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Kapitel

stellt er mit diesen Abläufen Versuche an, um die Abläufe zu klassifizieren und in geordnete Gruppen einzustufen, in der Absicht, die zugrundeliegende Gesetzmäßigkeit, das heißt, das Prinzip, das diese Abläufe reguliert und zusammenhält, zu entdecken.

4. Schlussfolgerung

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Alsdann widmet er sich dem vierten Schritt. Bei den ihm vorliegenden Abläufen und Ergebnissen entdeckt er unveränderliche Aktionsschritte, die es ihm ermöglichen, den verborgenen Gesetzmäßigkeiten auf die Spur zu kommen.

5. Wissen

Nachdem er bestimmte Gesetzmäßigkeiten nachgewiesen hat, kann man sagen, dass er jetzt ein Wissender ist. Er ist Wissenschaftler, ein Mann oder eine Frau des Wissens.

Die Erlangung wissenschaftlicher Erkenntnisse ist jedoch noch nicht das Endziel, so großartig sie auch sein mögen.

Der Mensch sucht die Erkenntnisse nicht um ihrer selbst willen, er behält sie auch nicht für sich oder versteckt sie wie einen glänzenden Diamanten in einer dunklen Kiste.

Das Ziel dieses Wissens ist die Umsetzung, der Dienst, die Verbesserung von Komfort und Glückserleben auf der Welt.

Sobald jemand zum Wissenschaftler geworden ist, gibt er der Welt dieses Wissen preis und legt ihr die Ergebnisse seiner Arbeit vor. Über das Wissen hinaus gibt es somit den weiteren Schritt der Umsetzung, das heißt, des richtigen und selbstlosen Gebrauchs des erlangten Wissens:

die Anwendung des Wissens für das Gemeinwohl.

Die vorgenannten fünf Schritte oder Prozesse folgen einer bestimmten Reihenfolge, und jemand kann nur dann zum Wissenschaftler avancieren, wenn er sämtliche Schritte beachtet.

Ohne den ersten Schritt der systematischen Beobachtung könnte er zum Beispiel niemals in die Geheimnisse der Natur eindringen. Zunächst hat der Wissenssucher ein Universum von Dingen vor sich: Diese Dinge versteht er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Viele dieser Dinge scheinen sich sogar unversöhnlich gegenüberzustehen und stiften Verwirrung.

Indem er jedoch geduldig und sorgfältig alle fünf Schritte abarbeitet, entdeckt er nach und nach die Ordnung, die Natur und die Essenz dieser Dinge. Er schält das zentrale Gesetz oder die Prinzipien heraus, die alles harmonisch zusammenhalten und bereitet seiner Verwirrung und Unwissenheit somit ein Ende.

Wie der Naturwissenschaftler, muss auch der Geisteswissenschaftler mit derselben Sorgfalt fünf aufeinander aufbauende Schritte durchlaufen, um Selbsterkenntnis und Selbstbeherrschung zu erlangen.

Diese fünf Schritte sind deckungsgleich mit denen, die auch für den Naturwissenschaftler gelten, jedoch verläuft der Prozess dieses Mal umgekehrt.

Das Bewusstsein konzentriert sich diesmal nicht auf äußere Abläufe, sondern auf sich selbst, und die Forschungen werden jetzt im Bereich des Geistigen und nicht im Bereich des Materiellen angestellt.

Zunächst ist der Suchende mit einer Reihe von Wünschen, Leidenschaften, Gefühlen, Ideen und Gedankengängen konfrontiert, die die Grundlage für sein Handeln bilden.

Diese Kombination aus unsichtbaren, aber dennoch mächtigen Kräften wirkt verwirrend.

Einige dieser Kräfte scheinen in Widerspruch zu anderen zu stehen, wobei dem Anschein nach keine Hoffnung auf Ausgleich besteht. Insgesamt sieht er sich einem Knäuel aus Verwirrung und Schmerzen ausgesetzt, dem er gerne entfliehen möchte.

Und so fängt er an, den Zustand seines Unwissens zur Kenntnis zu nehmen, da niemand weder natur- noch geisteswissenschaftliche Erkenntnisse erlangen kann, der sich unter Umgehung der damit verbundenen Studien und Arbeiten bereits in Besitz dieser Erkenntnisse wähnt.

Im Zuge der Anerkennung seines eigenen Unwissens entsteht der Wunsch nach Wissen, und der Suchende betritt einen aufwärtsgewandten Weg, auf dem die folgenden fünf Schritte zu gehen sind:

Fünf geisteswissenschaftliche Schritte

1. Innenschau

Dieser Schritt entspricht dem Schritt „Beobachtung“ beim Naturwissenschaftler.

Das innere Auge wird wie ein Suchlicht auf die inneren geistigen Abläufe gelenkt, und alle sich ständig wandelnden Abläufe werden beobachtet und sorgfältig notiert.

Dieses Zurücktreten von selbstsüchtigen Befriedigungen, von den Verlockungen der irdischen Vergnügungen und Ablenkungen, steht am Anfang der Selbstbeherrschung, um sein eigenes Wesen begreifen zu lernen.

Bis dahin wurde der Mensch blindlings und ohnmächtig von den Trieben seiner eigenen Natur, von Dingen und Umständen getrieben, aber jetzt hält er seine Triebe und Impulse in Schach und fängt an, selbst zu beherrschen, statt sich beherrschen zu lassen.

2. Selbstanalyse

Nachdem er die Neigungen seines Bewusstseins beobachtet hat, untersucht er diese und analysiert sie gründlich.

Die (schmerzliche Wirkungen nach sich ziehenden) negativen Neigungen werden von den (friedliche Wirkungen auslösenden) positiven getrennt.

Die einzelnen Neigungen und die von ihnen ausgelösten Verhaltensweisen, sowie die von den Verhaltensweisen verursachten Ergebnisse, werden nach und nach immer besser verstanden, was letztendlich dazu führt, dass ihr Wechselspiel und ihre Ausläufer immer besser nachvollzogen werden können.

Dies ist ein Prozess des Testens und Ausprobierens, in dem auch der Suchende selbst getestet und auf die Probe gestellt wird.

3. Ausrichtung

Mittlerweile liegen dem praktischen Studenten geisteswissenschaftlicher Zusammenhänge die einzelnen Neigungen und Aspekte seines Wesens klar vor, was bis in die tiefsten Antriebe seines Geistes und die subtilsten Beweggründe seines Herzens hineinreicht.

Von der Selbstprüfung blieb auch nicht der kleinste Bereich verschont. Seine Schwachstellen und egoistischen Züge sind ihm bekannt, seine Stärken und Tugenden ebenfalls.

Es gilt als der Höhepunkt der Weisheit, sich selbst so sehen zu können, wie andere uns sehen. Derjenige, dem es mit der Selbstbeherrschung Ernst ist, geht jedoch noch weiter:

Er sieht sich nicht nur so, wie andere ihn sehen, er sieht sich auch selbst so, wie er ist!

Sich selbst ins Antlitz blickend, ohne die Absicht, verborgene Fehler beschönigen zu wollen, ohne sich mit Schmeicheleien herauszureden und ohne sich selbst und seine Kräfte weder zu gut noch zu schlecht darzustellen, sieht er den Gipfel der Selbstbeherrschung klar vor sich und weiß, welche Arbeit ihm noch bevorsteht, um diesen Gipfel zu erreichen.

Den Zustand der Verwirrung hat er nun hinter sich gelassen, und hat durch das Schlüsselloch einen Blick auf die Gesetze werfen können, die die Welt des Denkens beherrschen.

Nun schickt er sich an, sein Denken nach diesen Gesetzen auszurichten. Das ist ein Prozess des Jätens, Aussiebens, Läuterns und Reinigens.

So wie der Landmann den Boden von Unkräutern befreit, reinigt und vorbereitet, reißt der Student die Unkräuter des Bösen aus seinem Denken aus, reinigt es in Vorbereitung auf das Säen rechtschaffener Taten, die dann die Ernte eines gut geordneten Lebens einbringen werden.

4. Rechtschaffenheit

Nachdem er sein Denken und Tun auf die untergeordneten Gesetze, welche im geistigen Bereich bei der Erzeugung von Schmerz oder Freude, Unrast oder Ausgeglichenheit, Sorgen oder Zuversicht wirken, ausgerichtet hat, nimmt er wahr, dass diese Gesetze einem übergeordneten universellen Gesetz unterliegen, welches analog dem Gesetz der Erdanziehung in der natürlichen Welt seinerseits in der Welt des Geistes eine überragende Stellung einnimmt.

Diesem Gesetz sind alle Gedanken und alle Taten unterworfen.

Es handelt sich um das Gesetz der Rechtschaffenheit, welches universeller und übergeordneter Natur ist. Diesem Gesetz leistet er nun Folge.

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