Entwurf der Bundeskompensationsverordnung
Position
BDI zum Entwurf der Bundeskompensationsverordnung (BKompV)
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.
Stand: 11.10.2019 Seite 1 von 712
Entwurf der Bundeskompensationsverordnung
Einleitung Der BDI unterstützt den Erlass einer BKompV wie schon im Jahre 2013 und sieht eine Begrenzung auf bundesweite Vorhaben als guten ersten Schritt an, um eine Vereinheitlichung der Vorgaben zur Kompensation mit weiteren Konkretisierungen und länderübergreifenden Standards auf den Weg zu bringen. Die Intention der Bundesregierung mit den Regelungen zur BKompV Investitionsbedingungen zu verbessern, Verwaltungsverfahren zu beschleunigen und Planungs- und Rechtssicherheit privater wie öffentlicher Vorhaben zu erhöhen ist richtig und sinnvoll. Ausweislich des Anwendungsbereichs der VO und der Erläuterung in der Begründung beschränkt sich der Anwendungsbereich der Regelungen auf bestimmte bundesbehördlich zu genehmigende Vorhaben. Weite Teile der Industrie sind daher nicht unmittelbar betroffen. Die deutschen Industrieunternehmen haben jedoch weitreichende praktische Erfahrungen mit der Kompensation von Flächen im Rahmen der Eingriffsregelung. Wir möchten diese Erfahrung und unser Wissen nutzen, um die vorliegende Verordnung in einem Diskussionspapier zu bewerten und zu befördern. Die Erfahrungen mit der früheren BKompV zeigen auch, dass von einem solchen Entwurf eine starke Vorbildwirkung ausgeht. So haben verschiedene Länder trotz Scheitern der BKompV im Bundesrat einzelne Regelungen hieraus in ihr Länderrecht übernommen, bspw. das Land NRW in Bezug auf die Regelung einer Ersatzgeldzahlung bei Mast- oder Turmbauten (vgl. § 31 Abs. 5 LNatSchG NRW). Eine solche Vorbildwirkung kann erst recht von einer in Kraft getretenen VO ausgehen, auch wenn ihr Anwendungsbereich zunächst beschränkt ist. Auch diese mögliche, mittelbare Folgewirkung veranlasst uns dazu, den aktuellen Entwurf der BKompV zu bewerten. Es ist es möglich, dass diese Verordnung in absehbarer Zeit in ihrem Anwendungsbereich erweitert wird und auch auf Eingriffsvorhaben von Industrieunternehmen zur Anwendung kommt. Neue Instrumente wie die erhebliche Beeinträchtigung besonderer Schwere und die Einführung von neuen unbestimmten Rechtsbegriffen werden in der Praxis erprobt und bei einer Erweiterung der Verordnung auf ihren ursprünglichen, umfassenden Anwendungsbereich, also auch auf Industrieanlagen und Abbaustätten, angewandt. Es ist also für die deutsche Industrie bereits jetzt von großer Bedeutung, welche Regelungen in dem aktuellen, vom Anwendungsbereich her noch beschränkten, Verordnungsentwurf getroffen werden. Aus Sicht der deutschen Industrie gilt es daher folgende grundsätzliche Punkte zu diskutieren:
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1. Funktionaler Ansatz und Beeinträchtigung besonderer Schwere Die BKompV differenziert zwischen erheblichen Beeinträchtigungen mit und ohne besondere Schwere. Dieser Bewertungsschritt ist neu, und führt aus Sicht der deutschen Industrie nicht zu der gewünschten Planungs- und Rechtssicherheit. § 14 BNatSchG nimmt eine derartige Unterscheidung nicht vor. Wäre dies vom Gesetzgeber gewollt, hätte er bei der Novelle des BNatSchG im Jahre 2010 eine entsprechende Regelung angelegt. Die Verordnung soll auch in Umsetzung des Koalitionsvertrages vom 12.03.2018 (Rn. 6575-6579) zur Verringerung der Flächeninanspruchnahme beitragen, insbesondere von land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen. Der Ansatz der erheblichen Beeinträchtigungen mit und ohne besondere Schwere führt aus unserer Sicht zwangsläufig zu einer erhöhten Flächeninanspruchnahme. Kompensationsdefizite im Schutzgut Boden mit Beeinträchtigung besonderer Schwere werden wegen der erhöhten Anforderung im Vergleich zur bisherigen Praxis ein Vielfaches an Kompensationsbedarf auslösen. Der Eingriff in das Schutzgut Boden kann in vielen Bundesländern nicht oder nur unter unverhältnismäßig hohen Kosten durch Entsiegelungsmaßnahmen kompensiert werden. So wird die Kompensation stattdessen der Landwirtschaft weitere Flächen entziehen. Die fachliche Notwendigkeit dieser Regelung sollte daher intensiv diskutiert werden. Schon bisher erfolgt der Ausgleich nach Maßgabe der gesetzlichen Anforderungen in der Regel funktionsbezogen. Ein solcher Funktionsbezug ist selbstverständlich auch bei multifunktionalen und schutzgutübergreifenden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen möglich. Gegebenenfalls erkannten Missständen in der Praxis kann anders begegnet werden, als durch Einführung eines völlig neuen, nicht erprobten und voraussichtlich den Kompensationsbedarf insgesamt erhöhenden Bewertungsschrittes. Die Anwendung von § 7 führt darüber hinaus dazu, dass nicht mehr entsprechend dem geltenden Recht auf bevorratete Kompensationsmaßnahmen zurückgegriffen werden kann. Der Beschleunigungseffekt, welcher über die Einführung von Ökokonten erreicht wurde, würde durch das Verfahren nach § 7 aufgehoben. Es muss jedoch weiterhin die Möglichkeit bestehen, die bestmögliche (nicht immer isoliert funktionsspezifische) Kompensation zu wählen. Eine schutzgutübergreifende Kompensation muss weiterhin möglich bleiben. Selbst wenn eine funktionsspezifische Ausgleichsgestaltung bleiben soll, wäre es erforderlich den Umfang der Kompensationsleistung gegenüber den bisherigen nicht zu erhöhen. Eine Begrenzung könnte beispielsweise durch einen Deckel auf den errechneten Wert des Biotopverfahrens erreicht werden. Artenschutzrechtliche Maßnahmen bleiben unberührt.
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2. Unbestimmte Rechtsbegriffe Laut Gesetzgeber sollen die BKompV die Anforderungen im Rahmen der gesetzlich bestehenden Verpflichtungen zur Vermeidung und Kompensation von Beeinträchtigungen bei Eingriffen in Natur und Landschaft für Bundesvorhaben weiter konkretisiert und bundesweit standardisieren. Der Gesetzgeber will, dass wesentliche Schlüsselbegriffe sowohl des Tatbestands wie auch der Rechtsfolgenkaskade der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung für den Vollzug weiter ausgefüllt und konkretisiert werden. Deutschland besitzt mit den bestehenden und bewährten Regelungen zur Eingriffskompensation auf Länderebene eine gewachsene, gut funktionierende Grundlage für industrielle Tätigkeiten, die in der Vergangenheit kontinuierlich verbessert worden ist. Diese Regelungen sind auch für die Bewertung komplizierter Funktionsund Wirkungszusammenhänge geeignet. Für die meisten Bundesländer werden sich durch die BKompV neue Bewertungskriterien und Bewertungsschritte, die nicht der langjährig eingeübten Praxis entsprechen, ergeben. Wird die Verordnung auf die industriellen Anlagen ausgeweitet, entstehen Rechtsunsicherheit, aufgrund derer Genehmigungsverfahren stark in die Länge gezogen werden. Der vorliegende Verordnungsentwurf enthält eine Reihe undefinierter Begriffe und erfordert Bewertungen, die eine dimensionale Folgenabschätzung erschweren wie z. B. die Abgrenzung der Einwirkbereiche eines Vorhabens, Beeinträchtigungsfaktoren für die einzelnen Einwirkbereiche, die Einstufung von Funktionen in „gering, mäßig, hoch, sehr hoch, hervorragend“ und der Wirkungen in „gering, mittel, hoch“. Ein weiteres Beispiel ist die vom BMU vorgeschlagene Herangehensweise in § 3 Abs. 2 Satz 2: „Unzumutbare Alternativen“ werden durch wiederum auslegbare Begrifflichkeiten konkretisiert. Das ist nach unseren Erfahrungen wenig praxistauglich. Wir schlagen vor, dass Anwendungsempfehlungen und Beispiele zur Erläuterung und Konkretisierung dieser Rechtsbegriffe oder ein untergesetzliches Regelwerk unter Beteiligung der deutschen Industrie erarbeitet werden. 3. Verpflichtung zur Unterhaltung/ Pflege auf maximal 25 Jahre begrenzen Die derzeit gängige Praxis geht von einem Zeitraum zur Unterhaltung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen von 25 anstatt von 30 Jahren aus. Dies erscheint angemessen und sollte beibehalten werden.
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4. § 16 BKompV: Inkrafttreten Der BDI unterstützt insbesondere die Deutsche Bahn in der Forderung, die Übergangsvorschriften zu erweitern. Es sollte eine mindestens einjährige Übergangsfrist ab Verordnungsinkrafttreten eingeführt werden. Ein Inkrafttreten am Tag nach der Verkündung der BKompV ist unpraktikabel, da die Länder die Kompatibilität des Ökokontos (bzw. der gesamten Eingriffsregelung) herstellen müssen. Die Anerkennung und Bewertung von Ökokonto-Maßnahmen richten sich nach Landesrecht. 5. Bewertung der nach Landesrecht anerkannten Ökokontomaßnahmen nicht eindeutig Es ist für die Unternehmen der deutschen Industrie nach den Regelungen der BKompV nicht eindeutig, wie die nach Landesrecht bewerteten und anerkannten Ökokontomaßnahmen genutzt werden könnten, um Eingriffe nach BKompV zu kompensieren. Es existieren unterschiedliche Bewertungsskalen. Es wäre aus unserer Sicht sinnvoll ein einheitliches Umrechnungsmodell zu erstellen und zu klären, wer für die Umrechnung zuständig ist. Die gefundene Regelung in § 2 Abs. 5 i.V.m. § 15 Abs. 3 BKompV ist aus unserer Sicht missverständlich und verbesserungsbedürftig. Denn die Übergangsregelung bezieht sich nur auf vor Inkrafttreten der BKompV von Landesbehörden anerkannte Ökokontomaßnahmen. Es müssen aber auch die nach Inkrafttreten der BKompV neu nach Landesrecht anerkannten Ökokonten nutzbar sein. Die Formulierung in § 2 Abs. 5 erweckt in der jetzigen Formulierung den Eindruck, dass grundsätzlich eine Anerkennung und Zuordnung nur erfolgen kann, wenn die Anforderungen der BKompV (§§ 8, 9) eingehalten sind. 6. § 2 Abs. 4 und Abs. 5 BKompV: Die Sollvorschriften der Absätze 4 und 5 sind in Kannvorschriften zu überführen. Der Einsatz multifunktionaler Maßnahmen und die verstärkte Inanspruchnahme von Flächenpools und Ökokonten können aus Sicht des BDI nur dann optimal im Interesse des Naturschutzes sein, wenn die Ermessensentscheidung der Behörde durch eine „kann“-Vorschrift flexibler ausgestaltet wird. Die Sollvorschrift führt in der Praxis dazu, dass die Behörde ihre Entscheidung als Ausnahme begründen muss. Die Flexibilität der Behörde wird dadurch zu stark eingeschränkt. Auf alternative Konzepte, Ökokonten, Pflegemaßnahmen und rotierende Bewirtschaftungsmaßnahmen sollte ohne Einschränkung zur Kompensation von Eingriffen zurückgegriffen werden können.
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7. § 8 Abs. 1 BKompV Ausgleich auch im benachbarten Naturraum zulassen Nach der jetzigen Vorschrift wird eine erhebliche Beeinträchtigung nur ausgeglichen, wenn im „betroffenen“ Naturraum eine Aufwertung erfolgt. Flexibler und handhabbarer wäre es, wenn der Vorhabenträger nicht nur im tatsächlich betroffenen, sondern auch in der unmittelbaren Nähe des betroffenen Naturraums ausgleichen dürfte. Liegt beispielsweise ein Vorhaben und die damit verbundene Beeinträchtigung an der Grenze eines Naturraums, kann ein Ausgleich nicht im sich angrenzenden Naturraum erfolgen. In der Regel grenzen Naturräume direkt an andere an, siehe Anlage 4 BKompV. Bereits unter Naturschutzgesichtspunkten wäre es sinnvoller auch in dem von der erheblichen Beeinträchtigung nicht betroffenen Naturraum die Fauna und Flora aufwerten zu dürfen, wenn sich dieser in unmittelbarer Nähe – also angrenzend – befindet. Starr vorgegebene Naturraumgrenzen sollten nicht die für die Umwelt sehr wertvolle Aufwertung beschränken. 8. § 13 Abs. 2 neu einfügen: „Der Rückbau von Anlagen ist als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahme anzuerkennen.“ Unbestreitbare positive Wirkungen auf Naturhaushalt und Landschaftsbild sind anzuerkennen, um einen adäquaten Anreiz derartiger Rückbaumaßnahmen zu schaffen. 9. Zu Anlage 1: Bestandserfassung und -bewertung weiterer Schutzgüter und Funktionen – Landschaftsbild Generell misst die Verordnung dem Landschaftsbild einen hohen Stellenwert zu. Folglich können die Regelungen zu nicht unerheblichen Mehrbelastungen bei der Genehmigung von Vorhaben führen. Grundsätzlich ist deshalb die Höhe der Kostensätze für die Ersatzzahlung von erheblicher Bedeutung. Es sollte daher auf die Verhältnismäßigkeit der Kostensätze geachtet werden. Dem trägt § 14 Rechnung. In den Zeilen zu den „Landschaftsbild-Funktionen“ wurde in den Spalten „Bewertungsrahmen“ folgender Satz aus dem BKompV-Entwurf 2013 gestrichen: „Bei der Bewertung ist die Vorprägung durch technische Infrastruktur wertmindernd zu berücksichtigen.“ Dieser Satz sollte wieder aufgenommen werden. Denn Landschaften mit einer technischen Vorprägung sind aus unserer Sicht in ihrem Wert anders zu bewerten als Landschaften ohne eine solche Vorprägung. Dies sollte sich in der Bewertung niederschlagen.
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