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Thomas Moser, Tanja Zigart, Gerhard Kormann-Hainzl, Helena Lovasz-Bukvova

Titelbild: © istockphoto.com; Fotos: © FH St. Pölten

Thomas Moser, Tanja Zigart, Gerhard Kormann-Hainzl, Helena Lovasz-Bukvova

Assistenzsysteme der Zukunft schon heute

Aktuelle Anwendungsfälle von Mixed Reality in der Produktion

Das hier vorgestellte Forschungsprojekt “Mixed Reality Based Collaboration for Industry” (MRBC4I) erforscht über zwei Jahre Assistenzsysteme mit Unterstützung von Mixed Reality Technologien in rund zwei Dutzend Industrieunternehmen in Österreich. Die prototypische Umsetzung von Use Cases wird begleitend wissenschaftlich evaluiert. Erste Ergebnisse werden in diesem Artikel vorgestellt.

Einleitung & Background

Durch den weiter anhaltenden Trend der Individualisierung von Produkten und Dienstleistungen, kommt es zur Steigerung der Produktvarianten, zu kürzeren Lebenszyklen und zur Reduzierung der von Kundinnen und Kunden akzeptierten Lieferzeiten. Obwohl mit fortschreitender Digitalisierung vielfältige neue Wertschöpfungsmöglichkeiten entstehen, bedroht sie auch etablierte Geschäftsmodelle. Aus der Chance, Sachgüterproduktion wieder vermehrt in Hochlohnländern durchzuführen, entstehen Herausforderungen wie erhöhte Flexibilität, Agilität und Komplexität als auch Qualitätsansprüche, Preis und Verfügbarkeit für produzierende Unternehmen [1]. Dadurch ändern sich die Arbeitsaufgaben der Beschäftigten und es ergeben sich unmittelbar höhere Leistungsanforderungen an die Beschäftigten [2]. Es kommt zu häufigen Produktwechseln, kurzzyklischem, flexiblerem Wechsel der Arbeitsaufgaben, hochflexiblem Einsatz der Mitarbeiter*innen, zyklusunabhängigen Arbeitsaufgaben und zur Zunahme der Problemlösungs- und Überwachungsaufgaben [3]. Der Faktor Mensch bleibt in diesem volatilen Umfeld ein wesentlicher Erfolgsfaktor, wobei der Mangel an Fachkräften ein zunehmendes Problem für Unternehmen darstellt [1]. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden und die Komplexität der Prozesse beherrschbar zu machen, können kognitive und individualisierbare Assistenzsysteme dabei helfen, die Herausforderungen wirtschaftlich, ergonomisch und menschenzentriert zu bewältigen [4]. Dies kann durch digitale Assistenzsysteme geschehen, in

Abbildung 1: Unterschiedliche Assistenzsysteme zur Informationsbereitstellung, übersetzt nach [5].

dem sich die Beschäftigten besser auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren können, um die Fehlerhäufigkeit zu reduzieren [1]. Die Bereitstellung von Informationen wie Arbeitsanweisungen und Verfahrensschritte zur Qualitätskontrolle sind Beispiele für digitale Assistenzsysteme. Verschiedene Arten von Informationsbereitstellungssystemen an Montageplätzen werden derzeit eingesetzt und moderne Assistenzsysteme entwickelt [5]. Abbildung 1 zeigt verschiedene Ansätze zur Informationsbereitstellung für Montagestationen.

Wichtig sind ein positives Nutzungsempfinden und die Gebrauchstauglichkeit des Assistenzsystems, damit ein System akzeptiert und in Folge verwendet wird und Fehlinvestitionen vermieden werden [1].

In diesem Artikel wird vor allem die Informationsbereitstellung durch Mixed Reality-Systeme betrachtet, welche in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen haben. Mixed Reality (MR) beschreibt Technologien zwischen vollständig realer Umgebung und vollständig virtueller Umgebung [6]. Die beiden prominentesten Vertreter innerhalb des Mixed Reality Kontinuums, welches sich zwischen realer und vollständig virtueller Umgebung erstreckt, sind Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR).

Ziel von MR ist es, die Sinne der Benutzer*innen so zu stimulieren, dass die reale und digitale Welt zu einem glaubhaften Ganzen verneuartige Hardware zu. Im VR Umfeld kann die rasante Entwicklung und Verbreitung von Head-Mounted Displays (HMDs) und diversen Eingabegeräten in den letzten Jahren beobachtet werden; bei AR wird zurzeit an der Verbesserung von Trackingverfahren, meist für mobile Endgeräte, gearbeitet. Außerdem sind vielfach die Rohdaten (z.B. CAD Daten) aus Industrie und Forschung zu komplex, um in Echtzeit dargestellt zu werden.

Seit Anfang der 1990er Jahre werden MR-Anwendungen für die Industrie beforscht [8], [9], [10]. In der Industrie werden bereits MRAssistenzsysteme erfolgreich eingesetzt, um Menschen z.B. während Montage- und Wartungsprozessen sowie bei der Qualitätskontrolle zu unterstützen. Durch die Verringerung der psychischen Belastung sinkt die menschliche Fehlerrate bei gleichzeitiger Erhöhung der Effizienz [11], [12], [13], [14]. UX-Design und Ergonomie für den Menschen ist ebenfalls von großer Bedeutung für eine erfolgreiche Umsetzung in der Praxis [15], [16]. Remote Support und Zusammenarbeit in industriellen Umgebungen wurden zum Beispiel in [17], [18] diskutiert.

Projekt “Mixed Reality based Collaboration for Industry” (MRBC4I) 1

Mixed Reality Anwendungen haben in verschiedenen Branchen in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen, dennoch gibt es aus

Abbildung 2. Das Mixed Reality Kontinuum nach Paul Milgram [6].

schmelzen. Der Fokus liegt auf der Integration von Zusatzinformationen im Blickfeld der Benutzer*innen [7]. Eine der technischen Herausforderungen liegt in der genauen Registrierung von virtuellen und realen Inhalten. MR erfordert die Darstellung von computergenerierter 3D Grafik in Echtzeit und greift vielfach auf technischer, organisatorischer und psychologischer Sicht noch einige Herausforderungen für den industriellen Einsatz im Echtbetrieb. Konkrete Problemstellungen sind vergleichsweise hohen Eintrittsbarrieren für Unternehmen wodurch Unternehmens

1 https://www.ecoplus.at/newsroom/mixedreality-neues-clusterprojekt-ermoeglicht-erprobung-in-der-praxis getriebene MR Projekte nur selten über einen Prototypenstatus hinauskommen, sowie die oftmals fehlende wirtschaftliche Entscheidungsgrundlage und von allen Stakeholdern akzeptierte Umsetzung. Das von der FFG (österreichische Forschungsförderungsgesellschaft) im Rahmen der Collective Research Förderschiene geförderte Projekt „Mixed Realitybased Collaboration for Industry“ (MRBC4I) [19] setzt hier an und zielt darauf ab die österreichische Industrie einen entscheidenden Schritt voran zu bringen.

Zur Erreichung dieser Ziele wird einerseits eine systematische Evaluierung von MR Hardware (technisch, organisatorisch, psychologisch) hinsichtlich ihrer Industrietauglichkeit durchgeführt. Außerdem werden innerhalb des MRBC4I Projekts Use Case Projekte aufgesetzt, basierend auf vier geclusterten Themenstreams: Remote-Support, Präsentation von Produkten, Schulung & Training und Unterstützung in der Produktion. Es entsteht ein breites Spektrum an Anwendungsbeispielen, die einen wertvollen Einblick in die Möglichkeiten der MR-Technologie bieten.

Laut einer Studie von PTC aus dem Jahr 2018 [20] ist die Unwissenheit über entsprechende Einsatzszenarien der Hauptgrund für den Verzicht auf Virtual und Augmented Reality. Rund 47 Prozent der befragten Firmen führen den Mangel an Anwendungsfeldern als Grund dafür an, dass sie keine VR- / AR-Applikationen verwenden. Jeweils 13 Prozent verweisen auf die mangelnde Unterstützung durch das Management und auf Sicherheitsbedenken. Aus der Studie geht ebenfalls hervor, dass VR-/ AR-Projekte den erhofften Erfolg bringen – trotz Sicherheitsbedenken und kleiner Budgets. Mehr als drei Viertel der Unternehmen sehen ihre Erwartungen im Einsatz von VR / AR in hohem Maße als erfüllt an. Remote Assistance, Anleitungen und der Transfer von Know-how sind die wichtigsten VR- und AR-Funktionen. Für rund 45 Prozent der Unternehmen sind Schritt-für-Schritt-Anleitungen die VR-und AR-Funktionen, die am häufigsten genutzt werden. Fast gleichauf folgen die Fernunterstützung von Anwender*innen (39

Prozent), der Transfer von Wissen (38 VR-Umgebung möglich Prozent) und Collaboration-Funktimachen soll, wodurch onen (37 Prozent) [20]. Die Studiendie tatsächlich benötiergebnisse decken sich mit unseren gte Einschulungszeit an Erkenntnissen und gesetzten Theder Produktionslinie remenschwerpunkten im Projekt MRBduziert wird. C4I. Dabei kann das In

Im Zuge des Projekts wurden 21 einandergreifen beUse Cases in den oben genannten vier wegter Teile unmittelThemenstreams umgesetzt. Im Rahbar und anschaulich men dieses Beitrags werden zwei reerlebt werden. Zudem präsentative Use Cases herausgegrifist es möglich, die Schufen und detaillierter behandelt: eine lungsinhalte an die oft VR-Anwendung im Trainingsbereich sehr unterschiedlichen und eine AR-Anwendung in der InVorkenntnisse der standhaltung. Mitarbeiter*innen anzupassen und sie wichVirtual Reality Training in der Getige Operationen öfter triebemontage ausprobieren zu lassen, bevor sie in den EchtDie Einschulung auf eine neue Täeinsatz gelangen. Das Abbildung 4. Screenshot der mobilen AR Applikatitigkeit in einer virtuellen Umgebung ermöglicht einerseits on zur Platzierung von Wartungs- und Instandhaldurchzuführen hat viele Vorteile. Training ohne reale tungsmeldungen. Anstatt nur theoretisch vorbereitet Ressourcen zu belegen, zu werden, um danach gleich an die andererseits sind durch den Einsatz werden. Die erfassten Informationen echte Maschine oder die echte Arvon VR beliebig viele Wiederhowerden so gespeichert, dass sie, anbeitsplatzsituation gelassen zu werlungen der Trainings-Szenarien (u.a. hand der optischen Daten zur Umgeden, kann die/der Mitarbeiter*in unim Rahmen von individuellen Durchbung zu jedem beliebigen Zeitpunkt gewohnte Handgriffe ausprobieren führungen der Einzuschulenden) wieder automatisch dort abgerufen und die räumliche Anordnung verstemöglich, wodurch der Lerneffekt gewerden, wo sie ursprünglich räumlich hen lernen. steigert werden kann. verankert wurden. Die technische UmsetHauptziel dieses Anwendungsfalls zung erfolgte mit der HTC ist es, mithilfe von Azure Spatial AnVive Pro VR-Brille, für die chors von Microsoft 2 Informationen mittels des am Markt frei im Werksbereich bereitzustellen und erhältlichen 3D-Frameeine Schnittstelle zum firmeneigenen works Unity eine SoftwareWartungssystem zu erstellen, um die Lösung erstellt wurde. platzierten Benachrichtigungen zu Komplexe Interaktionen verwalten. Aktuell ist es möglich, der Mitarbeiterin oder des Notizen an produktionsrelevanten Mitarbeiters mit einem GeAssets (z. B. Maschinen) zu platzieAbbildung 3. Screenshot der VR Applikation zum Training von Montagevorgängen von Ge triebemotoren triebemotor werden abgebildet (z.B. das Zusammensetzen des Motors aus den einzelnen Bestandteilen). ren, eine Notiz mit einem Screenshot der aktuellen Ansicht zu erstellen und diese durch Scannen des Raums wiederzufinden. Dies ist mit jedem An

Ein Unternehmenspartner, ein Herausforderungen liegen in der eindroid- oder iOS-Gerät möglich, auf führender Anbieter von antriebstechfachen Benutzbarkeit auch für nicht dem die App installiert ist und das die nischen Komponenten, beschäftigt an VR-affine Personen, sowie in der erforderlichen Spezifikationen erfüllt. seinem Standort Mitarbeiter*innen möglichst realistischen Darstellung Die Benachrichtigungen können mit sehr unterschiedlichem Ausbilder zu montierenden Getriebemofür die Koordination von Wartungsdungshintergrund, die auf die spezitoren. aufgaben relevant sein und dem Warellen Anforderungen der Getriebeprotungsteam die Informationen liefern, duktion eingeschult werden müssen. Mobile ortsunabhängige Aufnahdie es benötigt, um ohne lange ErBislang erfolgt die Einschulung an me von Wartungs- bzw. Instandklärung an seinem aktuellen Arbeitseinem Trainingsarbeitsplatz und anhaltungsmeldungen mit Hilfe von platz zu arbeiten. Herausforderungen schließend direkt an der jeweiligen Augmented Reality liegen einerseits in der benötigten Produktionslinie, die während der Infrastruktur, so wird innerhalb der Einschulungszeit nicht ihre volle ProMit einem mobilen Device (Tablet Produktion eine stabile Internetverduktivität erreicht. Im Rahmen des bzw. Smartphone) können Anmerbindung benötigt, als auch in der Projekts wird ein Use Case bearbeikungen zu unterschiedlichen Standeinfachen Benutzbarkeit für verschietet, der die erste Einschulung in einer orten von Produktionsanlagen erfasst 2 https://azure.microsoft.com/de-de/services/ spatial-anchors/

Abbildung 5. Konzept zur Evaluierung von industriellen MR Systemen, in Anlehnung an [21]. dene Anwender*innen auf unterzuleiten. Da das Projekt den Einsatz schiedlichen mobilen Endgeräten. von MR Technologien in verschiedenen Kontexten und Branchen beMulti-kriterielle Evaluierung von trachtet, sind die Ergebnisse analyindustriellen Augmented und Virtual tisch generalisierbar, übertragbar und Reality Systemen können aussagekräftige Erkenntnisse zu den Potenzialen aber auch LimitaZusätzlich zur technischen Umsettionen der Technologie im Unternehzung der Use Cases wird der untermenskontext liefern. nehmerische und menschliche Impact von AR/VR Systemen bewertet. HierErste Ergebnisse & Diskussion für wurde ein multi-kriterielles Evaluierungskonzept entwickelt, welches Die Hardware wurde in den Usefünf Dimensionen abdeckt (siehe AbCases und über einen Hardwarebildung 5). Pool, in dem verschiedene Geräte

Als Grundlage für die Evaluierung für Testzwecke zur Verfügung stanwurde eine systematische Literaturden, evaluiert. Bei AR-Anwendungen recherche zum Thema Evaluierung wurde seitens der Firmen weitgehend von industriellen AR-Anwendungen auf mobile Endgeräte (Smartphones durchgeführt. Die im Evaluierungsbzw. Tablets) zurückgegriffen. Bei konzept ausgewählten Kriterien und VR-Geräten wurden nur sehr wenige eingesetzten Methoden finden sich in Modelle für den Einsatz ausgesucht, der Literatur wieder und zeigen den trotz der Möglichkeit, auch noch unpassenden Einsatz der Methoden auf bekannte Geräte im Hardware-Pool AR-Anwendungen. Im Gegensatz auszuprobieren. Betreffend Marktanzum hier gezeigten Ansatz werden gebot war eine hohe Fluktuation der angebotenen Modelle samt einiger Modelleinstellungen und Insolvenzen von Anbietern festzustellen.

Erste Ergebnisse der Nutzer*innenbefragung zeigen, dass trotz des Prototypenstatus, die entwickelten Lösungen grundsätzlich verwendbar sind. Die derzeit befragten Nutzer*innen (n=57) werten die Usability mit durchschnittlich 76,8 von 100 Punkte. Gemessen wurde mit der System Usability Scale (SUS), wobei laut Skala der Score von 76,8 als gut gilt und somit im akzeptablen Bereich liegt.

Weitere Ergebnisse zeigen, dass die Anwendung der Prototypen die Nutzer*innen (n=60) durchaus in der Literatur im Median lediglich zwei Kriterien bewertet, welches das Ziel ein multi-kriterielles Evaluierungsmodell zu entwickeln verstärkt

[22]. vor Herausforderungen stellte, vor allem in Bezug auf die Leistungsfähigkeit und den Zeitdruck. Die Anwender*innen empfanden die Lösung von Arbeitsaufgaben mit den Prototypen als anstrengend. Getestet wurde dies mittels dem NASA-Raw Task Load Index (NASA-RTLX), ein Fragebogen zur Ermittlung der kognitiven Belastung während eines Prozesses. Dies steht im Widerspruch zu den Ergebnissen von [11], [12], [13], [14], welche von einer Minderung der psychischen Belastung ausgehen. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass die Nutzer*innen nur erste Erfahrungen mit den Prototypen gemacht habe - erfahrene Anwender*innen würden möglicherweise eine geringere Belastung empfinden.

In Bezug auf die Akzeptanz zeigten erste Umfrageergebnisse eine hohe grundsätzliche Bereitschaft zum Einsatz (Behavioral Intention) des Systems im operativen Feldbetrieb zukünftig einzusetzen. Die Assistenzsysteme werden nicht gänzlich als Ersatz für aktuelle Vorgehensweise gesehen, sondern potenziell als Er

Für die Erhebung wird ein MixedMethod-Vorgehen, mit einer Kombination aus qualitativen und quantitativen Methoden eingesetzt. Ziel ist es aus den einzelnen Evaluierungen der Prototypen aussagekräftige Cluster zu bilden und allgemeine Aussagen über den Impact der Technologie ab

Abbildung 7. Ergebnisse der Tests zur kognitiven Belastung.

gänzung zu den bisherigen Prozessschritten. Die User-Akzeptanz wurde mit einem adaptierten Fragebogen des Technology Acceptance Models (TAM) erhoben.

Erste Ergebnisse zeigen, dass die Unternehmen Potenziale des Einsatzes von MR-Assistenzsystemen erkennen und die Auswirkungen auf Prozessabläufe einschätzen können. Sie werden allerdings eher als Unterstützung bestehender Vorgehensweisen wahrgenommen - sie sollen die Prozesse ergänzen, werden aber kaum als Ersatz gesehen. Von ausgereiften Lösungen wird Zeitersparnis aber auch vereinfachte Einschulung der Mitarbeiter*innen erhofft. Allerdings wird der aktuelle Reifegrad der Technologie kritisch gesehen. Eine weitere technische Entwicklung, aber auch Stabilisierung und Standardisierung des Marktes für MR Hardware wird als notwendig gesehen.

Betreffend des Einflusses auf das erleichterte Überbrücken von geographischer und weiterführend psychischer Distanz durch den Einsatz von MR in Geschäftsprozessen gab es in der Literatur und in Vorstudien bereits erste positive Zusammenhänge, welche im Verlauf der abschließenden Analysen in der Breite des Anwendungsgebietes bestätigt werden müssen [23], [24].

Außerdem zeigt sich die Tendenz, dass Unternehmen MR-Assistenzsysteme vermehrt dazu einsetzen möchten, um Personen mit niedrigerer Qualifikation die Ausübung höher qualifizierte Tätigkeiten zu ermöglichen. Dies deckt sich ebenfalls mit den Studienergebnissen aus [1], in denen dieser Effekt mit dem Einsatz von industriellen Assistenzsystemen dargestellt wird.

Bei den Schulungs-Use Cases in VR wird vermehrt der Vorteil des mehrmaligen Ausprobierens und eigenständigen Lernens genannt. Auf diese Weise können Mitarbeiter*innen sich in ihrem eigenen Tempo den Lerninhalt aneignen und die Übungen beliebig oft wiederholen.

Zusammenfassung und Ausblick

Der breite Forschungsfokus bei der Bewertung von Einsatzszenarien für MR verspricht eine umfassende wissenschaftliche und praxisrelevante gesamtheitliche Sicht. Dies ist sowohl durch Multidimensionalität der Bewertungskriterien, der doppelten Perspektive von Seiten der Anwender*innen und Firmen als auch betreffend der zeitlichen Beurteilung vor und nach der Prototypenphase begründet.

Aus den bisherigen Ergebnissen lassen sich folgende Mehrwerte durch den Einsatz von MR ableiten.

„ Die MR Einsatz-Szenarien sind entlang der Wertschöpfungskette wiederverwendbar, d.h. z.B. für Schulungszwecke etablierte Szenarien können im laufenden Betrieb seitens der

Mitarbeiter*innen genutzt werden. „ Die Technologie Präferenz der

Firmen scheint sich auf einige wenige Hardware-Devices zu beschränken (vorwiegend mobile

Geräte wie Smartphones und Tablets) und die Reife und Akzeptanz der Technologie seitens der

Mitarbeiter*innen spielt für die

Selektion eine maßgeblich Rolle. „ Der breite Einsatz in der industriellen Praxis ist trotz Bestätigung der Potentiale nicht bzw. erst mittelfristig geplant. Nur vereinzelt werden seitens der Firmen die entwickelten Prototypen für den praxistauglichen Einsatz weiterentwickelt.

Der qualitative und explorative Charakter des Forschungsdesigns bezweckt die Entwicklung von quantifizierbaren, skalen-basierten Bewertungsmethoden (z.B. ROI, Auswirkung auf Distanz und Geschäftsmodelle, Nutzerakzeptanz), welche zukünftig für Wissenschaft und Unternehmen zur Verfügung stehen und technologieunabhängig die Bewertung von Assistenzsystemen a priori ermöglicht.

Danksagung: Ein besonderer Dank gilt den Projektpartnern des von der FFG geförderten und von DI Thomas Holzmann (ecoplus. Wirtschaftsagentur Land NÖ) geleiteten Projekts “Mixed Reality Based Collaboration for Industry” (Projektnummer 877118) und der BMK-Stiftungsprofessur „Human Centered Cyber Physical Production and Assembly Systems“ der TU Wien.

Referenzen

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AutorInnen:

FH-Prof. Dr. Thomas Moser

Leiter der Forschungsgruppe Digital Technologies am Institut für Creative\Media/ Technologies der Fachhochschule St. Pölten

FH-Prof. Dr. Thomas Moser ist seit 2015 Leiter der Forschungsgruppe Digital Technologies am Institut für Creative\Media/Technologies der Fachhochschule St. Pölten, Österreich. Er absolvierte sein Magisterstudium und Doktoratsstudium der Wirtschaftsinformatik an der Technischen Universität Wien im Bereich der Schnittstelle Informatik und Automatisierungstechnik. Im Rahmen seiner Tätigkeiten in Wissenschaft und Privatwirtschaft verfasste er eine Vielzahl wissenschaftlicher Publikationen und war an der Abwicklung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten auf nationaler und internationaler Ebene beteiligt.

Dipl.-Ing. Tanja Zigart

Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsbereich Mensch-MaschineInteraktion, Institut für Managementwissenschaften an der TU Wien

Dipl.-Ing. Tanja Zigart ist seit November 2018 als Projektassistentin in der Forschungsgruppe MenschMaschine-Interaktion am Institut für Managementwissenschaften an der TU Wien beschäftigt. Im Rahmen ihrer Dissertation forscht sie an der Erstellung eines multi-kriteriellen Evaluierungsmodells für den Einsatz von industriellen Assistenzsystemen. Nach Abschluss ihres Studiums Wirtschaftsingenieurwesen-Maschinenbau im Jahr 2014 hat sie mehrere Jahre in der Medizintechnikbranche als Lean Managerin gearbeitet.

Prof. (FH) Mag. Gerhard Kormann

Hainzl ist seit 2009 Professor an der IMC Fachhochschule Krems mit Lehr- und Forschungsschwerpunkten im Spannungsfeld von Technologie, Globale Geschäftsmodelle, organisatorische Transformation und Digital Leadership. Sein Forschungsfokus umfasst den Einfluss von Technologie auf das Phänomen Distanz und Virtualisierung speziell im Kontext internationaler Geschäftsprozesse. Er ist Leiter und Mitgründer des Digital Champions Networks, ein Kooperationsnetzwerk von führenden Leitbetrieben und war zuvor in Start-ups, in der Unternehmensberatung sowie im Management von globalen IT Unternehmen tätig.

Dr. Helena Lo

vasz-Bukvova ist seit 2019 Professorin am Institut für Digitalisierung und Informatik ab der IMC FH Krems. Vorher war sie an der TU Dresden und an der WU Wien tätig. Sie hat langjährige Forschungserfahrungen im E-Learning-Bereich, hat sich aber auch mit dem Einsatz von Social Media befasst. Ihre derzeitige

Prof. (FH) Mag. Gerhard KormannHainzl

Professor for Digital and International Business an der IMC Fachhochschule Krems

Dr. Helena LovaszBukvova

Institut für Digitalisierung und Informatik, IMC FH Krems

Forschung schließt das Thema der Technologieakzeptanz ein.

AnkündigungKolloquium

Im Andenken an Prof. Reinhard Haberfellner veranstalten wir ein Kolloquium, welches am 13. November2020 ab 14:00 Uhr in der AuladerTechnischen Universität Graz stattfinden wird. Wir möchten Sie dazu herzlich einladen und bitten Sie, sich den Termin vorzumerken sowie sichunter events.ufo@tugraz.at anzumelden.

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