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Keine Sicherheitsmaßnahme, die das verhindern könnte ............... Seite
(BS/bhi) Der Strom fällt aus. Und kommt für 14 Tage nicht wieder. Der Blackout ist ein Albtraum-Szenario für die Kritische Infrastruktur (KRITIS). Für Rechenzentren heißt es – ist der Strom weg, sind die Daten weg. Dennoch bereiten sich die meisten Rechenzentren nur auf kurze Stromausfälle vor.
Rechenzentren sind große Stromverbraucher. Die Server und zugehörigen Kühleinheiten ziehen oft die Energie eines kleinen Stadtteils. Durch den anhaltenden Trend zur Cloud speichern zudem immer mehr Behörden, Unternehmen und Privatpersonen ihre Daten und Anwendungen in Rechenzentren statt auf dem eigenen Computer. Das macht die Serverfarmen allerdings zu einem neuralgischen Punkt der Cyber-Sicherheit. Vor allem physisch sind sie äußerst verletzlich. Doch nicht alle Rechenzentren gelten vor dem Gesetz als besonders schützenswerte KRITIS.
Was ist kritisch?
“Betreiber von RechenzentrenAnlagen werden ab einem Schwellenwert von 3,5 Megawatt (MW) nach dem BSI-Gesetz (BSIG) als Kritische Infrastruktur reguliert”, teilt ein Sprecher des BSI mit. Solche Rechenzentren müssen besondere Sicherheitsauflagen erfüllen. Die Leistung von 3,5 MW entspricht der unteren Leistung eines Windkraftrades beziehungsweise von 10.000 Durchschnittshaushalten. Rechenzentren mit weniger Leistung sind zunächst einmal keine KRITIS. Es sei denn, sie sind Teil einer anderen Kritischen Infrastruktur, wie z. B. des Sektors Energieversorgung. Auch diese Rechenzentren unterlägen den BSIG-Pflichten, ergänzt Holger Berens. “Das reicht aus unserer Sicht allerdings nicht aus, da es eine Vielzahl von Rechenzentren gibt, die aus dem bisherigen Gesetzesraster fallen. Hier muss nachgebessert werden”, fordert der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands für den Schutz Kritischer Infrastrukturen (BSKI).
Mit diesem Diesel-Notstromaggregat eines Rechenzentrums lässt sich ein Stromausfall überbrücken. Aber es besteht kein Gesetz, wonach Rechenzentrumsbetreiber genug Treibstoff für einen Blackout bereithalten müssen.
Foto: BS/Natascha, stock.adobe.com
Schutzmaßnahmen
Welche Schutzmaßnahmen muss ein Rechenzentrum aber ergreifen, wenn es zur KRITIS zählt? Im IT-Grundschutz des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) stehen Vorgaben, wie Rechenzentrumsbetreiber sich auf Stromausfälle vorbereiten sollten. Zunächst empfehlen die Spezialistinnen und Spezialisten der CyberSicherheitsbehörde, dass die Rechenzentrumsbetreiber Netzersatzanlagen (NEA) oder eine unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) bereithalten. Vor dem Ernstfall sollten die Verantwortlichen den Betrieb der NEA testen – unter Last. Entsprechend diesen Vorgaben betreibt zum Beispiel die Stadt Mannheim ihre zentralen ITDatenstrukturen. “Gegen kurze Stromausfälle und Spannungsschwankungen werden an den Anforderungen ausgerichtete sogenannte unterbrechungsfreie Stromversorgungen eingesetzt”, heißt es aus der Stadtverwaltung. “Für längere Ausfälle des Stromnetzes sind autarke, zuverlässige Netzersatzanlagen einsatzbereit, wodurch die zentralen IT-Daten vor Ort zur Verfügung stehen.”
Wie viel Sprit?
Da stellt sich die Frage, für wie viele Tage Rechenzentren eigentlich Treibstoff für ihre NEA vorrätig halten müssen. “Der Zeitraum der Vorkehrungen ist gesetzlich nicht festgelegt und individuell durch den Betreiber zu berücksichtigen”, erklärt ein Sprecher des BSI. Die Betreiber könnten selbst Treibstoff bevorraten oder Versorgungsverträge mit Dienstleistern schließen. Ob eine Vorbereitung auf einen Blackout sinnvoll sei, sei “jeweils durch die KRITIS-Betreiber über eine Risikoanalyse zu betrachten”. Alle zwei Jahre sind KRITISBetreiber außerdem gesetzlich verpflichtet, zu prüfen, ob ihr Rechenzentrum den Stand der Technik umsetzt. Geprüft werden auch die Maßnahmen, die die Stromversorgung gewährleisten. Den Bericht müssen KRITIS-Betreiber dem BSI anschließend zur Verfügung stellen. “Darin werden jedoch keine Details genannt, etwa zur Dauer der Kraftstoffbevorratung”, heißt es aus dem BSI.
Vollständiger Datenverlust
Der Vorstandsvorsitzende des BSKI sieht klare Schwierigkeiten. “Wenn es wirklich zum Blackout käme, dann wären das nicht nur 40 min oder ein paar Stunden, die ich durch Notstromaggregate überbrücken kann”, betont Berens. “Was ist, wenn der Strom wirklich weg ist?” Rechenzentren – gerade die großen – schützten sich vor einem Datenverlust durch redundante Systeme. Oft gebe es dort mehrere parallele Stromversorgungen und kritische Daten seien in einem anderen Rechenzentrum gespiegelt. Doch bei einem echten Blackout sei das keine Hilfe, betont Berens. “Denn wenn der Strom weg ist, nützen mir Redundanzen nichts. Ich wüsste keine Sicherheitsmaßnahme, die einen vollständigen Datenverlust bei einem Blackout verhindern könnte. Es sei denn, man diversifiziert und hält ein Back-Up in einem anderen Rechenzentrum vor, dass mindestens ein paar hundert Kilometer entfernt ist.”
BSI-Lagebericht 2022
(BS/bhi) “Die Bedrohungslage im Cyber-Raum ist angespannt, dynamisch und vielfältig und damit so hoch wie nie.” So fasst Dr. Gerhard Schabhüser, der Vizepräsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), den Lagebericht der Cyber-Sicherheitsbehörde zusammen. An allen Fronten ist es mehr geworden: mehr Ransomware-Vorfälle, mehr bekannt gewordene Schwachstellen, mehr “Distributed Denial of Service”-Angriffe (DDoS).
Vom 1. Juni 2021 bis zum 31. Mai 2022: Das ist der Berichtszeitraum des BSI-Lageberichts 2022. In diese Zeit fallen die schlimmsten Cyber-Sicherheitsvorfälle der letzten Jahre. Zuerst war da der Ransomware-Angriff auf den Landkreis Anhalt-Bitterfeld. Die komplette Kreisverwaltung wurde verschlüsselt und war monatelang arbeitsunfähig. Erst im Oktober wurde bekannt, dass dabei eine Umweltdatenbank unwiderruflich zerstört wurde. Im Lagebericht heißt es: “Ransomware-Angriffe stellen eine der größten Cyber-Bedrohungen für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft dar.”
Mehr Schwachstellen
Kurz vor Weihnachten 2021 wurde dann die Log4J-Schwachstelle bekannt. Über solche Schwachstellen hacken sich Kriminelle in fremde IT-Systeme. Die Log4J-Java-Bibliothek war als Open-Source-Software in vielen anderen Programmen verbaut. Daher war die Bedrohungslage außergewöhnlich hoch. Das BSI schaltete auf Warnstufe Rot. Im letzten Jahr wurden insgesamt zehn Prozent mehr Schwachstellen bekannt als im Jahr 2020. Diese Schwachstellen waren laut “Common Vulnerability Scoring”-System (CVSS) oft besonders kritisch. Laut BSI hat die Zunahme aber einen Grund. Im Berichtszeitraum hat das Cyber-Sicherheitsamt ein Meldeformular für Schwachstellen online gestellt. Dadurch konnten Sicherheitsforscher und Betroffene Schwachstellen leichter beim BSI melden. Über das Formular kam es zu 139 Meldungen, eine Zunahme um mehr als 400 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (25 gemeldete Schwachstellen). Angriff auf die Ukraine
Schließlich überfiel Russland gegen Ende des Berichtszeitraums die Ukraine. In der Folge gab es Spill-over-Effekte und DDoSAttacken, mit denen sowohl vermutlich russische Angreifer als auch Hacktivisten versuchten, gegnerische Webseiten lahmzulegen. Doch schon zuvor hatten DDoS-Angriffe deutlich zugenommen. Das BSI zitiert Zahlen des Mitigationsdienstleisters Link11. Solche Dienstleister kümmern sich um die Abwehr dieser Cyber-Bedrohungen. Laut diesen Zahlen kam es schon im Jahr 2021 zu 41 Prozent mehr DDoSAngriffen als noch im Jahr davor.
APT-Angriffe
Daneben berichtet das BSI über die neuen Entwicklungen im Bereich der Advanced Persistent Threats (APT). Bei diesen Angriffen suchen Hacker nach Zugängen zu Computer-Systemen, um über einen langen Zeitraum Informationen zu sammeln und Sabotage durchzuführen. Mittlerweile griffen die Täter verstärkt Firewalls und Router an.
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Ohne sich auf das Niveau alarmistischer Angstmacherei herabbegeben zu wollen, kann dennoch nicht abgestritten werden, dass eine gewisse Goldgräberstimmung unter Cyber-Kriminellen herrscht. Heiko Löhr, Gruppenleiter Cybercrime beim Bundeskriminalamt (BKA),bezeichnet CyberKriminalität und Ransomware im Speziellen deshalb als die Top-Bedrohung für die deutsche Wirtschaft.
Besonders große Unternehmen geraten in den Fokus, weil ein erfolgreicher Angriff hier enorme Gewinnmargen verspricht. Mitarbeitende des Öffentlichen Dienstes oder kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU) sollte diese Tatsache aber unter keinen Umständen zum Aufatmen verleiten. Denn etwa seit Jahresmitte 2021 beobachtet das BKA auch zunehmend Angriffe auf die öffentliche Verwaltung. “Die Angriffe erfolgen fl ächenmäßig und schwachstellenorientiert”, konstatiert der Experte des BKA.
Kriminelle professionalisieren sich
Markus Hartmann ist Leiter der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen und kennt als solcher die Strukturen hinter RansomwareAttacken. Die Angriffe, die seiner Behörde gemeldet werden, machen deutlich: die Täter sind gut vernetzt und gehen arbeitsteilig vor. Die Branche ist dynamisch und hat ihren Modus Operandi angepasst. Statt die Daten schlicht zu verschlüsseln, erweist es sich als gewinnbringender, diese selbst zu verkaufen oder mit ihrer Veröffentlichung zu drohen. Auch muss sich nicht mehr eine einzelne Gruppe für die Ausführung der gesamten Tat verantwortlich zeichnen. Die komplexen Handlungsketten eines RansomwareAngriffs können modular wie eine Dienstleistung in Anspruch genommen werden. Unter der Bezeichnung Crime-as-a-Service ist dieses Phänomen den Sicherheitsbehörden bekannt.
Cyber Crime – ein Wachstumsmarkt
Es gibt zwei Gruppen: Opfer und die, die noch nicht wissen, dass sie Opfer sind
(BS/jb) Nicht erst seitdem der Cyber-Angriff auf die Gemeinde Anhalt-Bitterfeld bundesweit durch die Schlagzeilen ging, ist die Bedrohung durch Ransomware und andere Methoden von Cyber-Kriminellen den Sicherheitsbehörden bekannt. Die Gewinnmargen sind enorm und die Angriffe werden zunehmend raffinierter. Gleichzeitig sinkt die Einstiegshürde, weil sogenannte Crime-as-a-Service-Anbieter ihre Dienstleistungen im Darknet feilbieten.
Mit Cyber-Kriminalität setzen Kriminelle enorme Summen um, doch die Bedrohung ist in vielen Köpfen noch nicht angekommen. Foto: BS/geralt, pixabay.com
Sind Behörden machtlos?
Auch die Sicherheitsbehörden passen sich der Situation an. Dabei stehen ihnen aber Hindernisse im Weg. Die Täterinnen und Täter bedienen sich unter anderem des Tor-Browsers, VPN- oder Bot-Netzen sowie H-Spots, um ihre Identität im Internet zu verschleiern. Umso problematischer ist es daher für die Sicherheitsbehörden, dass der rechtliche Rahmen den Providern vorschreibt, Daten nur kurzfristig zu speichern. Wenn die Sicherheitsbehörden auf diese zurückgreifen müssen, sind sie in vielen Fällen bereits nicht mehr vorhanden. Sollte es jedoch gelingen, Daten zu ergattern, nimmt die Auswertung bisweilen Monate in Anspruch. Während internationale Kooperation aufseiten der Kriminellen nur einen Mausklick entfernt ist, gestaltet sie sich für die Strafverfolgungsbehörden als herausfordernd. Wenn Beamtinnen und Beamten um Unterstützung ihrer Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland bitten, reicht kein simpler Mausklick. Der Weg zur Amtshilfe ist bürokratisch aufwendig und muss juristisch abgesichert werden. Trotz dieser Widrigkeiten gelingen immer wieder Ermittlungserfolge. So konnte durch eine transeuropäische Kooperation verschiedener Polizeien der Programmierer hinter der weitverbreiteten Maleware Emotet in der Ukraine aufgetan und sein Schadprogramm deaktiviert werden. Um aber solche wirkungsmächtigen Einsätze durchzuführen, muss genügend qualifiziertes Personal vorhanden sein. Aus diesem Grund bietet zum Beispiel die Bayerische Polizei seit 2011 eine Sonderausbildung im technischen Kriminaldienst an. Diese befähigt speziell zur Polizeiarbeit im Internet, berichtet Dr. Evi Haberberger vom Landeskriminalamt (LKA) Bayern. Die Bestrebungen der Polizei, das Bewusstsein für die Gefahr von Cyber-Attacken zu stärken, macht deutlich, dass niemand den Gefahren aus dem Internet schutzlos ausgeliefert ist. Denn um möglichen Angriffen vorzubeugen, kann auf zwei Ebenen angesetzt werden. Neben technischen Ausfällen sind es vor allem Bedienerfehler, die Kriminellen den Weg in die digitale Infrastruktur ebnen. “Etwa 85 Prozent aller erfolgreichen Angriffe sind mit menschlichem Fehlverhalten verbunden,“ weiß Andreas Fuchs. Als Head of Strategy and Vision bei DriveLock ist er jeden Tag mit dem Wettrennen zwischen Cyber-Kriminellen und den Anbietern von Cyber-SicherheitsDienstleistungen befasst. Um in diesem Wettrennen an der Spitze zu stehen und dem Wachstumsmarkt Cyber-Kriminalität nicht weiter Tür und Tor zu öffnen, braucht es ein grundlegendes Umdenken. Auch Arne Jensen ist als Regional Sales Manager von Netskope in den digitalen Wettlauf zwischen Angreifern und Verteidigern eingebunden. Er macht deutlich, dass technische Lösungen keine organisatorischen Probleme aus der Welt schaffen können. Stattdessen müsse man eine Grundsensibilität für die sehr reale Gefahr eines Cyber-Angriffs schaffen. Um den Kampf gegen den Wachstumsmarkt Cyber-Kriminalität erfolgreich zu bestreiten, ist ein grundlegender Kulturwandel bezüglich IT-Sicherheit notwendig.
Es geht um beamtenrechtliche Fragen. Schönbohm beruft sich in seinem Eilantrag darauf, dass das BMI sich fürsorglich und schützend vor seinen Präsidenten hätte stellen müssen. Es geschah das Gegenteil. So schien es auch der BSI-Vizepräsident Dr. Gerhard Schabhüser zu sehen, der in einem Brief an das BMI diesen Vorwurf erhob.
Die Angelegenheit kann zu einer veritablen Krise für das BMI werden. Da der Spitzenbeamte Schönbohm (B8) kein politischer Beamter ist, damit nicht in den einstweiligen Ruhestand, sondern nur auf eine stellengleiche andere Funktion versetzt werden kann, ist die Sache prekär. Denn eine B8-Stelle steht derzeit nicht zur Verfügung. Auf das gleichdotierte Präsidentenamt beim Statistischen Bundesamt (Destatis) hat das BMI vorgesehen, die Chefi n des Beschaffungsamtes des BMI, Dr. Ruth Brand, zu befördern. Auch die freiwerdende Stelle des THW-Präsidenten möchte das BMI mit einer Präsidentin besetzen. Der Versuch, Schönbohm unter Mitnahme seiner Bezüge auf den Posten einer kleineren Bundesbehörde zu verschieben,
Personalie Schönbohm geht in die zweite Runde
Bisher kein gravierendes Fehlverhalten nachweisbar
(BS/Uwe Proll) Der Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat gegen das vom Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) erlassene Amtsausführungsverbot einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Köln (VG Köln) eingereicht. Das BMI ist aufgefordert, innerhalb von 14 Tagen zum eingereichten 50-seitigen Schriftsatz Stellung zu beziehen.
eine solche Lage manövriert hat. Es ist üblich, dass nach einem Regierungswechsel nicht nur im eigenen Ministerium, sondern auch bei Neubesetzung nachgeordneter Behörden personell “aufgeräumt” wird. Doch eher bei einem anstehenden Wechsel. Dafür liegen detaillierte Listen vor, welche Positionen mit eigenen Leuten besetzt werden können. In diesem Fall geschah das allerdings aufgrund einer Satiresendung, deren Sachlichkeit wir in unseren Newslettern Digitaler Staat und Cyber Security, Netzwerk Sicherheit und Verteidigung. Streitkräfte. Wehrtechnik hinterfragt haben (www.behoerdenspiegel.de/newsletter). Überhaupt sei zu klären, welche Rolle die Sendung ZDF Magazin Royale einnimmt. Darin wurden nachrichtendienstliche Informationen über die KGB-Firma Protelion öffentlich gemacht, die nur dem BMI, dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sowie dem BSI zur Verfügung standen. In einer anderen Sendung wurden geheime Akten aus der NSU-Affäre in Hessen öffentlich gemacht. Welche Rolle spielt das ZDF Magazin Royale bzw. die Rechercheagentur bei den Affären? Weder belegt noch entkräftet stehen gegen Jan Böhmermann und sein satirisches Format die Vorwürfe noch im Raum, in die Abhöraffäre, die zur Ibiza-Affäre in Österreich zur Regierungskrise führte, verwickelt zu sein. Seit Geheimunterlagen aus dem NSUKomplex über das ZDF Magazin Royale veröffentlicht wurden, hat das hessische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Strafanzeige wegen “unrechtmäßiger Weitergabe von als Verschlusssachen eingestuften Dokumente” gegen Unbekannt gestellt.
Dem Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik Arne Schönbohm (BSI) ist es derzeit untersagt, seinen Amtsgeschäften nachzukommen. Nun hat er gegen das Amtsausführungsverbot einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Köln (VG Köln) eingereicht. Foto: BS/Dombrowsky
ist durch seinen Eilantrag keine Option mehr. Sollte das Gericht die Aussetzung der Ausübung der Geschäftstätigkeit des BSIPräsidenten widerrufen, wäre das der Super-GAU. Das BMI wird alles daransetzen, eine solche Rechtslage zu verhindern. Doch stellt sich die Frage, warum sich das BMI ohne Not in
Fact Checking gegen Desinformation
Hohe psychische Belastungen für Faktencheckerinnen und Faktenchecker
(BS/sp) Desinformation verbreitet sich in den sozialen Medien sechsmal schneller als wahre Nachrichten, konstatiert die Studie “The spread of true and false news online” von Vosoughi, Roy & Aral (2018). Vor allem beim Angriffskrieg Russlands in der Ukraine werden Narrative von staatsnahen russischen Medien verbreitet, die als “Rechtfertigungen” für den völkerrechtswidrigen Einmarsch dienen sollen. Fact Checking Teams kämen in ihrer Arbeit nicht mehr hinterher, so Prof. Dr. Christian Stöcker, Studiengangsleiter Digitale Kommunikation an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg (HAW).
Am bekanntesten sei die Verschwörungstheorie von Biolaboren in der Ukraine. Nach ihr solle dort angeblich zusammen mit der US-amerikanischen Regierung über Biowaffen geforscht werden und die Labors an “Virenausbrüchen” beteiligt sein. Diese Falschinformationen verbreiteten sich über prominente russische staatsnahe Medienunternehmen und bekannte russische Infl uencer, erzählte der Studiengangsleiter auf dem Microsoft Event “EXPLAINED Cybersecurity - Demokratien im Visier: Wie schützen wir uns vor hybriden Bedrohungen?” vom 20. Oktober. Die Desinformationskampagne blieb allerdings nicht nur in der Blase russischer Propagandisten, sondern wurde auch vom bekannten rechtspopulistischen Moderator Tucker Carlson auf Fox News und Sprechern des chinesischen Außenministeriums wiederholt. Stocker bekräftigte, dass Desinformationen durch Fact Checking nur kurzfristig gehemmt werden könnten. Dadurch, dass immer schnell neue Fake News geschaffen werden könnten, kämen die Faktenchecker nicht mehr mit der Löschung und Kommentierung hinterher, erklärte er.
Hohe psychische Belastung
Einer dieser Faktencheckerinnen ist Sarah Thust. Sie arbeitet beim Medienunternehmen CORRECTIV, das Faktenchecks für Facebook durchführt. Nutzende, die einen Post auf Facebook geliked, geteilt oder kommentiert haben, der durch das Kollektiv moniert wurde, erhalten eine Notiz mit einem Hinweis, der ergänzende Informationen zum Posting enthalte. “Dabei wird auch fehlender Kontext ergänzt”, so Thust. Auf ähnliche Art und Weise verfährt das Unternehmen NewsGuard Technologies GmbH. Es analysiert Online-Nachrichtenwebsiten auf Glaubwürdigkeit und Transparenz und kontaktiert Websitenverantwortliche bei erfolgter Evaluierung. Roberta Schmid, Managing Editor & Vice President Partnerships Germany bei NewsGuard merkt an, dass klassische Online-Nachrichtenmedien für junge Menschen nicht mehr die Hauptquelle für politische Informationen seien: “Dafür gehen sie auf TikTok”, so die Analystin. Faktencheckerinnen und Faktenchecker sind in ihrer Arbeit hohem psychischem Druck ausgesetzt. Insbesondere im Bereich Social Media würden sie eine hohe Anzahl an “fragwürdigen” Inhalt prüfen müssen, erklärte Ann Cathrin Riedel, Vorsitzende vom Verein für liberale Netzpolitik (LOAD e. V.). “Auf Social Media Plattformen muss Transparenz geschaffen und die verantwortlichen Faktenchecker psychisch entlastet werden”, folgert Riedel.
Sicherheit & Verteidigung
Behörden Spiegel Berlin und Bonn / November 2022 www.behoerdenspiegel.de
Probleme des Systems?
(BS/Marco Feldmann) Die Bundespolizei hat zum Teil mit eigenen Vollzugskräften bei der Passagierkontrolle an deutschen Flughäfen unterstützen müssen. Diese Ersatzvornahme muss unbedingt eine Ausnahme bleiben. Denn die Luftsicherheitskontrolle gehört nicht zu den originären Zuständigkeiten der Bundespolizei. Nicht umsonst bedient sie sich hier Beliehener.
Auch der Einsatz unbeliehener Kräfte der privaten Sicherheitsdienstleister dürfe nicht zu oft stattfinden, so Carsten Glade, Abteilungsleiter für Gefahrenabwehr im Bundespolizeipräsidium. Hier sieht er die privaten Dienstleister in der Pflicht. Diese müssten sich – ebenso wie die Flughafenbetreiber – in Zukunft verbessern. Aus seiner Sicht würden Probleme im Bereich der Luftsicherheitskontrollen noch zu oft bei der Bundespolizei “abgeladen”, obwohl diese die Schwierigkeiten kaum selbst beheben könne. Glade, der die Ersatzvornahme mit einer Bestimmung aus dem Bundespolizeigesetz begründete (Paragraf 20) und Regressforderungen ankündigte (sofern hier nicht schon Zahlungen erfolgt sind), appelliert an die privaten Sicherheitsunternehmen: “Vertrauen ist keine Einbahnstraße.” Schließlich habe der Bund die Dienstleister während der Corona-Pandemie auch finanziell unterstützt. So seien z. B. auch zu Corona-Hochzeiten 45 Prozent der Kontrollstunden bezahlt worden, auch wenn tatsächlich weniger bestellt worden sei. Und hier habe es Zeiten gegeben, in denen deutlicher weniger als zehn Prozent der Kontrollstunden tatsächlich erbracht worden seien. Glade machte deutlich, dass die Bundespolizei rund 10.000 zusätzliche Vollzugskräfte benötigen würde, sollte sie die Luftsicherheitskontrollen wieder selbst übernehmen müssen.
Eine andere Sichtweise vertritt Udo Hansen, Präsident des Bundesverbandes der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) (siehe auch Oktober-2022-Ausgabe,
Bei den Passagierkontrollen an Deutschlands Flughäfen gibt es immer wieder Probleme. Die Bundespolizei, die eigentlich nicht primär zuständig ist, wird massiv in Anspruch genommen. Das darf nicht so bleiben. Denn das System hierzulande ist eigentlich ein anderes. Foto: BS/Mihail, stock.adobe.com
Seite 45). Er verlangt, dass Luftsicherheit für den gesamten Flughafen betrachtet werden müsse. Die Airports müssten als einheitliches Schutzobjekt begutachtet werden. Hansens Meinung nach liegt der öffentliche Fokus derzeit zu oft noch auf den Passagierkontrollen. Er kritisierte zudem das “Zuständigkeitsgewürge” im Bereich der Luftsicherheit. Hier seien Verantwortlichkeiten noch zu stark zersplittert, so der BDLS-Präsident. Hinzu komme, dass die Ausbildung von Luftsicherheitsassistentinnen und -assistenten in Deutschland deutlich länger dauere als im benachbarten Ausland, u. a. in Österreich und Frankreich.
Zu wenige operativ tätig
Eine zu lange Erholungsphase zurück zur Professionalisierung der Kontrollabläufe am Flughafen BER bemängelt der Leiter der dortigen Bundespolizeiinspektion, René Kexel. Am Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) gibt es aus seiner Sicht genügend Luftsicherheitsassistentinnen und -assistenten in Lohn und Brot, aber zu wenige in der tatsächlichen Arbeit. Hierzu trage insbesondere die hohe Krankheitsquote von bis zu 30 Prozent bei. Des Weiteren gebe es am BER eine defizitäre Passagiersteuerung durch den Flughafenbetreiber sowie zu weitgehende Handgepäckregelungen der Airlines. Hier brauche es unbedingt effizientere Kontrolltechnik. Erfolgversprechend ist aus Kexels Sicht zudem deutlich mehr Fläche an den Kontrollstellen, u. a. um Überholungsmöglichkeiten für Passagiere zu schaffen. Mehr Platz erlaube den Reisenden außerdem mehr Zeit für die Vor- und Nachbereitung der Kontrollen sowie eine deutliche Erhöhung des Durchsatzes von Kontrollspuren. Letzteres könne dann auch dazu beitragen, Peaks zu entzerren. Dies könne auch durch die Möglichkeit zur Vorabbuchung von Kontrollzeiten geschehen, meint Kexel. Den hohen Krankenstand bei den privaten Sicherheitsdienstleistern räumt auch Oliver Damer ein. Der geschäftsführende Direktor von I-SEC Deutsche Luftsicherheit gesteht zudem zu, dass der erforderliche Personalaufbau nach der Corona-Krise nicht in der Geschwindigkeit erfolgt sei wie es der schnell ansteigende Bedarf erforderlich gemacht hätte. Hierfür macht er aber u. a. bürokratische Hürden verantwortlich. Dazu gehörten extrem lange Bearbeitungszeiten von Zuverlässigkeitsüberprüfungen für Mitarbeitende. Diese Vorgänge bezeichnet auch Abteilungsleiter Glade als “Flaschenhals für die Gewinnung neuen Personals”. Gleichwohl dürften hier keine inhaltlichen Abstriche gemacht werden. Denn, so Oliver Krambrich vom Bundeskriminalamt (BKA): “Es besteht weiterhin eine hervorzuhebende abstrakte Gefährdung des Luftverkehrs.” Probleme gibt es nicht nur bei der Passagierkontrolle. Auch die anderen Bereiche der Luftsicherheit, wie die Kontrollen der Beschäftigten und der Fracht, wurden von den Folgen der Corona-Pandemie hart getroffen. Hier seien massive wirtschaftliche Verluste entstanden, so der ehemalige Geschäftsführer von Securitas Aviation Service, Andy Matthias Müller, und Peter Haller. Der geschäftsführende Gesellschafter der All Service Sicherheitsdienste und BDLSVizepräsident erläutert dabei insbesondere die Situation in der Frachtkontrolle. Auch hier gebe es zu viele zuständige Behörden, zahlreiche offene Stellen, eine hohe Personalfluktuation sowie eine extrem hohe Durchfallquote von über 90 Prozent bei Prüfungen. Hinzu komme, dass die entsprechenden Kräfte in diesem Bereich – anders als ihre Kolleginnen und Kollegen bei der Passagier- und der Beschäftigtenkontrolle – aufgrund einschlägiger gesetzlicher Bestimmungen vor ihrem täglichen Dienstantritt nicht kontrolliert würden. Dies berge die erhöhte Gefahr von Innentäterinnen und Innentätern, warnt Haller. Er plädiert für eine Vereinheitlichung der Schulung und Prüfung in allen Bereichen der Luftsicherheit sowie Kombinationseinsätze der Mitarbeitenden. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.
KNAPP
Bedrohliches Russland
(BS/df) Das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) führt jedes Jahr eine Befragung der deutschen Bevölkerung durch, um zu ermitteln, wie die Haltung gegenüber der Bundeswehr und sicherheitspolitischen Themen ist. Infolge des Ukraine-Krieges wurde Russland nun zum ersten Mal von einer Mehrheit als Bedrohung wahrgenommen. Demnach empfinden 66 Prozent (ein Plus von 31 Prozentpunkten) Russlands Außen- und Sicherheitspolitik als Bedrohung für die Sicherheit Deutschlands. Zudem hat sich der Anteil derjenigen, die sich durch Krieg in Europa persönlich bedroht fühlen, im Vergleich zum Vorjahr von 15 auf 45 Prozent verdreifacht. Der Sicherheitsgarant für die deutsche Bevölkerung ist dabei die NATO. 58 Prozent (ein Plus von drei Prozentpunkten) sagen, Deutschland sollte sich sicherheits- und verteidigungspolitisch vorrangig in der NATO engagieren.
How-to Risikokommunikation
(BS/bk) Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) haben ein gemeinsames Handbuch zur Risikokommunikation veröffentlicht. Die Publikation “Risikokommunikation – ein Handbuch für die Praxis” soll einen übersichtlichen Einstieg in das Thema ermöglichen und einen Überblick zu den wissenschaftlichen und rechtlichen Grundlagen liefern. Zudem enthält das Handbuch eine Checkliste zur Entwicklung von Strategien für die Risikokommunikation. Die Veröffentlichung richtet sich an die Verantwortlichen für Zivil- und Katastrophenschutz in den Kommunen, im Risikomanagement, in den Presse- und Öffentlichkeitsstellen.
Berlin Security Conference 2022
30. November – 1. Dezember 2022, Vienna House Andel’s Berlin Rechtzeitig anmelden! www.euro-defence.eu (Anmeldeschluss: 21.11.2022)
Top-Referenten/-Referentinnen, u. a.
Jonas Gahr Støre, Ministerpräsident von Norwegen Olaf Scholz, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland
Christine Lambrecht, Bundesministerin der Verteidigung, Deutschland Dr. Tobias Lindner, Staatsminister im Auswärtigem Amt, Deutschland Jens Stoltenberg, Generalsekretär der NATO
Nana Brink, Stellvertretende Vorsitzende von WIIS.de Bjørn Arild Gram, Verteidigungsminister von Norwegen
Admiral Joachim Rühle, Chef des Stabes SHAPE, Belgien Dr Pål Jonson, Verteidigungsminister von Schweden
Foto Olaf Scholz: photothek.net/Köhler & Imo
Behörden Spiegel: Frau Spranger, Sie sind Innensenatorin Berlins. Was steht auf Ihrer Agenda?
Iris Spranger: Meine Agenda verfügt über mehrere tragende Säulen. Zum einen wäre da die Sicherheit im Wohnumfeld, sie betrifft jede und jeden und ist mir daher sehr wichtig. Ein Faktor, der sich auf diese Sicherheit auswirkt, sind zum Beispiel kriminalitätsbelastete Orte. In Berlin haben wir sieben davon, darunter auch das Kottbusser Tor. Hier wollen wir eine neue Polizeiwache errichten, die sogenannte “Kotti-Wache”. Das wird zwar auch mal kontrovers diskutiert, ich bin aber davon überzeugt, dass dieser Ansatz richtig ist.
Behörden Spiegel: Was muss hier passieren?
Spranger: Nach vielen Jahren Diskussion und runden Tischen muss es hier nun dringend vorangehen. Denn gegen die kriminalitätsbelasteten Orte muss zum einen konsequent, zum anderen nachhaltig vorgegangen werden. Klar ist: Dort, wo Kriminalität passiert, muss die Polizei auch präsent sein. Die “Kotti-Wache” ist ein Element eines ganzheitlichen Ansatzes. Nun sind auch die anderen Akteurinnen und Akteure gefragt, ihren Beitrag zu leisten, denn allein mit polizeilichen Mitteln lässt sich das Problem nicht lösen.
Behörden Spiegel: Was ist Ihnen noch wichtig?
Spranger: Einen weiteren Schwerpunkt lege ich auf die Bekämpfung von Organisierter Kriminalität (OK) und bandenmäßiger Kriminalität. Wir stellen eine Entwicklung in der Kriminalität fest, von den relativ festen Strukturen der OK hin zu eher bedarfsorientierten, also eher bandenmäßigen Zusammenschlüssen. Dagegen gilt es auch weiterhin konsequent vorzugehen. Außerdem ist mir die Verkehrssicherheit wichtig – gerade vor dem Hintergrund der verkehrsreichen Hauptstadt. Mir geht es hierbei um die Bekämpfung der Hauptunfallursachen und die Sicherheit besonders verletzlicher Gruppen.
Spranger hat viel vor
Berlins Innensenatorin hat klare Linie
(BS) Sie ist seit Ende letzten Jahres die erste Innensenatorin des Landes Berlin: Iris Spranger. Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel spricht sie über ihre Kernforderungen. Die derzeitigen Blockadeaktionen von Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten sieht sie äußerst kritisch. Das Interview führten Uwe Proll und Marco Feldmann.
Behörden Spiegel: Können Sie ein Beispiel nennen?
Spranger: Auch hierzu nur ein kleines Beispiel: In den nächsten Jahren beschaffen wir mehr stationäre Geschwindigkeits- und Rotlichtüberwachungsanlagen sowie Geschwindigkeitsmessanhänger – insgesamt sind 60 in Planung. Aktuell wirken sich natürlich auch die Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten auf die Verkehrssicherheit aus. Hier gehe ich als oberste Dienstherrin von Polizei und Feuerwehr mit allen mir zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln vor. Denn deren Protestformen sind inakzeptabel. Die Berlinerinnen und Berliner dürfen nicht in Geiselhaft genommen werden.
Behörden Spiegel: Welche Rolle spielen hier Gerichte?
Spranger: Ich wünschte mir, dass die Justiz noch schneller wird. Hier sollten Richterinnen und Richter ein rechtsstaatliches Zeichen setzen. Die Blockiererinnen und Blockierer sind eine Gefahr für andere und gefährden sich selbst. Die Polizei Berlin hat sehr schnell und konsequent auf dieses Phänomen reagiert. Wir nehmen Ermittlungen auf, Personen in Gewahrsam, verschicken Gebührenbescheide und führen Gefährderansprachen durch. Wir tun alles, nun sind andere gefragt.
Behörden Spiegel: Jetzt sprachen wir über das polizeiliche Agieren nach außen, also gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Was wollen Sie denn für die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) in der Bundeshauptstadt erreichen?
Spranger: Ein entscheidender Punkt meiner Agenda ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei Polizei und Feuerwehr, sie liegt mir sehr am Herzen. Allein bei der Polizei Berlin beträgt der Sanierungsstau 1,8 Milliarden Euro. Das ist nicht hinnehmbar. Deshalb bin ich – anders als alle meine Vorgänger – auch selbst Mitglied des Aufsichtsrates der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM).
Iris Spranger (SPD) ist seit Dezember 2021 Senatorin für Inneres, Digitalisierung und Sport des Landes Berlin. Seit 2011 ist sie zudem Mitglied des Abgeordnetenhauses. Von 2006 bis 2011 war Spranger Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Finanzen. Foto: BS/Feldmann Behörden Spiegel: Und wie steht es um den Einsatz von Distanzelektroimpulsgeräten (DEIG)?
Spranger: Ich bin dafür, auch die sogenannten Taser flächendeckend als Einsatzmittel einzuführen. Denn sie können den Schusswaffengebrauch unnötig machen und eine bestehende Lücke der Einsatzmittel schließen.
Behörden Spiegel: Welche Elemente gibt es hier noch?
Spranger: Das ist aber nur ein Element. Weitere sind die Arbeitszeitmodelle, die Stärkung des Rettungsdienstes der Berliner Feuerwehr, das Rettungsdienstgesetz und einiges mehr. Zu den beiden letztgenannten Punkten habe ich bei mir im Hause eine regelmäßig tagende Steuerungsgruppe eingesetzt. Der Landesbranddirektor Dr. Karsten Homrighausen treibt diesen Reformprozess voran und hat mein volles Vertrauen. Dass Rettungswagen an Notaufnahmen abgewiesen werden, ist auch ein erschwerender Faktor, den ich angehen möchte, dessen sich aber ein anderes Ressort annehmen muss. Behörden Spiegel: Weshalb soll die Pensionsgrenze bei der Polizei Berlin angehoben werden?
Spranger: Der Vorschlag dazu kommt von der Senatsverwaltung für Finanzen. Ich stelle mich dem aber entgegen, werde ihm nicht zustimmen. Denn mit der Pensionsgrenze liegt Berlin jetzt schon im Bundesdurchschnitt. Eine Erhöhung ist nicht angezeigt. Zumal es den Belastungen in der Hauptstadt nicht gerecht werden und dann auch noch die Personalgewinnung zusätzlich erschweren würde.
Behörden Spiegel: Braucht es weitere Bodycams für die Berliner Sicherheitsbehörden?
Spranger: Derzeit läuft ein Probelauf bei Polizei und Feuerwehr mit insgesamt 30 Geräten. Die rot-grün-rote Koalition hat sich auf insgesamt 300 weitere Bodycams verständigt. Diese werden bis Jahresende beschafft. Sie sind hilfreich für die Transparenz polizeilichen Handelns. Damit könnte auch unberechtigten, pauschalen Vorwürfen begegnet werden. Gegen solche pauschalen Anschuldigungen verwahre ich mich. Deshalb wollen wir die Körperkameras flächendeckend einführen. Ich kann mir auch einen Einsatz in geschlossenen Räumen, etwa bei Fällen häuslicher Gewalt, sehr gut vorstellen. Das ist in Berlin derzeit rechtlich noch nicht zulässig.
Behörden Spiegel: Die Situation bei der Berliner Feuerwehr ist sehr angespannt. Es gab schon Anpassungen in der Leitstelle sowie der Notrufannahme. Dennoch wird von mehreren Seiten eine Reform des Rettungsdienstgesetzes gefordert. Was planen Sie hier?
Spranger: Durch die bereits erwähnte Steuerungsgruppe sind wir hier schon sehr weit. Deren Mitglieder werden sich der Thematik jetzt nochmal sehr genau annehmen und z. B. die Code-Reviews für die Leitstelle der Berliner Feuerwehr nochmals prüfen. Problematisch ist, dass Rettungswagen zu einem nicht zu vernachlässigenden Teil für Sachverhalte alarmiert werden, die eben keine Notfälle darstellen.
Behörden Spiegel: Und wie steht es um eine Reform des Rettungsdienstgesetzes?
Spranger: Ich stelle mir u. a. vor, dass wir mehr Flexibilität bei der Besetzung von Rettungsmitteln gewinnen, um auf besondere Auslastungen, wie z. B. während der Pandemie, besser reagieren zu können. Die Änderung des Rettungsdienstgesetzes folgt nach jetzigem Stand zeitnah durch die Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses.
Behörden Spiegel: Wäre mehr Eigenständigkeit für die Berliner Feuerwehr, etwa beim Führen ihrer Personalakten, sinnvoll?
Spranger: Die Personalakten der Berliner Feuerwehr werden auch in Zukunft bei der Polizei Berlin geführt werden. Denn es ist sinnvoll, nur eine Aktenführung zu haben. Das gelegentlich angebrachte Argument, dass Polizistinnen und Polizisten dann über Dienstunfälle von Feuerwehrfrauen und -männern entscheiden würden und das mit einem polizeilichen Blick, greift zu kurz. Es sind hauptsächlich Verwaltungsbeamtinnen und -beamte, die dort eingesetzt werden und unvoreingenommen entscheiden.
Behörden Spiegel: Sie sind die erste Innensenatorin Berlins. Wirkt sich das auf Ihr Amtsverständnis aus?
Spranger: Als erste Berliner Innensenatorin habe ich möglicherweise einen anderen Blick auf bestimmte Themen als meine männlichen Vorgänger. Die Innere Sicherheit in Berlin ist inzwischen sehr weiblich gesteuert, denn neben mir gibt es ja noch eine Bundesinnenministerin und eine Polizeipräsidentin. Das finde ich gut. Davon mal abgesehen, dass wir alle es gewohnt sein dürften, in harten und männlich dominierten Bereichen zu arbeiten. Mir kommt hier deutlich meine Durchsetzungsstärke zugute.
Behörden Spiegel: Gibt es eine feministische Innenpolitik?
Spranger: Für mich heißt Innenpolitik Sicherheit aller. Die Betrachtung der unterschiedlichen Kriminalitätsfelder gehört klar hierzu. Leider gibt es einige mit hoher Dunkelziffer, von denen vor allem Frauen betroffen sind. Darauf möchte ich den Blick lenken, wie zum Beispiel auf die häusliche Gewalt oder Femizide.
Dieses Wording gefalle seiner Behörde nicht, unterstrich der Referatsleiter für Gremien- und Öffentlichkeitsarbeit beim Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz (LfV), Marco Haase. Er wollte aber auch nicht ausschließen, dass es einen “kritischen Herbst” geben könne. Denn es seien zwar bei Weitem nicht alle Demonstrierenden Extremisten. Es habe sich jedoch eine kleine Gruppe herauskristallisiert, die sich keinem vorhandenen Phänomenbereich zuordnen ließe, auch wenn Bezüge in den Rechtsextremismus sowie in die Reichsbürgerszene feststellbar seien.
Die Anhänger dieses neuen extremistischen Phänomenbereichs versuchten, in der Mitte der Gesellschaft Anhängerinnen und Anhänger zu gewinnen. Dabei spielten sie insbesondere mit Ängsten vor einer Gasmangellage sowie vor hohen Stromrechnungen. Außerdem agitierten die Personen, deren quantitatives Potenzial sich in der Hansestadt im niedrigen zweistelligen Bereich bewege, im Internet, warnte Haase im Rahmen einer Diskussionsrunde auf der Behörden Spiegel-Plattform “Digitaler Staat Online”.
Auf Worte können rasch Taten folgen
Auch die Innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Lamya Kaddor, sieht keinen “heißen Herbst” herannahen. Gleichwohl dürfe das derzeitige Protestgeschehen, das sich auch Extremisten zunutze machten, nicht unterschätzt werden. Anderenfalls könnten Worten schnell Taten und Gewalt folgen, warnte sie. Hier brauche es weiter eine Beobachtung der Situation – ganz ohne Hysterie. “Hier müssen wir wachsam sein”, verlangte Kaddor. Zumal die Proteste inzwischen eine gewisse Verselbstständigung erfahren hätten, so Dr. Alexander Leistner, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig. Dort gebe es mittlerweile eine gewisse Beliebigkeit an Themen und Ressentiments sowie einen harten Kern an Demonstrierenden, die nicht aufgrund aktueller Probleme vor Ort seien. Diese Feststellung treffe noch stärker in den neuen als in den alten Bundesländern zu, so der Wissenschaftler. Nicht zuletzt deshalb gewinne die wissenschaftliche Analysefähigkeit der Verfassungsschutzbehörden immer weiter an Bedeutung, betonte Haase. Denn Extremismus beginne weit vor dem Begehen von Straftaten. Hier sei der Verfassungsschutz als “demokratisches Frühwarnsystem” gefragt.
Wohl kein “heißer Herbst”
Situation muss aber weiter beobachtet werden
(BS/mfe) Politikerinnen und Politiker warnten jüngst vor einem “heißen Herbst”. Es wird ein wieder deutlich zunehmendes Demonstrationsgeschehen erwartet. Ob es dabei immer friedlich bleibt, ist äußerst fraglich. Zumal angesichts der Auswirkungen des russischen Angriffs auf die Ukraine (u. a. massiv steigende Energie- und Benzinpreise) teilweise schon “Aufstände” prognostiziert wurden (von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock). Die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) rechnen dennoch eher nicht mit einem “heißen Herbst” hierzulande.
Diskutierten über einen eventuellen “heißen Herbst” (im Uhrzeigersinn von oben links nach unten rechts): Uwe Proll (Moderator), Marco Haase, Lamya Kaddor und Dr. Alexander Leistner. Screenshot: BS/Feldmann
Berlin bereitet sich vor
Ungeachtet der tatsächlichen Eintrittswahrscheinlichkeit eines “heißen Herbstes” trifft die Berliner Polizei umfangreiche Vorbereitungen auf eventuelle Mangellagen bei der Versorgung. Das gelte sowohl nach innen als auch nach außen, machte Polizeipräsidentin Dr. Barbara Slowik deutlich. Dabei würden unterschiedliche Facetten betrachtet. Dazu zähle u.a. die eigene Energiesicherheit. Zudem würden derzeit bei der Polizei Berlin ein Koordinierungsgremium zu diesem Thema aufgebaut und eine einschlägige Rahmenkonzeption kontinuierlich weiterentwickelt. Des Weiteren würden die eigenen Ressourcen gestärkt und Stresstests unterzogen. Dies gelte etwa für Notstromaggregate. Zugute komme der Berliner Polizei außerdem, dass sie – anders als andere Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) – weiterhin über eigene Tankstellen verfüge. Hier brauche es wieder mehr Engagement der Politik, meint der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke. In der Vergangenheit hätten wegen strenger Auflagen viele Tanklager und -stellen der Polizeien abgebaut werden müssen. Dies müsse rückgängig gemacht werden. Zudem brauche es auch wieder mehr polizeieigene Bevorratung, findet der GdP-Chef.
Kommunikationswege berücksichtigen
Auch aus Sicht des Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, sind zu viele Polizeien nicht ausreichend auf einen eventuellen Blackout vorbereitet. Er unterstrich: “Hier ist noch viel zu tun.” Dies gelte nicht zuletzt auch für die polizeilichen Kommunikationswege, meint Wendt. Gut vorbereitet sind die Polizeien aus Wendts und Kopelkes Sicht hingegen auf die Bewältigung von Demonstrationen. Diese Lagen dürften jedoch nicht zu dynamisch werden und zu lange andauern, meint der GdPBundesvorsitzende. Dann könnte es Probleme geben. Kopelke sieht grundsätzlich auch Versammlungsleiterinnen und -leiter stärker als bislang in der Pflicht (mehr dazu auf Seite 40). Denn die Arbeit der Versammlungsbehörden werde immer schwieriger, auch weil Kooperationsgespräche mit Anmeldenden zunehmend schwierig würden. Dabei sei ganz klar: “Unsicherheit im Einsatzraum können wir uns nicht erlauben.” Polizeipräsidentin Slowik sieht es in diesem Zusammenhang als Vorteil an, dass die Versammlungsbehörde in Berlin bei der Polizei angesiedelt ist. Das erleichtere vieles. Zumal ihre Behörde jährlich rund 7.000 Versammlungen schütze. Hier komme es auch entscheidend auf die Kommunikation zwischen Polizei, Versammlungsleitung und Demonstrationsteilnehmenden an, machte Slowik, die sich noch nicht endgültig festlegen wollte, ob es in der Bundeshauptstadt einen “heißen Herbst” geben werde, klar.
Die komplette Veranstaltung können Sie hier anschauen.