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Behörden Spiegel: Was sind die wichtigsten Punkte, die Bremen im Bereich der Inneren Sicherheit beschäftigen?

Zwischen EncroChat-Verfahren und DFL

Die Richtigen müssen zahlen

Mäurer: Wie bei vielen anderen Bundesländern stecken wir tief in den EncroChat-Verfahren. Dabei geht es um Organisierte Kriminalität. Im Fokus ist der Drogenhandel. Durch unsere geografische Lage sind wir davon besonders belastet. Wir haben vom Bundeskriminalamt ungefähr 500 Datensätze bekommen – von insgesamt 4.000, die in der ganzen Bundesrepublik verteilt worden sind! Da sieht man, dass wir einen riesigen Anteil haben. Hamburg hat 1.000 Datensätze bekommen. Das liegt daran, dass unsere Häfen als Umschlagplatz für den Drogenhandel prädestiniert sind. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass Hamburg und Bremen stark gefordert sind. Dieses Thema macht uns aber nicht nur viel Arbeit, sondern auch viel Freude. So haben wir eine große Anzahl von Haftbefehlen vollstrecken können. Die Gerichte haben viele Intensivtäter zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Aber das ist erst der Anfang, die nächsten Datensätze kommen in den folgenden Monaten.

Behörden Spiegel: Wie reagiert die Szene darauf?

Mäurer: Die Szene wird sich natürlich darauf einstellen. Aber der Überraschungseffekt ist auf unserer Seite. Wir haben nicht nur Haftbefehle vollstreckt, sondern eine Unzahl von hochwertigen Pkws und Immobilien beschlagnahmt. Die Maßnahmen sind breit aufgestellt und sehr wirksam. Wir haben noch nie so viele Toptäter inhaftieren können wie jetzt.

Behörden Spiegel: Als wie gerichtsfest schätzen Sie diese Beschlagnahmungen von vermutlich illegal erworbenen Gegenständen ein?

Mäurer: Unter den Ländern arbeiten wir eng zusammen. In Bremen haben wir die Erfahrungen aus Berlin ausgewertet. Natürlich bleibt immer ein Restrisiko. Wir können nicht von Anfang an sagen, was im Steuersack bleiben wird. Aber ich bin durchaus optimistisch, dass in vielen Verfahren nennenswerte Summen sichergestellt bleiben. Dadurch kann die Szene heftig getroffen werden. Wenn wir den Kriminellen die Grundlagen entziehen und die Immobilien wegnehmen, ist das ein deutliches Signal.

(BS) Der Bremer Senator für Inneres, Ulrich Mäurer (SPD), steht Rede und Antwort über Organisierte Kriminalität (OK), den Rechtsstreit mit der Deutschen Fußball Liga (DFL) und wie er zu einer Kompetenzerweiterung für Europol steht. Die Fragen stellten Uwe Proll und Marco Feldmann.

“Die EncroChat-Verfahren machen uns nicht nur viel Arbeit, sondern auch viel Freude.”

Ulrich Mäurer (SPD) ist Innensenator Bremens. Dieses Amt hat der Sozialdemokrat schon seit 2008 inne. Damit gehört er zu den dienstältesten Ressortchefs.

Screenshot: BS/Hilbricht

Behörden Spiegel: Sehen Sie Möglichkeiten, der Organisierten Kriminalität den Nachwuchs abspenstig zu machen?

Mäurer: Es ist schwierig, schließlich ist der Drogenhandel international organisiert. Es gibt Mittelsmänner in verschiedenen Ländern. Der Stoff kommt aus Lateinamerika und wird nicht nur in Bremen umgesetzt, sondern bundesweit verteilt. Das heißt, es gibt viele Möglichkeiten für die Kriminellen, neues Personal zu gewinnen. Da haben wir nicht die besten Karten, aber die Haftstrafen, die in den letzten Monaten verhängt worden sind, sind nicht ohne. Zehn bis zwölf Jahre Haft senden ein deutliches Zeichen.

Behörden Spiegel: Das Land Bremen befindet sich seit Langem im Rechtsstreit mit der Deutschen Fußball Liga (DFL) über Kosten bei Hochrisikospielen. Wie ist hier der aktuelle Stand? Behörden Spiegel: Weshalb schwelt der Streit noch?

Mäurer: Die Auseinandersetzung mit der DFL ist schon fast historisch. Wir haben fast alle Verfahren gewonnen. Zwar bezweifeln wir nicht, dass zunächst das Innenressort für die Finanzierung der Polizeikosten zuständig ist. Die Grundversorgung muss gewährleistet sein und ist vom Steuerzahler zu tragen. Aber ab einer gewissen Größenordnung erwarten wir, dass die DFL sich an den Kosten beteiligt. Wir haben zu normalen Zeiten circa zwei Millionen Einsatzstunden im Jahr nur für die ersten beiden Ligen. Die Gerichte sagen uns, dass es angemessen und richtig ist, dass ein Teil dieser Ausgaben von den Vereinen und der DFL zu tragen ist. Das ist nicht allein die Aufgabe des Steuerzahlers.

Mäurer: Wir hätten dieses Verfahren längst eingestellt, aber die DFL hat wiederum Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Auf die Entscheidung warten wir noch. Aber ich bin überzeugt, dass wir das Verfahren gewinnen werden, weil das Verfassungsgericht die verfassungsrechtlichen Fragen schon rauf und runter geprüft hat.

Behörden Spiegel: Clan-Kriminalität beschäftigt besonders Berlin und Nordrhein-Westfalen, aber auch Bremen. Wie schätzen Sie die Situation in Bremen ein?

Mäurer: Es stimmt, auch wir haben dieses Problem. Durch die EncroChat-Verfahren sind wir da weitergekommen. Wir haben festgestellt, dass eine große Anzahl von Intensivtätern diesen Clans zuzuordnen ist. Daher ist ein erfolgreicher Kampf gegen organisiertes Verbrechen und Drogenkriminalität auch ein wichtiger Beitrag gegen die Clan-Kriminalität.

Behörden Spiegel: Wie gestaltet sich die Nachwuchssituation bei der Bremer Polizei?

Mäurer: Erfreulicherweise sind wir aufgrund unserer Haushaltslage jetzt fähig, große Ausbildungsjahrgänge einzustellen. Das war nicht immer so. Wir hatten viele Jahre, in denen wenig oder gar kein Geld dafür da war. Gegenwärtig haben wir noch eine relativ sichere Bewerberlage. Dennoch müssen wir uns damit auseinandersetzen, wie wir den Polizeiberuf künftig attraktiv machen können. Da müssen wir uns auch auf neue Herausforderungen einlassen, denn es wird nicht immer so bleiben, dass viele bei der Polizei arbeiten wollen.

Behörden Spiegel: Seit einem halben Jahr haben wir eine neue Bundesregierung und eine neue Bundesinnenministerin, Nancy Faeser. Wie schätzen Sie die Arbeit des Bundes im Bereich der Inneren Sicherheit bisher ein? Mäurer: Die Zusammenarbeit mit unserer neuen Bundesinnenministerin macht viel Freude. Viele Themen bewegen uns alle, zum Beispiel sexualisierte Gewalt gegen Kinder. Das hat bundesweit eine immense Bedeutung gefunden. Dabei geht es nicht alleine darum, diejenigen zu erreichen, die pornografisches Material austauschen. Das Problem ist die reale Gewalt und das brutale Vorgehen gegen Kinder, das mit diesen Bildern einhergeht. Hinzu kommen Probleme wie Hetze und Hass im Internet. Erst jüngst haben wir im Verbund mit anderen Bundesländern Durchsuchungsmaßnahmen durchgeführt. Auch dabei finden wir mit anderen Ländern und insbesondere der neuen Bundesregierung viele Gemeinsamkeiten. Ich glaube, diese Zusammenarbeit wird noch viele Möglichkeiten eröffnen.

Behörden Spiegel: Jüngst gab es Streit über eine Kompetenzerweiterung für das Europäische Polizeiamt Europol. Wie stehen Sie dazu?

Mäurer: Ich bin überzeugt davon, dass bei den gegenwärtigen Krisen Europol von strategischer Bedeutung ist. Wir können viele Probleme nicht allein in der Bundesrepublik lösen. Die EncroChatVerfahren und die Verfahren im Bereich der Kinderpornografie wären ohne die Kooperation mit unseren Partnern gar nicht möglich gewesen. Insofern wären wir klug beraten, wenn wir diese Kooperation ausbauen und Europol stärken.

Behörden Spiegel: Sollte Europol eigene operative Kompetenzen an die Hand bekommen?

Mäurer: Ich bin überzeugter Europäer. Deswegen habe ich überhaupt keine Probleme, unsere nationale Eigenständigkeit mit mehr europäischer Integration zu vereinbaren. In einem vernünftigen System kann uns eine Stärkung der operativen Kompetenzen von Europol nur Vorteile bringen.

Die Polizei sammelt personenbezogene Daten in verschiedenen Registern. “Die Auswertung und Zusammenführung aus diesen unterschiedlichen Datenbanken erfolgt bislang manuell und ist hierdurch zeitaufwendig”, heißt es aus dem StMI. Das muss doch einfacher gehen, dachten sich das Bayerische Landeskriminalamt (LKA) und das StMI. Sie schrieben europaweit aus, was sie sich wünschten: eine Möglichkeit, verschiedene Register gleichzeitig abzufragen. Den Zuschlag erhielt Palantir – “auf Grundlage rein fachlicher Kriterien”, wie das StMI betont. Qua Rahmenvertrag erhält das LKA eine Software zur Verfahrensübergreifenden Recherche und Analyse (VeRA). In Kooperation mit Polizei 2020 sei diese Art der Beschaffung vereinbart worden, heißt es aus dem StMI. Dadurch können außer Bayern auch andere Länder und der Bund Palantir-Software kaufen – ohne weitere Ausschreibung. Da bei großen Beschaffungen EU-weite Ausschreibungen verpflichtend sind, ist dieses Vorgehen üblich. “Hierdurch entfällt das Erfordernis einer neuen ressourcen- und zeitaufwendigen Ausschreibung.” Ob andere Länder oder der Bund den Vertrag nutzen, steht ihnen frei. Gotham und VeRA

Noch im Frühjahr hatte die FDP-Fraktion im Bayerischen Landtag einen Dringlichkeitsantrag gegen die Kooperation mit Palantir gestellt. Erfolglos. Der Autor war Dr. Helmut Kaltenhauser, der digitalpolitische Sprecher der Partei im Landtag. Da Palantir mit amerikanischen Geheimdiensten zusammengearbeitet hat, befürchtet er unter anderem, dass Daten in die USA abfließen könnten. Dagegen sagt das LKA, dass es die Software nur auf Rechnern betreibe, die keinen Anschluss ans Internet hätten. Zudem stünden die Server beim LKA, erfüllten den BSI-IT-Grundschutz und Palantir habe eine No-Spy-Klausel unterschrieben. Das Tool VeRA beruht auf dem Betriebssystem Gotham. “Gotham verknüpft und reichert riesige Mengen von Daten nahezu in Echtzeit an und präsentiert sie in einer einzigen Ansicht”, heißt es beim Hersteller. Das Programm sei prinzipiell kompatibel mit Künstlicher Intelligenz (KI). Wenn man Gotham vollumfänglich nutzen will, muss man seine Daten jedoch Palantir überlassen. Dann hätte das LKA keine Administratorrechte mehr und die Verarbeitung wäre nicht mehr on premise. Das LKA Bayern plant laut eigener Aussage weder die Anwendung von KI noch automatisierte Analysen oder Wahrscheinlichkeitsberechnungen für Szenarien. VeRA diene lediglich dazu, ein gemeinsames Register für polizeiliche Datenbanken zu schaffen. “Wenn es nur das wäre, würde ich mir mit VeRA einen Porsche kaufen, um zum Brötchenholen zu fahren”, widerspricht Kaltenhauser. Strittig ist vor allem, ob VeRA Informationen generiert oder nicht. Das LKA und das StMI betonen, dass Palantir-Programme nur auf Daten zurückgriffen, die die Polizei sowieso gespeichert habe. Nicht mehr und nicht weniger. “Palantir führt Daten aus mehreren Datentöpfen zusammen. Wenn ich das mache, erhalte ich eine neue Information”, widerspricht Kaltenhauser.

Palantir für das LKA Bayern

Ein Porsche zum Brötchenholen?

(BS/Benjamin Hilbricht) Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration (StMI) hat einen Rahmenvertrag mit der kontrovers diskutierten Software-Firma Palantir geschlossen. Die Polizei verspricht sich Effektivität und Schnelligkeit. Datenschützer und die Opposition im Landtag befürchten eine Rasterfahndung. Fehlt die rechtliche Grundlage?

Keine Rechtsgrundlage

Den Bayerischen Landesdatenschutzbeauftragten, Prof. Dr. Thomas Petri, besorgt, dass VeRA die Zweckbindung von polizeilichen Abfragen unterlaufe. “Die Polizei hat nicht aus Willkür verschiedene Datenbanken errichtet”, unterstreicht er. Vielmehr sei es ein Verfassungsprinzip, Daten nicht zentral zu erfassen und zu verarbeiten. “Nach meiner Überzeugung haben wir in Bayern keine Rechtsgrundlage für VeRA”, konstatiert Petri. Das StMI habe sich auf das Polizeiaufgabengesetz (PAG) berufen. Darin heißt es, dass die Polizei personenbezogene Daten speichern und verarbeiten dürfe, sofern das zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendig sei. “Ich glaube nicht, dass das reicht”, kommentiert der Datenschutzbeauftragte.

Tötungsdelikte verhindert

Hessen und Nordrhein-Westfalen setzen bereits PalantirProdukte ein und haben spezielle Gesetze verabschiedet. Seit bald zwei Jahren verwendet das nordrhein-westfälische LKA die “Datenbankübergreifende Recherche und Analyse” (DAR). Auch von Palantir, auch um gleichzeitig in verschiedenen ITSystemen zu recherchieren. Das LKA spricht von einer “deutlichen Zeitersparnis, insbesondere in akuten und ad hoc-Situationen”. Hier sei Zeit entscheidend für das Gelingen oder Scheitern polizeilicher Aktionen. “Mit dem DAR-System konnten bereits Tötungsdelikte verhindert werden”, erklärt das LKA. Die Bilanz des nordrhein-westfälische LKA ist nach eineinhalb Jahren durchweg positiv. Einziger Nachteil: die gefühlsgeladene, sich nicht um die fachlichen Details scherende öffentliche Debatte. Doch die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (LDI) in NordrheinWestfalen stellt fest: “die Software durchbricht regelhaft den Zweckbindungsgrundsatz und durchsucht sämtliche polizeiliche gespeicherte Daten.” Deswegen habe sie dafür gekämpft, dass das Innenministerium den Anwendungsbereich der Software gesetzlich festschreibt. Inzwischen gibt es eine Rechtsgrundlage für den Einsatz von DAR in Nordrhein-Westfalen. “Mit dem Vorhandensein dieser Norm ist der Einsatz der Software jedenfalls unter den darin enthaltenen – wenngleich nach unserer Auffassung nicht ausreichend engen – Grenzen zulässig”, urteilt die LDI abschließend.

Rasterfahndung?

Auch die Datenschützer Kaltenhauser und Petri in Bayern sorgen sich, dass normale Bürger durch VeRA ohne Anlass in polizeiliche Ermittlungen hineingeraten könnten. Kaltenhauser spricht von einer “Rasterfahndung”, die durch das Zusammenführen bisher nicht verknüpfter Informationen entstehe. Petri hält es daher für wichtig, dass in eine gesetzliche Regelung für VeRA der Einzelfallbezug hineingeschrieben wird. Es müsse genau spezifiziert werden, wann und aus welchen Anlässen VeRA eingesetzt werden dürfe. Das nordrhein-westfälische LKA gibt an, dass es DAR zur “Abwehr, Verhütung und vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten, der Abwehr von Gefahren sowie der Verfolgung von Straftaten” nutze. Nicht alle Länder wollen Palantir kaufen. Gegenwärtig lägen "keine fachlichen Anforderungen" dafür vor, heißt es aus dem Sächsischen Staatsministerium des Innern (SMI). Die Polizei im Land nutze andere Software-Produkte, um Daten vergleichend auszuwerten und grafisch darzustellen. “Dennoch beobachtet die sächsische Polizei permanent die Entwicklungen auf dem Markt, um auch künftig allen Anforderungen in diesem Bereich gerecht werden zu können.” Die Sächsische Datenschutzbeauftragte (SDB) sieht für einen möglichen Palantir-Einsatz im Land keine Rechtsgrundlage. Es gebe dazu jedoch einen “unverbindlichen Austausch auf Arbeitsebene” zwischen der Staatsregierung und der SDB. Was bringt die Zukunft? Petris Kritik hat gefruchtet. “Wir haben die rechtliche Einschätzung des Bayerischen Landesbeauftragten für Datenschutz zum Anlass genommen, die Einführung einer bereichsspezifischen Rechtsgrundlage für den Ansatz der Software zu prüfen” , heißt es aus dem StMI. Dazu arbeite man eng mit Petri zusammen, was dieser bestätigt. Kaltenhauser plant, eine Anfrage im Landtag zu stellen, wie weit die Prüfung der Rechtsgrundlage ist. Vielleicht verfasst das bayerische Innenministerium bald einen Gesetzesentwurf. Derweil prüft das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) das Gesetz zum Einsatz von Palantir in Hessen. Und VeRA wird – so viel ist sicher – in Bayerns LKA eingeführt.

Behörden Spiegel: Herr Weh, was steht auf Ihrer Agenda?

Stephan Weh: Wir haben uns als Team eine ganze Menge vorgenommen. Eines unserer wichtigsten Ziele ist es, uns als Berliner Landesbezirk der Gewerkschaft der Polizei für die Zukunft aufzustellen. Dafür haben wir uns eine Zukunftswerkstatt eingerichtet. Deren Mitglieder werden uns beraten, wie wir Angebote für alle Generationen von Gewerkschaftsmitgliedern machen und wie wir in der jungen Generation neue Mitglieder gewinnen können. Außerdem wollen wir uns thematisch noch breiter für unsere Mitglieder aufstellen, zum Beispiel durch die Möglichkeit zu Karriere-Coachings oder durch Präventionsangebote.

Behörden Spiegel: Wer gehört der von Ihnen erwähnten Zukunftswerkstatt an?

Weh: Die Zukunftswerkstatt wird von einem Projektteam mit einem Polizisten, einer Professorin, die früher Polizistin war, sowie einem weiblichen Coach aus der Privatwirtschaft betreut und angeleitet. Die drei hatten sich schon vorher als Team gefunden und beraten uns nun gemeinsam. Sie haben auch schon die Polizei Berlin beraten. Diese Projektleitung wird uns permanent von außen betrachten und beraten sowie wissenschaftlich begleiten. Dazu können alle Mitglieder, die sich daran beteiligen wollen, an Workshops teilnehmen und Ideen einbringen. Die Zukunftswerkstatt ist einer unserer wesentlichen Bausteine. Denn wir müssen mit der Zeit gehen und attraktiv bleiben.

GdP Berlin für die Zukunft wappnen

Neuer Landesvorsitzender Stephan Weh hat sich viel vorgenommen

(BS) Stephan Weh ist der neue Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin. Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel spricht er über seine Agenda und den Koalitionsvertrag. Die Fragen stellte Marco Feldmann.

Behörden Spiegel: Was haben Sie sich noch vorgenommen?

Weh: Ich möchte als Landesvorsitzender – sowohl nach innen als auch nach außen – noch präsenter sein. Außerdem möchte ich unseren Landesbezirk gegenüber der Politik wissenschaftlich fundierter aufstellen. Dabei soll uns die Zukunftswerkstatt helfen. Mir ist es außerdem sehr wichtig, den Kontakt zu den Bezirksgruppen zu halten. Denn das ist unsere Basis.

Behörden Spiegel: Wie können aus Ihrer Sicht Extremisten schneller aus dem Öffentlichen Dienst entfernt werden? “Ich möchte als Landesvorsitzender – sowohl nach innen als auch nach außen – noch präsenter sein. Außerdem möchte ich unseren Landesbezirk gegenüber der Politik wissenschaftlich fundierter aufstellen.”

Stephan Weh ist Berliner Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Der 44-jährige Polizeihauptkommissar hat die Nachfolge Norbert Ciomas angetreten.

Foto: BS/GdP Berlin

Weh: Grundsätzlich sind unsere Kollegen Menschen und die gelten im Rechtsstaat so lange als unschuldig, bis in einem fairen Verfahren die Schuld bewiesen ist. Klar ist aber: Extremisten haben im Öffentlichen Dienst und erst recht bei den Sicherheitsbehörden nichts zu suchen. Wo Kolleginnen und Kollegen Grenzen derart überschreiten, muss schnell gehandelt werden. Sie müssen aus dem Dienst entfernt werden. Damit das gelingt, müssen aber die Verwaltungsgerichte mit mehr Personal ausgestattet werden. Denn ansonsten liegen Verfahren dort sehr lange.

Behörden Spiegel: Wie stehen Sie zu Bodycams und dem laufenden Probelauf in Berlin?

Weh: Die Bodycams haben einen deutlichen Mehrwert. Sie helfen präventiv und erleichtern die Beweissicherung. Sie sollten dauerhaft fl ächendeckend in Berlin eingeführt werden und der Gesetzgeber sollte den Einsatz im Wohnraum ermöglichen, weil es dort zu vielen Angriffen kommt.

Behörden Spiegel: Wie bewerten Sie den Koalitionsvertrag mit Blick auf die Innere Sicherheit?

Weh: Der Koalitionsvertrag liest sich für Polizei grundsätzlich gut, weil kaum etwas zu ihr drinsteht. Allerdings werden der Polizei hier teilweise auch zusätzliche Aufgaben übertragen. Dafür fehlt das Personal und wir haben nicht mal genügend Nachwuchs, um alle dafür erforderlichen Stellen besetzen zu können. Wenn mehr Polizeiwachen gefordert werden, müssen bereits jetzt mehr Anwärter eingestellt werden, um den Personalmehrbedarf erfüllen zu können.

Behörden Spiegel: Was wird noch benötigt?

Weh: Außerdem braucht es, wenn die Polizei zusätzliche Aufgaben wahrnehmen soll, vorher eine Aufgabenkritik. Da muss dann aktiv geschaut werden, welche hoheitlichen Aufgaben die Vollzugskräfte nicht mehr wahrnehmen müssen. Hier geht es um Aufgaben, die originär in den Bereich anderer Behörden, zum Beispiel die Ordnungsämter, gehören. Dazu gehört unter anderem die polizeiliche Präsenz in Parkanlagen am Tage. Denn die Kolleginnen und Kollegen arbeiten bereits jetzt am Limit. Das Outsourcing von staatlichen Aufgaben wäre defi nitiv der falsche Weg, das sehen wir bei der Bewachung unserer Liegenschaften. Hier dürfen wir nicht auf Fremdfi rmen angewiesen sein.

Immer größere Datenmengen

Ermittler müssen mit schrecklichen Aufnahmen umgehen

(BS/Ingo Wünsch) Die Bekämpfung von Missbrauchsdarstellungen (Kinderpornografie) ist von schier unglaublichen digitalen Datenmengen gekennzeichnet. Art, Umfang und Anzahl von IT-Asservaten sind in den vergangenen Jahren exponentiell gestiegen und dieser Trend hält an. Die Möglichkeiten, Daten digital zu speichern, sind vielfältig, wobei die Speicherkapazitäten gleichzeitig fortlaufend zunehmen. Die soziale Welt wie auch die Kommunikation sind durch und durch digital geworden.

Diese Entwicklung wird auch im Kontext von Missbrauchsdarstellungen umfänglich kriminell genutzt und wirkt wie ein Beschleuniger in diesem Deliktfeld. Inkriminierte Daten können in Echtzeit an beliebig viele Personen auf der ganzen Welt verbreitet werden. Es werden Live-Übertragungen angeboten, in denen schwerste Missbrauchstaten begangen werden. Täterinnen und Täter aus aller Welt können visuell teilnehmen oder sogar auf Handlungen Einfl uss nehmen. Pädokriminelle Personen können sich weltweit fi nden und vernetzen. Der reale sexuelle Missbrauch erfährt durch das Netz eine nahezu unkontrollierbare, permanente Wiederholung. Daher sind konsequente Ermittlungen wegen Missbrauchsdarstellungen (im Netz) das Auge in das Dunkelfeld des realen sexuellen Missbrauchs. Polizei und Justiz müssen diese digitalen Massendaten effi zient bearbeiten können, um darüber laufende Missbrauchstaten zu erkennen und schnellstmöglich zu beenden. Hier gilt: Schutz der Opfer und Gefahrenabwehr vor Strafverfolgung. Angesichts der unfassbaren Datenmengen ist dies eine enorme Herausforderung für die Strafverfolgungsbehörden, die insoweit auch von einer leistungsfähigen und stetig fortzuentwickelnden IT-Forensik abhängig sind. Forensik-Cloud in NRW

Bei der Polizei Nordrhein-Westfalens werden Verfahren wegen Missbrauchs und Missbrauchsdarstellungen im Landeskriminalamt (LKA) zentral über eine Forensik-Cloud aufbereitet und für die Auswertung verfügbar gemacht. Die Sicherung von Originalasservaten (Image) fi ndet dagegen in den Kreispolizeibehörden statt. Sie werden unter Nutzung von Datenschleusen zunehmend digital von den Kreispolizeibehörden zum LKA übertragen. Die Forensik-Cloud beinhaltet die standardisierte, automatisierte Aufbereitung von sichergestellten IT-Asservaten sowie die Bereitstellung der Sicherungen und Aufbereitungen über virtuelle Systeme. Dadurch wird der Sachbearbeitung ein abgestimmtes, gemeinsames Arbeiten an IT-Asservaten in Form von dislozierten Ermittlungsclustern ermöglicht. Faktisch kann die Polizei NRW in Ermittlungen als virtuelles Großraumbüro arbeiten. Das ermöglicht gerade in herausragenden Verfahren das gemeinsame Arbeiten von auch räumlich disloziert tätigen Ermittlerinnen und Ermittlern und damit eine schnelle Bündelung von spezifi schen Ermittlungskapazitäten. Technisch wird die ForensikCloud über das HiPoS-Projekt verwirklicht. Dieses stellt die gemanagte Hardware zur Verfügung. Die vollständige Konzeptionierung der Forensik-Cloud und ihrer Prozesse sowie die eigentliche kriminalfachliche Arbeit ist jedoch zentrale Aufgaben des LKA. Die Zentralisierung von IT-forensischer Expertise ist erfolgskritisch, da nur so sichergestellt ist, dass Neuerungen in der Datenaufbereitung sofort allen Bedarfsträgern gleichermaßen zur Verfügung gestellt werden können.

Oft verschlüsselt Besondere IT-forensische Herausforderungen bestehen – neben den enormen Datenmengen – insbesondere auch bei verschlüsselten Daten sowie in der Komplexität von Auswertungen

verschiedenster Ingo Wünsch ist Direktor Datenträger und des Landeskriminalamtes Datenarten. Nordrhein-Westfalen. Zuvor Häufig sind die war er Sonderermittler des gespeicherten Ministers im Fall Lügde und Daten digitaler als Leiter der Stabsstelle zur Asservate entRevision der kriminalpolizei- weder durch den lichen Bearbeitung von sexu- Nutzer bewusst ellem Missbrauch an Kindern verschlüsselt oder und Kinderpornografie tätig. bereits durch den Foto: BS/LKA NRW Hersteller mit einer werksseitigen Verschlüsselung versehen worden. Letzteres ist mittlerweile üblich bei modernen Smartphones, Tablets und Laptops für den Businessbereich. Datenverschlüsselung führt dazu, dass die Dateninhalte für die Ermittlungsbehörden nicht sichtbar sind und somit standardisierte IT-forensische Tools keine automatische Datenaufbereitung durchführen können. Bestehende Tools müssen IT-forensisch fortentwickelt, verfeinert und gegebenenfalls auf den Einzelfall hin angepasst werden. Ohne Frage eine herausragende Aufgabe für Expertinnen und Experten der IT-Forensik. IT-Asservate ganzheitlich betrachten Die Komplexität des Zusammenspiels verschiedener IT-Systeme zeigt sich gerade auch in der eigentlichen kriminalistischen Fallbearbeitung. Strafrechtliche Bewertungen können häufi g erst dann getroffen werden, wenn alle IT-Asservate ganzheitlich betrachtet wurden. Die Einzelbetrachtung von verbundenen Smartphones, Smartwatches und Tablets führt nicht immer zu einem ganzheitlichen Bild. Bei digitalen Asservaten ist die kriminalistische Fallbearbeitung untrennbar mit der IT-Forensik verbunden. Dieses Zusammenspiel ist für eine erfolgreiche Kriminalitätsbekämpfung unbedingt erfolgskritisch, weil digitale Daten im Rahmen einer “digitalen Spurensuche” inzwischen nahezu allen Kriminalitätsfeldern immanent sind.

Was geschieht in Rheinland-Pfalz?

Aktuelle Themen polizeilicher Beschaffungen

(BS/Christian Gose) Polizeiliche Beschaffungen stellen besondere Anforderungen an die Vergabe, finden diese doch überwiegend auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge statt. Die Auswirkungen wären fatal, wenn beispielsweise Schutzausstattung fehlte oder Mobilität nicht sichergestellt werden könnte und die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, wenn auch nur partiell, beeinträchtigt würde. Hieraus ergibt sich der Auftrag, Beschaffungsvorhaben der Polizei besonders verantwortungsvoll durchzuführen.

Gleichzeitig bedingt das Agieren im Bereich der Gefahrenabwehr, dass in Abwägung mit dem Vergaberecht häufi g Interimsvergaben geprüft werden müssen. So ist es schwerlich vorstellbar, dass hoheitlich bedingtes Abschleppen von Fahrzeugen nur deshalb unterbliebe, weil ein Verfahren zur Auftragsvergabe gerade bei der Vergabekammer anhängig ist. Die verantwortungsvolle Durchführung einer Beschaffung beginnt beim Aufbau einer schlagkräftigen Beschaffungsorganisation. Beschaffung erfordert sowohl in fachlicher als auch in vergaberechtlicher Hinsicht gut ausgebildetes Personal, das neben einer Fachexpertise auch mit dem Haushaltsrecht, wirtschaftlichen Betrachtungsweisen sowie Projektmanagementmethoden vertraut ist. Die rheinland-pfälzische Antwort auf diese Anforderung ist die Konzentration dieses Personals in einer Behörde. Auch zu diesem Zweck wurde 2017 das Polizeipräsidium Einsatz, Logistik und Technik (PP ELT) gegründet. Das Verhältnis des PP ELT zu den übrigen Polizeibehörden des Landes ist im Hinblick auf die Beschaffung so gestaltet, dass anfallende Direktkäufe und (administrativ einfache) Verhandlungsvergaben von allen Behörden durchgeführt werden können. Alle anderen (komplexeren) Vergaben werden durch den landesweit zuständigen PPELT-Fachbereich durchgeführt. Gute Vorbereitung ist essenziell

Jedes Vergabeverfahren lebt von einer guten Vorbereitung. Vorangestellt ist den Beschaffungsvorhaben eine solide konzeptionelle Haushaltsplanung. Hier sind ein modernes elektronisches Einsatzmittelmanagement und eine qualitativ und quantitativ festgelegte Soll-Ausstattung essenziell. Nur eine vollständige Erfassung relevanter Führungs- und Einsatzmittel mit Einsatzort und Lebensdauer ermöglichen eine punktgenaue Haushaltsvorsorge und logistische Ersatzgestellung. Jede Beschaffung hat ihre Besonderheiten, die bei der Ausgestaltung der jeweiligen Beschaffungsorganisation zu berücksichtigen sind. So kann sie – je nach Komplexität der Maßnahme – sowohl in der allgemeinen Aufbauorganisation als auch in Arbeitsgruppen mit einzelnen Projektelementen oder in einer Projektorganisation mit Projektmitteln abgewickelt werden. Berücksichtigung darf nicht nur der Beschaffungsprozess selbst fi nden. Es müssen alle Faktoren identifi ziert und inkludiert werden, die für eine erfolgreiche Einführung von Führungs- und Einsatzmitteln erforderlich sind. Häufi g sind hierbei auch die Kapazitäten der Aus- und Fortbildung ein mitbestimmender Faktor. Dies hat sich in Rheinland-Pfalz beispielhaft bei der Einführung von Distanzelektroimpulsgeräten (DEIG) gezeigt. Für die Nutzung waren aus nachvollziehbaren Gründen nur beschulte Anwenderinnen und Anwender zugelassen. Das bedingte wiederum, dass eine sukzessive Beschulung nach einem Aus- und Fortbildungskonzept gewählt wurde. Somit konnte auch die Ausstattung nur sukzessive erfolgen. Leistungsprofile Führungs- und Einsatzmittel müssen in der Praxis reibungs-

los funktionieren. Daher legt Rheinland-Pfalz besonChristian Gose ist ausgebil- deren Wert auf die deter Jurist. Er leitet die Ab- Einbindung der teilung Beschaffung und Lo- Anwenderinnen gistik des Polizeipräsidiums und Anwender. Einsatz, Logistik und Technik Es ist ein mittin Rheinland-Pfalz. lerweile etablierFoto: BS/Polizei Rheinland-Pfalz ter Prozess, dass bei bedeutenden Beschaffungen Leistungsprofile von den Anwenderinnen und Anwendern erarbeitet werden, aus denen die technischen Leistungsbeschreibungen und die weiteren Vergabeunterlagen schöpfen. Dies wird beispielhaft bei allen Fahrzeugbeschaffungen sowie bei der Folgebeschaffung von Schutzausstattung für lebensbedrohliche Einsatzlagen und der Bewaffnung mit einer neuen Mitteldistanzwaffe praktiziert. Zusätzliche Schwierigkeit Weiterhin hält das Haushaltsrecht mit seiner Jährlichkeit schwierige Rahmenbedingungen bereit. Beispielhaft sei der besonders betroffene Bereich der polizeilichen Fahrzeugbeschaffung genannt. In Zeiten von Lieferengpässen und unterbrochenen Lieferketten ist es oft unmöglich, Beschaffungsvorhaben innerhalb eines Jahres abzuwickeln beziehungsweise belastbar zu planen. Unter Anerkennung des parlamentarischen Haushaltsvorbehalts müssen deshalb Wege gefunden werden, durch Verzögerung entstehende Ausgabereste automatisch und sofort verfügbar im anschließenden Haushaltsjahr bereitzustellen. Polizeiliche Beschaffungen gelingen also nicht allein durch die Beherrschung rechtssicherer Vergaben, sondern leben von der gründlichen Vorbereitung, die alle Faktoren in den Blick nimmt, die für eine erfolgreiche Implementierung von Führungs- und Einsatzmitteln in die Organisation relevant sind.

Die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) und die Bundeswehr haben bereits 2019 in einem gemeinsamen StrategieAnsatz Großteile des potenziell frei werdenden UHF-Bereichs für ihre künftige Breitband-Infrastruktur beansprucht. Aus Sicht von BOS und Bundeswehr ist die Zuteilung der Bänder zum Aufbau einer effizienten einsatzkritischen Kommunikationsinfrastruktur für den Alltag wie für Katastrophenlagen zwingend erforderlich. Aber die kommerziellen Mobilfunkbetreiber proklamieren den attraktiven Frequenzbereich ebenfalls für sich und ihre Nutzer. Auf der anderen Seite stehen die derzeitigen Noch-Inhaber der Frequenzen, unter anderem die Veranstalter terrestrischen Fernsehens und Hersteller wie Nutzer von funkbasierter Veranstaltungstechnik, deren Lobby den Frequenzen marketingtechnisch geschickt das Etikett “Kulturfrequenzen” verpasst hat. Im sonst eher unauffälligen MedienKapitel des Koalitionsvertrags haben die Ampel-Parteien einen potenziell folgenschweren Satz untergebracht: “Wir wollen das UHF-Band dauerhaft für Kultur und Rundfunk sichern”.

Ein unverzichtbares Muss

Dem gegenüber steht die Bundesnetzagentur (BNetzA) als zuständiger Regulator. Im November letzten Jahres hat die BNetzA eine Studie über “Perspektiven zur Nutzung des UHF-Babds 470694 MHZ nach 2030” publiziert, die deutlich macht, dass hier eine differenzierte Sichtweise möglich ist und zielführend sein kann. Der Präsident der BDBOS, Andreas Gegenfurtner, jedenfalls fordert, dass den BOS-Bedarfen bei Entscheidungen zur künftigen Nutzung des UHF-Bandes Rechnung getragen werden müsse. Denn Einsatz-, Sicherheits- und Rettungskräfte bräuchten ein leistungsstarkes Mobilfunknetz, auf das sie sich jederzeit verlassen könnt. Hierfür und für Breitbandlösungen, die für BOS kein komfortables Extra, sondern ein unverzichtbares Muss seien, sei der Frequenzbereich zwischen 470 und 694 MHz enorm wichtig. Der Aufbau eines BOS-eigenen Breitbandnetzes als Ergänzung zum Sprechfunk sei absolut notwendig und überfällig. Studien hätten belegt, dass die BOS für die Breitbandkommunikation einen Frequenzbedarf von mindestens 60 MHz hätten. Bislang stehe den Einsatzkräften nur Sprach-, aber keine Datenkommunikation zur Verfügung. Die bisher zugeteilten Frequenzen im Bereich von 700 MHz seien nicht ausreichend, so Gegenfurtner im Rahmen einer Behörden Spiegel-Online-Diskussionsrunde auf “Digitaler Staat Online”. “Für ein eigenbeherrschtes Breitbandnetz benötigen die BOS zusätzliches, ausreichend nutzbares Frequenzspektrum”, unterstrich Gegenfurtner. Das Spektrum zwischen 470 und 694 MHz verfüge über die benötigten Qualitäten bei Reichweite und Inhouse-Abdeckung.

Die Zukunft des UHF-Bands

Frequenzvergabe zwischen Sicherheit und Kultur

(BS/Dr. Barbara Held/Marco Feldmann) Die Lizenzen für das Spektrum zwischen 470 bis 694 MHz, den sogenannten UHF-Bereich, werden noch in diesem Jahrzehnt neu vergeben. Die World Radio Conference (WRC) wird Ende 2023 bei ihrem Meeting in Dubai über die künftige Nutzung – zunächst Mobilfunk oder anderes – dieser Bänder entscheiden. Das weckt dringende Begehrlichkeiten. In den WRC-Vorbereitungsgremien wie in der Öffentlichkeit wird derzeit um die Positionierung Deutschlands gerungen.

Diskutierten über Frequenzbedarfe (von links oben im Uhrzeigersinn): Andreas Gegenfurtner, Dr. Barbara Held (Moderatorin), Martin Gerster, Kai Hess, Dr. Andreas Wilzeck und Alexander Kühn. Screenshot: BS/Feldmann

Für den Ernstfall

Ähnlich sieht das Oberst i.G. Kai Hess. Der Referatsleiter für nationale und internationale Digital-/Cyber-/Frequenzpolitik und IT-Strategie im Bundesverteidigungsministerium (BMVg) erklärt, dass auch die Bundeswehr gerade im Hinblick auf ihre künftigen Funktionen zur Landesverteidigung einen massiven Frequenzbedarf hat. Zwar könne ein gewisser Anteil der Alltagskommunikation durch die bestehende und geplante Teilhabe an BOS-Netzen abgedeckt werden. Aber für militärische Krisenszenarien seien weitere Frequenzen erforderlich. Derzeit laufe bereits ein Großprojekt zum Betrieb verlegbarer Netze. Nicht nur für den Ernstfall benötige man da Frequenzen, sondern auch zum adäquaten Training der Soldatinnen und Soldaten. Momentan arbeite die Bundeswehr an einer eigenen Frequenzstrategie, so der Referatsleiter. Status quo aufrechterhalten

Mindestens gleichbleibenden Frequenzbedarf hätten aber auch die Veranstaltungstechnik sowie Rundfunk und Fernsehen, betonte Dr. Andreas Wilzeck, Head of Spectrum Policy and Standards Pro Audio – Portfolio Management beim Unternehmen Sennheiser. Er hält die Beibehaltung des Status quo für angemessen. Auch über 2030 hinaus solle der Frequenzbereich zwischen 470 und 694 MHz ausschließlich für Veranstaltungstechnik sowie für Rundfunk und Fernsehen zur Verfügung stehen. Die Pandemie habe gezeigt, dass Kultur und Unterhaltung für die Lebensqualität unverzichtbar seien. Terrestrische Fernsehen könne da durch neue Streamingangebote über 5G-Technologie ersetzt werden. Laut Wilzeck können die BOS eine ausreichende Infrastruktur in den nicht harmonisierten Teilen des 700-MHzBereichs realisieren.

Einvernehmlich regeln

Alexander Kühn, Referatsleiter für Frequenzkonzepte bei der Bundesnetzagentur (BNetzA), betrachtet die komplexe Lage mit gebotener Zurückhaltung. Es sei keineswegs gesetzt, dass der terrestrische Rundfunk nach dem Zuteilungsende 2030 gestrichen werde. Eine von der BNetzA veröffentlichte Studie diskutiere verschiedene Nutzungsszenarien, darunter auch eine anteilige Vergabe an BOS und Bundeswehr. Damit sei aber noch nicht entschieden, dass der Bereich von 470 bis 694 MHz tatsächlich frei werde. Letztendlich komme es darauf an, dass die Interessenten ihren Bedarf plausibel darlegten. Die BNetzA bemühe sich, darüber hinaus auch alternative Optionen darzulegen. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Gerster, ehrenamtlicher Präsident der THW-Bundesvereinigung e.V., sieht beide Seiten des Interessenskonflikts. Aus seiner Sicht haben die zu treffenden Entscheidungen über Frequenzen eine große Bedeutung. Da gehe es um beschränkte Ressourcen, bei denen die BOS aber nicht zu kurz kommen dürften. “Der BOS-Funk rettet Menschenleben.” Deshalb brauche es im Frequenzbereich zwischen 470 und 694 MHz eine einvernehmliche Lösung, die auch BOS und Bundeswehr angemessene Teilhabe zugestehe.

Die gesamte Diskussionsrunde kann unter www.digitaler-staat. online/2022/05/02/zukunft-desuhf-bandes-frequenzvergabezwischen-sicherheit-und-unterhal tung/ abgerufen werden.

In der Debatte über die Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland spiegelt sich der ewige Konflikt zwischen Freiheit und Sicherheit wider. Für mich als Freier Demokrat steht dabei fest: Die Freiheit des Einzelnen ist Grund und Grenze liberaler Politik. Heute sind wir mehr denn je gefordert, unsere Grundrechte zu verteidigen, denn das digitale Zeitalter erlaubt immer umfangreichere Überwachungsmöglichkeiten. Je weiter die Digitalisierung aller Lebensbereiche voranschreitet, umso mehr Datensammlungen entstehen. Unter der Großen Koalition

In den vergangenen Jahren wurde zur Bekämpfung von Terrorismus und Cyber-Kriminalität eine Vielzahl an Gesetzen verabschiedet, die unseren Sicherheitsbehörden bereits heute Zugriff auf eine Menge persönlicher Informationen ermöglicht. So erhielt das Bundesamt für Verfassungsschutz während der Regierungszeit der Großen Koalition die Befugnis, mithilfe von Staatstrojanern verschlüsselte Kommunikationsdaten zu erfassen und auszulesen. Auch die Bundespolizei hat mit der Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) und der Online-Durchsuchung neue Instrumente zur Erfassung von laufender Kommunikation bzw. von dauerhaft gespeicherten Daten bekommen.

Hohe Eingriffsschwellen

Die Fortschrittskoalition aus SPD, Grünen und FDP wird diese Entwicklung stoppen und hohe Eingriffsschwellen für den Einsatz von Überwachungssoftware setzen. Zudem werden die Regierungsfraktionen das Bundespolizeigesetz novellieren und die darin enthaltene Befugnis zur Quellen-TKÜ und OnlineDurchsuchung streichen sowie den Einsatz von Überwachungssoftware durch den Verfassungsschutz prüfen.

Zu viele Einzelregelungen

Warum wir eine Überwachungsgesamtrechnung brauchen

(BS/Manuel Höferlin) In den vergangenen Jahren ist die Zahl an Sicherheitsgesetzen kontinuierlich gestiegen. Fast jedes terroristische Attentat mündete in neuen Forderungen nach verschärften Sicherheitsvorkehrungen. Dies führte zu einem unüberschaubaren Ausmaß an staatlichen Überwachungsmöglichkeiten, welches selbst von erfahrenen Juristinnen und Juristen kaum noch zu überblicken ist.

Mehr behördliche Zugriffe

Eine Untersuchung des MaxPlanck-Instituts zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht im Auftrag der FriedrichNaumann-Stiftung zeigt in nahezu allen Bereichen eine deutliche Zunahme der behördlichen Zugriffe auf Daten. Am stärksten ausgeprägt sei der Anstieg bei verschiedenen Formen der Kontoabfrage und bei der Abfrage von Telekommunikationsverkehrsdaten. Den Wissenschaftlern zufolge gab es 2018 an jedem Werktag durchschnittlich 73 Anordnungen der TKÜ und 110 Verkehrsdatenabfragen, 3.758 einfache Kontoabfragen und 205 Abfragen von Kundendaten durch verschiedene Behörden bei den drei marktführenden ITProvidern Microsoft, Apple und Google. Balance herstellen

Wenn wir uns nicht in einem Szenario wie in George Orwells Dystopie “1984” wiederfinden wollen, in der alles und jeder ständig und überall überwacht wird, müssen wir eine Balance zwischen zeitgemäßer Sicherheitspolitik, Durchsetzung des Rechtsstaates und der Sicherstellung digitaler Bürgerrechte herstellen. Gerade in der digitalen Welt werden Daten für Nutzer häufig unbemerkt verarbeitet und verwendet. Die massenhafte Sammlung, Speicherung und Verknüpfung personenbezogener Daten durch den Staat oder Unternehmen schaffen die Gefahr des “gläsernen Menschen”. Das Recht auf Schutz der Datensouveränität und der Privatsphäre der Bürger muss deshalb kontinuierlich dem technischen Fortschritt angepasst werden. Verfassungswidrig

Zu dieser Einschätzung kam auch das Bundesverfassungsgericht. In einem Urteil aus dem Jahr 2010 erklärten die Karlsruher Richter eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung im Bereich der Telekommunikation für Zwecke der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung zwar grundsätzlich für zulässig, hielten jedoch die konkrete Ausgestaltung der damaligen Regelungen im Telekommunikationsgesetz für verfassungswidrig. Demzufolge darf die “Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden” (BVerfGE 125, 260, Rn. 218, (Vorratsdatenspeicherung). Überwachungsmaßnahmen müssten nicht nur anhand ihrer Intensität bewertet werden, sondern auch vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Überwachungsmöglichkeiten. Eine solche Prüfung der vorhandenen digitalen Überwachungsinstrumente fehlt bislang in Deutschland.

Überwachungsbarometer

Im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung daher die Einführung einer Überwachungsgesamtrechnung (ÜGR) festgehalten. Damit schaffen wir eine vorausschauende, evidenzbasierte und grundrechtsorientierte Sicherheits- und Kriminalpolitik. Denn eine ÜGR, welche die aktuellen und zukünftigen technischen Möglichkeiten und Technologien berücksichtigt, kann dazu beitragen, Fehlentwicklungen bei der Sicherheitsgesetzgebung vorzubeugen. Hierzu hat das zuvor genannte Max-Planck-Institut ein Konzept zur Etablierung einer ÜGR erstellt, welches die Überwachungslast aus den aktuell existierenden rechtlichen Zugriffsmöglichkeiten und der realen Zugriffspraxis bemisst. Obwohl die Zunahme staatlicher Überwachungen ein globales Thema ist, handelt es sich hierbei um das weltweit erste Transparenzinstrument dieser Art. Das Modell der ÜGR ist so angelegt, dass es zu einem periodischen Instrument im Sinne eines regelmäßigen Monitorings weiterentwickelt und perspektivisch in einem EU-weiten Anschlussprojekt aufgehen kann. Evaluation bis Ende 2023 Bis spätestens Ende 2023 erfolgt eine unabhängige wissenschaftliche Evaluation der hiesigen Sicherheitsgesetze und ihrer Auswirkungen auf Freiheit und

Demokratie im Lichte technischer Entwicklungen. Zur kontinuierlichen Bewertung von freiheitseinschränkenden Befugnissen und Überwachungsmaßnahmen wird die Fortschrittskoalition eine “Freiheitskommission” als unabhängiges Expertengremium nach dem Vorbild der “Wirtschaftsweisen” einsetzen. Auch in Zukunft wird es immer neue technische Möglichkeiten zur Erfassung, Speicherung und Manuel Höferlin ist innenpo- Auswertung persönlicher Daten litischer Sprecher der FDP- geben. Unsere Aufgabe als Teil Bundestagsfraktion. der Fortschrittskoalition ist es, Foto: BS/Christian Kuhlmann die technisch-gesellschaftliche Entwicklung genau zu beobachten. Wir werden für einen durchsetzungsfähigen Rechtsstaat sorgen, der die Summe der Überwachung auf ein für die freiheitlich-demokratische Grundordnung erträgliches Maß begrenzt. Die Einführung der ÜGR schafft hierfür die Voraussetzungen. Damit bringen wir Sicherheit und Freiheit wieder in Balance und stellen sicher, dass die Abwägung in Zukunft nicht mehr auf Kosten des einen oder anderen gehen wird.

Rückgang verzeichnet

Weniger Fehlzeiten bei Hessens Polizei

(BS/mfe) Die Fehlzeiten bei der hessischen Polizei sind auch im zweiten Pandemiejahr 2021 weiter gesunken. Waren 2019 durchschnittlich 26,78 und im Jahr 2020 noch 24,95 durchschnittliche Fehltage pro Person verzeichnet worden, konnte für 2021 ein weiterer Rückgang auf 24,34 Tage pro Person festgestellt werden.

Bei der Auswertung der Fehlzeiten werden aufgrund der unterschiedlichen Arbeitszeitmodelle die Kalendertage der Abwesenheit und nicht die Arbeitstage ausgewertet. “Für unsere Polizeibeamtinnen und -beamten waren die Pandemiejahre 2020 und 2021 sehr belastend. Trotz der erschwerten Bedingungen und der großen Herausforderungen haben die Kolleginnen und Kollegen deutlich seltener gefehlt”, lobte Innenminister Peter Beuth (CDU). Seitens der Landesregierung werde alles unternommen, um die Beschäftigten weiter zu unterstützen. So habe es in den letzten Jahren erheblich mehr Personal gegeben. Bis 2025 werden es mit mehr als 16.000 Beamtinnen und Beamten so viele wie nie zuvor sein. Übrigens: Aufgrund der unterschiedlichen Schichtmodelle werden bei der hessischen Polizei stets auch Feier- und Wochenendtage zu Fehltagen hinzugerechnet. Darüber hinaus fließen im Gegensatz zu den Statistiken der gesetzlichen Krankenkassen in die Fehlzeitenstatistik alle Fehlzeiten ab dem ersten Kalendertag – auch ohne Attest – ein. Ein Vergleich von Krankenkassendaten mit den Fehlzeiten der hessischen Polizei ist daher nicht möglich.

Wie ein Wiedergänger kommt gerade wie jetzt in der Krise die Idee von Politikerinnen und Politikern auf, ein wie auch immer geartetes Pflichtdienstjahr einzuführen. Der letzte Vorstoß in diese Richtung kam von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Er konnte sich in einem Interview die Einführung eines solchen Dienstes für alle jungen Menschen gut vorstellen. Eine Pflichtzeit im Dienste der Gesellschaft würde den Horizont junger Menschen erweitern. Aber eine Wiedereinführung der Wehrpflicht brauche es dafür nicht. Er wünsche sich eine Debatte darüber. Doch stößt diese Idee nicht nur im politischen Raum auf wenig Gegenliebe. Diese Diskussion um ein Pflichtjahr gebe es schon seit einiger Zeit, sagt Jan Holze, Vorstand der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt. Doch gebe es seit der Aussetzung der Wehrpflicht schon andere Formen von Freiwilligendiensten. “Die Bedarfe an den Freiwilligendiensten sind höher als die zur Verfügung stehen den Möglichkeiten. Deswegen wäre mein Plädoyer, zunächst einmal dafür zu sorgen, dass es ausreichend Plätze gibt”, so Holze. Es brauche gleichzeitig mehr Wertschätzung der Politik gegenüber diesen Diensten. Stichworte seien hier ÖPNV-Ticket oder die Erhöhung des sogenannten Taschengelds. “Ich glaube, dass man zunächst einmal an diesen Stellschrauben drehen muss, bevor man sich mit der großen Keule “Pflichtjahr” beschäftigt”, meint Holze. “Wir sollten die bestehenden Strukturen, die durch Freiwilligkeit geprägt sind, stärken und ausbauen”, sagt auch Annalena Di Carlo, stellvertretende Bundesjugendleiterin der THWJugend. Zwar gehe es bei einem Freiwilligendienst nicht vorrangig um Geld, aber man müsse ein Stück weit auch von diesem Taschengeld leben. Bei der bisherigen Höhe des Taschengeldes gebe es keinen gerechten Zugang zu diesen Diensten, weil sich nur junge Menschen aus besserverdienenden Familien sich ein solches Engagement leisten könnten. Ebenso zweifelt die THWlerin an, ob der Sinn des Engagements nicht durch eine Pflicht abhandenkommt. Zudem müssten auch die Freiwilligen betreut werden. Bisher gebe es schlichtweg noch nicht genug Stellen, um eine noch größere Anzahl an Dienstleistenden zu betreuen. Dem kann sich Ingolf Höntsch, stellvertretender Vorsitzender des Landesfeuerwehrverbandes (LFV) Sachsen, anschließen: “Direkt ausgeübter Zwang, was anderes ist es nicht, führt in meinen Augen definitiv zum Gegenteil, zumindest wenn wir über die aktiven Abteilungen von THW, Feuerwehr oder anderen Organisationen reden.”

Vorhandene Strukturen stärken

Ehrenamtlicher Nachwuchs bei der Gefahrenabwehr

(BS/bk) Die nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr wäre ohne das Ehrenamt kaum denkbar. Schätzungsweise 1,9 Millionen Bundesbürger engagieren sich in der Freiwilligen Feuerwehr, den Hilfsorganisationen oder beim Technischen Hilfswerk (THW). Doch gerät dieses wahrscheinlich auf der Welt einmalige Hilfeleistungssystem aufgrund von demografischem Wandel, verändertem Freizeitverhalten oder Corona-Pandemie unter Druck. Ein verpflichtendes Dienstjahr erscheint dabei als einfache und elegante Lösung. Jedoch nur auf den ersten Blick.

Schwieriger Übergang zur Einsatzabteilung

Die Situation des Ehrenamtes variiert in Deutschland nicht nur zwischen Ost- und Westdeutschland, sondern auch zwischen den verschiedenen Organisationen. “Insgesamt können wir uns in der THW-Jugend nicht beklagen. Wir haben seit Jahren sehr stabile Mitgliedszahlen. Allerdings muss man auch ganz klar sagen, dass wir durch Corona natürlich auch leichte Rückgänge hatten. Tatsächlich aber auch wirklich nur leichte. Wir haben ungefähr 15.000 Mitglieder und haben da einige hundert während Corona verloren”, berichtet Di Carlo. Der Rückgang könne aber auch dadurch zu erklären sein, dass die Jugendlichen das achtzehnte Lebensjahr erreicht hätten und in das THW gewechselt seien. Man habe es aber auch während der Corona-Pandemie geschafft, neue Kinder für die THW-Jugend und ein Ehrenamt zu gewinnen. Aber auch für das THW selbst seien die Mitgliedszahlen positiv. Gerade durch die Flutkatastrophe im Ahrtal sei die Arbeit des Hilfswerks in den Fokus gerückt und es sei nochmals bekannter geworden. Weniger positiv sieht es dabei in Sachsen aus. Während die Jugendarbeit noch relativ stabil bleibe, sehe die Entwicklung der Mitgliedszahlen bei den Einsatzabteilungen schlechter aus. Knackpunkt sei hier vor allem der Übertritt von der Jugendfeuerwehr in die aktiven Abteilungen, wenn das sechszehnte Lebensjahr erreicht. Vielfach orientierten sich die Jugendlichen in diesem Alter beruflich bzw. ausbildungstechnisch neu. “Gerade im ländlichen Raum ist damit verbunden, dass ich mein Elternhaus verlasse”, sagt Höntsch. Durch den Wohnortwechsel komme es manchmal dabei auch zum Abbruch der Tätigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr. Aber auch die Pandemie habe Probleme teilweise verstärkt. Um dem entgegenzuwirken, machten sich der LFV, das sächsische Innen- und das Kultusministerium Gedanken, wie man die Arbeit verbessern könne. Dieser Prozess sei aber noch nicht abgeschlossen. Die Feuerwehr in Sachsen sei dabei kein Einzelfall. “Diese Sorgen werden uns auch von anderen Organisationen zurückgespielt. Es hat ganz stark eine Problematik der Entwöhnung gegeben, dass sich viele in den Zeiten von Corona aus dem Ehrenamt zurückgezogen haben”, bekräftigt Holze die bundesweite Situation. Den Motor wieder in Gang zu bringen, gestalte sich an vielen Stellen schwierig. In vielen Organisationen sei man noch nicht wieder auf dem Niveau von Vor-Corona, was die Mitgliedszahlen angehen, weil der Zugang zur Struktur fehle.

Braucht es einen Pflichtdienst für (junge) Erwachsene? Der Nachwuchs in der Gefahrenabwehr lässt sich anders sicherstellen. Foto: BS/Wilfried Pohnke, pixabay.com

Diskrepanz zwischen Bereitschaft und Handeln

Grundsätzlich sei die Bereitschaft, zu helfen und sich zu engagieren, in der Bevölkerung groß. Dies zeige sich gerade in Krisenzeiten, sagt Holze. Doch nach kürzester Zeit zeige sich auch immer eine gewisse Ermüdungserscheinung, verbunden mit der Hoffnung, dass andere übernehmen sollen. “Da haben wir ein Grundproblem im Engagement, dass man gerne bereit ist, sich kurzfristig zu engagieren, aber wenn es um eine dauerhafte Übernahme von Verantwortung geht, dann gibt es eine gewisse Zurückhaltung”, so der Stiftungsvorstand. Es sei ein gewisser Trend zur kurzfristigen Hilfebereitschaft erkennbar. Ähnliches lässt sich auch im zweiten Ehrenamtsmonitor des Malteser-Hilfsdienstes (MHD) beobachten. Auffällig bei der Umfrage ist, dass die Befragten (rund ein Drittel) sich spontan hilfsbereit zeigen, aber nur wenige sich langfristig in einer Hilfsorganisation engagieren wollen. Die Zahl derer, die sich länger binden wollen, liegt wie im vorherigen Ehrenamtsmonitor des Hilfsdienstes bei nur sieben Prozent. Gleichzeitig wissen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Umfrage um die Bedeutung des Ehrenamtes bei der Bewältigung von Krisensituationen. 70 Prozent halten das Ehrenamt z. B. bei der Bewältigung von Naturkatastrophen für wichtig und sehr wichtig. Die stellvertretende THW-Bundesjungendleiterin erklärt sich diese Diskrepanz mit möglicherweise fehlendem Wissen über die Möglichkeiten für ein Ehrenamt und die Flexibilität, die es haben könne. Es brauche auf jeden Fall mehr Informationen. Höntsch sieht hier eher die Politik in der Pflicht, mehr Unterstützung für ehrenamtlich Tätige zu leisten. Er kritisiert den fehlenden politischen Willen, mehr zu tun. Dies sei vor allem für die Gefahrenabwehr im ländlichen Raum ein Problem, weil es z. B. keine Berufsfeuerwehr gebe. Die Politik müsse die Rahmenbedingungen verbessern. Dem kann sich Holze anschließen. Laut einer Studie aus Baden-Württemberg verbringt ein Verantwortlicher in einem mittelgroßen Verein rund 45 Tage pro Jahr mit bürokratischen Aufgaben. Dies halte natürlich viele davon ab, das zu tun, was sie eigentlich wollten. Eine einfachere und unbürokratische Herangehensweise sei hier zielführend. “Aber wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass das Ehrenamt attraktiv bleibt. Dennoch reicht es nicht aus, den Finger in Richtung Staat zu zeigen”, so Holze. Dieser könne zwar für etwas bessere Rahmenbedingungen sorgen, was er noch nicht im ausreichenden Maße tue, aber es komme auch immer auf die Gestaltung vor Ort an.

Behörden Spiegel: Wie bewerten Sie den Test des eLHF?

Jens Klink: Der Probetrieb wurde jetzt im Februar abgeschlossen und war meiner Ansicht nach erfolgreich. Das Fahrzeug wird in diesem Jahr die Serienreife erreichen. Leider haben wir unsere Ziele, was die Einsparung von CO2-Emissionen angeht, nicht komplett erreicht. Dies lag aber daran, dass die Ladeinfrastruktur an zwei Wachen der drei Testwachen nicht ganz so funktioniert hat, wie sie sollte. So konnten wir nur rund neun Tonnen CO2 im Vergleich zu anderen Fahrzeugen einsparen. Bei vollständigem elektrischem Betrieb wäre die Einsparung über ein volles Betriebsjahr wahrscheinlich bei mehr als 15 Tonnen gewesen. Das eLHF ist in mehr als 90 Prozent aller Einsatzfälle rein elektrisch gefahren. Hätte die Ladeinfrastruktur so funktioniert, wie sie sollte, wäre der Anteil bestimmt bei 98 Prozent gewesen. Aber auch das ist aus meiner Sicht positiv, da wir zeigen konnten, dass trotz eines Ausfalls der Ladeinfrastruktur das eLHF einsatzfähig war. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Katastrophenfestigkeit positiv zu bewerten. Es wird jetzt ein Erfahrungsbericht erstellt, der anderen Feuerwehren zur Verfügung gestellt wird.

Behörden Spiegel: Welche Probleme gab es mit der Ladeinfrastruktur?

Klink: Die Installation einer Ladestation auf der Feuerwache Schöneberg war aufgrund der Corona-Pandemie verzögert worden. Eine weitere Ladestation sprang nicht immer an und musste zwei, drei Mal gestartet werden. Da gab es Probleme, bis die Station ausgefallen ist. Wir haben aber auch festgestellt, dass wir gar keine Schnellladestation brauchen, wie wir angenommen hatten. Es reichen tatsächlich einfache Wechselstromladepunkte aus, um das Fahrzeug einsatzbereit zu halten.

Serienreife erreicht

Positive Erfahrungen im Probebetrieb des eLHF

(BS) Alternative Antriebe haben auch bei den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) Einzug gehalten. Eine Besonderheit stellt das eLHF der Berliner Feuerwehr dar. Der Probebetrieb des Fahrzeuges ist im Februar ausgelaufen. Dazu zieht Jens Klink, Produktmanager “eLHF”, Bereich Zentraler Service Fahrzeuge und Geräte der Berliner Feuerwehr, Bilanz. Im Interview erklärt er außerdem, worauf er in Zukunft im Bereich der E-Mobilität setzen würde. Die Fragen stellte Bennet Klawon.

Behörden Spiegel: Sehen Sie das Ende von dieselbetriebenen Fahrzeugen gekommen?

Behörden Spiegel: Welche Rückmeldungen gab es von Ihren Kolleginnen und Kollegen?

Klink: Die Rückmeldungen der Kolleginnen und Kollegen nehmen wir ungeschönt in den Erfahrungsbericht auf. Dabei fragten wir, wie sie die Sitzanordnung, den Blick aus der Fensterfront oder den Fahrkomfort gefunden haben. Negativ waren z. B. die elektronischen Spiegel. Dort war das Sichtfeld bei Nacht nicht optimal. Das haben wir so weitergegeben und hier muss nachgebessert werden.

Behörden Spiegel: War das eLHF wartungsintensiver als herkömmliche Fahrzeuge?

Klink: Nein, das würde ich nicht sagen. Wartungsintensiv bei solchen Spezialfahrzeugen ist die Gerätetechnik, wie z. B. Kreiselpumpen. Diese Technik ist aber auch auf allen anderen gleichen Fahrzeugen verbaut und unterscheidet sich nicht. Auch eine Erneuerung der Bremsbelege, wie wir sie bei den Rettungswagen hatten, war nicht wesentlich anders. Ebenso unterscheiden sich die Fahrwerkskomponenten wenig von konventionellen Fahrzeugen. Schließlich ist auf dem eLHF ja auch mit dem RangeExtender ein Dieselmotor. In diesem Bereich gab es im Vergleich kaum Einsparungen.

Wird in diesem Jahr Serienreife erreichen: das eLHF (hier zu sehen das Ausstellungsmodell von Rosenbauer auf der Interschutz). Jens Klink, Projektmanager “eLHF” bei der Berliner Feuerwehr, bewertet den Testbetrieb des Fahrzeugs positiv. Foto: BS/Klawon

“Das ist aus meiner Sicht positiv, da wir zeigen konnten, dass trotz eines Ausfalls der Ladeinfrastruktur das eLHF einsatzfähig war.”

Behörden Spiegel: Wie geht es jetzt mit dem eLHF weiter? Gibt es Pläne, weitere Fahrzeuge mit E-Antrieb in Dienst zu stellen? zeug auseinanderbauen, die Teile analysieren und neue Serienteile wieder verbauen wird. Es war ja ein Prototyp. Aber wenn das Fahrzeug zurückkommt, wird es ganz normal in den Dienst gestellt, wie die anderen Fahrzeuge auch. Wir haben vor, weitere Fahrzeuge dieser Art zu beschaffen. Dennoch müssen wir schauen, wie viel Geld wir zur Verfügung haben, da wir noch einen eingeschränkten Haushalt haben. Es bleibt also der reguläre Haushaltsplan abzuwarten. Auch muss beobachtet werden, wie sich der Preis entwickelt. Gerade durch die aktuelle Lage sind die Bauteile natürlich nochmals teurer geworden. Außerdem müssen wir schauen, ob noch mehr Hersteller elektrische Fahrzeuge auf den Markt bringen, um hier mehr Druck zu erzeugen. Der Preis eines eLHF ist im Vergleich zu konventionellen Fahrzeugen deutlich höher. Aber dabei möchte ich nochmal darauf verweisen, dass der Testbetrieb ohne die Förderung der EU nicht möglich war. 50 Prozent der Finanzierung hat die EU übernommen und 40 Prozent kamen aus einem weiteren Fördertopf.

Klink: Nein, das nicht. Aber man muss gemeinsam entscheiden, was genutzt werden soll. Wir hatten z. B. die Bundespolizei zu Besuch, die sich das Fahrzeug angeschaut und sich informiert hatte. Sie setzen bei sich vermehrt auf synthetische / strombasierende Kraftstoffe. Die große Frage wird sein, auf welchen Energieträger man sich für die Zukunft einigt. Nur wenn

“Eine einheitliche wir in der GeLösung, die aus umfahrenabwehr kompatible welttechnischer Sicht Energieträger Vorteile bringt, ist aber haben, könauf jeden Fall wichtig.” nen wir zielgerichtet agieren. Wasserstoff hat z. B. den Nachteil, dass die Infrastruktur noch aufgebaut werden muss. Auch die Produktion von strombasierendem Kraftstoff aus Wasserstoff kann nur bei einem Überschuss an Energie vorgenommen werden, weil man bei der Umwandelung sehr viel Verlust hat. Es mag jetzt blöd klingen, aber ich persönlich würde mich nach dem Militär richten. Im Ahrtal haben wir gesehen, als alles zerstört war, dass die Bundeswehr mit ihren mobilen Tankstellen gekommen ist und Diesel verteilt hat. Die Zusammenarbeit hat dabei gut funktioniert. Eine einheitliche Lösung, die aus umwelttechnischer Sicht Vorteile bringt, ist aber auf jeden Fall wichtig.

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