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1. Förderung Investitionen in der gewerblichen Wirtschaft
Die (strukturschwachen) Regionen in Deutschland sind mit sehr unterschiedlichen Problemlagen konfrontiert. Einige haben wirtschaftliche Schwierigkeiten, andere leiden unter starker Abwanderung, wieder andere tragen eine hohe Schuldenlast. Es kann somit keine einheitliche Antwort auf die Herausforderungen vor Ort geben.
Grundsätzlich gilt es, Fördermöglichkeiten einfach und bürokratiearm zu gestalten. Gerade mittelständische Unternehmen haben meist sehr begrenzte Ressourcen. Angesichts des hohen Verwaltungsaufwands ausgeschriebener Projekte verlieren Förderprogramme an Attraktivität, was dazu führt, dass Vorhaben teilweise aufgegeben oder über Möglichkeiten jenseits der eigentlich vorgesehenen Unterstützung finanziert werden. Wir brauchen einheitliche Prüfverfahren und Regelwerke für alle Fördermittel. Antragsverfahren und Prüfverfahren sind auf ein zwingend notwendiges Maß zu begrenzen. Die Zahl der Prüfinstanzen ist zu verringern und deren Entscheide sollten sich gegenseitig anerkennen. Die Fristen der Aufbewahrung sind zu verkürzen und die Vorgänge komplett und medienbruchfrei zu digitalisieren.
1. Förderung Investitionen in der gewerblichen Wirtschaft
Eine übergeordnete Rolle bei der Transformation der Wirtschaft spielt die Frage nach dem Standort Deutschland. Für Unternehmen kann die traditionelle Standorttreue riskant werden, wenn z. B. mangelhafte oder gar fehlende Infrastrukturen – von Straße und Schiene bis zum digitalen Netz – sie im Standortwettbewerb benachteiligen. Gehen attraktive Arbeitsplätze und Steuereinnahmen in einer Region verloren, sind auch soziale Stabilität, gesellschaftlicher Zusammenhalt und politische Toleranz gefährdet.1
Es braucht einen verlässlichen Marktrahmen für die Transformation ganzer Industrien, damit richtige Weichen für den verstärkten Umstieg auf nachhaltige Technologien und resiliente Wertschöpfungsketten gestellt werden. Die Bewältigung großer Transformationsherausforderungen wird nur dann gelingen, wenn Wirtschaft und Wissenschaft, unterstützt von einer agilen Verwaltung, an einem Strang ziehen.
Gerade Mittelstand und Familienunternehmen bringen – oft seit Generationen und immer wieder neu – wettbewerbsfähige Produkte und attraktive
1 siehe BDI-Broschüre „Ländliche Räume stärken“, Oktober 2021, https://bdi.eu/publikation/news/laendliche-raeume-staerken/
Dienstleistungen auf den Markt. Damit das so bleibt, brauchen Unternehmen gezielt Raum für Ideen und deren Umsetzung. Hilfreich dafür ist, deren unternehmerische Kompetenz unkompliziert mit Start-ups und der Wissenschaft zusammenzubringen sowie einen möglichst effizienten und kostengünstigen Rechtsrahmen zu bieten.
Das nächste Jahrzehnt entscheidet über Deutschlands Vorreiterrolle im Bereich Modernisierung und Investitionen. Hierfür braucht es ein ambitioniertes Programm und einen Investitionsturbo für kommunale und überregionale Infrastruktur, für Bildung, für Wohnungsbau, zur Förderung der Transformation der Wirtschaft nach den Vorgaben des Klimaschutzgesetzes sowie für die Stärkung der digitalen Wettbewerbsfähigkeit und Souveränität. Ehrgeizige Investitionsprogramme laufen allerdings ins Leere, wenn Planungs- und Genehmigungsverfahren zu kompliziert und langwierig sind. Innovationen drohen aufgrund bürokratischer Hürden ins Ausland ausgelagert zu werden, weil Unternehmen dort bessere Bedingungen für rentable Investitionen finden. Um umfassende Reformen bei Verwaltung und Steuern kommt Deutschland daher nicht herum.
In einer Intensivierung von Forschung und Entwicklung liegt ein hohes Potenzial für die Stärkung der Leistungsfähigkeit der regionalen Wirtschaft. Die FuE-Intensität der Wirtschaft ist regional sehr unterschiedlich. Insbesondere Baden-Württemberg und Bayern, aber auch Hessen und Niedersachsen sind hier gut aufgestellt. Alle anderen Bundesländer, insbesondere Regionen in Ostdeutschland, liegen weit unter Bundesdurchschnitt. Damit Regionen nicht den Anschluss im Innovationsbereich verlieren, muss die Forschungsleistung in bislang noch innovationsschwachen Regionen deutlich gesteigert werden. Der Staat sollte die unternehmerische FuE und insbesondere technologieorientiere Neugründungen besonders fördern. Die Kooperation innovativer Startups mit etablierten Unternehmen (auch Nicht-KMU) bietet hier ein enormes Potenzial, um Innovationen voranzubringen. Und es gilt, die Investitionsförderung auch auf immaterielle Ressourcen (Weiterqualifikation, Software, Lizenzen/Nutzungsgebühren für Software etc.) zu erweitern und dabei Besonderheiten von Branchen und Produkten mit zu berücksichtigen.
Forschungsförderprogramme sollten künftig besser auf die Anforderungen der Unternehmen und ihrer Partner aus der Wissenschaft zugeschnitten werden. Die Industrielle Gemeinschaftsforschung (IGF), das Zentrale Innovationsprogramm für den Mittelstand (ZIM) und INNO-KOM haben sich in der Forschungsförderung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) bewährt. Diese zentralen Instrumente zur Erhöhung der Zahl innovativer
Unternehmen, zur Ausbildung eines praxisnah qualifizierten Ingenieursnachwuchses und zur stärkeren Kooperation von kleinen sowie mittelständischen Firmen mit der Wissenschaft sollten zudem einen erheblichen Mittelaufwuchs erfahren und weiterentwickelt werden. Neuerdings ergeben sich jedoch Einschränkungen bzw. Ausschlüsse für forschende kleine und mittelständische Unternehmen, die keine oder nicht ausreichende Umsätze erwirtschaften, um die Forschungsaufwendungen zu decken. Hintergrund sind die Regelungen zu „Unternehmen in Schwierigkeiten“, die zukünftig so eingegrenzt werden müssen, dass diese nicht die Beantragung von Förderungen behindern. Der Förderausschluss sollte insgesamt auf seine beabsichtigte Wirkung hin überprüft werden. Gerade die letzten zwei Jahre haben gezeigt, dass die Gründe für unternehmerische Schwierigkeiten nicht immer im Unternehmen selbst liegen.
Wichtig ist eine höhere Agilität in der Projektförderung – konkret eine schnellere Antragsbearbeitung, digitalisierte nutzerfreundliche Prozesse sowie die Fähigkeit, zügig passende Förderprogramme für neue Technologien zu etablieren, um den schnelleren Innovationszyklen in der Industrie gerecht zu werden.
Zur Stärkung lokaler und regionaler Kooperationen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft über Branchennetzwerke sowie Transfer- und Kompetenzzentren sollten Regionalförderung und Clusterwettbewerbe konsequent weiterentwickelt werden. In diesem Sinn kann künftig auch die durch die neue Bundesregierung geplante „Deutsche Agentur für Transfer und Innovation“ (DATI) eine wichtige Rolle in den Regionen spielen, indem sie regionale Ökosysteme aus Hochschulen, Ausgründungen und lokaler Wirtschaft anwendungsnah und industriegetrieben voranbringt. Diese Instrumente und Innovationsagenturen sollten in die Weiterentwicklung der GRW als wichtige Bausteine einer intra- und interregionalen Entwicklung eingebunden werden.
Der Transfer von Erkenntnissen aus der Wissenschaft, die Kommunikation zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft sowie das Finanzierungsökosystem für Unternehmenswachstum in FuE müssen weiter verbessert und ausgebaut werden. Neue strategische Kooperationen zwischen den Akteuren des Innovationssystems und kreative Formate der Zusammenarbeit sind dabei der Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit des Standorts. Der Staat sollte gezielt Freiräume schaffen und Öffnungsprozesse in Forschung und Innovation unterstützen. Hilfreich sind hierbei Reallabore, in denen Erkenntnisse aus der Forschung in die Anwendung gelangen und Anpassungen im Regulierungsrahmen erprobt und später implementiert werden können.
Dies muss auch außerhalb des engen Korsetts der Beihilferegelungen ermöglicht werden. Reallabore und Experimentierräume haben großes Potenzial und sollten fortlaufend eingerichtet werden. Das bereits vom BMWK in der letzten Legislaturperiode eingerichtete Netzwerk Reallabore sollte als BestPractice-Plattform dienen und kontinuierlich weiterentwickelt werden.
Technologieorientierte Gründungen sowie Technologieentwicklungen von industriestrategischer Bedeutung (u. a. die Batteriezellfertigung und medizinische Biotechnologie) sind ein wichtiger Erneuerungs- und Wachstumsmotor für Deutschland und zahlen gleichzeitig auf die Nachhaltigkeit ein. Es ist richtig, dass Bund und Länder ihre Förderung für die Vorgründungs- und Gründungsphase ausgebaut und die überfällige Reform des Körperschaftsteuergesetzes umgesetzt haben. Bislang ist es aber nicht ausreichend gelungen, den Markt für Wachstumskapital zu beleben. Der 10 Mrd. Euro Zukunftsfonds muss mutig vorangebracht werden, damit nicht immer mehr innovative Pioniere Deutschland den Rücken kehren. Das Programm sollte dabei auch stärker Innovationen in sogenannten Bestandsunternehmen vor allem im Verarbeitenden Gewerbe unterstützen. Der Fonds und die enthaltenen Maßnahmen müssen neben digitalen Themen auch die Bedürfnisse innovativer Unternehmen aller Branchen berücksichtigen, die bei langen Entwicklungszeiten einen hohen Kapitalbedarf haben.
Eine zentrale Ressource unseres Wissenschafts-und Innovationssystems sind gut ausgebildete Fachkräfte. Mittlerweile sind in jedem Flächenland Regionen von Fachkräftemangel betroffen. In Ostdeutschland ist diese Entwicklung am weitesten fortgeschritten. Dabei geht es zunehmend nicht mehr nur um Hochqualifizierte, sondern auch um Fachkräfte mit beruflicher Qualifizierung und, vorwiegend in Ostdeutschland, auch um fehlende Kompetenzen im Managementbereich, beispielsweise in der Akquise. Instrumente zur Stärkung des regionalen Ausbildungs- und Arbeitsmarktes sind vermehrt in den Blick zu nehmen, um (hoch)qualifizierte Arbeitskräfte auszubilden, zu halten und zu gewinnen. Gerade auch MINT-Fachkräfte sind für erfolgreiche Innovationsaktivitäten Voraussetzung. Aus regionaler Sicht zeigt sich, dass gerade in Ostdeutschland in den kommenden Jahren durch das altersbedingte Ausscheiden der älteren MINT-Beschäftigten aus dem Erwerbsleben ein hoher demografischer Ersatzbedarf entsteht. Heute trägt gerade im MINT-Bereich die hohe Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland zur Beschäftigungsdynamik bei. Allerdings ist gerade der Anteil ausländischer Beschäftigung in den MINT-Berufen in Ostdeutschland sehr niedrig. Damit die Regionen mehr von Zuwanderung profitieren, müssen sie gezielt Fachkräfte aus
dem Ausland ansprechen und für einen Zuzug gewinnen. Dafür müssen auch Visastellen und Ausländerbehörden personell und technisch auskömmlich ausgestattet sein. Zudem müssen moderne Bildungsmöglichkeiten – ob in Schule oder Berufsschule – flächendeckend und wohnortnah zur Verfügung stehen, um Abwanderung in Städte vorzubeugen und qualifizierte Fachkräfte in der Region zu binden. Orientieren sich Lehrangebote und Forschungsschwerpunkte auch an der lokalen Wirtschaftsstruktur, fördert das eine innovative und zukunftsorientierte Gestaltung der Region.
Weitere Vorschläge zur Diskussion
Um die GRW noch stärker auf die Transformation der Wirtschaftsstruktur auszurichten, wäre es förderlich, unternehmerische Investitionen, die transformationsrelevant sind, stärker zu berücksichtigen. Man könnte entweder eine bestimmte Quote der gesamten GRW-Mittel ausschließlich für Transformationsinvestitionen „reservieren“. Oder man setzt auf höhere Förderhöchstsätze für die einzelnen Kombinationen aus Fördergebiet/Unternehmensgröße immer dann, wenn es sich um Transformationsinvestitionen handelt (z. B. 20 % statt wie normalerweise 15 % bei einem großen Unternehmen in einem C-Fördergebiet (Fall A) oder 15 % nur für transformationsrelevante Investitionen und 10 % für nicht-transformationsrelevante Investitionen). Voraussetzung wäre, dass die EU-Leitlinien für Regionalbeihilfen diese höheren Förderhöchstsätze bzw. die Differenzierung der Förderhöchstsätze nach Transformationsrelevanz überhaupt zulassen. Zumindest sollte die Bundesregierung prüfen, welchen Spielraum diese EU-Leitlinien zulassen, um eine solche Bevorzugung von transformationsrelevanten Investitionen zu ermöglichen.
Die Branchenausschlüsse bei der Förderung sollten überprüft werden. Zum Beispiel ginge es bei dem bislang ausgeschlossenen Baugewerbe nicht um Förderung von Baustellen, sondern um die Produktivitätserhöhung der gesamten Branche angesichts von akuten und durchgängigen Herausforderungen, wie dem eklatanten Fachkräftemangel, der Digitalisierung, der Rohstoffverknappung, der Energieverteuerung und der CO2-Minderung. Die Förderung muss auch weiterhin auf die gewerbliche Wirtschaft ausgerichtet bleiben, aber gerade vor dem Hintergrund der Transformation sollte genau geprüft werden, welche neuen Branchen innerhalb der gewerblichen Wirtschaft entstehen und inwiefern diese auch einbezogen werden könnten.
Die Regelung des Kriteriums "überregionaler Absatz" sollte nicht abgeschafft, aber weiterentwickelt werden. Für einige Regionen und Branchen
erscheint die bisherige 50-km-Regel zu grob. Hier sollte ein eher produktbasierter Ansatz gewählt werden und vor allem für kleine Unternehmen im ländlichen Raum das 50-km-Erfordernis verkleinert werden. Mit Blick auf die Resilienz regionaler Wirtschaftskreisläufe und deren Nachhaltigkeit sollte darüber nachgedacht werden, auch Wertschöpfungsketten und Lieferkreisläufe in engeren Bezügen unterhalb 50 km zu fördern.
Der Ausschluss der Förderung von "gebrauchten Wirtschaftsgütern" und "beweglichen Wirtschaftsgütern" sollte überprüft und abgeschafft werden. Gerade für Unternehmen mit geringem Eigenkapital, wie sie heute vorrangig in Ostdeutschland noch typisch sind, stellen derartige Güter eine sinnvolle und betriebswirtschaftlich attraktive Alternative zu Neuanschaffungen dar.
Für viele KMU in strukturschwachen Regionen sind Investitionen in Höhe von 50 Tausend oder 80 Tausend Euro kaum zu stemmen. Hier sollte – natürlich oberhalb von Bagatellgrenzen – über niedrigere Mindestinvestitionshöhen nachgedacht und somit Investitionshürden gesenkt werden.
Politisch gewünschte Ziele und Effekte der GRW sollten nur mit einer Bonusregelung angereizt und nicht mit einer Malusregelung sanktioniert werden.
Die Förderung des Umbaus und der Reaktivierung von Konversionsflächen, um Gewerbeflächen im Bedarfsfall vorhalten zu können, ist weiterhin notwendig. Der nachzuweisende konkrete Bedarf ergibt sich zumeist aus dem zu schaffenden Flächenangebot für standortfördernde Ansiedlungen.
Die Größendefinitionen der KMU und die mögliche Beihilfe sollten regional flexibel den Erfordernissen angepasst werden. Gerade in Deutschland fallen viele mittelständisch strukturierte Unternehmen aus der KMU-Definition der EU heraus – weit mehr als im europäischen Durchschnitt. Die angedachte Kategorie „Mid Caps“ bietet einen guten Übergang zwischen KMU und Großunternehmen und könnte in der Förderung Anwendung finden.
Unternehmen vor Ort benötigen eine bessere Beratung und Hilfe bei der Förderung. Hier könnte die regionale Wirtschaftsförderung mit einer proaktiven Ansprache die Unternehmen vor Ort besser informieren und unterstützen. Eine umfassendeDigitalisierung auch derBeratungsleistungen wäre für viele Unternehmen von großem Vorteil.