5 minute read
BIM Entwicklung 2021
Christoph Gröner, Vorstandsvorsitzender CG Elementum AG (CEO)
Die fehlende Digitalisierung der Baubranche
Advertisement
Andere Länder machen es Deutschland vor – längst werden dort viele Baustellen mit BIM (Building Information Modeling) realisiert. Wie Deutschland nach vorne kommen soll.
Christoph Gröner gründete 1990 in Karlsruhe sein erstes Unternehmen. Seit 2005 ist er in der Projektentwicklung aktiv, wobei er zunächst mit denkmalgeschützten Altbauten startete. Heute entwickelt er mit seinem Unternehmen CG Elementum nachhaltige Quartiere, beispielsweise auf revitalisierten Industriebrachen. Mit der Hilfe von BIM will man kostengünstiger und seriell bauen. Wir haben mit ihm gesprochen.
BIM – das Allheilmittel der Baubranche?
CG: Natürlich wenden wir BIM an, sind aber in Deutschland mit unserem Latein schnell am Ende. Was die Digitalisierung in Deutschland und damit die Anwendung von BIM betrifft, sind wir ein Dritte-Welt- Land. BIM ist ein Begriff für digitalisierte Prozesse, gelerntes Wissen in einem Projekt geht nicht verloren. Stellen Sie sich vor, wir haben ein Grundstück und beginnen mit der Planung, Ausschreibung, Verträgen mit den Gewerken, Bezahlung und irgendwann die Übergabe. Darin ist der Preis, die Baumasse und die Qualität enthalten. Bei einem BIM- Projekt wird das gesamte Wissen des Baus einmal erworben, einmal aufgestellt.
Dieses Wissen wird dann bis zum Schluss, bis zur Übergabe, weitergegeben und unter Umständen auch ergänzt. Doch leider sieht die Wirklichkeit ganz anders aus.
Wenn BIM so viele Vorteile bietet – warum wird es in Deutschland so selten genutzt?
CG: Das fängt schon bei den Bauämtern an. Da werden zumeist keine Pläne in digitaler Form angenommen. Die Handwerksbetriebe haben in der Regel nicht die Rechnerleistung, um das Programm zu bearbeiten. So ein BIM-Plan hat mal schnell mehrere Hundert Gigabyte Datenvolumen. Der Handwerksbetrieb kann die Ausschreibungen also gar nicht verarbeiten. Und vielleicht ein Drittel aller Planer sind bereit, überhaupt mit BIM zu arbeiten. Schön, dass wir BIM können, doch es fehlt uns die Umgebung, diese Technologie auch flächendeckend einzusetzen und weiterzuführen.
Das ist das Ergebnis eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen der Bau- und Immobilienwirtschaft und der Politik, die offensichtlich zulässt, dass die Digitalisierung keinen wirklichen Stellenwert hat in diesem Land.
Sehen Sie bei Ihrem Pessimismus denn auch Licht am Ende des Tunnels?
CG: Die drei Säulen der Immobilienwirtschaft sind Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Vorfertigung. Wir können gar nicht so viele Menschen beschäftigen, um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen, geschweige denn den geforderten Wohnungsneubau zu bewältigen. Aber ohne Digitalisierung gibt es keine Vorfertigung. Stellen Sie sich das mal vor – drei, vier Millionen Sozialwohnungen müssen gebaut werden, 30 bis 40 Millionen Wohnungen müssen energetisch saniert werden, damit wir den CO 2 -Ausstoß drastisch reduzieren können.
Wir bauen jetzt 200.000 bis 300.000 Wohnungen pro Jahr, es müssten aber zehnmal so viele sein. Ich sehe leider nicht, wie wir unsere Baukapazitäten wirklich verdoppeln könnten. Hinzu kommt der weiterwachsende Mangel an Fachkräften, diese Zahl wird sich halbieren in den nächsten Jahren. Das bedeutet, wir kommen an einer BIM-gesteuerten Vorfertigung nicht vorbei. Das ist das Dilemma: Alles fängt mit der Digitalisierung an. Aber in diesem Land deutet nichts darauf hin, dies als Aufgabe und große Herausforderung zu erkennen.
Stellen Sie sich vor, Deutschland hätte flächendeckend ein 5G-Netz – läuft es dann?
CG: Ich sehe da keine Chance, dass BIM in der Baubranche zum Standard wird. Dafür benötigen wir ein ordentliches Investitionsprogramm nur zur Digitalisierung der Baubranche. Handwerker, Subunternehmer, sie alle müssen davon profitieren, das muss auf die Reise gebracht werden. Es sollte Anreize geben, dass der 55-jährige Architekt sagt, ja, ich stelle auf BIM um. Angeblich soll es so sein, dass man BIM anbieten können sollte, um an öffentlichen Ausschreibungen teilzunehmen. Das ist aber nicht der Fall. Alles ist geblieben, wie es ist. Da wird saniert mit Plänen auf Papier, Ausschreibung auf Papier, im Prinzip haben wir nichts geschafft. Länder und Kommunen müssen endlich ihre Haltung ändern, nicht sagen, in zehn bis zwölf Jahren sind wir so weit. Schauen Sie nach Holland, die schaffen das in zwei Jahren. Der Missstand beginnt schon in den Schulen und bei der Ausbildung.
Das Thema Digitalisierung muss zum Pflichtfach werden. Wenn der Azubi zwar eine Leitung zusammenlöten kann, aber auf seinem digitalen Plan nicht versteht, wo diese Leitung hinkommt, dann wird das nichts werden – auch in fünf Jahren nicht.
Zahlreiche öffentliche Projekte sind „geldtechnisch“ aus dem Ruder gelaufen – hätten Millionen gespart werden können?
CG: Ja sicher, wenn sie die Elbphilharmonie als BIM-Projekt gebaut hätten, dann hätte jeder Drittklässler erkannt, dass allein mit dem Sockel die Mittel verbraucht gewesen wären. Immer, wenn ich die Rolltreppe hochfahre, weiß ich, diese 760 Millionen sind allein mit den roten Steinen verbaut worden. Es war absehbar. Bei einer vernünftigen Kalkulation wäre man gleich bei 400 bis 500 Millionen Euro gelandet. Die Elbphilharmonie ist nur so teuer geworden, weil der Bau fast zwei Jahre stillstand. BIM wäre hier die Lösung gewesen. Gerade bei öffentlichen Gebäuden sollte BIM eingesetzt werden, was hier aber offensichtlich nicht gewollt war.
Sie als Immobilienunternehmer müssten doch da Druck aufbauen können?
CG: Wir machen das mit großen Planungen! Doch häufig kommen wir wieder an den Anfang zurück. Wir enden mit BIM schon beim Bauamt, wo die Planungen in 2-D auf Papier eingereicht werden müssen. Auch der Subunternehmer kann nichts mit digitalen Kalkulationen anfangen, der hätte am liebsten eine Excel-Tabelle. Und wir enden beim Kunden, der dann mit dem BIM-Modell am Ende nichts anfangen kann. Wir machen trotzdem BIM und geben die Hoffnung nicht auf, dass sich etwas ändert. Damit leisten wir viel mehr, als der Markt im Augenblick verlangt.
Wären Sie gerne der Bauminister?
CG: Auf keinen Fall. Da müsste ich Wirtschaftsminister sein und über dem Finanzminister stehen, dann könnte man dafür Sorge tragen, dass die Investitionsprogramme auch kommen und laufen. Das Problem liegt viel tiefer. Es ist ein Problem im Verständnis bei Ländern und Kommunen. Das ist Kanzlerkompetenz: Es gibt nur noch Geld, wenn in drei Jahren der Prozess der Digitalisierung abgeschlossen ist. Die Banken haben es – dank Corona – auch geschafft, ihre Branche zu digitalisieren.
Herr Gröner, vielen Dank für das Gespräch.