Benno Bickel
Einige Projekte, das System Bahn den Menschen näher zu bringen
Ist es schwierig, im Supermarkt einzukaufen? Bereitet es Probleme, das Ritual an der Tankstelle zu meistern? Ohne dass es uns bewusst wäre, wenden wir eine Vielzahl von erlernten Zivilisationstechniken an, um Alltag, Beruf und Freizeit zu bewältigen. Und wie steht es mit dem Bahn fahren? Noch vor einer Generation wäre dies eine ziemlich absurde Frage gewesen. Doch heute ist für immer mehr Kinder und (junge) Erwachsene die Welt der Bahnhöfe und Züge ein ungewohntes, wenn nicht gar gänzlich fremdes Terrain. Was man nicht kennt, löst Unsicherheit aus, wird gemieden und ist in erhöhtem Maße anfällig für Ressentiments und Fehleinschätzungen. Dass Menschen die Zivilisationstechnik des Bahnfahrens beherrschen, kann nicht mehr a priori vorausgesetzt werden. Vielmehr findet eine Differenzierung statt: Die Bandbreite reicht vom „professionellen Pendler“, dessen Fachwissen so mancher Fahrplankonferenz zur Ehre gereichen würde, bis zu Bevölkerungsgruppen, die mit der Bahn nicht mehr umzugehen wissen.
Die Bahn und ihre Kunden von morgen Da die Sozialisationsinstanzen Kindergarten, Schule und Elternhaus bei der Vermittlung des nötigen „Knowhows“ zum Bahnfahren und einer zumindest nicht von vorneherein negativen Haltung gegenüber der Bahn immer häufiger ausfallen, stellt sich die Frage, welche anderen gesellschaftlichen Gruppen diese Aufgabe übernehmen könnten oder zumindest daran Interesse haben sollten. Da wäre zunächst einmal der Quasi-Monopolist Deutsche Bahn AG selbst. Leider muss man zu dem Ergebnis kommen, dass sich die DB AG um ihre „Fahrgäste von morgen“ nur wenig schert. Zwar gibt es im schwer überschaubaren Wirrwarr des Konzerns vor allem in den Regionalbereichen durchaus bemerkenswerte Einzelinitiativen. Doch ein Gesamtkon-
zept ist nicht erkennbar. Punktuelle, befristete Aktionen in Zusammenarbeit mit der Stiftung Lesen, so zu Sicherheitsaspekten oder zur Durchführung von Klassenfahrten, sind höchst anerkennenswert, können über die bestehenden Schwächen aber nicht hinwegtäuschen. Auf der Eingangsseite von www.bahn.de gibt es trotz der gerade bei jungen Menschen hohen Akzeptanz des Mediums Internet keinen direkten Link für diese Zielgruppe. Wer ahnt schon, dass man über „Konzern“ durch einige Ebenen klicken muss, um schließlich auf den sicherlich noch ausbaufähigen, auf http://www.kindercampus.de/bahn/kids/ ausgelagerten Kinder-Seiten zu landen? Wesentlich professioneller agiert eine ganze Reihe von ÖPNV-Unternehmen, Regionalbahnen und Verkehrverbünden wie beispielsweise die „Verkehrsverbund RheinNeckar GmbH“ (vgl. den Beitrag von Werner Schreiner in diesem Tagungsband).
Von der Verkehrs- zur bahnorientierten Mobilitätserziehung Wem könnte es noch ein Anliegen sein, Leute für die Eisenbahn zu gewinnen? Nachdem die politische Ebene weniger denn je glaubhaft zu machen vermag, ihr liege abseits der Sonntagsreden tatsächlich etwas an mehr Schienenpersonenverkehr, bleiben die verkehrspolitischen und umweltbewegten Interessenverbände. Soll also nun PRO BAHN neben dem Engagement für Fahrgastrechte und gegen den Tarifdschungel, für einen diskriminierungsfreien Trassenzugang und gegen die Börsenbahnideologie auch noch an die pädagogische Front? Eine gesicherte Erkenntnis der Mobilitätsforschung lässt letztlich keine andere Wahl: „Im Jugendalter fällt für die meisten jungen Menschen die Entscheidung, wie sie ihre Mobilität im Erwachsenenalter organisieren werden. Die Grundlagen für diese Entscheidung werden bereits in der Kindheit gelegt.“ (LIMBOURG ET. AL. 2000, S. 156) Es reicht also nicht, sich dafür einzusetzen, dass Züge fahren, es geht auch darum, dass sie benutzt werden. Womit wir zum Stichwort „Mobilitätserziehung“ kommen, einem in der Pädagogik seit den 90-er Jahren diskutierten Konzept, das als Nachfolger der „klassischen Verkehrserziehung“ zunehmend deutlichere Konturen annimmt.
Stand bei der Verkehrserziehung die Anpassung des zu Erziehenden an den nicht weiter in Frage gestellten motorisierten Verkehr auf der Straße im Mittelpunkt, so will die Mobilitätserziehung zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den herrschenden Mobilitätsformen und zu einer „intelligenten“ Verkehrsmittelwahl hinführen. (vgl. LIMBOURG ET. AL. 2000, S. 156-165; LIMBOURG 2004). Doch ist eine kritische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Verkehrsmitteln schon ausreichend? Jeder in unserer informierten Gesellschaft weiß von den ökologischen Folgen und dem Blutzoll des Straßenverkehrs – und die meisten Menschen steigen trotzdem ins Auto. Hier regiert der „Irrtum des Sokrates“. Der griechische Philosoph war der Überzeugung, dass falsches Handeln primär auf Nichtwissen basiere, der Wissende hingegen das Richtige tue. Der Mensch ist aber nur bedingt ein vernünftig handelndes Wesen. Die Autoindustrie weiß dies und verkauft deswegen nicht das „Stehzeug für den Stau“, sondern „Freiheit und Autonomie“. Ebenso muss eine nachhaltige Mobilitätserziehung – das strapazierte Wort „nachhaltig“ ist hier im Sinne der Brundtland-Kommission gemeint *) – auch auf Emotion setzen, freilich ohne dabei zu manipulieren. So banal es auf den ersten Blick anmuten mag: Wer – um nur ein Beispiel zu nennen - einen wunderschönen Klassenausflug per Bahn zusammen mit seiner ersten „Großen Liebe“ erlebt, bei dem ist die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass Züge mit positiven Emotionen verknüpft werden. Nun können wir zwar nicht vorausplanen, dass Bahnfahren angenehme Erinnerungen evoziert – da ist die Bahn leider oft genug der erste Störfaktor ihrer selbst – , aber je häufiger wir junge Menschen für das Bahnfahren gewinnen, desto größer ist die Chance einer auch gefühlsmäßigen Verbundenheit mit diesem Verkehrsmittel. Daraus folgt: Mobilitätserziehung darf nicht nur informieren und den Intellekt ansprechen, sie muss auch erlebnisorientiert gestaltet werden und die Ebene der Gefühle erreichen.
Projekte für den Kindergarten Der Kindergarten scheint der Eisenbahn etwas näher zu stehen als die Schulen. Es gibt zahllose Spiele, in denen Lokomotive und Zug im Mittelpunkt stehen, es gibt eine *
„Nachhaltige Entwicklung“ („sustainable development“) ist demnach Entwicklung, „die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“. (Vgl. Steffen Bauer, Nachhaltige Entwicklung. Internet: #
Vielzahl hinreißender Bilderbücher von der liebevoll gestalteten Geschichte bis zum ersten Sachbuch. Doch bei näherem Hinsehen entpuppt sich die Eisenbahnwelt des Kindergartens als Märchenwelt, die mit der Realität so viel zu tun wie die lila Milkakuh mit der Massentierhaltung. Eisenbahn bleibt Spiel wie Ritterburg und Gespensterschloss. Die erlebte und prägende Verkehrswirklichkeit ist charakterisiert von der Autofahrt zum Kindergarten. ÖPNV und Bahn kommen in der realen Erfahrungswelt der Kinder viel zu selten oder gar nicht vor. Es geht auch anders: •
Einen bedeutenden Schritt in die richtige Richtung gingen zum Beispiel die Regionalbahn Rheinland und der VCD mit einem gemeinsamen Projekt (vgl. DIE BAHN KOMMT, 2004): In Rollenspielen unter Anleitung eines „echten“ Lokführers lernen die Kinder den Ablauf einer Eisenbahnfahrt kennen, aus der Perspektive des Fahrgastes wie auch aus der des Lokomotivführers und des Zugbegleiters.
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Der nächste Schritt ist konsequenterweise die erlebnisorientierte Begegnung mit der „wirklichen Bahn“: Auch hierzu ein Beispiel: Auf Anregung der PRO BAHN-Kreisgruppe Neuburg-Schrobenhausen übte eine Kindergartengruppe das Bahn fahren und durfte zur großen Begeisterung auch einen Blick in den Führerraum eines modernen Dieseltriebwagens werfen. „Kinder schauen dem Lokführer über die Schulter!“ titelte die Lokalzeitung.
Projekte für die Schule Während die Straßenverkehrserziehung in den Lehrplänen der einzelnen Bundesländer fest verankert ist, hängen die Chancen, ob Schülerinnen und Schüler auch die Alternative Bahn erleben, in der Regel vom persönlichen Engagement der einzelnen Lehrkraft ab. Der Besuch eines Bahnhofs ist kein fester Bestandteil der Curricula von Grundschulfächern wie der „Heimat- und Sachkunde“. Umso mehr ist PRO BAHN aufgerufen, Lehrerinnen und Lehrer zu motivieren und zu unterstützen. Klassenfahrten, Wandertage, Schikurse oder Sportwochen bieten dazu viele Ansatzpunkte. Es gilt, Lehrer oder Elternbeiräte zu überzeugen, dass Klassenfahrt nicht automatisch Busfahrt bedeutet. Fachkundige Fahrplan- und Fahrtzielberatung, Unterstützung bei
der nicht einfachen Buchung von Gruppenreisen und ähnliche Hilfestellungen können den Ausschlag bei der Verkehrsmittelwahl geben. Dazu wieder einige Beispiele: •
Klassenfahrten mit der Bahn: Im Schuljahr 2003/04 benutzen die Klassen 2a und 2b der Grundschule Schrobenhausen während eines fünftägigen Jugendherbergsaufenthalts nicht nur den Bus, sondern auch die Bahn. „Mit dem Zug ins Mittelalter“ hieß der bebilderte Artikel, der auf Anregung eines bahnfreundlichen Lehrers in der Schülerzeitung „Schultüte“ erschien. „Das Zug fahren war wie Fernsehen. Draußen flitzten Bäume und Wiesen vorbei!“ schrieb eine junge Redakteurin begeistert.
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Klassenfahrt mit der Bahn – selbst organisiert: Vielfältige Möglichkeiten für den Unterricht eröffnen sich, wenn die Schüler zu Wandertagen, Exkursionen etc. nicht nur die Bahn benutzen, sondern die Fahrt auch selbst vorbereiten: Fahrpläne lesen, die günstigste Verbindung suchen, gemeinsam am Schalter die Gruppenreise buchen. Eine sehr gelungene Hilfestellung bietet die Deutsche Bahn AG dazu im Internet: „Unseren Ausflug mit der Bahn organisieren wir selbst“ (UNSEREN AUSFLUG ... 2002)
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Wandertag: Wandertage bedeuten im Schulalltag oft mehr Frust als Lust. PRO BAHN liefert Vorschläge: Viele reizvolle Ziele sind mit der Bahn zu erreichen. Ebenso kann die Bahn selbst zum attraktiven Ziel werden, sei es nun ein „Blick hinter die Kulissen“ eines Bahnhofs oder der Besuch einer Museumsbahn.
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ÖPNV-Detektive: In mittleren und größeren Städten bieten „Detektivspiele“ eine hervorragende Möglichkeit, Kinder und Jugendliche mit dem ÖPNV-, Soder U-Bahn-Netz vertraut zu machen. So hat beispielsweise ein Verkehrsbüro zusammen mit einer Gesamtschule im Mühlheim/Ruhr das Spiel „Wo ist der Fuchs?“ entwickelt: „Die Benutzung von Bussen und Bahnen wird als spannende, abwechselungsreiche Angelegenheit erlebt, die Spaß machen kann“, heißt es dazu. (DAS VERKEHRBÜRO. AUS- UND WEITERBILDUNG. „WO IST DER
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FUCHS?“ o. J.)
Projekttag/Projektwochen Eisenbahn: Projekttage sind bei Schulen gerne gesehen, bieten sie doch – neben pädagogischen Erwägungen - dem Schulleiter einen öffentlichkeitswirksamen Auftritt seiner Lehranstalt. Unter Beratung und Mitwirkung von PRO BAHN fanden im Landkreis Neuburg-Schrobenhau-
sen im Schuljahr 2003/04 an acht Grund- und Hauptschulen gemeinsame Projektwochen anlässlich des 130-jährigen Jubiläums der „Donautalbahn“ statt. Zahllose Schüler waren so über Wochen in verschiedensten thematischen und formalen Zusammenhängen mit der Bahn beschäftigt. Den Abschluss bildeten Musik- und Theateraufführungen, die mehr als 1000 Schüler vor und hinter den Kulissen mit sichtlicher Begeisterung als Akteure und als Zuschauer erlebten.
Projekte für die Erwachsenenbildung Im Erwachsenenalter ist das Mobilitätsverhalten weitgehend festgelegt. Ohne objektive Zwänge (z. B. Benzinkosten) werden eingefahrene Verhaltensmuster nur ungern verlassen. Es gibt keine erfolgreiche pädagogische Strategie, um einen fanatischen Automobilisten in einen überzeugten ÖPNV-Nutzer zu verwandeln. Es gibt jedoch zahlreiche Möglichkeiten, um Menschen, die der Bahn nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber stehen, positiv darin zu bestärken, von diesem Verkehrsmittel auch tatsächlich Gebrauch zu machen. Und es gibt zahlreiche Menschen, die auf das System Bahn angewiesen sind, denen es aber zunehmend schwerer fällt, mit ihm zurecht zu kommen. Zu dieser Bevölkerungsgruppe, in der verkehrspolitischen Diskussion mit dem unschönen Begriff „Zwangsnutzer“ etikettiert, zählen vor allem, aber nicht ausschließlich ältere Menschen. Der verwirrende Tarifdschungel, komplizierte und störanfällige Fahrkartenautomaten, keine oder nur noch mit Zusatzkosten verbundene persönliche Beratung, seit die „Schnittstelle Mensch“ von der DB AG immer mehr wegrationalisiert wird, wirken abschreckend. Diesen „Zwangsnutzern“ kann die Erwachsenenbildung mit einem Zielgruppenangebot Hilfestellung zu mehr Mobilität mit weniger Stress geben. In mehrjähriger Zusammenarbeit hat die Volkshochschule Schrobenhausen zusammen mit der PRO BAHN-Kreisgruppe Neuburg-Schrobenhausen ein Projekt durchgeführt, das auf die ÖPNV-Verhältnisse im ländlichen Bereich (Regionalbahnstrecke Augsburg – Schrobenhausen – Ingolstadt; rudimentäres Stadtbusangebot in Schrobenhausen) abgestimmt ist. Im einzelnen wurden folgende – meist kostenlose – Veranstaltungen angeboten:
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Fahrplanlesen leicht gemacht: Der Kreisfahrplan und der Schrobenhausener Taschenfahrplan (Abendveranstaltung im vhs-Haus, 60 Minuten)
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Nutzung der neuen Fahrkartenautomaten am Schrobenhausener Bahnhof (Nachmittagsveranstaltung im Bahnhof, 45 Minuten)
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Fahrplan- und Tarifauskunft im Internet (Abendveranstaltung im EDV-Lehrsaal des vhs-Hauses, 90 Minuten)
Schon der Ausschreibungstext im Programmheft und die zusätzliche Ankündigung in der Lokalzeitung bemühten sich um den Abbau von Hemmschwellen: „Wer sich bisher gescheut hat, den auf den ersten Blick kompliziert erscheinenden Fahrkartenautomaten zu benutzen, erfährt ... wie es geht. So gehören Berührungsängste schnell der Vergangenheit an!“ (BICKEL 2004) Über mehrere Jahre hinweg angeboten, stießen die Kurse auf unterschiedliche Resonanz, waren mal gut besucht, mussten mal mangels Teilnehmer ausfallen. Den Kurs im einen Semester absagen zu müssen, sollte nicht entmutigen. Schon im nächsten Semester kann es wieder ganz anders aussehen. Langer Atem, lehrt die Erfahrung, lohnt sich. Hilfreich ist es, neben der Ankündigung in Programmheft und Lokalzeitung, auf potenzielle Zielgruppen zuzugehen, seien es nun beispielsweise Schüler oder Seniorenclubs. Einen wesentlich umfassenderen Kurs von vier Stunden Dauer bietet die Volkshochschule Mühlacker in ihrem Programm 2004/05 an: Theorie & Praxis des Bus- und Bahnfahrens. Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) – ein Schnupperkurs. Dazu heißt es in der Kursbeschreibung: „Manch einer würde gerne öfter sein Auto stehen lassen und sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln fortbewegen, doch Bus- und Bahn fahren ist leider nicht immer ganz einfach: Da müssen zuerst Auskünfte im Internet oder am Automaten eingeholt, Fahrpläne gelesen und dann Fahrkarten gekauft werden. Auch beim Umsteigen kann es Schwierigkeiten geben. Wie diese Probleme
besser gemeistert und wie Fahrziele schnell und kostengünstig erreicht werden können, soll in diesem Kurs gezeigt werden. Der Kurs gliedert sich einen theoretischen und einen praktischen Teil. Schwerpunkte im theoretischen Teil sind: Fahrplanlesen mit „Mühlacker verbindet“, Arbeit mit Kursbüchern, Fahrplanauskunft im Internet, Bahncard und Sparticket. Fragen des praktischen Teils sind u. a.: Wie funktioniert der Fahrkartenautomat? Wie bekomme ich eine Fahrplanauskunft am Automaten? Was ist beim Umsteigen zu beachten?“ (VOLKSHOCHSCHULE MÜHLACKER 2004) Darüber hinaus gibt es auch vielfältige Möglichkeiten, die Begegnung mit der Bahn in ganz themenfremde Veranstaltungen zu integrieren. Dies wird bei der Volkshochschule Schrobenhausen systematisch umgesetzt: Studienfahrten zu Kunstausstellungen werden nicht mit dem Bus angeboten, sondern zusammen mit einem darauf spezialisierten Bahn-Reiseveranstalter. Treffpunkt für eine Exkursion nach München ist der nächst gelegene S-Bahnhof. In die ökologische Wanderung wird eine kleine Bahnfahrt eingebaut etc. etc. ... Nur wenige der rund 1000 deutschen Volkshochschulen bieten spezielle Veranstaltungen zu Bahn und ÖPNV an oder nutzen in ihrem Programmangebot die Bahn gezielt als bevorzugtes Verkehrsmittel. Dies dürfte erfahrungsgemäß weniger an Desinteresse oder Abneigung liegen, sondern an der bedauerlichen Tatsache, dass die Bahn einfach nicht wahrgenommen wird. Für PRO BAHN eröffnet sich hier die Chance zu vielfältigen Kooperationsmöglichkeiten auf lokaler und regionaler Ebene. Wenn Orts- oder Kreisgruppen an „ihre“ vhs herantreten, ein klares Konzept und einen fachlich geeigneten Dozenten für einen Kurs oder ihre Hilfe bei der Planung einer Reise anbieten, so wird die Volkshochschule in der Regel gerne darauf eingehen. Dies nicht zuletzt deswegen, weil auf Leitungs- und Programmplanungsebene sehr oft Frauen tätig sind – ohne männlichen Tunnelblick auf das Auto.
Für alle Zielgruppen: Sonderfahrten mit der Bahn Neben bahnspezifischen Kursen mit konkreten Lehrinhalten und Lernzielen machten Volkshochschule und PRO BAHN in Schrobenhausen gute Erfahrungen mit zwei
Sonderzugfahrten, die in Kooperation mit der örtlichen Zeitung angeboten wurden und mit 650 bzw. 800 Teilnehmern große Resonanz fanden. Obwohl dampflokgeführte Nostalgiezüge zum Einsatz kamen, war keineswegs beabsichtigt, so genannte „Eisenbahnfreunde“ anzusprechen. Zielgruppe waren vielmehr vor allem Familien und Vereine, denn weder der Familien- noch der Vereinsausflug findet heute in der Regel mit der Bahn statt. In Einzelgesprächen – die natürlich keinen repräsentativen Querschnitt boten – stellten die Veranstalter fest, dass die Botschaft ankam. Kinder, die zum ersten Mal eine Zugfahrt erlebten, zählten ebenso zu den Interviewpartnern wie die Vereinsmitglieder, die nicht ausschlossen, wieder öfter mit dem Zug fahren. Als sehr nützlich erwies sich, für derlei Veranstaltungen die örtliche Zeitung als Partner zu gewinnen: Neben finanzieller Beteiligung sind zahlreiche und ausführliche Vorankündigungen und Berichte dadurch garantiert. Verknüpft wurden die Sonderzugfahrten von den Veranstaltern mit weiteren Aktionen, so etwa einem Kindermalwettbewerb mit Ausstellung der besten Arbeiten in der Galerie des Kunstvereins. Für jeweils mehrere Wochen stand die Bahn im Mittelpunkt des lokalen Geschehens.
PRO BAHN und Mobilitätserziehung In nahezu allen vorgestellten Beispiele einer bahnorientierten Mobilitätserziehung kommt PRO BAHN-Mitgliedern als (Mit)-Initiatoren, Beratern oder Ausführenden eine tragende Rolle zu. Trotz beschränkter personeller und finanzieller Ressourcen und zahlloser anderer Aufgaben: Könnte es gelingen, dass sich PRO BAHN gegenüber Kindergärten, Schulen und anderen pädagogischen Einrichtungen auch in Fragen der Mobilitätserziehung als fachkompetenter Ansprechpartner vor Ort profiliert? Dazu abschließend ein paar Stichworte zu einem an der Organisationsstruktur von PRO BAHN orientierten Aufgabenkatalog: PRO BAHN überregional (Bundes- und Landesebene): •
Materialien für Schüler und Pädagogen zur bahnspezifischen Mobilitätserziehung in Kindergärten, Schulen und Einrichtungen der Erwachsenenbildung erarbeiten
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Infrastruktur zum Erfahrungsaustausch und zur Koordination von Maßnahmen bereitstellen.
PRO BAHN vor Ort (Orts- und Kreisgruppen): •
Anregung zur sowie Beratung und Mitwirkung bei der bahnspezifischen Mobilitätserziehung in Kindergarten, Schulen, Elternorganisationen, Einrichtungen der Erwachsenenbildung.
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Multiplikatoren (Kindergärtnerinnen, Lehrer, Journalisten, vhs-Leiter usw.) gewinnen
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Kooperation mit lokalen Verkehrsinitiativen, Bund Naturschutz, Agenda 21, Museumsbahnen, Lokalzeitung
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Informationsmaterial, „pädagogische Handreichungen“; Fahrplanvorschläge für Klassenfahrten usw. erarbeiten und verteilen.
Zwischen Evaluation und Hoffnung Der hier unternommene Versuch, einige Projekte einer bahnorientierten Mobilitätserziehung zu skizzieren, versteht sich einerseits als Werkstattbericht, will andererseits zu einer Weiterentwicklung der sicherlich noch bescheidenen Ansätze ermutigen sowie Diskussion und Erfahrungsaustausch anregen. Offen bleiben muss bis auf Weiteres die Frage, ob es mit den genannten Aktionen auch nur in einem einzigen Fall gelungen ist, einen jungen Menschen dauerhaft für die Bahn zu gewinnen. Eine Evaluation ist schwierig bis unmöglich. Hoffnung hingegen darf sein.
Literatur: Benno BICKEL: „Erwachen heiterer Gefühle bei der Ankunft auf dem Lande“. ÖPNV, Bahn und Erwachsenenbildung – ein Projekt der Volkshochschule Schrobenhausen. Internet: http://www.vhssob.de/oepnv/ (Stand: 14.10.2004) Maria LIMBOURG: Von der Verkehrserziehung zur Mobilitätserziehung. Internet: http://www.uni-essen.de/traffic_education/texte.ml/pdf/IWU_VE_MOBI_2004.pdf (Stand: 8.10.2004) Maria LIMBOURG / Antje FLADE / Jörg SCHÖNHARTING: Mobilität im Kindes- und Jugendalter, Opladen 2000
O.
VERF.: Das Verkehrsbüro. Aus- und Weiterbildung. „Wo ist der Fuchs?“ Internet: http://home.t-online.de/home/das.verkehrsbuero/bildung.htm (Stand: 10.10.2004)
O.
VERF.: Die Bahn kommt – in den Kindergarten. Internet: http://www.georgschmitz.de/move/angebote_me3.htm (Stand: 17.08.2004)
O.
VERF.: Unseren Ausflug mit der Bahn organisieren wir selbst!“ Internet: http://bahn.cobrayouth.de/kids/for_you/klassenfahrt/Ausflug.pdf (Stand: 10.10.1004)
Philip SPITTA: Von der Verkehrs- zur Mobilitätserziehung. Vortrag, gehalten auf dem Verkehrsforum Düren, 8. April 2000. Internet: http://www.vcd-bochum.de/Dokumente/VortragstextMobilitaetserziehung.html (Stand: 8.10.2004) VCD - VERKEHRSCLUB DEUTSCHLAND (HRSG.): Nachhaltige Mobilität in der Schule. Internet: http://www.vcd.org (Stand: 6.10.2004) VCÖ – VERKEHRSCLUB ÖSTERREICH (HRSG.): Mobilität lernen – sicher und umweltbewusst, Wien 1999 VOLKSHOCHSCHULE MÜHLACKER (HRSG.): Kleine Auswahl aus dem Vhs-Programm 2004/2005. Internet: http://www.muehlacker.de/kultur/vhsakt.htm (Stand: 10.10.2004)
Nützliche Adressen: AG Mobilität und Verkehr im Fachbereich 2 der Universität Duisburg-Essen. Internet: http://www.uni-essen.de/traffic_education/ (Stand: 8.10.2004) Kinderseiten der Deutschen Bahn AG im Internet: http://www.kindercampus.de/bahn/kids/ (Stand: 10.10.2004) PRO BAHN-Kreisgruppe Neuburg-Schrobenhausen. Internet: http://www.neusob.de/probahn/ (Stand: 10.10.2004) Volkshochschule Schrobenhausen, vhs-Haus, Lenbachstraße 22, 86529 Schrobenhausen. Internet: http://www.vhssob.de; e-mail: vhs@vhssob.de
Kontaktadresse: Volkshochschule Schrobenhausen e. V. Benno Bickel vhs-Haus, LenbachstraĂ&#x;e 22 86529 Schrobenhausen Tel. 08252/8940-0 e-mail: vhs@vhssob.de