|transkript Spezial 07/2012 - Weiße Biotechnologie

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Weiße Biotechnologie

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Industrielle Biotechnologie

LLL Trendanalyse

„Bio-Technologien“ ebnen den Weg zur Bioökonomie Wie sich ganze Industrien durch biotechnologische Methoden verändern werden. Angesichts der Negativtrends, die mit der Bevölkerungsexplosion einhergehen, ist das Konzept der Bioökonomie zur notwendigen Vision geworden.[1-3] Gemeint ist der Wandel zur nachhaltig ressourceneffizienten Herstellung von Nahrungsmitteln, biobasierten Industrieprodukten und Energieträgern aus Biomasse. Ohne große wissenschaftlich-technische Durchbrüche wird diese Umstellung nicht gelingen, und der Erfolg hängt ganz entscheidend von den Innovationen der Biotechnologie ab.

Die Schlüsselrolle der Biotechnologie Entlang der Wertschöpfungsketten der Bioökonomie müssen Pflanzenbiotechnologie, industrielle Biotechnologie, Lebensmittelbiotechnologie und Bioverfahrenstechnik die dringend benötigten Lösungen liefern. Das kombinierte Know-how aus Biologie, chemischer Verfahrenstechnik und Materialwissenschaften verspricht neue, effiziente Herstellungsprozesse bis hin zu Bioraffinerien, die Biomasse in ein Spektrum verschiedener Produkte konvertieren. [4] Viele Produktstammbäume der Chemieindustrie werden von biobasierten Plattformchemikalien ausgehen; Biotransformationen und Biokatalyse werden immer mehr chemische Syntheseschritte ersetzen. Optimierte Nutzpflanzen und Algen als Rohstofflieferanten bilden das Fundament der Bioökonomie. Sie sollten hinsichtlich Bodenqualität und Wasserbedarf genügsam sein, gleichzeitig aber möglichst große Mengen Biomasse oder interessanter Substanzen produzieren [5-9] – nicht zuletzt, um Zielkonflikte mit der Nahrungsmittelproduktion zu vermeiden.[10] Für ihre Entwicklung setzt man auf moderne biotechnologische Züchtungsverfahren.[11, 12] Sowohl in der Pflanzenbiotechnologie als auch in der industriellen Biotechnologie zeichnen sich die größten Fortschritte durch das metabolic engineering und die „Synthe-

tische Biologie“ ab. Diese Ansätze sollen nachfolgend kurz beleuchtet werden. Der rationale Entwurf, die gezielte Konstruktion ist zum Wesensmerkmal der modernen Biotechnologie geworden. In dem Maße, wie systembiologische Modelle und die Strukturaufklärung von Biomolekülen zu neuen Einsichten verhelfen, entwickelt sie sich zu einer quantitativen Disziplin. Die Konvergenz von Molekularbiolologie und Ingenieurwissenschaften eröffnet ganz neue Möglichkeiten für die Entwicklung biologischer Produktionssysteme. Diese Arbeiten werden oftmals unter metabolic engineering und „Synthetische Biologie“ zusammengefasst. [13-19] Treibende Kraft dahinter sind die immensen technologischen Fortschritte bei der Entschlüsselung von Genomen und bei der Synthese maßgeschneiderter Erbmoleküle.

Revolutionäre Technologien Der Wettbewerb der verschiedenen Technologien hat den Zeitaufwand für DNA-Sequenzierungen stark verkürzt. [20] Die neuesten Verfahren basieren auf Nanoporen,

durch die lange DNA-Stränge gezogen und Nukleotid für Nukleotid abgelesen werden. [21-24] Damit ist die Sequenzierung mikrobieller Genome nur noch eine Frage von Stunden und selbst humane Genome sind in wenigen Tagen sequenzierbar. Eine wichtige Anwendung ist die Analyse von Metagenomen zur Identifikation bislang unbekannter Biosynthesegene oder zur Charakterisierung von Konsortien mikrobieller Organismen, die in biotechnischen Verfahren zusammenwirken.[25] Die Verfügbarkeit der leistungsfähigen, robusten und kostengünstigen Sequenzierungstechnologien kann in ihren Folgen kaum abgeschätzt werden. Fest steht, dass sie die Biomedizin und Biotechnologie enorm beschleunigen. [26] Ebenso beeindruckende Fortschritte gibt es bei der Synthese von langen Polynukleotiden. DNA-Stränge mit Millionen Basenpaaren sind bereits synthetisch zugänglich. Das bedeutet eine Revolution für die Biotechnologie. Nicht nur Gene und Gencluster, sondern auch Chromosomen, komplette Viren- und Bakteriengenome lassen sich herstellen.[27-32] Molekulare Werkzeuge für den zielgerichteten Umbau ganzer Genome, das sogenannte genome engineering, sind ebenfalls verfügbar.[33-35] So hat man Recombinase-Systeme entwickelt, um fremde DNA-Abschnitte genau plaziert in die Chromosomen von Bakterien und höheren Zellen zu integrieren.[36-40]

Neue Stoffwechselwege in Produktionsorganismen Die Möglichkeiten dieser Technologien erscheinen grenzenlos: Mühevolle Prozeduren der traditionellen Gentechnik entfallen, das Programmieren von Zellen und der rationale Aufbau von Biosynthesesystemen werden wesentlich erleichtert.[41,42] Die Konstruktion neuartiger Produktionsorganismen, „Minimalorganismen“ und „Chassis-Organismen“ wird damit ebenfalls möglich.[43-45] Ein Meilenstein war die Synthese des kompletten Mycoplasma genitalium-Genoms und der Transfer des synthetisch herItranskript I Nr. 7 I 18. Jahrgang 2012

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Die Autoren Prof. Dr. Thomas Scheper lehrt Technische Chemie an der Universität Hannover, wo er zwischen 1976 und 1981 auch Chemie studierte. Nach der Promotion und Habilitation in der niedersächsischen Landeshauptstadt wurde er 1992 hier auch zum Professor berufen. Scheper ist Vorsitzender der Fachgemeinschaft Biotechnologie in der Dechema. Prof. Dr. Kurt Wagemann ist Geschäftsführer der Dechema. Er wurde 1959 geboren. Wagemann studierte Chemie an der LMU München, fertigte seine Doktorarbeit im Arbeitskreis von Prof. Gerhard Ertl an und promovierte anschließend am Max-Planck-Institut für Quantenoptik. 1989 trat er in die Dechema ein, wo er verschiedene Positionen in den Bereichen Forschungsplanung und Forschungsförderung bekleidete. Anfang 2011 wurde Wagemann zum Honorarprofessor der Universität Stuttgart berufen.

gestellten Genoms in Empfänger-Bakterienzellen.[30,31] Auf große Resonanz stießen auch die Arbeiten zur Gewinnung einer Vorstufe des Antimalaria-Wirkstoffs Artemisinin mit Hilfe eines rational konstruierten Biosynthese-Genclusters.[46] Es ist übrigens auch ein gutes Beispiel für das Zusammenspiel von moderner Biotechnologie und chemischer Verfahrenstechnik, denn der letzte Syntheseschritt zum Artemisinin ist nur dank eines photochemischen Verfahrens in guten Ausbeuten möglich.[47] Eine andere absehbare Anwendung sind saisonal variable Impfstoffe, die durch entsprechend programmierte bakterielle Produzenten termingerecht hergestellt werden können.[48] Die Herstellung von hochwertigen Substanzen, Synthesebausteinen und Energieträgern unter Einsatz von metabolic engineering und den Methoden der Synthetischen Biologie ist zu einem sehr dynamischen Feld geworden.[14, 15, 45, 49-53] Neben Artemisinin sind auf diesem Weg wertvolle Naturstoffe wie Taxol und Omega-Fettsäuren biotechnisch herstellbar.[52] In Arbeit sind maßgeschneiderte Produktionsorganismen zur Gewinnung von Terpenen, Alkaloiden und Steroiden für die Pharmaindustrie.[54, 55] Mit Hilfe zusätzlich integrierter Biosyntheseschritte lassen sie sich sogar in vivo chemisch modifizieren, so dass man zu ganz neuartigen Verbindungen kommt.[56] Neuartig müssen auch die Antibiotika sein, die man durch das „Engineering“ von Biosynthese-Genclustern im Erbgut von geeigneten Produzenten erhalten will. Die Synthetische Biologie verspricht hier den schnellsten Zugang zu einer großen Zahl hochkomplexer Verbindungen.[57, 58] Zahlreiche Synthesebausteine der Chemieindustrie lassen sich mit „Designer-Organismen“ herstellen. Zu den Produkten

zählen Aminosäuren, Bernsteinsäure, Milchsäure, Adipin-, Glucar- und Itaconsäure, Terpene wie das Isopren zur Gummiherstellung, 1,3-Propandiol oder die biogenen Amine 1,4-Diaminobutan und 1,5-Diaminopentan.[49,50] Hinzu kommen mikrobiell produzierte Polyester und Polyamide, darunter Polymilchsäureester (PLA) und Polyhydroxybuttersäureester (PHB).[50,59] Metabolic engineering nutzt man auch zur Entwicklung von Mikroorganismen, die in der Lage sind, Umweltgifte abzubauen, indem katabolische Stoffwechselwege unterschiedlicher Organismen kombiniert werden. [60] Erhebliche Forschungsmittel der Industrie fließen in die Entwicklung von Biokraftstoffen mittels Synthetischer Biologie. [61,62] Die produzierten Energieträger sind Wasserstoff, Ethanol, Butanol und verzweigte Alkohole, aber auch Methan und höhere Alkane.[63-66] Als mikrobielle Produzenten dienen zahlreiche Bakterien, ebenso wie Hefen und andere Pilzarten, z. B. Aspergillus-Stämme. Von Interesse sind auch Verwerter ungewöhnlicher Substrate wie Xylose.[67,68] Bei der Gewinnung von Energieträgern konzentriert sich die Forschung auf Cyanobakterien und Mikroalgen, die neben Nährsalzen nur die Energie des Sonnenlichts, Wasser und Kohlendioxid [69] zum Wachstum benötigen.[70, 71] Darüber hinaus werden Pflanzen als grüne Bioreaktoren zur Produktion von Proteinen, z.B. Impfstoffen und Pharmazeutika, und hochwertigen Feinchemikalien entwickelt.[72-76] Andere Ansätze verfolgen den Aufbau von Gemeinschaften von „DesignerOrganismen“[77,78], die sich z. B. zur Verwertung von Lignocellulose-haltiger Biomasse einsetzen lassen.[79] Die modernen Technologien der DNA-Synthese und des genome engineering erlauben auch die Integration sogenannter orthogona-

ler Biosynthesen in Produktionsorganismen. Darunter versteht man den Aufbau eines zusätzlichen unabhängigen Proteinsyntheseapparats, der den Einbau nicht-natürlicher Aminosäuren in Proteine ermöglicht, z. B. indem alternative geneti-sche Codes genutzt werden.[80,81] Auch gelang es bereits, Erbmoleküle aus nicht-natürlichen Nukleotidanaloga aufzubauen, die wie natürliche DNA von Polymerasen vermehrt werden.[82,83]

Molekulare Spezialwerkzeuge Die moderne molekulare Biotechnologie konstruiert viele ihrer Werkzeuge selbst. Ein Beispiel sind die bereits erwähnten Recombinasen. Zahlreiche technisch genutzte Enzyme sind das Ergebnis molekular-evolutiver Optimierung einer Methode, die sich in den vergangenen 15 Jahren breit durchgesetzt hat und sich u. a. zur Umfunktionalisierung natürlicher Enzyme eignet.[84-88] Das Computerbasierte rationale Design neuartiger Enzyme auf Grundlage von Strukturdaten natürlicher Proteine bleibt hingegen noch eine große Herausforderung.[89-92] Dank leistungsfähiger Informatik und stetig wachsender Proteinstrukturdatenbanken gibt es erste Erfolge.[9397] So konnte kürzlich über weltweit verteilte Computerberechnung die Struktur einer Diels-Alderase ermittelt werden, die im Vergleich zum Ausgangsenzym deutlich aktiver war und zusätzliche, neuartige Strukturelemente enthielt.[98] Selbst wenn man die Möglichkeiten der Kombination mit organometallischen Katalysatoren oder den Einbau nicht-kanonischer Aminosäuren ausklammert, ist das Potential des Protein designs endlos. Maßgeschneiderte Enzyme für jede beliebige biokatalytische Stoffumwandlung würden damit konstruierbar werden und die Prozessindustrien umwälzen.

Fazit Die moderne Biotechnologie durchläuft gerade eine Phase stürmischer technologie-getriebener Innovation, die sie zu einer konstruktiven Ingenieurdisziplin wandelt. Sie hat damit das Potential, die dringend benötigten Lösungen hervorzubringen, um die Vision einer künftigen Bioökonomie Realität werden zu lassen. Die einzige Grenze auf diesem Weg ist unsere Vorstellungskraft.

Quellen Ein PDF des Artikels inklusive Literaturliste steht unter www.transkript.de/spezial als auch unter http://biotech.dechema.de/Publikationen.html zum Download bereit.  Itranskript I Nr. 7 I 18. Jahrgang 2012

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High specific growth rate of the culture High biomass yield Low acetate concentration (E. coli cultures) High production rate of the desired protein

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 VERTRIEBSMODELLE

Vertriebsmodelle in der industriellen Biotechnologie Strategisches Vorgehen ist erforderlich, wenn mittelständische Unternehmen in der industriellen Biotechnologie im Konzert der Großen wahrgenommen werden wollen. Nur so lassen sich die eigenen Produkte zu einem kommerziellen Erfolg machen. Die industrielle oder auch Weiße Biotechnologie ist auf einem Erfolgskurs. Auf Basis eines rasanten technologischen Fortschritts im Bereich der molekularen Biotechnologie finden zahlreiche neue Produkte ihren Weg in den Markt und spielen in vielen Branchen wie der chemischen Industrie oder der Lebensmittelindustrie eine zunehmend wichtige Rolle. Der Endkonsument, der tagtäglich von den Errungenschaften der industriellen Biotechnologie umgeben ist und von diesen profitiert, bemerkt diese stattfindende technologische Revolution kaum. Ein wesentlicher Treiber für die Entwicklung neuer Produkte der Weißen Biotechnologie sind kleine technologiefokussierte Unternehmen. Diese werden häufig auf der Basis einer potentiell bahnbrechenden neuen Technologie gegründet und haben somit ihren Kompetenz-Schwerpunkt primär im Bereich der Forschung & Entwicklung. Die Finanzierung des Aufbaus dieser Technologie-Start-ups in der Weißen Biotechnologie erfolgt oft über Venture Capital. Für die Umsetzung einer nachhaltigen und erfolgreichen Wachstumsstrategie für die KMUs besteht die wesentliche Herausforderung darin, eigene Entwicklungsprojekte für Produkte zu identifizieren, die mit der proprietären Technologie erfolgreich entwickelt werden können. Doch zu einer erfolgreichen Markteinführung eines neuen Produkts gehört nicht nur eine erfolgreich abgeschlossene technische Produktentwicklung. Es bedarf ebenfalls einer durchdachten und umsetzbaren Vertriebsstrategie.

Ausmaß der Integration Eine wichtige Frage ist, welcher Teil der Wertschöpfungskette durch das KMU selbst abgedeckt werden soll. Sehr häufig werden neue Produktentwicklungen von Anfang an in Partnerschaften von den klei-

nen Technologie-Firmen mit Industrieunternehmen durchgeführt. In diesem Fall hat in der Regel der Industriepartner die Führung inne und gibt Takt und Richtung vor. Die Kleinen fungieren als Problemlöser und werden häufig eher als Dienstleister denn als strategischer Partner eingebunden. Eine signifikante, langfristige Beteiligung am Erfolg eines neuen Produkts im Falle einer erfolgreichen Entwicklung ist hier in der Regel schwierig durchzusetzen. Für die c-LEcta GmbH als Technologie-KMU in der Weißen Biotechnologie ist es daher von entscheidender Bedeutung, eine Marktbearbeitung zu realisieren, neue, interessante Applikationen in der Industrie zu identifizieren und aus Eigeninitiative heraus Produktentwicklungen mit hohem Potential voranzutreiben. Das bedeutet nicht, die gesamten Herausforderungen von der Entwicklung, über eine etwaige Zulassung bis zur Vermarktung der Produkte alleine zu bewältigen. Für die meisten Projekte wird es sogar richtig und

notwendig sein, Partnerschaften mit Industrie-Unternehmen einzugehen. Die wichtige Frage ist jedoch, wann und mit welcher Aufgabenteilung?

Basis des Erfolgs: die Patentposition Der Kompetenz-Schwerpunkt der Technologie-KMUs der Weißen Biotechnologie liegt naturgemäß hauptsächlich im Bereich der Forschung & Entwicklung. Eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Kommerzialisierung einer eigenen Produktentwicklung liegt in der Schaffung einer sattelfesten patentrechtlichen Position zum Schutz des Produkts. Attraktive Märkte sind immer auch umkämpfte Märkte mit hohem Wettbewerb. Als KMU ohne Marktanteile und Vertriebs-Präsenz kann man hier nur dann eine erfolgreiche Rolle spielen, wenn eine sichere Patentposition aufgebaut wurde. Ist eine solche vorhanden, kann ein Entwicklungspro-

Die Autoren Dr. Marc Struhalla ist Geschäftsführer und Mitgründer der c-LEcta GmbH in Leipzig, einem Spezialisten für industrielle Biotechnologie, der maßgeschneiderte Enzyme und mikrobielle Produktionsstämme für nachhaltige und wirtschaftliche industrielle Prozesse entwickelt. Struhalla studierte Biochemie an der Universität Leipzig und promovierte an der Universität Hamburg. Nach dem Abschluss seiner Promotion kehrte er an die Universität Leipzig zurück, bevor er die c-LEcta zusammen mit Dr. Thomas Greiner-Stöffele gründete. Carsten Fietz arbeitet seit dem Jahr 2004 als Kaufmännischer Leiter bei der c-LEcta GmbH. Er studierte Betriebswirtschaftslehre an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Vor seiner Tätigkeit bei c-LEcta arbeitete er als Consultant in der Life Sciences-Industrie und beriet Biotechnologie-Firmen bei ihrer Gründung.

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jekt durchaus bereits zu einem recht frühen Zeitpunkt mit einem Industrieunternehmen verpartnert werden, ohne dass die eigene Position dadurch zu sehr geschwächt wird. Wichtig ist allerdings, dass man den Mehrwert, den das neue Produkt oder das neue Verfahren dem Anwender, also dem Kunden bringt, mit ausreichender Genauigkeit kennt. Welcher wirtschaftliche Vorteil entsteht dem Kunden? Wie hoch sind die Kosten in der Anwendung für den Kunden? Wie groß ist der Markt? Mit welchen Vorlaufkosten sind im Projekt zu rechnen bis positive Cashflows zu erwarten sind? Ohne detaillierte Kenntnisse zu diesen Aspekten wird es sehr schwierig sein, eine Allianz mit einem Industrieunternehmen einzugehen, die eine signifikante Beteiligung am Projekterfolg ermöglicht. Wer die Größe des Kuchens nicht kennt, der kann auch nicht sagen wie groß sein eigenes Stück vom Kuchen sein soll.

Ein Beispiel aus dem ProjektPortfolio der c-LEcta Kürzlich wurde die Vertriebspartnerschaft von c-LEcta mit der Firma Sartorius zur Vermarktung der von c-LEcta entwickelten rekombinanten Serratia-Nuklease bekanntgegeben, welche derzeit unter dem Markennamen DeNArase in den Markt eingeführt wird. Dieses Enzym wird eingesetzt, um in Herstellverfahren von Biopharmazeutika und Vakzinen Nukleinsäuren abzubauen und zu entfernen. Bei c-LEcta wurde ein stark verbesserter mikrobieller Produktionsstamm für das Enzym entwickelt und zum Patent angemeldet. Zur Abschätzung

des Marktpotentials hat das Team eine vorbereitende Marktstudie durchgeführt, Kontakte zu potentiellen Kunden für das Produkt aufgebaut und mit diesen Anwendungsversuche unternommen. So konnten die regulatorischen Voraussetzungen für einen Einsatz des Enzyms an Produktionsbedingungen und Produktqualität erhoben sowie der Nutzen für den Kunden und das Marktpotential abgeschätzt werden.

Zugriff auf Logistik Zudem wurde das Herstellverfahren für das Produkt entwickelt, skaliert und mit geeigneten Auftrags-Produzenten die Kosten der Implementierung und Durchführung der Produktion des Enzyms unter GMP-Bedingungen ermittelt. Erst als sich auf all diesen Ebenen ein klares Bild ergab, hat c-LEcta die Kontakte zu möglichen Vertriebspartnern für das Produkt intensiviert und sich am Ende für Sartorius als den am besten geeigneten Partner entschieden. Für dieses Entwicklungsprojekt mussten also recht umfangreiche, über die eigentliche Entwicklungsleistung hinausgehende Vorarbeiten geleistet werden, um den Mehrwert der eigenen Entwicklung abzuschätzen und um daraus adäquate Konditionen einer Vertriebspartnerschaft abzuleiten. Im Falle der Partnerschaft mit Sartorius wird die c-LEcta für die Entwicklung des Patentportfolios, die Produktion sowie für die Versandlogistik zuständig sein, während Sartorius den weltweiten Vertrieb des Produkts in der biopharmazeutischen Industrie übernimmt. Neben einer Vertriebspartnerschaft, bei der das Technologie-KMU für die Her-

Serratia-Nuklease zum Abbau von Nukleinsäuren

stellung des Produkts verantwortlich ist und einer oder mehrere Industriepartner mit möglichst guter Marktpräsenz den Produktvertrieb realisieren, sind natürlich noch weitere Vermarktungsmodelle denkbar. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Auslizenzierung oder sogar im Verkauf des gesamten Projekts. Hier übernimmt dann der Industriepartner die Führung und eine Beteiligung des Technologie-KMUs erfolgt in der Regel über Umsatzbeteiligungen. Eine engere Kooperation kann über Profit-Sharing-Modelle abgebildet werden, die sehr viel Flexibilität bieten aber dadurch auch einen hohen Grad an Komplexität mit sich bringen. Schließlich gibt es als vierte Möglichkeit auch noch den Eigenvertrieb der Produkte ohne Einbindung eines Industriepartners. Aufgrund der geringen Marktpräsenz der Technologie-KMUs und des Fehlens einer klassischen Vertriebsorganisation kann eine Eigenvermarktung nur im Falle von sehr überschaubaren, transparenten Märkten funktionieren. Ansonsten ist es aus unserer Sicht sinnvoll, einen Teil des Kuchens mit Vertriebspartnern zu teilen und dafür deren etablierte Vertriebsstruktur zu nutzen, um mit viel höherer Geschwindigkeit und größerem Marktanteil die Produktvermarktung anzugehen. Bei c-LEcta wurden alle genannten Vermarktungsmodelle (Lizenzierung, ProfitSharing-Modelle, Vertriebskooperationen und Eigenvertrieb) erprobt. Sie alle haben sich mit den jeweils genannten Einschränkungen als umsetzbar erwiesen. Welches für das jeweilige Produkt oder Projekt das Mittel der Wahl ist, hängt von vielen Faktoren wie der Marktstruktur, dem eigentlichen Wettbewerbsvorteil der Entwicklung und letztendlich sicher auch den eigenen Ressourcen ab. Die industrielle Biotechnologie zeichnet sich durch eine enorme Vielfalt an Produkten und Anwendungen aus. Um in diesem Feld erfolgreich zu sein, sollte man ein breites und flexibles Portfolio an Vermarktungsmodellen für seine Produktpipeline und für seine Industriekooperationen bereithalten. Unabhängig von dem gewählten Modell für das Verpartnern einer eigenen Produktentwicklung bleibt die Grundvoraussetzung für eine faire und nachhaltige Beteiligung des Technologie-KMUs, den Mehrwert des entwickelten Produkts oder des entwickelten Verfahrens präzise bestimmen zu können. Hierfür sind eigene Investitionen nicht nur in interne Forschung & Entwicklung, sondern auch in Marktanalysen, regulatorische Bewertungen, Applikationsversuche und in die Entwicklung und Skalierung von Produktionsverfahren notwendig.  Itranskript I Nr. 7 I 18. Jahrgang 2012

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Chemische Industrie: Wechsel der Rohstoffe steht bevor noch setzt die chemische industrie auf petrochemische Rohstoffe. Das wird sich in Zukunft ändern. Biobasierte kunststoffe, Schmierstoffe, Lösungsmittel oder Tenside haben aufgeholt. Die Frage ist nicht mehr ob, sondern nur noch wann die Rohstoffwende kommt. Angesichts zunehmender Rohstoffverknappung und -verteuerung sowie den immer deutlicher hervortretenden Folgen der Klimaerwärmung entwickeln Wissenschaft, Industrie, Politik und Gesellschaft gemeinsam Strategien für den Strukturwandel von einer fossil- zu einer biobasierten Wirtschaft (Bioökonomie). Dies gilt auch für die Chemieproduktion. Darin gehen zwar nur etwa 8% der gesamten Erdölproduktion ein, jedoch werden auch hier Vorteile in einem höheren Anteil nachwachsender Rohstoffe gesehen. Zu diesen Vorteilen zählen neben der Verringerung des CO2-Ausstoßes aus fossilen Quellen und der Bereitstellung komplexer Strukturen, wie sie die Syntheseleistung der Natur hervorbringt, auch die höhere Verbraucherakzeptanz biobasierter Produkte. Voraussetzung sind konkurrenzfähige Preise und ein mindestens analoges Eigenschaftsprofil, was eine hohe Rohstoff- und Prozesseffizienz bedingt. Beispiele hierfür sind Kunststoffe, ebenso biobasierte Lösungsmittel, Tenside und Schmierstoffe, bei denen zusätzlich die Vermeidung schädlicher Emissionen und die biologische Abbaubarkeit im Vordergrund stehen. Auch die REACH-Regularien können zu einem stärkeren Einsatz biobasierter Komponenten in der chemischen Industrie führen.

Biobasierte Polymere 2010 wurden nach Angaben des Verbands Plastics Europe weltweit rund 265 Mio. Tonnen Kunststoffe produziert, das entspricht rund 6% des Gesamtrohölverbrauchs von knapp 4 Mrd. Tonnen (BP Statistical Review of World Energy 2011). Auf der anderen Seite wurden im selben Jahr nur 0,7 Mio. Tonnen Biokunststoffe erzeugt. Allerdings sind die prognostizierten Wachstumsraten enorm: Bis 2015, so aktuelle Schätzungen, die Hans-Josef Endres (FH Hannover) in ei-

Bild: istockphoto

Biokunststoffe: eine heterogene Gruppe nem Vortrag im November 2011 präsentierte, steigt dieser Anteil auf 1,7 Mio. Tonnen, was einem jährlichen Zuwachs von knapp 20% entspricht. Biokunststoffe stellen dabei allerdings eine heterogene Gruppe dar, zu der sowohl biobasierte als auch fossil-basierte Kunststoffe zählen, sofern diese biologisch abbaubar sind. Die klassischen biologisch abbaubaren Kunststoffe werden auf Basis der natürlichen Polymere Cellulose und Stärke erzeugt. In den 1990er Jahren kam dann das von Bakterien als Speicherstoff genutzte thermoplastische Polymer Polyhydroxybuttersäure unter dem Handelsnamen BIOPOL auf den Markt. Dies war das erste Bio-Polymer, das als kompostierbare Alternative zu PE im Verpackungsbereich verwendet wurde. In den vergangenen Jahren hat sich allerdings der Trend durchgesetzt, nicht mehr die biologisch erzeugten Polymere direkt zu nutzen, sondern biotechnologisch oder chemisch Monomere aus nachwachsenden Rohstoffen zu gewinnen, die entweder als Basis neuartiger (funktionsanaloger) oder

herkömmlicher (strukturanaloger) Polymere dienen. Der zurzeit populärste Vertreter der funktionsanalogen biobasierten Kunststoffe ist Polylactid (PLA). PLA hat ähnliche Eigenschaften wie konventionelle thermoplastische Massenkunststoffe und kann deshalb auch in vorhandenen Anlagen verarbeitet werden. Dank seiner Kompostierbarkeit hat der Rohstoff vor allem für kurzlebige Verpackungen wie Getränkebecher oder Nahrungsmittelschalen großes Potential.

Öko-Potential nicht ausgeschöpft Ein Nachteil von PLA ist aber sein niedriger Schmelzpunkt, so dass es nicht für Waren geeignet ist, die Hitze ausgesetzt werden.Der Lactid-Polyester wird durch die Kombination biotechnologischer und chemischer Schritte erzeugt. Durch Fermentation von Zucker oder Stärke entsteht Milchsäure, die durch chemische Prozesse erst zu Lactid dimerisiert wird. Anschließend wird Lactid unter Ringöffnung des Monomers

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Schmiermittel-Herstellung polymerisiert. PLA wird seit 1994 industriell hergestellt und hat 2010 eine weltweite Produktionskapazität von mehr als 110.000 Jahrestonnen erreicht. Anlagen stehen in den USA, den Niederlanden und in China. Weitere Anlagen sind zum Beispiel in Thailand geplant. Bis 2015 wird sich die Produktionskapazität nach Angaben von Endres verdoppeln. Obwohl PLA durch seine biologische Grundlage eine gute Umweltverträglichkeit aufweist, lässt sich diese durch die Schaffung einer Infrastruktur zum Recycling oder Kompostieren des Biokunststoffs noch enorm verbessern. Daran wird intensiv geforscht. Derzeit bleibt aus logistischen Gründen aber nur die Verbrennung.

Biobasiertes Polyethylen Ein ganz anderer Weg wird mit der Erzeugung biobasierten Polyethlens (PE) gegangen. Polyethylen ist nicht biologisch abbaubar. Dafür existieren – zumindest in Europa – bereits etablierte Recyclingmöglichkeiten. Durch die Produktion der Plattformchemikalie Ethylen aus nachwachsenden Rohstoffen können die bestehenden Wertschöpfungsketten von der Produktion verschiedener Kunststoffe bis zum jeweiligen End-of-LifeScenario genutzt werden. Seit Ende 2010 produziert Braskem in Brasilien 200.000 Tonnen des biobasierten strukturanalogen Kunststoffs auf Basis von Bioethanol. Zwei weitere PE-Anlagen sowie Anlagen zur Produktion von Polypropylen und PVC sind für 2015 angekündigt. Die PEProduktionskapazität wird sich damit auch verdoppeln. Laut der Studie „World Bioplastics“, die von der Freedonia Group 2011 veröffentlicht wurde, wird Ende dieser Dekade

in Brasilien auch die industrielle Produktion von vollständig biobasiertem PET erwartet. Der höhere Funktionalisierungsgrad (Alkohol- bzw. Säuregruppen) biobasierter Monomere gegenüber fossilen Ausgangsstoffen kann gezielt in unterschiedlichen Kunststoffanwendungen genutzt werden. Einige Beispiele: Biologisch erzeugte Dicarbonsäuren (Bernsteinsäure) und Polyole (Rizinusöl, 1,3-Propandiol) werden in biobasierten Polyestern, letztere auch in Polyurethanen eingesetzt. Aus Milchsäure lässt sich durch Dehydrierung Acrylsäure darstellen, das Monomer der Polyacrylsäure. Weitere Polyacrylate lassen sich aus der Veresterung der Acrylsäure mit Rizinusöl oder epoxidierten Pflanzenölen erzeugen. Butadien, das als Grundbaustein von Kautschuk dienen kann, lässt sich aus Ethanol darstellen. Derivate des Rizinusöls werden in Polyamiden eingesetzt. Viele der hier genannten Beispiele bewegen sich als Feinchemikalien noch in Nischenmärkten, die einen höheren Produktpreis aus nachwachsenden Rohstoffen über spezielle Funktionalitäten als Alleinstellungsmerkmal rechtfertigen. Das können neben der biologischen Abbaubarkeit auch oberflächenspezifische Merkmale sein (z. B. verminderte Schaumbildung in Getränkebechern, wie im Falle von PLA). Eine weitere Marktdurchdringung hängt nicht allein von Herstellpreisen und Verfügbarkeit ab, sondern auch von der Schließung der Stoffkreisläufe für eine ressourceneffiziente Bereitstellung (und Nutzung …).

Biobasierte Schmierstoffe Nach Angaben, die die Freedonia Group in der Studie „World Lubricants“ aus dem

Jahr 2011 machte, lag der weltweite Bedarf an Schmierstoffen 2010 bei 36,7 Mio. Tonnen. Bis 2015 wird der Bedarf auf ca. 42 Mio. Tonnen ansteigen. In Deutschland werden laut der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) jährlich etwas über 1 Mio. Tonnen Schmierstoffe eingesetzt, davon ca. 3 % (35.000 Tonnen) Bioschmierstoffe. Bioschmierstoffe sind aber nicht mit biobasierten Schmierstoffen gleichzusetzen. Begrifflich werden darunter alle Schmierstoffe subsummiert, die biologisch schnell abbaubar sind, unabhängig davon, ob sie aus Mineralöl, Recycling-Öl, synthetisch formuliert oder biobasiert hergestellt sind. Aufgrund dieser Begrifflichkeit sind Einsatz und Mengen biobasierter Schmierstoffe nicht getrennt erfasst. Einer weiten Verbreitung von Bioschmierstoffen steht (noch) der Preis entgegen, der laut einer Marktanalyse von Global Industry Analysts um den Faktor zwei bis drei über den jeweiligen konventionellen Schmierstoffen liegt.

Haltbarkeit, Toxizität, Abbaubarkeit Biobasierte Schmierstoffe werden im Gegensatz zu petrobasierten Schmierstoffen generell aus Pflanzenölen hergestellt. Je nach Anforderung werden diese teilweise in nativer Form verwendet (natürliche Ester), teilweise erfolgt eine chemische Modifizierung (synthetische Ester). Das Anwendungsspektrum der biobasierten Schmierstoffe deckt bereits die gesamte Palette konventioneller Schmierstoffe ab und reicht damit von Hydraulikölen, Multifunktionsölen, Motoren- oder Getriebeölen, Schmierölen und Fetten bis zu Spezialölen, wobei der biogene Gehalt nach Empfehlung des Europäischen Komitees für Normung (CEN) mehr als 25% betragen sollte (CEN Technical Report 16227). Aufgrund ihrer guten Haltbarkeit, ihrer geringen Toxizität und ihrer schnellen biologischen Abbaubarkeit sind biobasierte Schmierstoffe gerade für den Einsatz in umweltsensiblen Bereichen interessant. Eine spezielle Herausforderung stellt der Offshore-Bereich zur Erzeugung von Windenergie dar. Obwohl noch Gegenstand von Forschung und Entwicklung, gibt es bereits vielversprechende Ergebnisse, die für den Einsatz von biobasierten Schmierstoffen in Windenergieanlagen sprechen: Biobasierte Schmierstoffe besitzen von Natur aus ein höheres Schmiervermögen als vergleichbare mineralölbasierte Produkte. Sie beeinflussen den Anlagenbetrieb Itranskript I Nr. 7 I 18. Jahrgang 2012

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Industrielle Biotechnologie

in vielerlei Hinsicht positiv und zeichnen sich durch eine gute Handhabbarkeit und eine bessere Filtrierbarkeit aus. In einem neuen Forschungsprojekt (Win Lub II) werden Eignungs- und Verträglichkeitsuntersuchungen von biobasierten Schmierfetten und Hydraulikölen bei den führenden Herstellern von Anlagenkomponenten unter der Leitung der Fuchs Europe Schmierstoffe GmbH durchgeführt.

Biobasierte Lösungsmittel: Spektrum verändert sich Der globale Lösungsmittelmarkt wird vom Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in einer Analyse für das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) auf rund 19,7 Mio. Tonnen pro Jahr geschätzt. Mindestens 12,5% des gesamten Lösungsmittelmarktes könnten aus pflanzlichen Rohstoffen hergestellt werden, doch bisher sind weniger als 1,5% erreicht worden. Lösungsmittel sind Flüssigkeiten, die andere Substanzen auflösen, verdünnen oder extrahieren können, ohne dass sich die chemische Zusammensetzung der Substanzen oder des Lösungsmittels selber ändern. Lösungsmittel zählen zu den Gruppen aromatische und aliphatische Kohlenwasserstoffe, Alkohole, Ketone, Ester, Ether, Glykolether und halogenierte Kohlenwasserstoffe. Die Produktion der meisten Lösungsmittel erfolgt hauptsächlich ausgehend von fossilen Rohstoffen. Aus Gründen der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes erwartet man, dass sich das Spektrum hin zu den biobasierten Lösungsmitteln verän-

dern wird. Neue biobasierte Lösungsmittel sind zum Beispiel Fettsäuremethylester, die auch als Biodiesel Verwendung finden, sowie Ester der Milchsäure mit Methanol (Methyllactat) oder Ethanol (Ethyllactat), aber auch Naturstoffe wie D-Limonen, das aus Schalen von Citrusfrüchten extrahiert wird. Ein anderer Trend ist es, konventionelle organische Lösungsmittel durch biogene zu ersetzen. Ein Beispiel hierfür ist die Umwandlung von biobasierter Bernsteinsäure oder Furfural (als Nebenprodukt der Zellstoffindustrie) in Tetrahydrofuran (THF).

Biobasierte Tenside: Spezifische Anwendungen Biobasierte Tenside sind eine Gruppe von oberflächenaktiven Molekülen, die entweder durch mikrobielle Fermentation oder durch enzymkatalysierte Reaktionen hergestellt werden. Ihr weltweites Produktionsvolumen beträgt nach Angaben des Fraunhofer ISI rund 17 Mio. Tonnen. Tenside bestehen in der Regel aus einem hydrophoben und einem hydrophilen Teil. Im Fall von biobasierten Tensiden stammt mindestens einer dieser beiden Teile aus nachwachsenden Rohstoffen. Der biobasierte hydrophobe Teil der Tenside wird gewöhnlich aus Kokosnussöl oder Palmkernöl hergestellt, ein biobasierter hydrophiler Teil aus Kohlenhydraten wie Sorbitol, Saccharose oder Glucose. Der Einsatz tierischer Fette ist stark rückläufig. Der Markt für biobasierte Tenside hingegen wächst. Spezifische Anwendungen für Biotenside ergeben sich wegen ihrer

biologischen Abbaubarkeit und ihrer geringen oder nicht vorhandenen Toxizität in der Farben-, Kosmetik-, Textil-, Agro-, Lebensmittel- und pharmazeutischen Industrie. Als Emulgiermittel werden sie im Bergbau und in der Erzaufbereitung, zur verbesserten Erdölgewinnung und biologischen Sanierung kontaminierter Standorte eingesetzt.

Ausblick: Rohstoffwandel ist nur eine Frage der Zeit Der Trend geht vor dem eingangs geschilderten Hintergrund ganz klar zum verstärkten Einsatz biobasierter Produkte. Es ist nicht die Frage, ob der Rohstoffwandel in der chemischen Industrie Einzug hält, sondern wann dieser vollzogen sein wird. Da Tenside schon sehr lange aus biologischen Rohstoffen hergestellt werden, wird hier der Wandel verhältnismäßig leicht fallen – sofern adäquate biobasierte Alternativen verfügbar sind. Im Kunststof fbereich ist abzusehen, dass vorerst nicht die Umweltschutzkriterien Haupttreiber für biobasierte Alternativen sein werden, sondern die einfache Substitution der Rohstoffbasis, wie im Falle von PE und anderen vom Ethylen abgeleiteten Kunststoffen. Allerdings wird die Verfügbarkeit von Ethylen aus Ethanol limitierend sein. Alleine für die Substitution der in Deutschland jährlich verbrauchten 5 Mio. Tonnen Ethylen werden 8,5 Mio. Tonnen Bioethanol benötigt, was dem zehnfachen der deutschen Produktionskapazität für Bioethanol entspricht. L

Bild: Fotolia

Raps-Anbau: Pflanzenöl als Quelle biobasierter Schmier- und Lösungsmittel Itranskript I Nr. 7 I 18. Jahrgang 2012

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