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Vorschläge zur Vereinfachung des Ertragsteuerrechts Zehn Vorschläge für eine strukturelle Verbesserung der Ertragsbesteuerung .
September 2023 Einleitung Attraktive steuerliche Rahmenbedingungen sind ein wesentlicher Standortfaktor für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Hierzu zählt nicht nur die Höhe der Steuerbelastung, sondern auch ein modernes Unternehmensteuerrecht, durch das Investitionen und Beschäftigung in Deutschland unterstützt werden. Das geltende Ertragsteuerrecht enthält jedoch zahlreiche steuerpolitische Hemmnisse für die Stammhäuser der deutschen Unternehmen. Dadurch werden wesentliche übliche und betriebswirtschaftlich notwendige Funktionen wie Umstrukturierungen, Investitionen und deren Finanzierung behindert. Angesichts einer Zunahme des Standortwettbewerbs (z.B. US Inflation Reduction Act), der notwendigen Transformation der Wirtschaft und der instabilen internationalen Rahmenbedingungen ist eine Modernisierung der Unternehmensteuern durch die Beseitigung dieser Mängel dringend geboten. Dabei geht es hier nicht allein um eine Senkung der Steuerbelastung der Unternehmen, sondern um eine Nachbesserung einzelner Regelungen vor dem Hintergrund des Bürokratieabbaus und zur Herstellung von steuersystematischer Konsistenz. Durch eine gesetzliche Nachbesserung dieser Vorschriften kann die Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltige Ertragskraft der Unternehmen durch kleine Schritte ohne nennenswerte Aufkommenswirkung stabilisiert werden. Gemeinsam mit Unternehmensvertretern haben wir steuerrechtliche Regelungen identifiziert, die in der konkreten Unternehmenspraxis unnötigen Zeitaufwand darstellen und dazu beitragen, zukünftige Investitionsentscheidungen zugunsten des Standorts Deutschland zu verhindern Mit diesen Vorschlägen würde der Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt signifikant gestärkt und die steuerlichen Rahmenbedingungen für die Unternehmen verbessert werden. Die nachstehenden Beispiele sollen verdeutlichen, dass die betroffenen Normen aufgrund ihrer überschießenden Tendenz zu Doppelbesteuerung führen können. Sie treffen aufgrund der vorgenommenen Typisierung häufig Sachverhalte, die keine Steuervermeidung zum Ziel haben und stellen für deutsche Stammhäuser steuerliche Hindernisse auf.
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Vorschläge zur Vereinfachung des Ertragsteuerrechts
Inhaltsverzeichnis Vorschläge zum Bürokratieabbau ..................................................................................................... 3 1.
Verzicht auf den formalen Ergebnisabführungsvertrag .......................................................... 3
2.
Erweiterung der Freistellung von Kapitalertragsteuer nach § 43b EStG .............................. 3
3.
Freistellungsverfahren nach § 50c EStG .................................................................................. 4
4.
Einlagenrückgewähr von ausländischen Tochtergesellschaften .......................................... 5
5.
Anpassung der Niedrigsteuergrenze an globale Mindeststeuer ............................................ 7
6.
Motivtest im Steueroasenabwehrgesetz ................................................................................... 8
Steuersystematisch gebotene Vorschläge ....................................................................................... 9 7.
Korrespondenzprinzip bei der Steuerfreistellung von Gewinnausschüttungen .................. 9
8.
Abzugsverbot für Währungskursverluste aus Gesellschafterdarlehen für Altfälle ........... 10
9.
Steuerabzug bei Softwareauftragsentwicklung (Total-Buy Out) .......................................... 10
10. Grundstückszurechnung in der Beteiligungskette ................................................................ 11 Über den BDI ...................................................................................................................................... 13 Impressum ......................................................................................................................................... 13
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Vorschläge zur Vereinfachung des Ertragsteuerrechts
Vorschläge zum Bürokratieabbau 1. Verzicht auf den formalen Ergebnisabführungsvertrag Zu den formalen Anforderungen an eine ertragsteuerliche Organschaft gehört nach § 14 Abs. 1 KStG zwingend auch ein zivilrechtlich wirksam abgeschlossener Gewinnabführungsvertrag (§§ 291 ff AktG). Aufgrund der sich daraus ergebenden formalen Hürden und möglichen zeitlichen Organschaftslücken führen die zivilrechtlichen Regelungen des AktG zum Gewinnabführungsvertrag regelmäßig zu Streitfällen mit der Finanzverwaltung.1 Die Auslegungen des BFH und der Finanzverwaltung erhöhen dabei zunehmend die formalen, zivilrechtlichen Anforderungen an die Gewinnabführungsverträge einer steuerlichen Organschaft.2 Damit drohen viele abgeschlossene und steuerlich durchgeführte Organschaften im Rahmen einer Betriebsprüfung versagt zu werden. Mit dieser engen formalen Verknüpfung des Gewinnabführungsvertrages an das Zivilrecht befindet sich das deutsche KStG im internationalen Vergleich der Gruppenbesteuerung mittlerweile auf einem Alleingang und erweist sich damit als wesentlicher Standort- und Wettbewerbsnachteil. Zusätzlich entfällt mit der neueren Rechtsprechung des EuGH und BFH zu (der Nichtexistenz) finaler Verluste auch das Argument, der Ergebnisabführungsvertrag sei als Schranke erforderlich, um den grenzüberschreitenden Transport ausländischer Verluste ins Inland zu verhindern.3 Lösungsvorschlag: Auf den Abschluss eines (formalen) Ergebnisabführungsvertrags sollte verzichtet werden und stattdessen ein gemeinsamer Antrag der Unternehmen der Organschaft mit Bindung für fünf Jahre ausreichend für die ertragsteuerliche Anerkennung der Organschaft sein. Bei der Formulierung einer Neuregelung sollten mögliche wichtige Gründe für eine unschädliche Kündigung vor Ablauf der 5-Jahresfrist übernommen werden.
2. Erweiterung der Freistellung von Kapitalertragsteuer nach § 43b EStG Die Regelungen zu den sog. „vororganschaftlichen Mehrabführungen“ in § 14 Abs. 3 KStG führen dazu, dass trotz Bestehens einer ertragsteuerlichen Organschaft diese vororganschaftlichen Mehrabführungen der Organgesellschaften wie Ausschüttungen zu behandeln sind, die dem Kapitalertragsteuerabzug nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG unterliegen, sobald die Jahresabschlüsse der Organgesellschaften durch die jeweiligen Gesellschafterversammlungen festgestellt worden sind. Dies bedingt eine Zahlungsverpflichtung der Organträgerin, die bei großen Konzernen regelmäßig in hoher zweistelliger Millionensumme liegt. Außerdem sind für jede Organgesellschaft Kapitalertragsteueranmeldungen zu fertigen, die seitens der Finanzverwaltung administriert werden müssen. Die Organgesellschaften fertigen darüber hinaus Steuerbescheinigungen für ihre Organträgerin an, mittels der die gezahlte Kapitalertragsteuer auf deren Körperschaftsteuerschuld angerechnet wird. Diese sind im Rahmen des Besteuerungsverfahrens vom Finanzamt zu prüfen. Dieses Verfahren führt neben dem hohen verwaltungsintensiven Aufwand auf Seiten der Unternehmen und der Finanzverwaltung auch zu einer zumindest temporären hohen Liquiditätsbelastung der Organschaften, die in der derzeitigen
1 Vgl. u. a. Kaeser in Beihefter zu DStR 30 2010, 56, Scheifele/Marx, DStR 2014, 1793. 2 Vgl. u. a. BFH-Urteil vom 19. Oktober 2020 (I B 20/20), BFH-Urteil vom 10. Mai 2017 (I R 93/15); BFH-Urteil vom
23. August 2017 (I R 80/15), BFH-Urteil vom 30. Juli 1997 (I R 7/97). 3 EuGH-Urteil vom 22. September 2022, C‑538/20 sowie BFH-Urteil vom 22. Februar 2023, I R 32/18.
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makroökonomischen Situation des Zinsanstiegs auch zunehmend zu einer signifikanten Belastung des Finanzergebnisses führt. Um die möglichst frühzeitige Entlastung der Organschaft davon zu erreichen, muss zeitnah nach der Abführung der Kapitalertragsteuer an die Finanzverwaltung, eine Körperschaftsteuererklärung durch die Organträgerin gefertigt werden, die trotz Beachtung der gebotenen Sorgfaltspflicht regelmäßig vorläufigen Charakter hat. Diese erste Erklärung führt nach Veranlagung durch die Finanzverwaltung zu einer 95-prozentigen Erstattung der gezahlten Kapitalertragsteuer. Die Körperschaftsteuererklärung ist gem. § 153a AO unverzüglich zu ändern, sobald steuerbeeinflussende Erkenntnisse gewonnen werden, die im Rahmen der Erstanfertigung nicht berücksichtigt werden konnten. Das führt erneut zu Verwaltungsaufwand auf Seiten der steuerpflichtigen Unternehmen und auf Seiten der Finanzverwaltung. Das alles wäre durch eine Anpassung des bereits geltenden Freistellungsverfahrens deutlich einfacher zu gestalten. Das Einkommensteuerrecht kennt in §§ 43b, 50c Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG für Muttergesellschaften, die ihren Sitz im EU-Ausland haben, das antragsgebundene Freistellungsverfahren von der Pflicht zur Erhebung von Kapitalertragsteuer auf Ausschüttungen ihrer im deutschen Inland ansässigen Tochtergesellschaften. Reine Inlandssachverhalte sind von der direkten Anwendung dieses Freistellungsverfahrens jedoch ausgeschlossen. Die Möglichkeiten zur Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug nach § 44a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG besteht nicht in Fällen von vororganschaftlichen Mehrabführungen und ist auch gem. § 44a Abs. 5 Satz 1 EStG nur in „dauerdefizitären“ Fällen eröffnet, bei denen die Kapitalertragsteuer bei der Organträgerin aufgrund der Art ihrer Geschäfte „auf Dauer höher wäre als die gesamte festzusetzende Körperschaftsteuer“. Das ist nur in Fällen gegeben, in denen die Muttergesellschaft als reine „Finanzholding“ kein eigenes zu versteuerndes Einkommen erzielt. Dies ist bei einer Organträgerin wegen der Ergebnisabführung durch die Organgesellschaften praktisch nie der Fall. Lösungsvorschlag: Die Erweiterung des Freistellungsverfahrens gemäß § 43b EStG auch auf reine Inlandssachverhalte beseitigt zum einen eine mögliche Inländerdiskriminierung (Art 18 Abs. 1 AEUV), zum anderen führt es auch zu einer deutlichen Vereinfachung der Verwaltungsabläufe auf Seiten der betroffenen Unternehmen und auch der Finanzverwaltung. Damit würden nicht nur die Deklarations- und Prüfungstätigkeiten beiderseits entfallen, sondern auch die Administrierung des Zahlungsverkehrs.
3. Freistellungsverfahren nach § 50c EStG Das Steuerabzugsverfahren (§ 50a EStG) ist unnötig komplex und verursacht unverhältnismäßigen Aufwand in der Unternehmenspraxis. Unternehmen müssen selbst dann ein Freistellungsverfahren beim BZSt beantragen, wenn ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht. Der Antrag erfordert zahlreiche Nachweise, darunter umfangreiche Vertragsübersetzungen und zusätzliche Unterlagen für die teils sehr umfangreiche Missbrauchsprüfung. Die Bearbeitungszeiten sind lang und jeder Lizenzpartner muss einen separaten Antrag stellen, bei dem seine Entlastungsberechtigung in einem zeitaufwendigen Verfahren geprüft wird. Die Nachweisanforderungen sind zudem uneinheitlich und erschweren den Prozess zusätzlich. Die Bearbeitungsdauer von Freistellungsanträgen ist zwar gesetzlich kodifiziert und soll nicht länger als drei Monate nach vollständigem Antragseingang in Anspruch nehmen. In der Realität wird diese Frist nur in den seltensten Fällen eingehalten. Hierbei sind Verfahren bekannt, die über neun oder gar über zwölf Monate hinaus nicht beschieden wurden. Eine schnelle und reibungslose Abwicklung ist entscheidend, da die Freistellungsbescheinigung erst ab Antragstellung
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gilt. Die Gültigkeitsdauer von drei Jahren liegt im Ermessen des BZSt, während die frühere Mindestgültigkeitsdauer von einem Jahr entfallen ist. Diese Umstände führen zu erheblichen Verzögerungen und Unsicherheiten für Unternehmen und belasten deren Geschäftsabläufe. Für die ausländischen Lizenzgeber ist das deutsche Freistellungsverfahren unverständlich und nur schwer vermittelbar. Die Hürde für eine Freistellung vom Quellensteuerabzug ist im internationalen Vergleich in Deutschland überaus hoch und unverhältnismäßig komplex. Dies stößt zunehmend auf Unverständnis bei den ausländischen Lizenzgebern, die bei entsprechender Verhandlungsmacht deshalb versuchen, die Quellensteuer vertraglich auf den inländischen Lizenznehmer abzuwälzen. Hieraus ergibt sich ein Wettbewerbsnachteil für die deutschen Unternehmen. Die Freistellungsbescheinigung muss ihren Wert als rechtssicheres Instrument für die deutschen Unternehmen wiedererlangen. Es sollte wie vor der Novelle durch das AbzStEntModG für den Verzicht auf den Quellensteuereinbehalt ausreichend sein, dass das BZSt den Antrag prüft und die Freistellungsbescheinigung ausstellt. Die den Unternehmen vorgelegte Freistellungsbescheinigung muss ausreichend sein für die Frage, ob ein rechtssicherer Verzicht auf den Steuereinbehalt vorgenommen werden kann. Durch kürzere Bearbeitungszeiten und ein vereinfachtes Verfahren können Ressourcen eingespart und sowohl Unternehmen als auch die Finanzverwaltung administrativ entlastet werden. Lösungsvorschlag: Das Erstattungs- und Freistellungsverfahren (§§ 50a, 50c EStG) ist nicht praktikabel, zu komplex und sollte umfassend reformiert werden und eine vorgelegte Freistellungsbescheinigung sollte umfassenden Haftungsschutz bieten. Zur Vereinfachung des Verfahrens sollten die Nachweispflichten reduziert und ein Identifikationsverfahren eingeführt werden. Zudem sollte eine hohe Freigrenze (mindestens 100.000 Euro) für alle DBA-Fälle mit einem Quellensteuersatz von 0 Prozent und eine Mindestgeltungsdauer von drei Jahren eingeführt, eine rückwirkende Erteilung von Freistellungsbescheinigungen und eine Dauerfristverlängerung ermöglicht sowie die Prozesse durch eine Digitalisierung verbessert werden.
4. Einlagenrückgewähr von ausländischen Tochtergesellschaften Die Vorschrift des § 27 Abs. 8 KStG soll es Gesellschaftern von im Ausland ansässigen Kapitalgesellschaften auf Antrag ermöglichen, Gewinnausschüttungen vollständig oder teilweise als steuerneutrale Einlagenrückgewähr und nicht als steuerpflichtigen Beteiligungsertrag zu vereinnahmen, obwohl sie mangels unbeschränkter Körperschaftsteuerpflicht im Inland kein Einlagekonto i. S. d. § 27 KStG führen müssen. Auf Antrag des Gesellschafters ist zu diesem Zweck durch die zuständige Finanzbehörde (i. d. R. das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt)) derjenige Betrag als Einlagenrückgewähr festzustellen, der sich unter Anwendung von §§ 27 Abs. 1-6, 28 und 29 KStG, d. h. bei hypothetischer Führung eines Einlagekontos und Berücksichtigung aller Einlagen und Leistungen von Anfang an, als Einlagenrückgewähr ergeben hätte. In seiner derzeitigen rechtlichen Ausgestaltung und Praxis stellt das Antragsverfahren unverhältnismäßig hohe Hürden auf. So umfasst der Anforderungskatalog des BZSt 4 für den Zeitraum seit der erstmaligen Erbringung einer Einlage in die Gesellschaft u. a.:
4 Abrufbar unter https://www.bzst.de/SharedDocs/Downloads/DE/Einlagenrueckgewaehr_27_8_KStG/unterla-
genkatalog.pdf?__blob=publicationFile&v=12
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▪
Jahresabschlüsse nebst Überleitungsrechnung ins deutsche Steuerrecht;
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für die Jahre 1977 bis 2000 Entwicklung der Bestandteile des verwendbaren Eigenkapitals nach dem KStG a. F;
▪
für Jahre ab 2001: Entwicklung des Einlagekontos;
▪
Beschlüsse über Einlagen und Ausschüttungen;
▪
Zahlungsnachweise für Bareinlagen, Wertgutachten/-ermittlungen für Sacheinlagen.
Soweit Unterlagen/Nachweise nicht in deutscher Sprache vorliegen, sind zusätzlich Übersetzungen vorzulegen. Sofern die ausländische Gesellschaft nicht sehr jung ist oder nur eine äußerst überschaubare Geschäftstätigkeit ausübt, sind derartige Nachweisanforderungen in der Praxis kaum zu erfüllen. Dies führt dazu, dass die Einlagenrückgewähr nicht als steuerneutral anerkannt wird, sondern für den Gesellschafter als Gewinnausschüttung fingiert wird (vgl. § 27 Abs. 8 S. 9 KStG). Damit hat der Gesetzgeber den mit der Einführung des § 27 Abs. 8 KStG verfolgten Zweck, eine europarechtskonforme Rechtslage zu schaffen, bislang nicht erfüllt. Die Regelungen des § 27 Abs. 8 KStG gelten erst seit dem 1.1.2023 auch für Drittstaaten-Tochterkapitalgesellschaften. Zuvor hatte das BMF kurzfristig mit dem BMF-Schreiben vom 21. April 20225 auf die BFH-Rechtsprechung reagiert und die Anwendungsvorschriften für die Einlagenrückgewähr im Verhältnis zu Drittstaaten geklärt. Danach war es für Drittstaatengesellschaften ausreichend, die Höhe des ausschüttbaren Gewinns, das gezeichnete Kapital und die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen aus der ausländischen Handelsbilanz abzuleiten. Eine nach deutschem Recht aufgestellte Handelsbilanz sowie eine Überleitungsrechnung ins deutsche Steuerrecht waren nicht erforderlich und daraus mögliche Bilanzierungsunterschiede wurden gebilligt. Durch die Aufnahme der Drittstaaten-Fälle in § 27 Abs. 8 KStG sind diese bürokratischen Erleichterungen jedoch nicht länger anwendbar, sondern es gilt ebenfalls der oben beschriebene Anforderungskatalog. Neben dem Bürokratieaufwand hinsichtlich der notwendigen Unterlagen bestehen hohe administrative Hürden bei der Initiierung des Feststellungsverfahrens, da dieses nur von der ausländischen Gesellschaft beantragt werden darf. Der inländische Gesellschafter hingegen ist von der Geltendmachung der Einlagenrückgewähr ausgeschlossen, was insbesondere für Anteilseigner mit kleinen Anteilen ein Problem darstellt. Es muss daher auch dem inländischen Gesellschafter ermöglicht werden, den Antrag zur Einlagenrückgewähr zu stellen. Darüber hinaus drohen zusätzlich nachträgliche administrative Hürden. Die Änderbarkeit der Steuerbescheinigung bei Einlagenrückgewähr ist näher an der betrieblichen Realität zu orientieren. Zwecks Ermittlung, inwieweit die Leistung einer Körperschaft zur Minderung ihres Einlagekontos führt und beim Gesellschafter eine nicht steuerbare Einlagenrückgewähr vorliegt, muss die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos für Leistungen der Körperschaft an ihre Gesellschafter bescheinigt werden. Erweist sich der bescheinigte Betrag im Nachhinein als unzutreffend, sieht § 27 Abs. 5 KStG bei Bescheinigung eines überhöhten Betrags eine Anpassung der Rechtsfolgen (Minderung des Einlagenkontos, Abführung von Kapitalertragsteuer, Möglichkeit der Berichtigung der Steuerbescheinigung) an die im Nachhinein zutreffende Verwendung des Einlagekontos vor (§ 27 Abs. 5 S. 4-6 KStG). Wurde der Betrag des verwendeten Einlagekontos zu niedrig oder bis zum Erlass des Feststellungsbescheids für das Leistungsjahr gar nicht bescheinigt (Fiktion einer Nullverwendung), steht § 27 Abs. 5 S. 1-3 KStG hingegen einer Anpassung der Rechtsfolgen an die eigentlich zutreffende Verwendung des
5 BMF, Schreiben vom 21.04.2022 – IV C 2 S 2836/20/10001:002.
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Vorschläge zur Vereinfachung des Ertragsteuerrechts
Einlagekontos entgegen. Nach dieser Vorschrift wird die zu niedrige Verwendung festgeschrieben und die Berichtigung oder erstmalige Erteilung einer Bescheinigung i. S. d. § 27 Abs. 3 KStG ausgeschlossen. Hiervon betroffen sind vor allem Fälle, in denen es infolge einer Betriebsprüfung zu einer Verminderung des maßgeblichen ausschüttbaren Gewinns oder zu im (letztmöglichen) Zeitpunkt der Bescheinigungserteilung noch gar nicht bekannten Leistungen kommt (verdeckte Gewinnausschüttungen sowie – bei Organgesellschaften – Mehrabführungen i. S. d. § 14 Abs. 3 KStG). § 27 Abs. 5 S. 1-3 KStG führt zu unsachgerechten Besteuerungsergebnissen, die sich jedenfalls bei Leistungen innerhalb eines Konzerns durch einen nicht zu bewältigenden Aufwand der Finanzverwaltung für die Änderung von Steuerveranlagungen nicht rechtfertigen lassen. Lösungsvorschlag: Die erheblichen Nachweispflichten sind auf ein notwendiges Mindestmaß zu begrenzen. Insbesondere sollten mögliche Bilanzierungsunterschiede akzeptiert werden und, wie bereits im BMF-Schreiben vom 21.04.2022 gewährt, nach ausländischem Recht erstellte Handelsbilanzen ausreichen, um auf der Grundlage der Jahresabschlüsse der Gesellschaft Einlagen, Ausschüttungen und eine Einlagenrückgewähr zu ermitteln. Darüber hinaus muss auch der inländische Gesellschafter das Feststellungsverfahren anstoßen können. Zudem müssen insbesondere für Leistungen zwischen nahestehenden Unternehmen die Einschränkungen hinsichtlich der Berichtigung oder erstmaligen Erteilung einer Bescheinigung i. S. d. § 27 Abs. 3 KStG aufgehoben werden.
5. Anpassung der Niedrigsteuergrenze an globale Mindeststeuer Die Niedrigsteuergrenze der Hinzurechnungsbesteuerung (§ 8 AStG) in Höhe von 25 Prozent ist im Zuge der Einführung der Mindeststeuer in Deutschland weder zeitgemäß noch praktisch handhabbar. Der durchschnittliche nominale Steuersatz in den OECD-Mitgliedstaaten liegt mittlerweile überwiegend unterhalb der aktuellen Niedrigsteuergrenze. Die Niedrigsteuergrenze hat die Hinzurechnungsbesteuerung aufgrund des internationalen Steuergefälles daher zu einem Massenanwendungsgesetz werden lassen, anstelle der ursprünglich vorgesehenen Missbrauchsvermeidungsvorschrift für den Einzelfall. Für die Unternehmen resultieren daraus umfassende Erklärungspflichten mit hohem Bürokratieaufwand ohne nennenswertes Mehraufkommen, der auch auf Seiten der Finanzverwaltung begründet wird. Die fälschliche Annahme, dass Länder wie die USA eine Steuerbelastung von über 25 Prozent haben, ist unzutreffend und in der Praxis werden dadurch unnötige Erklärungspflichten begründet. Durch die geltende Niedrigbesteuerungsgrenze von 25 Prozent erfolgt außerdem eine höhere Besteuerung von ausländischen Beteiligungen gegenüber dem reinen Inlandsfall, weil eine Anrechnung ausländischer Steuern nur bis zur Höhe der Körperschaftsteuer (Steuersatz bei 15 Prozent) möglich ist und nicht noch auf die Gewerbesteuer, obwohl diese zusätzlich anfällt. Gegenwärtig sehen sich deutsche Industrieunternehmen vor der Aufgabe, zusätzliche (Steuer-)Erklärungen im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung abzugeben, für Gesellschaften, die nicht unter Missbrauchsverdacht stehen und weit über den international akzeptierten 15 Prozent Mindeststeuersatz liegen. Lösungsvorschlag: Wie im Regierungsentwurf zur Mindeststeuer (Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz) vorgesehen muss die Niedrigsteuergrenze dringend auf den globalen Mindeststeuersatz von 15 Prozent angeglichen werden, um die deutschen Unternehmen von dem hohen bürokratischen Mehraufwand zu entlasten. Im Ergebnis wird hierdurch keine Senkung der Steuerbelastung der Unternehmen,
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sondern primär ein Bürokratieabbau vorgenommen. Für Unternehmen, die der globalen Mindeststeuer unterfallen, sollte unseres Erachtens das AStG insgesamt nicht zur Anwendung kommen.
6. Motivtest im Steueroasenabwehrgesetz Seit dem 1.1.2022 müssen inländische Vergütungsschuldner bei Geschäftsbeziehungen in oder mit Bezug zu nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten das neue Steueroasenabwehrgesetz (StAbwG) beachten. Das StAbwG entstammt einer Empfehlung der EU-Kommission zur Unterbindung von schädlichen Wirtschaftsbeziehungen mit Steueroasen. Die EU-Kommission hatte damals vier Maßnahmen vorgestellt und den Mitgliedsstaaten empfohlen, zwei dieser Maßnahmen einzuführen. Deutschland hat als einziger Mitgliedsstaat alle Maßnahmen (mit zeitlich versetzter Wirkung) eingeführt: ▪
Verbot des Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzugs (§ 8 StAbwG)
▪
Verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung (§ 9 StAbwG)
▪
Quellensteuermaßnahmen (§ 10 StAbwG)
▪
Maßnahmen bei Gewinnausschüttungen und Anteilsveräußerungen (§ 11 StAbwG)
Diese Maßnahmen differenzieren aber nicht zwischen missbräuchlichen Steuergestaltungen und realwirtschaftlichen Tätigkeiten. Bereits seit 2022 sind die erweiterten Quellensteuerpflichten des § 10 StAbwG zu beachten. Der deutschen Quellensteuer unterliegen nunmehr auch Einkünfte aus Finanzierungsbeziehungen (v. a. Darlehenszinsen), Versicherungs- oder Rückversicherungsleistungen, Dienstleistungen und dem Handel mit Waren oder Dienstleistungen in Staaten, die auf der „EU Black List“ stehen. Voraussetzung dafür ist zusätzlich, dass die genannten Einkünfte auch im Inland besteuert würden, wenn ein Inländer sie erzielt hätte. Die Quellensteuer beträgt 15 Prozent und ist vom Vergütungsschuldner nach Maßgabe des § 50a EStG einzubehalten. Die deutsche Industrie exportiert nicht nur Waren weltweit, sondern ist auch mit vielen realwirtschaftlichen Tätigkeiten vor Ort in aller Welt tätig. So sind viele deutsche Unternehmen in den Bereichen des infrastrukturellen Ausbaus weltweit führend und engagieren sich wirtschaftlich vor Ort. Häufig sind dies Projekte, die ihrer Natur nach unter hohem Aufwand im ausländischen Zielland stattfinden, z. B. Infrastrukturausbau (Strom, Wärme, Straßen, Schienen- und Tunnel-Systeme etc.). Darüber hinaus sind viele weitere Unternehmen entweder entlang der Wertschöpfungskette mittelbar betroffen, aber auch unmittelbar, wenn sie Dienstleistungen zur Unterstützung ihrer realwirtschaftlichen Aktivitäten in diesen Staaten in Anspruch nehmen. Besonders evident ist dies im Verhältnis zum Panamakanal, auf dessen Nutzung die Industrie angewiesen ist. Bereits die bloße Nutzung des Panamakanals kann die schwerwiegenden Rechtsfolgen des StAbwG auslösen. Die erweiterte Quellensteuerpflicht nach § 10 StAbwG verschärft den Wettbewerb zu Lasten der deutschen Unternehmen bereits heute, belastet den inländischen Unternehmer zusätzlich und verstärkt damit den ohnehin hohen Wettbewerbsdruck. Dies ist zum einen rechtsdogmatisch als ausufernde Ausweitung der (beschränkten) Steuerpflicht abzulehnen, zum anderen führt dies für die deutschen Unternehmen zu einer erheblichen Kostenerhöhung für Projekte in den betroffenen Staaten. Sie beeinträchtigt damit die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und auch das künftige internationale Projektgeschäft im Allgemeinen massiv bei einer Erweiterung bzw. Anpassung der Liste nicht kooperativer Steuerhoheitsgebiete. Die extraterritoriale (Quellen-)Besteuerung Deutschlands ist den Geschäftspartnern nicht zu vermitteln und wird daher nicht akzeptiert werden, weshalb die Steuer letztlich vom inländischen Unternehmen wirtschaftlich zu tragen ist. Gleichwohl folgt dem der erheblich erweiterte Mitwirkungs- und Dokumentationsaufwand in § 12 StAbwG.
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Lösungsvorschlag: Das StAbwG sollte auf missbräuchliche Vorgänge beschränkt werden. Es ist unklar, weshalb das StAbwG keinen Motiv- bzw. Substanztest vorsieht, um unbillige Härten abzufedern. Der BDI setzt sich daher dafür ein, realwirtschaftliche Vorgänge aus dem Anwendungsbereich auszugrenzen. Dies sollte vor allem im Hinblick auf die künftige weitere Verschärfung der Maßnahmen durch das Inkrafttreten des Betriebsausgabenabzugsverbot und der weiteren Vorschriften zügig erfolgen. Eine rechtssichere Anpassung des gesetzlichen Rahmens um einen Motiv- bzw. Substanztest ist daher zu begrüßen. Zumindest muss die Finanzverwaltung in einem BMF-Schreiben klarstellen, dass echte wirtschaftliche Aktivität nicht in den Anwendungsbereich des StAbwG fällt.
Steuersystematisch gebotene Vorschläge 7. Korrespondenzprinzip bei der Steuerfreistellung von Gewinnausschüttungen Eine überschießende Missbrauchsverhinderung bewirkt das Korrespondenzprinzip des § 8b Abs. 1 S. 2-4 KStG in Fällen von Vermögensübertragungen zwischen ausländischen Konzern(tochter)gesellschaften eines deutschen Konzerns, die zu einem Wert unterhalb des Marktwertes erfolgen:
Vermögensübertragung zwischen ausländischen Tochtergesellschaften in Milliarden Euro
MG
TG 1
TG 2
Ansatz des WG zum Buchwert
Verkauf unterhalb des Marktwertes/ Umwandlung
Quelle: BDI
Anlass für die grundsätzliche Anwendung von § 8b Abs. 1 S. 2 KStG kann hierbei beispielsweise der Verkauf von Wirtschaftsgütern (WG) durch die Tochtergesellschaft 1 (TG 1) an die Tochtergesellschaft 2 (TG 2) zu einem Preis unterhalb des Marktwertes sein, wobei der marktunübliche Veräußerungspreis vom Ansässigkeitsstaat der TG 1 steuerrechtlich, aber auch tatsächlich nicht beanstandet und korrigiert wird. Nach deutschen steuerlichen Grundsätzen wäre hier bei der Muttergesellschaft (MG) eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) von TG 1 und eine verdeckte Einlage in die TG 2 anzunehmen.
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Soweit § 8b Abs. 1 S. 2 KStG neben Vermögensminderungen auch verhinderte Vermögensmehrungen erfasst, droht die Steuerbefreiung für die vGA bei der deutschen MG versagt zu werden. Eine Besteuerung der vGA würde aber zu einer u. E. ungerechtfertigten doppelten Besteuerung im Konzern führen. Denn wenn die TG 2 die WG unterhalb des Marktwertes anschafft, erzielt sie z. B. durch geringere Abschreibung ein höheres Einkommen, als wenn die Übertragung der WG zwischen TG 1 und TG 2 zum Marktwert erfolgt wäre. Die Rückausnahme in § 8b Abs. 1 S. 5 KStG, nach der S. 2 nicht gilt, soweit u. a. die verdeckte Gewinnausschüttung das Einkommen einer dem Steuerpflichtigen nahestehenden Person erhöht hat, trägt diesem Gedanken zwar grundsätzlich Rechnung. Nach dem Gesetzeswortlaut („erhöht hat“) ist jedoch strittig, ob auch Einkommenserhöhungen in späteren Jahren als dem Veranlagungszeitraum (VZ) des Zuflusses der vGA mit in den Blick genommen werden können und S. 5 demnach eine periodenübergreifende Betrachtung erlaubt. Lösungsvorschlag: Zum Zwecke eines rechtssicheren Ausschlusses einer Doppelbesteuerung in den dargestellten Dreiecksfällen regen wir an, § 8b Abs. 1 S. 5 KStG unter Berücksichtigung einer periodenübergreifenden Beurteilung zu ergänzen. Zudem muss sichergestellt werden, dass eine vGA unterbleibt, wenn nach ausländischem Recht auch eine Veräußerung zum Marktpreis zu keiner steuerlichen Belastung bei TG 1 geführt hätte.
8. Abzugsverbot für Währungskursverluste aus Gesellschafterdarlehen für Altfälle In den vergangenen Jahren wurde von den Unternehmen immer wieder die überschießende Wirkung durch das Abzugsverbot des § 8b Abs. 3 S. 4 ff KStG angeführt, insbesondere im Zusammenhang mit Wechselkursverlusten. Zwar wurde im Körperschaftsteuermodernisierungsgesetz (KöMoG) die Vorschrift des § 8b Abs. 3 S. 6 KStG neu eingeführt, wonach Währungskursverluste gerade nicht als Gewinnminderungen im Sinne der S. 4 und 5 gelten. Allerdings greift die Regelung nur für Währungskursverluste, die nach Inkrafttreten des KöMoGs am 1. Januar 2022 anfallen. Offenen Altfällen, die vor dem 31. Dezember 2021 angefallen sind, bleibt jedoch der Abzug weiterhin versagt. Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt. Die Abzugsfähigkeit von Währungskursverlusten für konzerninterne Darlehen, die den Fremdvergleichsgrundsätzen genügen, muss ebenso abzugsfähig sein wie wirtschaftlich äquivalente Währungskursverluste aus Darlehen an fremde Dritte. Die Abschaffung dieser systematischen Regelungslücke war daher sehr richtig, muss aber ebenso für offene Altfälle gelten. Lösungsvorschlag: Die Abzugsfähigkeit von Währungskursverlusten aus konzerninternen Darlehen (§ 8b Abs. 3 S. 6 KStG) sollte auch auf offene Altfälle vor dem 31.12.2021 ausgeweitet werden.
9. Steuerabzug bei Softwareauftragsentwicklung (Total-Buy Out) Zum Steuerabzug nach § 50a EStG bei Softwareauftragsentwicklung bestehen nach wie vor zahlreiche ungeklärte Fragen und offene Probleme in der Unternehmenspraxis. Das BMF-Schreiben vom 2. August 2022 stellt klar, dass ab dem 6. Juni 2021 alle Vergütungen für Softwareauftragsentwicklung und -erwerb, die dem Gläubiger zufließen, nicht mehr der Verpflichtung zum Steuerabzug gemäß § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG unterliegen, sofern dem Auftraggeber oder Erwerber umfassende, exklusive, uneingeschränkte und unwiderrufliche Nutzungsrechte gewährt werden. Eine positive Entwicklung
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Vorschläge zur Vereinfachung des Ertragsteuerrechts
gegenüber dem ursprünglichen Entwurf besteht darin, dass der Anwendungszeitraum nicht mehr allein auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses oder des Sachverhalts abzielt, sondern das Schreiben aus Gründen der Vereinfachung auf alle Vergütungen anwendbar ist, die nach diesem Zeitpunkt zufließen. Dadurch wird ab dem 6. Juni 2021 eine gewisse Rechtsklarheit und -sicherheit gewährleistet. Problematischer ist hingegen, dass Sachverhalte, die vor dem 7. Juni 2021 verwirklicht wurden (sog. „Altfälle“), nicht dem BMF-Schreiben unterliegen und somit im Umkehrschluss den Steuerabzugsvorschriften des § 50a EStG unterworfen werden. In der Praxis müssen die deutschen Unternehmen gem. § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG zunächst vollständig den Steuerabzug von der als Lizenzgebühr qualifizierten Entwicklungsvergütung vornehmen oder ein hochadministratives und langwieriges Freistellungsverfahren oder schlimmstenfalls ein langdauerndes Erstattungsprozedere durchlaufen, welches die Liquidität der Unternehmen massiv beeinträchtigt. Lösungsvorschlag: Sofern von einer Einordnung der Vergütungen für Softwareentwicklung in den Anwendungsbereich von § 50a EStG nicht Abstand genommen wird, plädieren wir zumindest für eine umfassende Vereinfachungsregelung für Altfälle, durch die eine Quellensteuerpflicht im Sinne einer Billigkeitslösung entfällt und von dem Erfordernis eines Freistellungsverfahrens gänzlich Abstand genommen wird. Hilfsweise schlagen wir eine Billigkeitslösung analog der Vereinfachungsregelung zu den Registerfällen vor. Mit dem BMF-Schreiben vom 11. Februar 2021 wurde eine Vereinfachungsregelung für den Steuerabzug bei Vergütungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten getroffen, die in ein inländisches Register eingetragen sind. Damit kann unter den Voraussetzungen der Ziffer I des vorgenannten Schreibens vom Steuerabzug abgesehen werden, wenn hierfür rückwirkend eine Freistellungsbescheinigung beantragt wird.
10. Grundstückszurechnung in der Beteiligungskette Rechtsunsicherheit und unverhältnismäßige Zusatzbelastungen entstehen auch durch die Ergänzungstatbestände bei der Grunderwerbsteuer (GrESt). Durch die steten Erweiterungen der Ersatztatbestände in den § 1 Abs. 2a, 2b, 3 und 3a GrEStG ist die Frage, wem ein Grundstück „gehört“, nicht mehr eindeutig zu beantworten. Die Zurechnung eines Grundstücks zu einer Gesellschaft ist jedoch bei Transaktionen entscheidend, um zu bestimmen, wer Schuldner der Grunderwerbsteuer ist. In den gleich lautenden Ländererlassen zu § 1 Abs. 2a und § 1 Abs. 2b findet sich jeweils in der Randziffer 7 die Aussage, dass § 1 Abs. 2a und § 1 Abs. 2b GrEStG gleichrangig zueinander sind und es kein Vorrang besteht. Ferner werden jeweils in Textziffer 3 der beiden Erlasse die von § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG erfassten Grundstücke bestimmt. Hiernach gehören zum Vermögen einer Personen- bzw. Kapitalgesellschaft die Grundstücke, die ihr grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen sind. Quelle: BDI
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Es kommt hiernach nicht auf das zivilrechtliche Eigentum oder die bewertungsrechtliche Zurechnung an. Nach den Erlassen gehört ein Grundstück der Gesellschaft, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Hierbei wird die Ansicht vertreten, dass es immer dann zu einer grunderwerbsteuerlichen Zurechnung des Grundstücks der Tochtergesellschaft bei der Muttergesellschaft kommt, wenn eine mindestens 90-prozentige Beteiligung einer Muttergesellschaft an der grundbesitzenden Tochtergesellschaft besteht. Die Muttergesellschaft ist somit fiktiv grundbesitzend. Im Ergebnis heißt diese Ansicht, dass im Falle der Übertragung der Anteile an der Muttergesellschaft demnach zwei Mal Grunderwerbsteuer durch einen Übertragungsvorgang ausgelöst wird: ▪
auf Ebene der Muttergesellschaft aufgrund unmittelbaren Gesellschafterwechsels und fiktiver Grundstückszurechnung sowie
▪
auf Ebene der Tochtergesellschaft aufgrund mittelbaren Gesellschafterwechsels und unmittelbaren Grundbesitzes.
Nach dieser Auffassung wäre somit eine doppelte Grunderwerbsteuerbelastung zu befürchten – wenn die Beteiligungskette noch tiefer gestaffelt wäre, wäre eine mehrfache Mehrbelastung denkbar. Der BFH hat zwar mit seinem Urteil vom 1. Dezember 2021 (II R 44/18) einige Klarstellungen zur Grundstückzurechnung getroffen, das Risiko einer mehrfachen Zurechnung muss jedoch für alle denkbaren Fälle ausgeschlossen werden Der Arbeitskreis Grunderwerbsteuer, bestehend aus Vertretern der Finanzverwaltung und Wissenschaft, hat ein grundlegendes Modernisierungsmodell für die Grunderwerbsteuer vorgeschlagen, mit dem zugleich die weiteren zahlreichen Schieflagen im geltenden Recht wieder in eine Ordnung gebracht werden und das Grunderwerbsteuerrecht insgesamt zukunftsfähig ausgestaltet wird.6 Dieses behebt auch die Problematik der Grundstückszurechnung in der Beteiligungskette und stellt eine dringend notwendige Gesamtreform des Grunderwerbsteuergesetztes dar. Lösungsvorschlag: Es bedarf einer gesetzgeberischen Regelung im Grunderwerbsteuergesetz zum Vorrangverhältnis der einzelnen Ergänzungstatbestände, die eine Mehrfachzurechnung und -besteuerung ausschließt.
6 Vgl. Arbeitskreis Grunderwerbsteuer, DStR 2023, S. 729.
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