Heiligabend im Irish Pub von Elisabeth Büchle Die Menschen strömten aus der Kirche. Dort empfing sie eine für den 24. Dezember ungewöhnlich milde Temperatur und ein Himmel, der förmlich glühte, da die Sonne gerade im Begriff war, sich hinter den schwarzen Silhouetten von Hausdächern und Hochhäusern zu verabschieden. Als Katharina, die in dieser Stadt studierte, eilig auf das unebene Kopfsteinpflaster trat, stellte sich ihr Verena in den Weg, mit der sie sich schon einige Male nach dem Gottesdienst unterhalten hatte. „Wie wirst du Heiligabend verbringen?“ „Wie immer in den letzten Jahren: im Irish Pub“, antwortete Katharina. Die entgleisenden Gesichtszüge der jungen Mutter, an der zwei Kleinkinder zerrten, weil sie nach Hause wollten, verleiteten Katharina zu einem Grinsen. Diese Antwort sorgte oft für Irritation. Verena presste die Lippen zusammen. „Wir feiern traditionell. Du weißt schon: im Kreise der Lieben, mit einem Baum, unter dem die Geschenke liegen.“ „Das passt eben nicht zu jedem“, erwiderte Katharina. „Ja? Also ich muss zugeben, ich hätte dich ... anders eingeschätzt.“ Verenas Blick huschte über Katharinas roten kurzen Mantel zu der eng sitzenden schwarzen Jeans und den silbernen Stiefeln mit hohem Schaft. „Ich wünsche euch viel Spaß“, rief Katharina salopp und eilte davon. Einige Querstraßen weiter schob sie sich an einer kleinen Ansammlung angetrunkener BIBELLESEBUND
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