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Zeitlauf mit Zahnbürste

Manfred Geier läuft Mountain-Marathons

Manfred Geier (53) aus Puchheim bei München nahm viermal an einem „Original Mountain Marathon“ (OMM) teil. Ziel ist, im Team zu zweit an jeweils zwei Tagen in einer 25 mal 25 Kilometer umfassenden Bergregion so viele Orientierungspunkte wie möglich zu erreichen. Alle Ausrüstung für die Übernachtung im Zelt und die Verpflegung müssen im Rucksack mitgetragen werden.

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Der OMM ist ein Ultra-Berg-Orientierungslauf mit Camp?

Ja. Aber man stellt sich das als extrem harten Wettbewerb vor. Doch es ist auch viel Teamerlebnis dabei, Spirit und besonders schöne Landschaft. Die Kombination aus Laufen und Navigieren macht es für mich ebenfalls aus. Insofern ist es mehr als ein reiner Wettkampf auf Zeit.

Ist der Wettkampf besonders langer Berglauf oder sehr schnelles Wandern?

Das kann jedes Team entscheiden. Es gibt also Sprinter, die uns Normalsterbliche in Staunen versetzen und auch motivieren. Und Genussteilnehmer, die alles zügig gehen. Gerade diese weite Spanne besitzt für mich einen besonderen Charme. Auch die Altersspanne ist sehr groß. Im Team schafften wir bisher 65 Kilometer und 3.000 Höhenmeter an beiden Tagen.

Orientierung auf knapp 3.000 Metern Gemeinsamer Blick in die Karte und Abstimmung der Tagesplanung

Wie lange ist das Zeitfenster am Tag, in dem man die Punkte anlaufen kann?

Es gibt vier Startgruppen. Mit fester oder freier Reihenfolge der Anlaufpunkte, beide lang oder kurz. Am ersten Tag beträgt das Fenster etwa sieben beziehungsweise sechs Stunden, am nächsten je zwei weniger. Die kürzeste Entfernung bis zum Camp und zurück wären je zehn Kilometer.

Das Ganze mit möglichst kleinem Rucksack.

Es macht mich zufrieden, alles Gerödel dabei zu haben für zwei Tage, Wasser darf unterwegs aber aus Bächen aufgenommen werden. Aber ansonsten Zelt, Matte, Schlafsack, Kocher, Essen, Regenkleidung, um eben entsprechend der aus Großbritannien stammenden Idee „self-supported“ zu sein. Auch bei einem Wetterumschwung.

Kommen manche in Versuchung, lieber zu frieren, als zu viel mitzuschleppen?

Die Verlockung ist groß, aber mir persönlich ist es zum Beispiel viel wert, einigermaßen weich und warm zu schlafen. Mein Zelt wiegt nur 900 Gramm, ich benutze auch eine besonders leichte Zahnbürste. Ich nehme andererseits lieber mal einen Apfel mehr mit, den genieße ich dann mittags auch. Beim Gepäck komme auf fünf bis sechs Kilogramm. Aber manche haben weit kleinere Rucksäcke, die schlafen auf einem Geflecht aus Luft-Würsten für Straßenkünstler. Innerhalb des Teams kann man die Last auch verteilen, das macht das Team dann wieder stärker. Einen der OMM habe ich mit meinem Sohn absolviert, da habe ich mal seinen drückenden Rucksack eine Weile bei mir vorne drauf genommen.

Welcher Tipp hilft „gewöhnlichen“ Bergwanderern bezüglich der Ausrüstung?

Man lernt durch solch einen Wettbewerb stark, was wirklich wichtig ist im Rucksack. Gut, eine Regenjacke und -hose brauche ich vielleicht nicht, aber jeder hat sie trotzdem dabei. Man lernt auch einzuschätzen, wie viel man pro Tag isst. Ich hatte einmal am Ende eine Packung Studentenfutter ungeöffnet im Ziel. Wegen der 400 Gramm hätte ich mich in den Hintern beißen können.

Man muss auch Karten lesen können.

Ja, alleine, um abwägen zu können, ob es sich lohnt, direkt durchs Gelände abzukürzen oder lieber auf dem längeren und eindeutigen Weg zu bleiben. Schließlich muss man ja auch die Kontrollpunkte finden. Wer da nicht gut ist, läuft viel mehr. Diese Fähigkeit hilft dann wiederum beim Wandern stark. Auch das Navigieren ist Teamarbeit. Der eine schaut auf die Karte und sagt, hier geht’s nach links, der andere, nach rechts. Ich nehme das Wesen solcher Abstimmungen auch mit in meinen Beruf. Mit meinem Sohn überlegten wir mittags, dass wir das ursprünglich etwas konservativ geplante Pensum steigern könnten und waren dann gemeinsam superglücklich, als wir noch zusätzliche Checkpunkte erreichen konnten. Das ganze sehr klassisch, ohne Elektronik, ein Smartphone ist nur als Notfallgerät erlaubt.

In die Berge zu gehen gilt als beschaulich. Beißt sich der Wettkampf mit dem Erholungscharakter des Alpenerlebnisses?

Das muss jeder für sich entscheiden. Für mich ist es ein Event, bei dem ich nicht permanent auf die Uhr schaue, sondern auch öfters innehalte. Wir lachen unterwegs und im Camp zwischen den beiden Wettkampf-

Unterwegs im Team und alles an Ausrüstung dabei - der Charme des OMM

tagen gemeinsam. Es gibt Leute, die recht locker unterwegs sind. Und dann eben die Profis, mit Laufhose und Ultraleichtausrüstung und selbst genähtem, weil so besonders leichtem Zelt.

Ist nicht auch gewöhnliches Bergwandern manchmal Wettkampf?

Auf alle Fälle. Ich habe so einen Hausberg, der Herzogstand oberhalb vom Walchensee, da schaue ich auf die Uhr, wie lange ich für die tausend Höhenmeter benötige. Und da gibt es auf Tour schon den Austausch mit anderen sportlichen Wanderern und es wird abgetastet, wer noch einen weiteren Gipfel dranhängt oder Ähnliches.

Die Bergabstrecken des Mountain Marathon bewältigen viele im Trab oder rennend

Wie findet man den optimalen Teamkameraden für einen Mountain-Marathon?

Eine große Herausforderung. Das Niveau soll grob passen. Aber vielmehr müssen die Partner auch dieses gemeinsame Laufen und Schlafen im Grünen mögen. Ich habe Leute aus dem sportlichen Umfeld angesprochen. Und so kam ich ja selbst zum OMM, ich wurde eingeladen. Der eine Teamlauf mit meinem Sohn war ein Geburtstagsgeschenk von ihm an mich. Besonders hoch einzuschätzen, weil er gar nicht der Läufertyp ist. Aber das zeigt auch, dass man das gar nicht sein muss, sondern dass das Team viel mehr wert ist. Interview: Nils Theurer Fotos: The Original Mountain Marathon

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