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Zudem sollen die Ruhegehaltfähigkeit der Polizeizulage bei der Bundespolizei wieder eingeführt, Fachkarrieren gefördert und eine diversitätsorientierte Stellenbesetzungsoffensive gestartet werden. Darüber hinaus ist eine Ausweitung von Sicherheitsüberprüfungen bei Bewerberinnen und Bewerbern für Posten bei Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) vorgesehen. Gleiches gilt für Supervisionsangebote. Außerdem ist zwischen den Parteien vereinbart, dass die Aus- und Fortbildung bei der Bundespolizei weiterentwickelt wird. Hier soll ein noch stärkerer Fokus auf die Vermittlung von Grund- und Menschenrechten gelegt werden, um dem Zielbild einer bürgernahen sowie gut ausgestatteten und ausgebildeten Polizei entsprechen zu können.

Datenbanken erfahren Revision

Ebenfalls weiterentwickelt werden soll das Programm “Polizei 20/20”. Die verschiedenen Datenbanken würden einer grundlegenden Revision unterzogen. Zudem verständigte man sich auf präzisere Datenverarbeitungsregelungen sowie auf eine Stärkung des Rechtsschutzes und der Datenaufsicht durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI). Auch soll die Bundespolizei stärker für unabhängige Forschung geöffnet werden. Geplant ist des Weiteren eine Intensivierung der grenzüberschreitenden polizeilichen Zusammenarbeit. Das europäische Polizeiamt Europol in Den Haag soll zu einem europäischen Kriminalamt mit eigenen operativen Befugnissen weiterentwickelt werden. Mit Blick auf die europäische Staatsanwaltschaft ist ein finanzieller und personeller Ausbau geplant. Darüber hinaus wird der Periodische Sicherheitsbericht, dessen dritte Ausgabe kürzlich erschienen ist, gesetzlich verankert. Zudem wollen die Regierungsparteien die Aussagekraft der Daten der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik (PKS) verbessern. In Zusammenarbeit mit den Ländern soll der “Pakt für den Rechtsstaat” verstetigt und um einen Digitalpakt für die Justiz erweitert werden. Anpassungen gemäß den Anforderungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) erfährt derweil das externe ministerielle Einzelfallweisungsrecht gegenüber den Staatsanwaltschaften. Für den Vollzug eines europäischen Haftbefehls soll es künftig einer richterlichen Entscheidung bedürfen. Intensiviert werden soll nach dem Willen der wahrscheinlichen Koalitionäre der Kampf gegen die Organisierte Kriminalität (OK). Hier sollen mehr und bessere Strukturermittlungen, vermehrte Vermögensabschöpfungen sowie optimierte Strukturen bei der Geldwäschebekämpfung helfen. Zudem will man stärker gegen Menschenhandel vorgehen. Mit Blick auf die Clan-Kriminalität ist zunächst eine definitorische Klärung vorgesehen. Auf europäischer Ebene sollen die Definitionen des Begriffs Gefährder vereinheitlicht werden. Ebenfalls im Koalitionsvertrag verankert sind eine bessere Erfassung politisch motivierter Kriminalität sowie effektivere Möglichkeiten für Auskunftssperren im Melderegister. Dies soll vor allem bedrohten Personen zugutekommen. Im Kampf gegen den sexuellen Missbrauch von Minderjährigen und Kinderpornografie soll das Bundeskriminalamt (BKA) personell gestärkt werden. Zudem ist eine Entlastung der Auswerterinnen und Auswerter mithilfe technischer Lösungen vorgesehen. Für private Sicherheitsdienste soll es unterdessen ein eigenständiges Gesetz geben.

Zahlreiche Reformen vorgesehen

Koalitionäre wollen einiges in der Inneren Sicherheit enger fassen

(BS/Marco Feldmann) Die neuen Regierungspartner von Sozialdemokraten, Bündnis 90/Die Grünen und FDP wollen das Amt eines unabhängigen Polizeibeauftragten einrichten. Er oder sie soll wie der oder die Wehrbeauftragte ein Hilfsorgan des Deutschen Bundestages darstellen. Die Amtsinhaberin oder der Amtsinhaber soll über Akteneinsichts- und Zugangsrechte verfügen. Das sieht der Koalitionsvertrag vor. Dort ist auch die Einführung einer pseudonymen Kennzeichnung von Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten vereinbart.

Überwachungsgesamtrechnung bis spätestens 2023

Insgesamt verschreiben sich SPD, Grüne und Freidemokraten einer vorausschauenden, evidenzbasierten und grundrechtsorientierten Sicherheits- und Kriminalpolitik. Diese soll durch die Arbeit einer unabhängigen interdisziplinären Bundesakademie begleitet werden. Vorgesehen ist außerdem die Erstellung einer Überwachungsgesamtrechnung. Im Zuge dessen soll es eine unabhängige und wissenschaftliche Evaluation aller Sicherheitsgesetze bis spätestens 2023 geben. Hier wird die Handschrift von Grünen und FDP deutlich. Gleiches gilt für die vereinbarte Schaffung eines unabhängigen Expertengremiums, dessen Mitglieder die Bundesregierung bei zukünftigen Sicherheitsgesetzgebungsvorhaben beraten soll. Des Weiteren sollen in der sogenannten Freiheitskommission Freiheitseinschränkungen evaluiert werden. Zum Thema Videoüberwachung heißt es im Koalitionsvertrag, dass sie Polizeipräsenz nicht ersetzen, aber ergänzen könne. Abgelehnt wird in dem Dokument die flächendeckende Nutzung derartiger Software sowie die biometrische Erfassung zum Zwecke der Überwachung. Bei der Vorratsdatenspeicherung soll künftig nur anlassbezogen und nach richterlichem Beschluss gespeichert werden. Darüber hinaus ist eine Novellierung des Bundespolizeigesetzes geplant. Sie war in der vergangenen Legislaturperiode am Widerstand des Bundesrates gescheitert. Allerdings soll das reformierte Gesetz keine Befugnisse zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung oder zur OnlineDurchsuchung enthalten. BOS sollen zur Täteridentifizierung künftig zwar die sogenannte Login-Falle anwenden, nicht aber IT-Schwachstellen ausnutzen dürfen. Die Arbeit der Zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS) sowie das Handeln innerhalb des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ) soll auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden. Einen Ausbau erfährt demnach die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes. So wird das Parlamentarische Kontrollgremium des Deutschen Bundestages gestärkt. Außerdem werden Kontrolllücken geschlossen. Der Einsatz von Vertrauensleuten durch die Nachrichtendienste soll per Gesetz geregelt werden. Für Streitigkeiten bezüglich der Einstufung von Verschlusssachen wird eine unabhängige Kontrollinstanz geschaffen. Im Bereich der Migration ist eine Entlastung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vorgesehen. Zügig vorgelegt werden soll ein Gesetzentwurf mit dem Ziel von schnelleren Asylentscheidungen und einheitlicherer Rechtsprechung. Die Widerrufsprüfung durch das BAMF soll in Zukunft wieder anlassbezogen stattfinden. Das Konzept der sogenannten AnkER-Zentren will die künftige Bundesregierung nicht weiterverfolgen. Die Geldwäscheaufsicht von besonders finanzmarktnahen Verpflichteten soll derweil auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen übertragen werden. Genauere definitorische Details dazu enthält der Koalitionsvertrag jedoch nicht. Verdachtsmeldungen aus dem Nicht-Finanzsektor, etwa von Juwelieren und Gebrauchtwagenhändlern, sollen erleichtert werden. Außerdem ist hier eine Intensivierung des Vollzugs vorgesehen. Die bei der Generalzolldirektion (GZD) – der Zoll wird nur am Rande erwähnt (er soll moderner und digitaler werden) – angesiedelte “Financial Intelligence Unit (FIU) soll wieder Zugang zu mehr Datenbanken erhalten. Des Weiteren ist der Einsatz von Verbindungsbeamten aus den Landeskriminalämtern (LKÄen) vereinbart. Insgesamt soll der risikobasierte Ansatz der FIU verbessert werden. Und Verpflichtete sollen verstärkt Rückmeldungen zu von ihnen erstatteten Verdachtsmeldungen erhalten.

Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ist da. Er enthält unter anderem die Ankündigung der Schaffung eines unabhängigen Polizeibeauftragten.

Foto: BS/Petra Bork, pixelio.de

Gemischte Reaktionen

Das gewerkschaftliche Echo auf den Koalitionsvertrag fällt unterdessen unterschiedlich aus. Andreas Roßkopf, Vorsitzender des Bezirks Bundespolizei in der Gewerkschaft der Polizei (GdP), meint: “Die Ampel-Koalition hat viel auf den Weg gebracht. Wir begrüßen insbesondere die Einigung auf die Ruhegehaltfähigkeit der Polizeizulage.” Gleiches gelte im Grundsatz für die geplante Novelle des Bundespolizeigesetzes. Hier gibt es für Roßkopf aber zwei Wehrmutstropfen: den Vorabverzicht auf die Möglichkeiten zur Quellen-TKÜ und OnlineDurchsuchung. Skeptisch zeigt er sich in Bezug auf die vorgesehene Kennzeichnungspflicht für Polizisten. Außerdem dürfe der geplante Polizeibeauftragte kein Kontrollorgan werden. Vielmehr müsse er als Bindeglied zum Parlament fungieren, fordert Roßkopf. Deutlich heftiger fällt die Kritik der DPolG Bundespolizeigewerkschaft aus. Ihr Bundesvorsitzender Heikko Teggatz sprach gegenüber dem Behörden Spiegel von einem “schwarzen Tag für die Innere Sicherheit”. Positiver betrachtet der Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Dirk Peglow, den Vertrag. Für begrüßenswert hält er den Ausbau von Europol sowie der europäischen Staatsanwaltschaft. Gleiches gilt für den Übergang von einer reaktiven zu einer evidenzbasierten Kriminalitätspolitik, die Einführung des Polizeibeauftragten sowie die Ruhegehaltfähigkeit der Polizeizulage. Skeptisch ist der BDK-Chef mit Blick auf die Freigabe von Cannabis. Hier hätte er sich zunächst Modellprojekte gewünscht. Und auch bei der Förderung von Fachkarrieren ist Peglow nicht völlig überzeugt. Prinzipiell sei das zwar ein guter Ansatz. Aber: Etwa bei der Bundespolizei seien Fachkarrieren bislang noch kaum ausgeprägt. Zudem merkt Peglow an: “Kritisch bewertet der BDK die nach wie vor ungelöste Problematik der Überwachung von MessengerKommunikation im konkreten Verdachtsfall und beispielsweise die vermutlich nahezu wirkungslose Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung über ein QuickFreeze-Verfahren, wie wir den Koalitionsvertrag interpretieren.” Schon heute seien Telekommunikationsüberwachungen nur noch eingeschränkt hilfreich, weil die entscheidende Kommunikation nicht mehr über diesen Kanal stattfinde. “Dabei sind wirksame verdeckte Maßnahmen für die Aufklärung von Strukturen der Organisierten Kriminalität oder des Terrorismus unverzichtbare Instrumente”, betont der BDKVorsitzende. In Bezug auf den Zoll fällt das Urteil besser aus. So meint der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft BDZ, Thomas Liebel, dass der Koalitionsvertrag eine gute Basis darstelle. Zumal der Zoll deutlich häufiger erwähnt werde als im vorherigen Koalitionsvertrag. Der Vorsitzende der GdP Zoll, Frank Buckenhofer, sagt: “Wichtig ist, dass den klaren Worten, die bis jetzt gesprochen und geschrieben wurden, auch die entschlossenen Taten folgen. Viel zu oft haben die Kolleginnen und Kollegen im Zoll erlebt, dass in der Vergangenheit außer wohlfeilen Worten nichts von dem umgesetzt wurde, was in unzähligen Papieren, Erklärungen, Beschlüssen, Sonntags- und auch sonstigen Schaufensterreden angekündigt wurde.”

Die Lizenzen in diesem Bereich stehen in diesem Jahrzehnt zur Neuverteilung an. Neben den BOS hat auch die Bundeswehr hier für ihre künftige BreitbandInfrastruktur Bedarf angemeldet. Der Präsident der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS), Andreas Gegenfurtner, hat erst kürzlich auf der PMRExpo das Entwicklungskonzept von Bund und Ländern für die einsatzkritische BOS-Kommunikation der Zukunft vorgestellt und ausdrücklich betont, dass diese Planung ohne Zuteilung entsprechender Frequenzen nicht realisierbar sei. Die freigewordenen Bänder im 450 MHz-Bereich seien an die Energie-Versorger vergeben worden. Die Nutzung der den BOS zugeteilten 700 MHz-Frequenzen sei wirtschaftlich nicht darstellbar. Daher hält Gegenfurtner die Umwidmung der freiwerdenden Frequenzen von 470 bis 694 MHz für zwingend. Auf der anderen Seite stehen einschlägige LobbyOrganisationen wie “Allianz für Rundfunk und Kulturfrequenzen” und “SOS-save our spectrum” aus dem Broadcasting und elektronischen Produktionsbereich, die publikumswirksam ihr Recht auf die “Kulturfrequenzen” gegenüber einer angeblich militärisch dominierten Nutzung im Sicherheitsbereich behaupten. Dass es bei BOS-Funk und Bundeswehr gegebenenfalls um lebensrettende Kommunikation in Katastrophenlagen geht, scheint nicht zu interessieren.

Ampel setzt BOS-Digitalfunk auf Rot

UHF-Band soll dauerhaft für “Kulturszene” gesichert werden

(BS/bah/mfe) Die neue Bundesregierung könnte eine fatale Entscheidung für den BOS-Digitalfunk fällen. Nämlich dann, wenn sie das UHF-Band tatsächlich auf Dauer für Kultur und Rundfunk sichern. Denn auf dieses Spektrum zwischen 470 und 694 MHz erheben auch die BOS Anspruch.

Frequenzen als Schlüssel

Dabei brauche es für eine moderne einsatzkritische Kommunikation eine dedizierte Infrastruktur für breitbandige Datenanwendungen, unterstreicht Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU). Entsprechende Konzepte würden bereits zwischen Bund und Ländern und der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) ausgearbeitet. “Aber”, so Reul, “das ist nur erfolgversprechend, wenn wir dafür eigene Frequenzen erhalten.” Dafür müsse die Branche kämpfen. Reul fordert zudem, die Notfallkommunikation für den eventuellen Ausfall des BOS-Digitalfunknetzes neu zu regeln. Die Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zwinge zum Überdenken von Alarmierungsketten und kritischer Kommunikation, erklärt Bernhard Klinger, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Professioneller Mobilfunk e. V. (PMeV). Sie habe auch Schwächen des BOS-Digitalfunks offengelegt. Für künftige Katastropheneinsätze seien Breitbandanwendungen unabdingbar. Auch BDBOS-Präsident Gegenfurtner räumt auf der PMRExpo ein, dass durch die zerstörerische Flut etliche Digitalfunk-Basisstationen vom Netz getrennt worden seien und benennt gleich eine Ursache: ihre Anbindung beruhe auf kommerziellen Angeboten, die flächendeckend vom Netz gegangen seien. Im BOS-Kernnetz und seinen Vermittlungsstellen, deren Verbindungen besonders strengen Sicherheitsanforderungen folgten, habe es hingegen keine Beeinträchtigungen gegeben. “Wir verlegen halt keine Leitungen über Brücken”, so der BDBOSPräsident. Außerdem hätten die Einsatzkräfte im Fallback-Modus und mit dem Direct Mode (DMO) grundsätzlich weiter kommunizieren können.

Vier-Phasen-Modell wird verfolgt

Gegenfurtner erläuterte auch gleich das von Bund und Ländern vereinbarte Vier-Phasen-Modell (null bis drei) für den Aufbau eines künftigen BOS-Breitbandangebots, das für die finale Phase drei eine dedizierte BOS-BreitbandInfrastruktur und das allmähliche Auslaufen des einsatzkritischen TETRA-Sprachfunks vorsehe. In den Phasen null und eins werden die BOS danach allerdings noch vollkommen auf die Breitbandangebote kommerzieller Anbieter angewiesen sein, die derzeit nicht den Anforderungen einsatzkritischer Kommunikation entsprechen. Spätestens in Phase eins wollen die BOS daher ein eigenes Kernnetz aufbauen, das ihnen unter anderem Roaming, Priorisierung und Preemption in Eigenregie ermöglicht, wenn auch über kommerzielle Infrastrukturen. Bis dahin soll ein Basisangebot von BOS-spezifischen Applikationen entwickelt werden. Intensive Gespräche mit den kommerziellen Betreibern haben stattgefunden. Einzelheiten sind noch in der Abstimmung mit Bund und Ländern. Ein Vergabeverfahren wird folgen. In Phase zwei soll darüber hinaus ein dizidiertes breitbandiges Zugangsnetz mit eigenen Basisstationen aufgebaut werden. Mit dem zunehmenden Aufbau BOS-eigener Infrastrukturen soll dann die Nutzung kommerzieller Betreiber nach und nach reduziert werden. In der abschließenden Phase drei werden die TETRA-Sprachdienste in das BOS-Breitbandnetz überführt. Das TETRA-Netz könnte abgeschaltet werden. Ein genaues Datum steht noch nicht fest. Für die Umsetzung seien Frequenzen der Schlüsselfaktor, so Gegenfurtner. Zuerst Netzmodernisierung

Zunächst steht aber eine umgreifende Netzerneuerung des bestehenden Tetra-Digitalfunks an, da die Abkündigung der veralteten E1-Leitungen die Migration auf Full IP nötig macht. Bei 62 Vermittlungsstellen-Standorten und rund 5.000 Basisstationen ist das eine Aufgabe, die generalstabsmäßige Planung und Abstimmung zwischen Bund und Ländern erfordert. Vor allem, weil sie mit einer komplett neuen Netzarchitektur und der Reduzierung auf 21 Standorte verbunden ist. Der Rollout der IP-basierten Tetra-Infrastruktur werde 2022 starten und in verschiedenen Stufen durchgeführt, berichtete Dr. Matthias Reinhardt von der BDBOS. Spätestens wenn 2023/24 die E1Leitungen abgeschaltet werden, muss das Netz IP-tauglich sein. Die gute Nachricht: damit wird nicht nur die Anbindung hochmoderner IP-basierter Leitstellen möglich, sondern sowohl Funkzellen wie auch Gesamtnetz erfahren erhebliche Kapazitätssteigerungen. Von bis zu vier Millionen Teilnehmern ist die Rede.

Behörden Spiegel: Frau Germer, was steht auf Ihrer Agenda als neue Abteilungsleiterin für Polizeiangelegenheiten im Brandenburger Innenministerium ganz oben?

Anja Germer: Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Denn am Ende geht es natürlich immer um das große Ganze. Mein Ziel ist es, dass wir die Brandenburger Polizei zukunftsorientiert aufstellen. Das funktioniert nur gemeinsam. Besonders wichtig sind mir unter anderem eine moderne Ausrüstung und Ausstattung sowie eine gute Ausbildung der Beamtinnen und Beamten sowie der Tarifbeschäftigten. Denn nur so kann die Polizei mit den Kriminellen, die immer neue Ansätze verfolgen und immer neue Medien nutzen, Schritt halten.

Behörden Spiegel: Wie kann es denn gelingen, genügend und ausreichend qualifizierte IT-Spezialisten für die Polizei zu gewinnen? Hier ist die Konkurrenz zur Privatwirtschaft ja sehr stark.

Germer: Wir haben bei der Polizei Brandenburg durchaus auch die Möglichkeit, IT-Spezialisten zu verbeamten. Das ist ein Werbefaktor für uns gegenüber der Privatwirtschaft und wird von den Interessierten auch stark nachgefragt. Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht. Denn zum Beispiel die Bekämpfung von Cyber Crime ist für die jungen Leute sehr spannend. Und auch der Beamtenstatus und die damit verbundene Sicherheit sind attraktiv. Geld ist für die jüngeren Leute meines Erachtens heutzutage nicht mehr alles.

Behörden Spiegel: Wie wird es in Brandenburg mit der automatisierten Kennzeichenerfassung KESY weitergehen?

Germer: Der Innenminister hat gebeten, nochmals zu prüfen, ob und inwieweit wir KESY ermögli-

Polizei muss mit der Zeit gehen

Moderne Ausrüstung und Ausbildung für Beamtinnen und Beamte erforderlich

(BS) Kriminelle entwickeln immer neue Modi Operandi. Darauf müssen die Polizeibehörden zeitnah und angemessen reagieren können. Dafür braucht es kontinuierliche Weiterentwicklungen. Das gelte unter anderem für die Ausstattung und Ausbildung, meint Anja Germer. Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel erläutert sie ihre Ziele als neue Polizeiabteilungsleiterin im Potsdamer Innenministerium. Und ihr Vorgänger Dr. Herbert Trimbach schaut auf seine Dienstzeit zurück. Die Fragen stellte Marco Feldmann.

“Mein Ziel ist es, dass wirdie Brandenburger Polizei zukunftsorientiert aufstellen. Das funktioniert nur gemeinsam.”

Anja Germer ist seit 1. September neue Leiterin der Abteilung für Öffentliche Sicherheit und Ordnung, Polizei und Ordnungsrecht und Kriminalprävention im Potsdamer Innenministerium. Zuvor stand sie an der Spitze des Zentraldienstes der märkischen Polizei.

Foto: BS/Innenministerium Brandenburg

“Den Kontakt mit den Mitarbeitern, den Kolleginnen und Kollegen vermisse ich schon etwas.”

Dr. Herbert Trimbach war bis Ende August Leiter der Polizeiabteilung im Hause von Ressortchef Michael Stübgen (CDU), bevor er in Pension ging.

Foto: BS/Ronny Wunderlich

chen können. Diese Prüfung läuft derzeit noch.

Behörden Spiegel: Welche Akzente wollen Sie im Arbeitskreis zwei der Innenministerkonferenz (IMK) setzen?

Germer: In der IMK und im Arbeitskreis zwei gibt es derzeit zahlreiche wichtige Themen. Dazu gehören unter anderem das Nationale Waffenregister, die Umsetzung der “Istanbul-Konvention” gegen Gewalt gegen Frauen und Kinder sowie das Programm “Polizei 2020”. Denn dieses hat Auswirkungen auf zahlreiche Bereiche. Denn Digitalisierung wird auch für die Polizei und ihre tägliche Arbeit immer relevanter. Das hat die Corona-Pandemie sehr deutlich gemacht. Dabei geht es zum Beispiel um den Zugriff auf Vorgangsbearbeitungssysteme über mobile Endgeräte sowie um die Vermeidung von Doppelerfassungen.

Behörden Spiegel: Wie würden Sie denn Ihren Führungsstil beschreiben?

Germer: Ich pflege einen kooperativen Führungsstil und bin sehr kommunikativ. Ich möchte mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern regelmäßig sprechen. Denn dann erfahre ich mehr von ihnen, lerne sie in einem persönlicheren Kontext kennen und kann mich noch besser auf die jeweils individuellen Bedürfnisse und Situationen der Beschäftigten einstellen.

Behörden Spiegel: Spielt hier der Umstand irgendeine Rolle, dass Sie die erste Polizeiabteilungsleiterin in der Geschichte des Landes Brandenburg sind?

Germer: Nein, für meinen Führungsstil, mich persönlich und auch für die Mitarbeiter spielt es keine Rolle, dass ich die erste Polizeiabteilungsleiterin in der Geschichte des Landes Brandenburg bin. Für mich war vielmehr entscheidend, dass die Leitung der Polizeiabteilung eine spannende Aufgabe ist.

Behörden Spiegel: Herr Dr. Trimbach, wie blicken Sie auf Ihre Zeit als Polizeiabteilungsleiter im Innenministerium zurück?

Dr. Herbert Trimbach: Den Kontakt mit den Mitarbeitern, den Kolleginnen und Kollegen vermisse ich schon etwas. Denn da haben sich über die Jahre Verbindungen ergeben, die teilweise über das rein Dienstliche hinausgehen. Bestimmte Zwänge eines Ministeriums sowie das Erfordernis der ständigen Erreichbarkeit hingegen vermisse ich nicht. Ich genieße die Eigenständigkeit im Ruhestand. Zumal ich weiterhin an verschiedenen Stellen ehrenamtlich tätig bin.

Behörden Spiegel: Gab es das eine Thema, das Sie während Ihrer gesamten Dienstzeit begleitete?

Trimbach: Themen, die mich fast meine komplette Dienstzeit als Leiter der Polizeiabteilung seit Februar 2012 massiv begleitet haben, waren der sogenannte “Nationalsozialistische Untergrund” (NSU) und die Digitalisierung der Polizei, nicht zuletzt im Zuge von “Polizei 2020”. Diese beiden Themenkomplexe hatten massive Auswirkungen auf meine Arbeit und die der Polizei Brandenburg, insbesondere auch auf die Hochschule der Polizei. Auf deren Entwicklung bin ich besonders stolz. Außerdem erinnere ich mich auch noch an das Elbhochwasser 2013 – damals war ich als Abteilungsleiter auch für den Katastrophenschutz im Innenministerium zuständig. Die damaligen Erfahrungen prägten auch meine Arbeit als langjähriger Vorsitzender des AK V der IMK.

Behörden Spiegel: Wie lief die Transitionsphase zwischen Ihnen beiden ab?

Germer: Vorteilhaft war, dass ich zuvor ja Leiterin des Zentraldienstes der Polizei Brandenburg war. Da es sich dabei um eine Einrichtung aus dem nachgeordneten Bereich des Innenministeriums handelt, gab es regelmäßige Dienstberatungen bei Herrn Dr. Trimbach. Dadurch waren mir die wichtigsten Themen bereits bekannt. Außerdem habe ich in mehreren Gesprächen Tipps und Hilfestellungen von Herrn Dr. Trimbach erhalten, insbesondere mit Blick auf die Gremienarbeit. Denn mit der hatte ich als Leiterin des Zentraldienstes zuvor nicht so viele Berührungspunkte. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.

Behörden Spiegel: Gibt es Punkte und Themen, bei denen Sie Frau Germer unterstützen oder beraten wollen?

Trimbach: Ich gebe Frau Germer ungefragt keine Ratschläge. Das macht man nicht, auch wenn das nach der täglichen Zeitungslektüre durchaus möglich wäre. Aber das verbietet sich von selbst und würde sicher auch nicht auf Wohlwollen bei Frau Germer treffen, was ich absolut verstehen kann. Ich hätte das vor rund zehn Jahren, als ich als Abteilungsleiter im Innenministerium anfing, auch nicht gewollt.

Koalitionsvertrag besiegelt

Keine verdachtsunabhängigen Kontrollen mehr in Berlin

(BS/mfe) Bislang darf die Polizei Berlin an kriminalitätsbelasteten Orten Personen ohne konkreten Verdacht überprüfen. Das könnte bald der Vergangenheit angehören. Zumindest, wenn diesbezüglich der Koalitionsvertrag der neuen rot-grün-roten Regierung umgesetzt wird.

Denn dort ist festgeschrieben, dass auch Kontrollen an diesen Orten immer an das Verhalten der oder des Betroffenen angeknüpft werden müssen. Zudem soll der oder die Kontrollierte auf Verlangen eine Quittung über den Vorgang erhalten. Videobeobachtung soll zudem nur an einigen dieser Orte zulässig sein. Und auch das nur unter engen Voraussetzungen sowie unter der Bedingung, dass alle sechs Monate evaluiert wird, ob die Technik noch erforderlich ist, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Hierfür soll das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) bis Ende kommenden Jahres entsprechend überarbeitet werden. Flächendeckende Videobeobachtung im öffentlichen Raum wollen die Koalitionäre nicht. Im novellierten ASOG soll darüber hinaus ein explizites Verbot von “Racial Profiling” verankert werden.

Mehr Kontaktbereichsbeamte

Des Weiteren ist beabsichtigt, das Personal bei Polizei und Strafverfolgungsbehörden aufzustocken und Kinderbetreuungsmöglichkeiten für Beschäftigte im Schichtdienst zu schaffen. Die Kontaktbereichsbeamten und die Fahrradstreifen sollen auf das gesamte Stadtgebiet ausgeweitet werden. Außerdem ist eine Verdreifachung der Fahrradstreifen vorgesehen. Darüber hinaus sind die Einrichtung weiterer Polizeiwachen und Verbesserungen für den Zentralen Objektschutz (ZOS) fixiert. Auch wollen die Koalitionäre die Planungen für ein Kriminaltechnisches Institut (KTI) vorantreiben. Fortgesetzt und finanziell abgesichert wird demnach der kürzlich begonnene Testbetrieb von Bodycams bei Polizei und Feuerwehr.

Geldwäschebekämpfung intensivieren

Um noch besser gegen möglichen Extremismus und Rassismus in den eigenen Reihen vorgehen zu können, ist eine entsprechende Stärkung der Aus- und Fortbildung sowie der Supervision geplant. Zudem soll die Stelle des Bürger- und Polizeibeauftragten schnellstmöglich besetzt werden. Gegen Organisierte Kriminalität (OK) wollen die Verantwortlichen in Zukunft stärker evidenzbasiert vorgehen. Dies soll unter anderem auch durch eine gezieltere Geldwäschebekämpfung und eine stärkere Vermögensabschöpfung erfolgen. Auch im Nicht-Finanzsektor wird die Aufsicht ausgebaut. Der stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin, Stephan Kelm, kritisiert besonders die geplanten Kontrollquittungen an kriminalitätsbelasteten Orten und das explizite Verbot von “Racial Profiling” im ASOG. Dies sei unnötig, da “racial profiling” bereits jetzt verboten sei. Der Innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Karsten Woldeit, kritisiert die geplante Verankerung eines Verbots von “Racial Profiling” im ASOG ebenfalls massiv. Dieser Schritt sei rein ideologisch motiviert. Die geplante, ausschließlich temporäre Videobeobachtung an kriminalitätsbelasteten Orten führt seines Erachtens nur zu Verdrängungseffekten. Woldeit fordert eine Stärkung der Kapazitäten zur Vermögensabschöpfung im Landeskriminalamt (LKA) sowie eine andere Ausgestaltung des Polizeibeauftragten. Dieser solle als Hilfsorgan des Parlaments fungieren. Der Fraktionsvorsitzende der oppositionellen CDU, Kai Wegner, meint: “Der Senat ist anscheinend dem Irrglauben aufgesessen, die Bürger vor der Polizei schützen zu müssen statt vor Verbrechen und Kriminalität.” Berlin brauche den Videoschutz an allen kriminalitätsbelasteten Orten, denn das erhöhe das Sicherheitsgefühl und trage dazu bei, Verbrechen aufzuklären und Täter zu überführen. Und er betont: “Personen aufgrund äußerer Merkmale zu kontrollieren, ist bereits vollkommen zu Recht unzulässig, insofern bedarf es hier keiner gesetzlichen Klarstellung.”

Schlechtes Prüfungsergebnis für Deutschland?

FATF-Kontrolle könnte für Bundesrepublik kritisch ausfallen

(BS/mfe) Die “Financial Action Task Force on Money Laundering” (FATF) widmet sich dem Kampf gegen Geldwäsche. Dazu prüft sie regelmäßig Staaten. So derzeit auch Deutschland. Das Ergebnis der Kontrolle steht zwar noch aus. Einige befürchten jedoch Schlimmes.

So gehen mehrere Insider zwar davon aus, dass die Bundesrepublik nicht auf einer der sogenannten grauen oder gar schwarzen Listen der Organisation, die ihren Sitz bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris hat, landen werde. Denn das würde zu massiven politischen Implikationen führen und dem internationalen Ansehens Deutschland erheblich schaden. Denn dann könnte der internationale Zahlungsverkehr eingeschränkt werden. Auch werde es aller Voraussicht nach ein besseres Resultat für die Geldwäscheaufsicht im Nicht-Finanzsektor geben, da sich dort seit der letzten FATF-Prüfung hierzulande viel getan habe. In diesen Bereich fallen unter anderem Juweliere, Mineralölhändler sowie andere Gütehändler.

Immer noch kein Masterplan vorhanden

Problematisch sei jedoch, dass es in Deutschland immer noch keinen Masterplan gegen Geldwäsche gebe. Dies dürften die Kontrolleure wohl kritisieren, heißt es von einem Experten. Wie hart die Kritik ausfällt, bleibt abzuwarten. Denn von mehreren Akteuren ist zu hören, dass die Ursprungsfassungen solcher Prüfberichte oftmals deutlich schärfer formuliert seien als jene Dokumente, die schlussendlich veröffentlicht würden. Hier finde im Vorfeld nicht nur ein Review-, sondern sogar eine Art Glättungsprozess statt. Die derzeit laufende Prüfungsrunde ist tiefgehender als die vorherigen. Denn nun wird auch kontrolliert, ob Rechtsvorschriften tatsächlich effektiv umgesetzt wurden. Dies erfolgt anhand von elf Kategorien. In den vorangegangenen Kontrollzyklen wurde von den FATF-Experten, die aus unterschiedlichen Staaten kommen, hingegen nur geprüft, ob Standards in Gesetze übertragen wurden. Nun wird beides kontrolliert.

Geldwäsche verursacht hierzulande jährlich riesige finanzielle Schäden. Deshalb ist es wichtig, effektiv gegen das Phänomen vorzugehen. Wie es darum in Deutschland steht, untersuchen derzeit Fachleute der “Financial Action Task Force on Money Laundering” (FATF).

Foto: BS/uschi dreiucker, pixelio.de

Derzeitige Prüfung deutlich anspruchsvoller

Die derzeit stattfindende Prüfung, deren Gesamtdauer sich auf etwa 14 Monate belaufen dürfte, ist damit deutlich anspruchsvoller – zumal in Corona-Zeiten. Denn für die aktuelle Kontrolle – insgesamt läuft bereits die vierte Prüfungsrunde der 1989 gegründeten Organisation, die aus 206 zu prüfenden Jurisdiktionen besteht und inzwischen 40 Standards zur Geldwäschebekämpfung verabschiedet hat– müssen die FATF-Expertinnen und -Experten extra in die Bundesrepublik reisen und hier zwischen zwei und fünf Wochen bleiben, um die erforderlichen Befragungen durchzuführen.

Nur empfehlenden Charakter

Dabei prüfen sie unter anderem Statistiken sowie Dokumente und befragen Personen, die mit der Geldwäscheaufsicht betraut sind. Anschließend vergeben sie für zwei Dimensionen (Übertragung von FATF-Standards in Gesetze einerseits sowie effektive Umsetzung der Gesetze andererseits) Noten. Diese fließen dann gewichtet in den Abschlussbericht, der auch Verbesserungsvorschläge enthält, ein. Diese Ratschläge haben allerdings – wie alle FATF-Standards – keine unmittelbare Wirkung und stellen auch kein direkt bindendes Recht dar. Spannend zu beobachten sein dürfte schon jetzt, wie die übernächste FATFPrüfung für die Bundesrepublik ausfällt. Denn dann wird sich zeigen, inwiefern im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung angekündigte Maßnahmen gegen Geldwäsche umgesetzt wurden und tatsächlich Wirkung erzielten.

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