierungsmaßnahmen muss der Bund zukünftig – wie im Koalitionsvertrag vorgesehen – eine stärkere Rolle bei der Initiative und der Koordination spielen. Zudem müssen die personellen und finanziellen Ressourcen der Finanzverwaltung aufgestockt werden, um die Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens zügig voranzubringen (z. B. bezüglich der notwendigen Programmierungen und IT).

Beispiel: Bürokratieaufwand durch papiergebundene Steuerbescheide Solange Steuerbescheide nicht digital und in strukturierter Form bereitgestellt werden, sind Unternehmen gezwungen, die Steuerbescheide manuell zu erfassen und in teilweise sehr aufwendigen Prozessen zu digitalisieren (z. B. mittels Scan-Straßen). Dies ist erforderlich, um einen automatisierten Abgleich vornehmen oder Einspruchs- und Zahlungsfristen mit Hilfe eines digitalen Fristenkontrollbuchs überwachen zu können. Besonders problematisch ist dies bei der Gewerbesteuer, da Unternehmen oftmals mit einer Vielzahl unterschiedlich gestalteter und nicht maschinenlesbarer Bescheide konfrontiert sind.

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Steuerliche Betriebsprüfungen digitalisieren Hohe Effizienzgewinne für Unternehmen und Finanzverwaltung können durch eine stärkere Digitalisierung der steuerlichen Betriebsprüfung erzielt werden. Dies betrifft insbesondere den Einsatz von standardisierten Schnittstellen für die Datenübertragung zwischen Unternehmen und Finanzverwaltung. Nach dem Vorbild der Lohnsteuer können diese auch bei der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer eingeführt werden. Dies erleichtert auf Seiten der Unternehmen die Bereitstellung steuerlich relevanter Daten. Auf Seiten der Prüfer wird der Einstieg in die Datenanalyse verbessert. Entscheidend ist aber, dass diese Standardisierungsinitiativen stets in enger Abstimmung mit der betrieblichen Praxis erfolgen. Eine Hürde für effiziente Betriebsprüfungen ist auch die Kommunikation mit der Finanzverwaltung, die oftmals noch in Papierform erfolgt. Eine Kommunikation per E-Mail ist in der Regel wegen des Steuergeheimnisses nicht möglich. Daher stellen die von einzelnen Bundesländern (Bayern, Hessen, Schleswig-Holstein) eingeführten digitalen Datenräume für den Datenaustausch und die Kommunikation zwischen Unternehmen und Finanzverwaltung einen zukunftsgerichteten Ansatz dar. Hierbei kommt es aber darauf an, dass nicht jedes Bundesland einzelne Verfahren entwickelt, sondern bestehende Initiativen zu einem einheitlichen Vorgehen zusammengeführt werden.

Digitalisierung bereits im Gesetzgebungsverfahren mitdenken Bereits im Gesetzgebungsverfahren muss die digitale Umsetzung und Befolgung neuer Steuerrechtsnormen berücksichtigt werden. Vergleichbar mit der Überprüfung der Bürokratiebelastung neuer Regelungen durch den Nationalen Normenkontrollrat, müssen Gesetzesinitiativen zukünftig auch einem „Digital-TÜV“ unterzogen werden. Das Steuerrecht ist grundsätzlich digitalisierbar und die Digitalisierbarkeit von Steuerrechtsnormen sollte im Rahmen eines Prüfverfahrens in allen Gesetzgebungsverfahren geprüft werden. Anhand von objektiven Entscheidungskriterien kann eine Überprüfung erfolgen, ob und in welchem Ausmaß neue Steuerrechtsnormen digitalisierbar sind. Hierbei sollten Hindernisse wie zum Beispiel die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe oder die Komplexität im Zusammenwirken von Gesetzestext, Verwaltungsauffassung und Rechtsprechung beseitigt werden. Dabei kann zukünftig auch der verstärkte Einsatz von KI helfen. So können z. B. technische Algorithmen und die menschliche Auslegung von Rechtsvorschriften interagieren. Ein konkreter Anknüpfungspunkt zur Digitalisierung steuerrechtlicher Normen ist der Einsatz juristischer Algorithmen, um in einem Gesetzestext frühzeitig gesetzgeberische Widersprüche und Lücken zu identifizieren und zu vermeiden. So können bereits im Gesetzgebungsprozess Hindernisse für die digitale Gesetzesbefolgung beseitigt werden. Zudem sollten verstärkt bilinguale Gesetzesfassungen sowohl in menschlicher als auch in algorithmischer Sprache zum Einsatz kommen. Ein Beispiel hierfür ist der lohnsteuerrechtliche Programmablaufplan, den die Finanzverwaltung jährlich erstellt und der in die Entgeltabrechnungsprogramme der betrieblichen Praxis Eingang findet.

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Die Digitalisierung des Steuerrechts wird außerdem befördert, indem anstelle von zunehmend komplexen Regelungen für einzelne Sachverhalte verstärkt auf Pauschalierungen gesetzt wird. Dies betrifft insbesondere das Massenverfahren der Lohnsteuer, in dem erhebliches Digitalisierungspotenzial steckt, z. B. bei der Vereinfachung der Besteuerung von Sachbezügen. Die bestehenden Regelungen sind – auch im Zusammenspiel mit den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften – oftmals so detailliert und kleinteilig, dass automatisierte Prozesse nicht möglich sind. Pauschalierungsregelungen sind dagegen deutlich einfacher und damit digital abbildbar.

Anforderungen an ein elektronisches Meldesystem für Rechnungen Die Regierungsparteien wollen laut Koalitionsvertrag schnellstmöglich ein elektronisches Meldesystem für Rechnungen bundesweit einheitlich einführen (sog. E-Invoicing), das für die Erstellung, Prüfung und Weiterleitung von Rechnungen verwendet wird, um die Betrugsanfälligkeit des deutschen Umsatzsteuersystems zu bekämpfen und die Finanzverwaltung zu modernisieren und zu entbürokratisieren. Bei der Einführung eines solchen Systems zur Betrugsbekämpfung müssen die Interessen der Unternehmen beachtet werden, da mit einem derartigen Meldesystem erhebliche Auswirkungen auf die Daten- und Zahlungsprozesse aller Unternehmen verbunden sein werden. Effizienzgewinne und Sicherheit zum Schutz der Daten der Unternehmen sind von zentraler Bedeutung. Insbesondere die Beibehaltung der privatwirtschaftlichen Rechnungserstellungsprogramme und eine ausfallsichere Gestaltung des Meldesystems müssen gewährleistet sein. Die Unternehmen erwarten außerdem Erleichterungen bei der Prüfung und Archivierung von Rechnungen und eine frühzeitige Einbindung der Unternehmen in den Entwicklungsprozess des elektronischen Meldesystems. Weiter muss die Einführung eines nationalen Systems mit der Weiterentwicklung europäischer Meldesysteme abgestimmt werden und auf seine Wirkung gegen die Betrugsanfälligkeit und Auswirkung auf die Unternehmen hinterfragt werden. Eine solches System sollte eine Win-Win-Situation für Finanzverwaltung und Unternehmen schaffen.

Zusammenfassung Die Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens und des Steuerrechts stärkt die Attraktivität des Industriestandorts Deutschland. Dazu schlägt der BDI folgende konkrete Maßnahmen vor: ▪

Vollständig digitales Besteuerungsverfahren ermöglichen: Digitale Steuerbescheide in strukturierter und maschinenlesbarer Form erstellen.

Digitalisierung der Betriebsprüfung vornehmen: Standardisierte Schnittstellen für den Datenaustausch einsetzen und digitale Kommunikation zwischen Unternehmen und Finanzverwaltung umsetzen.

Digitalisierung im Gesetzgebungsprozess von Anfang an mitdenken: „Digital-TÜV“ einführen, um die digitale Umsetzung von Steuernormen sicherzustellen.

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Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0 Registernummer: R000534 Redaktion Frau Dr. Monika Wünnemann Abteilungsleiterin Steuern und Finanzpolitik T: +49 30 2028-1507 m.wuennemann@bdi.eu Herr Cedric von der Hellen Stellv. Abteilungsleiter Steuern und Finanzpolitik T: +49 30 2028-1602 c.hellen@bdi.eu Herr Benjamin Koller Referent Steuern und Finanzpolitik T: +49 30 2028-1584 b.koller@bdi.eu BDI Dokumentennummer: D1500

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