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Fünf geisteswissenschaftliche Schritte
Die Alten studierten die sich in ihnen selbst befindlichen Elemente und Kräfte in der Absicht, diese kontrollieren und nutzen zu können. Unter den Alten gab es große und weise Meister, die auch heute noch in Ehren gehalten werden, und große religiöse Organisationen der Welt beruhen auf ihren Leistungen.
So wunderbar die Kräfte der Natur auch sind, sind sie doch geringer als alle intelligenten Kräfte zusammengenommen, die den Geist des Menschen ausmachen und die die blinden mechanischen Kräfte der Natur beherrschen und lenken.
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Daraus ergibt sich, dass das Verständnis, die Kontrolle und Lenkung der inneren Kräfte der Leidenschaft, des Verlangens, des Willens und des Intellekts auch bedeutet, Meister über das Schicksal des Einzelnen und der Nation zu sein.
Wie bei der weltlichen Wissenschaft auch, sind bei dieser geistigen Wissenschaft verschiedene Erkenntnisstufen möglich. Ein Mensch ist in dem Maße, in dem er große Selbstdisziplin aufbringen kann, ein großer Mensch. Er besitzt einen großen Einfluss in der Welt und verfügt über großes Wissen.
Wer die Kräfte der äußeren Natur versteht und beherrscht, ist Naturwissenschaftler, wer aber die inneren Kräfte des Geistes versteht und beherrscht, ist Geisteswissenschaftler.
Die auf die Erlangung des Wissens über äußere Erscheinungen zutreffenden Gesetze gelten auch für die Erlangung des Wissens über innere Abläufe.
Innerhalb weniger Wochen oder Monaten, noch nicht einmal in ein paar Jahren, kann niemand ein gelehrter Wissenschaftler werden. Erst nach jahrelangem sorgfältigem Forschen kann der Wissenschaftler mit Autorität sprechen. Erst dann kann er als Meister seiner Zunft betrachtet werden.
Gleichermaßen kann ein Mensch nur nach jahrelanger geduldiger Arbeit an sich Selbstbeherrschung erlangen und sich das Wissen und die Ausgeglichenheit aneignen, welche diese Selbstbeherrschung mit sich bringt.
Diese Arbeit an sich selbst ist umso mühsamer als sie im Stillen vonstatten geht und von anderen weder wahrgenommen noch anerkannt wird. Wer eine Wissenschaft erfolgreich betreiben will, muss lernen, für sich alleine sein zu können, sich einer nicht entlohnten Arbeit zu unterziehen, was äußere Bezahlung anbelangt.
Der Naturwissenschaftler durchläuft auf dem Weg der Erlangung seines Fachwissens fünf geordnete und aufeinanderfolgende Schritte:
Fünf naturwissenschaftliche Schritte
1. Beobachtung
Aufmerksame und systematische Beobachtung der Abläufe in der Natur:
2. Experiment
Nachdem sich der Naturwissenschaftler im Zuge wiederholter Beobachtung mit gewissen Abläufen vertraut gemacht hat, experimentiert er mit diesen Abläufen, in der Absicht, Naturgesetze zu entdecken.
Er untersucht diese Abläufe und findet auf diese Weise heraus, was nutzlos und was nützlich ist. Danach verwirft er das Nutzlose und arbeitet mit dem Nützlichen weiter.
3. Klassifizierung
Nachdem er im Laufe zahlreicher Beobachtungen und Experimente eine verifizierte Menge von Abläufen ermittelt hat, stellt er mit diesen Abläufen Versuche an, um die Abläufe zu klassifizieren und in geordnete Gruppen einzustufen, in der Absicht, die zugrundeliegende Gesetzmäßigkeit, das heißt, das Prinzip, das diese Abläufe reguliert und zusammenhält, zu entdecken.
4. Schlussfolgerung
Alsdann widmet er sich dem vierten Schritt. Bei den ihm vorliegenden Abläufen und Ergebnissen entdeckt er unveränderliche Aktionsschritte, die es ihm ermöglichen, den verborgenen Gesetzmäßigkeiten auf die Spur zu kommen.
5. Wissen
Nachdem er bestimmte Gesetzmäßigkeiten nachgewiesen hat, kann man sagen, dass er jetzt ein Wissender ist. Er ist Wissenschaftler, ein Mann oder eine Frau des Wissens.
Die Erlangung wissenschaftlicher Erkenntnisse ist jedoch noch nicht das Endziel, so großartig sie auch sein mögen.
Der Mensch sucht die Erkenntnisse nicht um ihrer selbst willen, er behält sie auch nicht für sich oder versteckt sie wie einen glänzenden Diamanten in einer dunklen Kiste.
Das Ziel dieses Wissens ist die Umsetzung, der Dienst, die Verbesserung von Komfort und Glückserleben auf der Welt.
Sobald jemand zum Wissenschaftler geworden ist, gibt er der Welt dieses Wissen preis und legt ihr die Ergebnisse seiner Arbeit vor. Über das Wissen hinaus gibt es somit den weiteren Schritt der Umsetzung, das heißt, des richtigen und selbstlosen Gebrauchs des erlangten Wissens: die Anwendung des Wissens für das Gemeinwohl.
Die vorgenannten fünf Schritte oder Prozesse folgen einer bestimmten Reihenfolge, und jemand kann nur dann zum Wissenschaftler avancieren, wenn er sämtliche Schritte beachtet.
Ohne den ersten Schritt der systematischen Beobachtung könnte er zum Beispiel niemals in die Geheimnisse der Natur eindringen. Zunächst hat der Wissenssucher ein Universum von Dingen vor sich: Diese Dinge versteht er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Viele dieser Dinge scheinen sich sogar unversöhnlich gegenüberzustehen und stiften Verwirrung.
Indem er jedoch geduldig und sorgfältig alle fünf Schritte abarbeitet, entdeckt er nach und nach die Ordnung, die Natur und die Essenz dieser Dinge. Er schält das zentrale Gesetz oder die Prinzipien heraus, die alles harmonisch zusammenhalten und bereitet seiner Verwirrung und Unwissenheit somit ein Ende.
Wie der Naturwissenschaftler, muss auch der Geisteswissenschaftler mit derselben Sorgfalt fünf aufeinander aufbauende Schritte durchlaufen, um Selbsterkenntnis und Selbstbeherrschung zu erlangen.
Diese fünf Schritte sind deckungsgleich mit denen, die auch für den Naturwissenschaftler gelten, jedoch verläuft der Prozess dieses Mal umgekehrt.
Das Bewusstsein konzentriert sich diesmal nicht auf äußere Abläufe, sondern auf sich selbst, und die Forschungen werden jetzt im Bereich des Geistigen und nicht im Bereich des Materiellen angestellt.
Zunächst ist der Suchende mit einer Reihe von Wünschen, Leidenschaften, Gefühlen, Ideen und Gedankengängen konfrontiert, die die Grundlage für sein Handeln bilden.
Diese Kombination aus unsichtbaren, aber dennoch mächtigen Kräften wirkt verwirrend.
Einige dieser Kräfte scheinen in Widerspruch zu anderen zu stehen, wobei dem Anschein nach keine Hoffnung auf Ausgleich besteht. Insgesamt sieht er sich einem Knäuel aus Verwirrung und Schmerzen ausgesetzt, dem er gerne entfliehen möchte.
Und so fängt er an, den Zustand seines Unwissens zur Kenntnis zu nehmen, da niemand weder natur- noch geisteswissenschaftliche Erkenntnisse erlangen kann, der sich unter Umgehung der damit verbundenen Studien und Arbeiten bereits in Besitz dieser Erkenntnisse wähnt.
Im Zuge der Anerkennung seines eigenen Unwissens entsteht der Wunsch nach Wissen, und der Suchende betritt einen aufwärtsgewandten Weg, auf dem die folgenden fünf Schritte zu gehen sind:
Fünf geisteswissenschaftliche Schritte
1. Innenschau
Dieser Schritt entspricht dem Schritt „Beobachtung“ beim Naturwissenschaftler.
Das innere Auge wird wie ein Suchlicht auf die inneren geistigen Abläufe gelenkt, und alle sich ständig wandelnden Abläufe werden beobachtet und sorgfältig notiert.
Dieses Zurücktreten von selbstsüchtigen Befriedigungen, von den Verlockungen der irdischen Vergnügungen und Ablenkungen, steht am Anfang der Selbstbeherrschung, um sein eigenes Wesen begreifen zu lernen.
Bis dahin wurde der Mensch blindlings und ohnmächtig von den Trieben seiner eigenen Natur, von Dingen und Umständen getrieben, aber jetzt hält er seine Triebe und Impulse in Schach und fängt an, selbst zu beherrschen, statt sich beherrschen zu lassen ...
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