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Eine Spur wilder
Natur und Umwelt
Eine Spur wilder
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Nationalpark Schwarzwald
Mit dem Nationalpark Schwarzwald erhielt auch Baden-Württemberg seinen Nationalpark. Er liegt am Hauptkamm des Nordschwarzwalds zwischen der Schwarzwaldhochstraße im Westen und dem Murgtal im Osten. Eingebettet ist er im Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord in einem großen und relativ wenig zersiedelten Waldgebiet zwischen Baden-Baden und Freudenstadt. Nach der weitgehenden Abholzung der Wälder bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts und der anschließenden Wiederaufforstung mit Fichten trifft man – oberflächlich betrachtet – großräumige Fichtenwälder. Warum also hier ein Nationalpark, der doch den

Grinden / Foto: Karl Heinz Scheidtmann Allerheiligen Wasserfall / Foto: Karl Heinz Scheidtmann
Libelle am Huzenbachsee / Foto: Karl Heinz Scheidtmann

höchsten Schutzstatus von Naturschutzgebieten genießt und Ursprünglichkeit sowie Vielfalt der Natur nahebringen und schützen soll? Nun, beim näheren Hinsehen ist der Wald eben nicht so monoton, sondern er stellt bereits ein Mosaik aus verschiedenen Baumarten dar und er darf sich weiterentwickeln, seine eigene Dynamik entfalten – gemäß dem Motto der deutschen Nationalparks: „Natur Natur sein lassen“. Und natürlich besteht der Wald nicht nur aus Bäumen, sondern aus einer Vielzahl von Pflanzen, Tieren und Pilzen, die zusammen das Ökosystem Wald ausmachen.
Wildnis im Werden
Der Nationalpark Schwarzwald ist ein Entwicklungs-Nationalpark: Außerhalb der Kernzone, in der, abgesehen von der Wegepflege, keine menschlichen Eingriffe stattfinden sollen, gibt es noch eine relativ große Entwicklungs- und Managementzone, in der der Mensch steuernd und korrigierend eingreift. Die Entwicklungszone soll binnen 30 Jahren in den Zustand der Kernzone übergehen. Schon heute zeigen die Bannwälder und – als Paradebeispiel – die Wälder im 50 Jahre alten Nationalpark Bayerischer Wald, wie sich ein Wald entwickeln kann, wenn man ihn sich selbst überlässt. Zudem wird es spannend sein zu beobachten, wie die Natur ohne Zutun des Menschen mit der Klimaveränderung zurechtkommt, welche Arten zurückgedrängt werden oder aussterben und welche sich behaupten oder neu

einwandern. In der Managementzone wird dagegen dauerhaft korrigierend eingegriffen, zum Beispiel zur Schädlingsbekämpfung, durch Freihalten von offenem Gelände wie den Grinden oder zur Erhaltung des Auerhuhns.
Geologie und Klima
Der Nordschwarzwald ist in weiten Bereichen vom Buntsandstein überdeckt, der im Südschwarzwald größtenteils erodiert ist. Dies hat Einfluss auf die Bodenbeschaffenheit und den Wasserhaushalt und somit auf die Vegetation. Das Klima des Nordschwarzwalds ist rauer und feuchter als im Süden, da die schützende Barriere der Vogesen fehlt.
Landschaften und Lebensräume
Bewaldete Bergrücken und Täler sowie waldfreie Hochplateaus sind die dominierenden Landschaftselemente. Langgestreckte, nach Osten ausgerichtete Täler zerfurchen das Relief.
Die Wälder werden – noch – dominiert von Fichten, aber zunehmend verbreiten sich die eigentlich heimische Weißtanne sowie Buche, Eiche, Ahorn und andere Baumarten. Der Wald ist meist licht und der Waldboden mit Beerensträuchern, Gräsern und Simsen bedeckt.
Neben den Wäldern gibt es auf den Hochflächen die „Grinden“ als zweites dominierendes Landschaftsbild. Es sind ehemalige Hochweiden, die bewusst als Kultur-Landschaftsform durch Beweidung erhalten werden. Durch die frühere Nutzung im Zusammenspiel mit dem rauen Klima hat sich eine eigene, fast tundrenartige Vegetation gebildet, die auch eine entsprechende Fauna beherbergt: Latschenkiefern, Birken, Beerensträucher, Heidekraut und Pfeifengras. Sie ergeben besonders im Herbst ein kontrastreiches und farbiges Bild. Auch der weite Blick über die Höhen des Schwarzwalds bis zu den Vogesen und sogar bis zu den Alpen verstärkt den Reiz dieser Landschaft.
Eine weitere Besonderheit des Nordschwarzwalds sind die Karseen, deren Becken von den Gletschern der Eiszeit ausgehobelt und durch Moränen abgeschlossen wurden. Im südlichen Teil des Nationalparks befinden sich drei solcher Karseen: Der Wildsee nahe dem Ruhestein, der Huzenbacher See und der Buhlbachsee. Sie liegen versteckt im Wald und sind Orte der Ruhe und bezau-
Buhlbachsee / Foto: Karl Heinz Scheidtmann
Die Triberger Wasserfälle mit viel Wasser (im Vergleich Seite zuvor Wasserfall mit wenig Wasser) / Foto: Karl-Heinz Scheidtmann

Allerheiligen Wasserfall / Foto: Karl Heinz Scheidtmann
bern durch die Spiegelungen der umgebenden Vegetation. Sie bieten Lebensraum für Amphibien, Libellen und Wasservögel wie den Zwergtaucher. Der Huzenbacher See zeichnet sich durch einen Teppich von gelben Teichrosen aus, die im Frühsommer blühen.
Highlights
Zu den Highlights im Nationalpark gehören der Bannwald beim Wildsee, die Karseen und die imposanten Allerheiligen-Wasserfälle. Letztere sind allerdings an Wochenenden stark frequentiert.

Das jüngste Highlight ist das in 2020 fertiggestellte und in diesem Jahr für Publikumsverkehr freigegebene Nationalparkzentrum am Ruhestein. Dort kann man durch multimediale Präsentationen, Filme und interaktive Ausstellungen sehr viel über die Natur im Nationalpark erfahren. Großer Wert wird auf die Natur-Bildung von Familien und Schulklassen gelegt. Natürlich stehen Themen wie Wildnis, Artenvielfalt und -schutz, Nachhaltigkeit und Umweltschutz auf der Agenda.
Unterwegs im Nationalpark
Ebenfalls auf Familien ausgerichtet sind Themenpfade, wie der Wildnispfad, Luchspfad, Lotharpfad, teils mit Erlebnisstationen.

Grinden / Foto: Karl Heinz Scheidtmann
Es sind Rundwanderungen, die bestimmte Aspekte aufgreifen oder einfach die Natur mit allen Sinnen erfahren lassen.
Mehrere Fernwanderwege, so der Westweg, der Seensteig, der Renchtalsteig und die Murgleiter, durchqueren Teile des Nationalparks und bieten mehrtägige Erlebnisse.
Den bequemsten Zugang zum Nationalpark hat man von Westen von der Schwarzwaldhöhenstraße B500 aus, die auch mit dem ÖPNV von Achern, Bühl oder Baden-Baden aus erreichbar ist. Von Osten erhält man Zugang durch die Täler bei Baiersbronn, Huzenbach sowie Schönmünzach und Forbach.
Generell ist das Campen und Nächtigen im Nationalpark untersagt, doch es gibt drei Trekking-Camps mit Zeltplatz, Feuerstelle und Toilette, wo man nach vorheriger Anmeldung sein Zelt aufschlagen oder unter dem Sternenzelt übernachten kann (Anmeldung unter www.trekking-schwarzwald.de).

Wildsee / Foto: Karl Heinz Scheidtmann
Liebe Leserinnen und Leser,
mit dem Nationalpark Schwarzwald endet bald unsere Serie über die Nationalparks in Deutschland. Als letzter Nationalpark folgt die Eifel. Von den 16 Nationalparks haben wir gerade mal sechs vorgestellt. Die Auswahl beschränkte sich auf den Nationalpark der Alpen, Berchtesgaden, sowie die Nationalparks der Mittelgebirge, jedoch ohne die Nationalparks Kellerwald-Edersee und Hunsrück-Hochwald. Hoffentlich konnten wir vermitteln, welch großartige – und schützenswerte – Natur und Landschaft wir in Deutschland haben und Appetit machen für eigene Erkundungen.
Text und Fotos: Karl Heinz Scheidtmann
Steckbrief Nationalpark Schwarzwald
Geografische Lage: im Dreieck zwischen Baden-Baden, Offenburg und Freudenstadt, im Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord Gegründet: 2014 Größe: 100,7 qkm, zwei Teilgebiete: Hoher Ochsenkopf, 24,5 qkm und Ruhestein, 76,2 qkm Höhenlage: zwischen 470 und 1.150 Metern Höhe Klima: raues Mittelgebirgsklima, hohe Niederschläge Charakter: ausgedehnte Wälder, vor allem Nadelwälder, heideartige Hochflächen, die Grinden, Moore, eiszeitliche Karseen Höchste Berge: im Nordteil: Hoher Ochsenkopf 1.055 m, Badener Höhe 1.002 m, im Südteil: Hornisgrinde 1.164 m (direkt außerhalb der Nationalparkgrenze), Altsteigerskopf 1.092 m, Geißkopf 1.086 m, Schliffkopf 1.055 m, Vogelskopf 1.055 m Seen: Wildsee, Huzenbacher See, Buhlbachsee (Karseen, teils verlandet) Tiere: über 2.000 Tierarten sind erfasst, davon zwei Drittel Insekten. Besondere Aufmerksamkeit gelten dem Monitoring von Wildkatze, Luchs und Wolf und dem Erhalt des stark gefährdeten Auerhuhns. Pflanzen: über 600 verschiedene Farn- und Blütenpflanzen, zahlreiche Moose und Flechten und über 1.000 Pilzarten Wegenetz: ausgedehntes Netz an Wanderwegen, angebunden an das Wegenetz des Schwarzwaldvereins, und Biketrails (im Nationalpark gilt, wie in jedem Naturschutzgebiet, ein Wegegebot!) Öffentlicher Verkehr: Busverbindungen von den Bahnhöfen Appenweier/Oppenau, Achern, Bühl, Baden-Baden, Freudenstadt
Weiterführende Informationen und Literatur:
Nationalpark-Zentrum Ruhestein, 77889 Seebach Internet: www.nationalpark-schwarzwald.de gibt Infos über Flora und Fauna, Wegezustand und Vorschläge für Rundwanderungen, Führungen, Ausstellungen Bücher: Klaus Echle, Joachim Wimmer, Nationalpark Schwarzwald, Hardcover, Knesebeck Verlag München 2016, 160 Seiten, ISBN: 978-3-86873-935-0; 29,95 €
Wildsee / Foto: Karl Heinz Scheidtmann
