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LABvolution

April 2023
© Deutsche Messe AG

· KI, Daten und Nachhaltigkeit prägen Life-Sciences-Labors ·

· Interview: Dr. Ali Tinazli, Lifespin GmbH ·

· Labor der Zukunft ·

· Genschere gegen Krebs ·

· Auszeichnung für Plastikalternative ·

· Neue Produkte ·

AUSZEICHNUNG

Analyse mit Neuem Schnittstellensystem

Den diesjährigen goldenen PITTCON Excellence Award erhielt S.T. Japan für das LC-CollectIR-System. Das Hochleistungs-HPLC/GPC-FTIR-Schnittstellensystem kombiniert die Trennkraft der Flüssigchromatogra‚phie mit der Identifikationskraft der Infrarotspektroskopie. Durch die gleichzeitige Verwendung dieser beiden Techniken ist es möglich, Verbindungen in komplexen Gemischen schnell und genau zu identifizieren und zu quantifizieren. .

PRÄZISIONSDIAGNOSTIK die Zukünftige digitale Stoffwechselanalyse

Die Lifespin GmbH gab Anfang April die ISO13485:2016-Zertifizierung für ihre KI-basierte Metabolomics-Technologieplattform bekannt. Die Datenbank mit umfangreichen metabolischen Gesundheitsprofilen kann künftig in Diagnostik, Krankheitsmanagement sowie der pharmazeutischen Forschung und Entwicklung eingesetzt werden.

55,9

Mrd. US-Dollar wird der weltweite Proteomics-Markt voraussichtlich bis 2026 erreichen, meldet das global tätige Marktforschungsinstitut MarketsandMarkets™. Im Jahr 2021 war er noch auf 25,9 Mrd. US-Dollar taxiert worden.

DROGENTEST Biosensor erkennt Chrystal Meth

Am Institut für Physik der Universität der Bundeswehr München wurde ein Biosensor zur Erkennung von Metamphetamin und Cortisol entwickelt, der mit einer elektrischen Messung anstelle von biochemischen Tests Crystal Meth konzentrationsgenau bestimmen kann (doi: 10.1002/anie.202219024). .

EINZELZELL-TRANSKRIPTOMIK

Genexpression in einzelZellen

LABORINFORMATIONSSYSTEM

Workflow-Lösung für Genetik-labore

Die Clinisys GmbH stellt ihr neues Laborinformationssystem GLIMS Genetics Counseling vor, das Genetik-Laboren den Prozess einer genetischen Beratung von Patienten erleichtern soll und dabei integrierte, digitale Arbeitsabläufe für konventionelle und molekulare Genetik schafft. Das Universitätskrankenhaus von Poitiers in Frankreich wird dieses System erstmals in Betrieb nehmen.

Forscher des Biotechnologisch-Biomedizinischen Zentrums der Universität Leipzig schafften es, etwa 5.000 Gene pro Pixel aufzunehmen und somit räumlich aufgelöste Einzelzell-Informationen zu gewinnen. In der Studie, die im März veröffentlicht wurde, beschrieben sie wie sie genomische Daten gepaart mit Mikroskopiebildern aufgenommen haben. So werden seltene Zelltypen, Zellkommunikationsarten und sogar Krankheitsmuster im Gewebe sichtbar gemacht (doi: 10.1038/s41467-023-37111-w).

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Bunte Laborträume

Getrieben vom Anspruch der Digitalen Medizin, klimagerechten Produktion und der Mikroplastikproblematik verändern sich Laborprozesse derzeit rapide. Hersteller suchen neue Lösungen.

Digitalisierung, Künstliche Intelligenz (KI) und Nachhaltigkeit sind Pflicht im Labor der Zukunft. Und das könnte durch EU-Regelungen zum Europäischen Gesundheitsdatenraum, digitale Diagnostik (vgl. Interview Seite 24), die anstehende EU-Kunststoffstrategie sowie verbindliche Nachhaltigkeits- und ESG-Kriterien schon bald obligatorisch für die Herstellung von Kits, Plastikverbrauchsmaterialien wie Eppis und Single-Use bags, zertifizierten Diagnostika etc. werden. Konkret: Wer die Nachhaltigkeitskriterien von finanzstarken Dritmittel- oder Auftraggebern nicht erfüllt, wird schlichtweg vom Markt verschwinden – so hört man es jedenfalls bereits allerorts aus dem CDMO-Sektor. Den Fortschritt bei den Bemühungen um Nachhaltigkeit und Digitalisierung will das Smartlab auf der Labvolution (9.–11. Mai) in Hannover dokumentieren.

Künstliche

Intelligenz

Einen regelrechten Siegeszug selbstlernender Systeme sieht man nicht nur mit ChatGPT in der Text- und Informationsverarbeitung – das System besteht inzwischen Medizinaufnahmeprüfungen –, sondern vor allem in diagnostischen Anwendungen und der Targetvalidierung, die ohne Nass-chemie auskommen. Ein Beispiel für die Kombination aus der bisherigen und der Zukunftswelt der Künstlichen Intelligenz bieten die knapp 20% Dickdarmkrebspatienten, die einen positiven Mikrosatellitenstatus aufweisen, der mit dem Ansprechen auf die teure, ne -

benwirkungsreiche, aber im Falle des Ansprechens hocheffiziente Krebsimmuntherapie korreliert. Ein im März von Bochumer Pathologen um Andrea Tannapfel vorgestellter KI-Ansatz, der durch nicht-invasive Infrarotspektralanalysen des Proteoms und Genoms, die Mikro satelliteninsta bilität (MSI) bei Darmkrebs sicher identifiziert, liefert eine ähnliche Diagnosequalität wie der Goldstandard Immunhistochemie – mit dem Unterschied, dass die Infrarotmessung die Probe nicht verändert. Das Verfahren verspricht eine schnellere und sichere Patientenstratifizierung (Eur. J. Cancer , doi: 10.1016/j. ejca.2022.12.026).

Eine KI-Vollblutanalyse, die zwei Leukozytenparameter erfasst, um das akute Koronarsyndrom mit ähnlicher Spezifität und Sensitivität zu erfassen wie der kinetisch durchgeführte Goldstandard Troponin, dauert nur ein bis zwei Minuten anstelle von Stunden und wird in der ersten Jahreshälfte

in einer monozentrischen Studie am Uniklinikum Graz vom Unternehmen Robot Dreams validiert.

Die Kombination von Mustererkennung mit selbstlernenden Algorithmen ist ein weiteres, spannendes Forschungsfeld innerhalb der Diagnostik: Analysen der UK Biobank haben unlängst bestimmte Ernährungsmuster mit einer höheren Krebssterblichkeit assoziiert (vgl |transkript 1/23). KI-gestützte Metabolomanalysen eines Teams um Prof. Dr. Ulf Landmesser belegen statistisch signifikant einen Zusammenhang bestimmter Metabolomsignaturen mit acht chronischen Entzündungskrankheiten (vgl. |transkript 4/22). Die Regensburger Lifespin GmbH macht ein Geschäft aus der signaturbasierten Diagnostik (Interview S. 106). Was aus der KI-getriebenen Omics-Analyse hochstandardisiert vorbehandelter Tumorbiopsien werden kann, macht die Hamburger Indivimed vor: Die kürzliche Aufspaltung des Unternehmens der an Crown Biosciences

Bildnachweis: © Indivumed Theapeutics
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In Tumore (braun) eingewanderte Immunzellen (pink und blau)

verkauften Indivumed Service GmbH und in die neugegründete Indivumed Therapeutics zeigt, was die Signaturidentifikation auch wirtschaftlich bewirken kann.

Ob KI-getriebene automatisierte Proteinstrukturanalyse mittels Alphafold, In-silico-Vorhersage von ArzneimittelInteraktionspartnern, Toxizität, Pharmakokinetik, Ausbeute bei Produktionsprozessen, De-novo-Design oder Targetidentifizierung, die KI hält auch Einzug in die Entschlüsselung biologischer Wirkmechanismen und kann somit dazu beitragen, Arzneimittel zu entwickeln, die nicht nur Symptome unterdrücken, sondern ursächlich wirken – was sich mittels Organoidmodellen und CRISPR -Knockouts funktionell validieren lässt. Life-Sciences-Lobbyisten unterschiedlichster Couleur drängen wegen der immensen wirtschaftlichen Bedeutung darauf, die Digitalisierung und Nutzung von Versorgungs- und Forschungsdaten auch Untenehmen zu ermöglichen.

Problemstoff Plastik

Ein hochaktuelles, bisher ungelöstes Problem sind die schätzungsweise 5,5 Millionen Tonnen an Einmalplastikverbrauchsmaterialien, die nach Hochrechnungen aus dem Jahr 2015 jährlich in Life-Sciences-Laboren anfallen – die Tendenz dürfte, obgleich keine verlässlichen Daten zur Verfügung stehen, steigen.

Ob Petrischalen oder Probenboxen –das dazu verwendete, chemisch unangreifbare Polystyrol persistiert – ganz ähnlich wie andere petrochemisch hergestellte Kunststoffe (PE, PET, PVC, PP etc.) mehrere hundert Jahre lang in der Umwelt. Recyclingverfahren – außer die CO2-emittierende Verbrennung des mit 6% Weltmarktanteil häufigen Kunststoffes – standen bisher nicht zur Verfügung. Im April stellten USWissenschaftler die Grundlage für einen Prozes, bei dem 93% eines aus Ethylcyanacrylat hergestellten und depolymerisationsfähigen Polyethyl-Cyanoacrylates, PECA), das die Materialeigenschaften von Polystyrol aufweist, in

der Fachzeitschrift Science Advance s vor (doi: 10.1126/sciadv.adg2295). Bis zur Massenproduktion ist es sicherlich noch ein weiter Weg, doch gibt es immerhin einen Silberstreif am Laborhorizont.

Enzymatisch lässt sich Polyethylenterephtalat (PET) bereits de- und repolymerisieren, was den in SingleUse-Multilayer-Bags eingesetzten Massenkunststoff zu 96% in gleicher Qualität recycelbar macht. Im April meldete die französische Carbios SAS nun, dass der enzymatische Zersetzungsprozess nach erfolgreicher und vollständig dokumentierter Testung im Demonstrationsmaßstab zur weltweiten Lizenzierung bereit sei. Das zur Depolymerisation benötigte Enzym Cutinase fertigt die dänische Novozymes. In den Anwendungsfeldern PET-Flaschen und PET-Textilrecycling stehen dem börsennotierten Unternehmen bereits große Partner zur Seite.

An bakteriell produzierten Nanozellulose-Alternativen für die enzymatisch nicht angreifbaren Massenkunstoffe Polystryol, Polyethylen und Acrylat arbeitet das niedersächsische Unternehmen Bioweg zusammen mit dem Synbio-Dienstleister Gingko Bioworks. Ziel ist es, biologisch abbaubare Nanozellulose herzustellen, die die billigen Erdölprodukte, die einen Großteil der Mikroplastikbelastung der Ozeane ausmachen, schlichtweg ersetzen. Gingko Bioworks übernimmt dabei die Stammoptimierung mittels Ultrahochdurchsatz-Genom-Engineering.

rahmen entscheidend Den Zugang zu diesem vielverspechenden Markt muss angesichts der über Jahrzehnte gewachsenen, konkurrenzlos billig produzierenden Trillarden Euro-Infrastruktur für petrochemisch erzeugte Plastikartikel indes die Politik setzen.

Diskussionen dazu sollen auf dem zweiten internationalen Branchentreffen für die Industrielle Biotechnologie INDUSTRIA BIOTEC (21./22. September) in Berlin stattfinden. TG

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Tiefer Blick ins Metabolom

Gemessen an der bisherigen Diagnostik, klingt das, was die Regensburger Lifespin vorhat, nach Zukunft: durch KI-Abgleich hunderter Stoffwechseldatenpunkte mit hunderttausenden digital gespeicherten Krankheitsprofilen diagnostizieren und stratifizieren. LABORWELT sprach mit Geschäftsführer Dr. Ali Tinazli.

transkript. Herr Dr. Tinazli, was unterscheidet die Lifespin GmbH von anderen Diagnostik-Unternehmen?

Tinazli . Wir digitalisieren Stoffwechselprofile im Blut und arbeiten mit KIbasierten Algorithmen, um eine Präzisionsdiagnostik zu etablieren. Unsere Diagnostikprodukte werden somit Software-Algorithmen sein, welche wir über die Cloud mit Go-to-Market-Partnern weltweit und kostengünstig skalieren können.

Da nahezu jede Erkrankung sich auf den Stoffwechsel auswirkt, kann man durch den Blick auf den metabolischen Phänotyp krankheitsspezifische Veränderungen messen. Das Stoffwechselprofil aus einer Patientenprobe wird mit hunderten Datenpunkten, die einzelnen Stoffwechselprodukten entsprechen, qualitativ als auch quantitativ erfasst. Das eröffnet ein massives Multiplexing von hunderten Metaboliten. Hierdurch wird de facto ein digitales Foto des Stoffwechselgeschehens der Patientenprobe erstellt. Diese digitale Kopie des metabolischen Phänotyps, welches ich als digitales Blut bezeichne, ist nun Algorithmen zwecks in silico-Analyse und Diagnostik zugänglich und erlaubt die Generierung klinischer Informationen.

transkript. Können Sie bitte die Technologiebasis, das Alleinstellungsmerkmal und den Businessplan von Lifespin erläutern.

Tinazli . Unser Ansatz basiert auf der Kombination der Kernspinresonanzspektroskopie (NMR) mit Lifespin-eigenen proprietären KI-Algorithmen und Datenbanken. Die NMR ist den meisten von uns aus der Strukturbiologie wohlbekannt. Wir setzen die NMR als Werkzeug in der klinischen Chemie ein. Dadurch können wir binnen weniger Minuten die Metabolite in den Patientenproben, etwa aus dem Plasma, Serum, Urin, Speichel oder Liquor, quantitativ als digitale Datenpunkte erfassen.

Der Lifespin-eigene Schlüsselschritt – also unser Alleinstellungsmerkmal –ist die Fähigkeit zum Auslesen dieser hochkomplexen Spektren und deren Zuordnung in Kombination mit unserer proprietären Datenbank zu spezifischen Stoffwechselprodukten mit einer sehr hohen quantitativen Präzision. So umfasst unsere proprietäre Datenbank derzeit etwa 1.400 Metabolite, sowohl

physiologische als auch pharmazeutische Wirkstoffe. Dieser erste Schritt, das quantitative Auslesen, ist hochpräzise, ISO13485- und RiliBÄK-konform. Zusätzlich zu diesem hauseigenen Software-Fundament haben wir mit mehr als 200.000 Patientproben in unserem Unternehmen womöglich eine der weltweit größten firmeneigenen Stoffwechseldatenbanken.

In dieser Datensammlung haben wir metabolische Phänotypen von Proben gesunder als auch erkrankter Menschen. Wir haben bisher mehr als 30 verschiedene Indikationen aus metabolischen, onkologischen und neurologisches Krankheitsfeldern digital erfasst und abgebildet. Jede Humanprobe, die wir in unser System einspeisen, gleichen wir mit unserer proprietären Datenbank ab. Durch die Ermittlung der Ähnlichkeiten in den Stoffwechselmustern, können wir tiefe klinische Einblicke und Erkenntnisse gewinnen.

Die Markteinführung dieser neuen Produktkategorie wird in Stufen erfolgen. Zunächst werden wir im Mai auf der EuroMedLab in Rom ein umfassendes Aminosäurepanel als Lab-Developed Test (LDT) lancieren, gefolgt von Anwendungen im Therapeutic Drug Monitoring sowie ein umfassendes Lipidpanel. Sukzessive werden wir weitere Tests aus den Bereichen Onkologie, etwa auf Prostatakrebs, und Neurologie, wie für Multiple Sklerose, auf den Markt bringen.

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DR. ALI TINAZLI Geschäftsführer, lifespin GmbH
Bildnachweis: © Lifespin GmbH

transkript. Unlängst hat die Lifespin GmbH ihre ISO-Zertifizierung gemeldet. Was bedeutet das auf dem Weg zum ersten zertifizierten Diagnostikprodukt, das in diesem Sommer lanciert wird?

Tinazli . Die ISO13485-Zertifizierung ist die essentielle Grundlage für unser Portfolio regulierter, diagnostischer Produkte. Die unmittelbar anstehenden Produkteinführungen werden im LDTFormat sein, mittelfristig gefolgt von IVDR- und FDA-regulierten Diagnostikprodukten.

transkript. NMR-Spektrometer sind keine Standardausstattung in der klinischen Chemie. Wie planen Sie, trotzdem einen möglichst großen Kundenkreis zu erreichen?

Tinazli . In der Tat sind NMR-Spektrometer derzeit eher in Nischenanwendungen im klinischen Laboralltag zu finden.

Ein Portfolio an attraktiven Produkten, die zu einer guten Auslastung der Gerätekapazitäten führen, ist eine wichtige Grundlage. Ein NMR-Gerät hat den Vorteil, dass es de facto über zehn Jahre wartungsfrei ist und die automatisierte Probenbefüllung im 24/7-Betrieb, wie wir sie etabliert haben, keine spezialisierten Fachkräfte benötigt und einen hohen Durchsatz bei sehr geringen Kosten pro Probe erlaubt. Pro NMR-Instrument haben wir eine Jahreskapazität von bis zu 150.000 Patientenproben. Dies sind deutliche Vorteile im Vergleich zur Massenspektrometrie, deren klinische Probenaufbereitung hochspezialisierte Laborfachkräfte benötigt und deren Kosten pro Probe und Test vergleichsweise recht hoch sind.

transkript. Welche Märkte und Zielgruppen sind für Sie am interessantesten – und welche steuern Sie zuerst an und warum?

Tinazli Als deutsches Unternehmen zielen wir unmittelbar auf die DACH-Region, gefolgt von den USA und den Golfstaaten. Diverse Märkte im asiatischen Raum, darunter hervorzuheben die Golfstaaten, betrachte ich als am derzeit dynamischsten. Dort herrscht eine äußerst positive Aufbruchstimmung, mit dem Anspruch, die digitale Transformation auch in der Klinik beherzt durchzuführen. Zielgruppen im speziellen sind Kliniken, Gesundheitssysteme, Zentrallaborketten und auch Corporate-HealthDienstleister.

transkript. Welche Kriterien haben Sie an ihren Referenzstandard angelegt und wie wurde dieser validiert? Wie wurde ihre KI trainiert? Zuletzt: mit welchen Ergebnissen darf man etwa bei dem Prostatakrebstest rechnen?

Tinazli . Zunächst haben wir eine metabolische Baseline zur Ermittlung des

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Inspiring the Future of Chemistry and Life Sciences.

Kontinuums des gesunden Zustands über 90.000 Probanden im Alter von 18 bis über 70 erfasst. Dies ist die Grundlage unseres Ansatzes. In der Entwicklung des Prostatakrebstests haben wir über unsere klinischen Kooperationspartner Kohorten von gesunden Probanden und Patienten mit auffälligen PSA-Werten –mit und ohne Prostatakrebsbefund –digitalisiert und mit unseren mathematischen Modellen untersucht. Unsere Testalgorithmen haben eine doppelt so gute Performance wie der aktuelle Goldstandard, der PSA-Test. Wir erwarten die Markteinführung unseres Prostatakrebstests im Laufe des Jahres, direkt zugänglich für Urologiepraxen.

transkript. Welche Krankheiten lassen sich diagnostizieren und welche Verläufe überwachen – was hat Ihr Verfahren mit personalisierter Medizin zu tun?

Tinazli . Wir haben seit Gründung unseres Unternehmens im Jahr 2017 mehr als 30 verschiedene Indikationen aus den Bereichen der Stoffwechselkrankheiten – zum Beispiel Leber- und Nierenerkrankungen, sowie Fettleibigkeit –, onkologische –wie Prostata-, Brust, Dickdarmkrebs oder Leukämie – und neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Parkinson- und die Alzheimerkrankheit phänotypisch mit quantitativ messbaren Unterschieden in den Stoffwechselprofilen erfasst. In klinischen Studien mit unseren Partnern haben wir Untersuchungen zur Ermittlung der Krankheitsepisode, etwa bei Multipler Sklerose oder Parkinson, sowie dem Ansprechen auf Wirkstoffe, wie in der Behandlung von Brustkrebs, durchgeführt.Unser Ansatz ermöglicht den unmittelbaren Blick auf den individuellen metabolischen Phänotyp. Dies ist Grundlage für eine effektive Stratifikati-

on von Patienten sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie. Unser System ist ein hochskalierbares Werkzeug in der Präzisionsmedizin.

transkript. Wie sieht es mit den Kosten der eingesetzten Technologie versus Standard-of-Care aus?

Tinazli . Durch meinen Werdegang bei SONY und HP, wo ich neue Geschäftsbereiche in den Life Sciences und der Diagnostik aufgebaut habe, sind dies meine Lieblingsthemen. Wir sehen in der Konsumgüterindustrie deutlich, dass neue Technologien inzwischen für jeden erschwinglich sind. Diesen Zustand streben wir auch in der Präzisionsmedizin an. Neue Technologien im Gesundheitswesen dürfen kein Luxus sein und für jeden, idealerweise über die Hausarztversorgung oder Facharztpraxen zugänglich sein. Unsere niedrige Kostenstruktur, die sich über die Cloud weltweit skalieren lässt, wird es uns erlauben, verschiedenste Segmente und Geographien kommerziell zu durchdringen.

transkript. Wo will Lifespin in einem Jahr stehen, wissenschaftlich, finanziell und portfoliomäßig?

Tinazli . Wir bauen unsere proprietären Algorithmen und Datenbank kontinuierlich aus und werden bald auch neue Ankündigungen zu Kooperationen machen.

Finanziell arbeiten wir derzeit mit einer Serie-A-Kapitalerhöhung und erwarten, diese im Laufe des Jahres abzuschließen.Das kommerzielle Portfolio ist unser Hauptaugenmerk. Wir erwarten in den nächsten 12 Monaten die Kommerzialisierung neuer Algorithmen zur Erkennung metabolischer und onkologischer Erkrankungen. TG

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26. – 28. SEPTEMBER 2023 MESSE BASEL ILMAC.CH
Bildnachweis: © Lifespin GmbH
Be inspired, be there!

CRISPR

Genschere findet neues

Ziel im Krebsstoffwechsel

Die Inaktivierung eines glykolytischen Schlüsselenzyms via Oxidation sichert Krebszellen das Überleben. Zugleich bietet die Entdeckung des Mechanismus durch Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg einen neuen Weg, das Tumorstroma so zu verändern, dass der Krebs therapiebedingten oxidativen Schäden nicht länger entgehen kann.

„An Hefezellen haben wir bereits gezeigt, dass die oxidative Inaktivierung der Glycerinaldehyd-3-PhosphatDehydrogenase – kurz GAPDH – den Zuckerabbau auf einen anderen Stoffwechselweg umlenkt, der dafür sorgt, dass die Hefen oxidativen Stress besser tolerieren können. Ob das auch für Säu-

getierzellen gilt, konnten wir nun untersuchen“, so Tobias Dick vom DKFZ.

Genschere gegen Krebs

Als Ausgangsmaterial für seine Analyse nutzte Dicks Team eine GAPDH-Mutante, die oxidationsresistent, aber ansonsten katalytisch aktiv ist. Mit Hilfe der Genschere CRISPR-Cas-9 ersetzten die Forscher GAPDH durch ein oxidationsresistentes, permanent aktives Enzym und testeten danach Zelllinien sowie xenotransplantierte Mäuse. Auch Säugetierzellen mit der oxidationsresistenten Mutante schalteten vom energieliefernden Zuckerabbau auf den Pentosephosphat-Weg um, der zwar kein ATP, wohl aber Reduktionsäquivalente

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in Form von NADPH liefert, die den im Zuge der Chemotherapie erzeugten oxidativen Stress neutralisieren.

In Mäuse transplantierte Krebszellen wuchsen durch die GAPDH-Mutation deutlich langsamer, da die Tumorzellen nicht länger oxidationsresistent waren und daher den Pentosephosphat-Stoffwechsel nicht länger aktivieren konnten, wie Metabolom-Analysen zeigten. Wurden diese Mäuse mit Chemound Strahlentherapie behandelt, was den oxidativen Stress erhöht, wirkte die Therapie bei gleicher Dosis deutlich stärker als in Krebszellen mit oxidativ inaktivierter GAPDH. „Oxidativer Stress ist eines der wichtigsten Hindernisse, die der Vermehrung und Ausbreitung von Tumorzellen im Körper entgegenstehen. Krebszellen sind daher ganz besonders auf die Oxidation von GAPDH angewiesen“, so Dick. Dies könnte ein Weg sein, andere Tumorevasionsstrategien zu umgehen. •

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Labor der Zukunft

Die Vernetzung von Laborgeräten steigert die Effektivität, Genauigkeit und den Komfort der Laborarbeit deutlich. Dabei sollte die Lösung nahtlos in bestehende Strukturen integriert werden. Gemeinsam arbeiten führende Gerätehersteller an einem übergreifenden Automatisierungsansatz.

von Dr. Simon Bungers, CEO und Co-Founder bei Labforward

Die Laborumgebung ist komplex: hier treffen zahlreiche Speziallösungen, eine Mischung aus alten und neuen Geräten sowie Equipment verschiedener Hersteller aufeinander. Noch dazu sind sie alle in eine Vielzahl von Arbeitsabläufen

eingebunden. Dieses komplizierte Ökosystem zu digitalisieren, ist eine Herausforderung, die sich jedoch lohnt: Daten werden einheitlicher, weniger Fehler werden gemacht, es gibt eine bessere Kontrolle der experimentellen Arbeits-

abläufe. Zudem vereinfacht es die Zusammenarbeit und die Einhaltung von Vorschriften. Geräte remote bedienen zu können, macht die Laborarbeit nicht nur komfortabler, es ist auch möglich, bei Problemen schnell zu reagieren und

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gegenzusteuern. Selbst die Wartung kann aus der Ferne vorgenommen werden.

Vernetzung aller Geräte

Labor der Zukunft heißt nicht gleich, dass auch alle Geräte neu sein müssen. Anwender können ältere Modelle in das vernetzte System einbinden. Ein Riesenvorteil: Das nimmt den Druck, in neuere und teurere cloudbasierte Geräte investieren zu müssen. Derzeit gibt es allerdings noch keinen branchenweit einheitlichen Standard für die Konnektivität von Laborgeräten.

Labforward arbeitet mit einer wachsenden Zahl von Partnern zusammen, um die Anzahl der Geräte, die an die IoT Plattform Laboperator angeschlossen werden können, zu erweitern. Zu den Partnern gehören namhafte Unternehmen wie Düperthal, Better Basics Laborbedarf, bAhead, Tecan, Waldner und essentim. So entsteht ein kollaboratives Ökosystem, das die Automatisierung und Konnektivität im Labor vorantreibt.

Nachhaltigkeit im Labor

Auch auf den Ressourcenverbrauch wirkt sich eine digitale Lösung positiv aus. IoT-Monitoring spart Energie: Die Überwachung des Stromverbrauchs gibt wertvolle Einblicke und ermöglicht es den Verbrauch zu optimieren. So werden Geräte automatisch ausgeschaltet, wenn sie nicht gebraucht werden.

Gemeinsam mit dem Unternehmen essentim hat Labforward eine Lösung für Labore entwickelt, die eine ganzheitliche Überwachung verschiedener Anwendungen ermöglicht.

Implementiert werden die von Sensoren generierten Daten in ein digitales Laborausführungssystem, in dem die Daten visualisiert und verarbeitet werden.

Viele Labore stehen bereits an der Schwelle zur Konnektivität. Ihre Geräte haben das Potential, mit digitalen Systemen verknüpft zu werden. Dieser Schritt in eine –unter anderem nachhaltigere – Zukunft, ist leichter als viele denken.

Labor 4.0 live erleben

Labforward ist vom 9. bis 11. Mai 2023 in Hannover auf der LABVOLUTION (Halle 20, Stand D45). Weitere Infos unter https://labforward.io/labvolution-2023/

|transkript 2.2023 Bildnachweis: © Labforward
Das Kühlhausmanagement ist ein klassisches Beispiel für die Gerätekonnektivität.
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Auszeichnung für Plastikalternative

Bakterielle Zellulose ist auf dem Vormarsch. Das biologisch abbaubare, mit Sauerstofffängern funktionalisierte Material könnte als Folie erdölbasierte Lebensmittelverpackungen ersetzen und so helfen, die Mikroplastikverschmutzung der Ozeane zu bremsen. Verglichen mit dem Düngemittel- und Wasser-intensiven Baumwollanbau gelten synthetische Zellulosetextilien als nachhaltig – zumindest wenn die zur Bakterienkultivierung eingesetzte Energie regenerativ und die Nährlösungen abfallbasiert sind. Strukturierte Nanozellulose ist bei einem spezifischen Gewicht, das dem von Kunststoffprodukten entspricht, fester und biegsamer als Kevlar oder Stahl, dabei resistent gegen Pilz- sowie Ungezieferbefall, und kommt in Form sogenannter CNFP-Platten als nachhaltiger Baustoff oder Automobilkarosserierohstoff zur Anwendung.

Erste kommerzielle Produktionsstätten für Textilien aus bakterieller Zellulose existieren bereits bei der Polybion Srl in Madrid. In Deutschland arbeiten Startup-Unternehmen wie die Bioweg UG aus Quakenbrück zusammen mit dem

Synbio-Spezialisten Gingko Bioworks LLC seit Februar an der Optimierung von Produktionsstämmen – mit dem Ziel, die bakterielle Zellulose als Alternative zu Polyethylen, Polystyrol, und Acrylaten einzusetzen. Wenn da nicht der um das gut 440-Fache höhere Preis wäre, der weder gegen Baumwolle (1,98 pro Kilo) noch gegen Kunststoffe (Preis pro Kilo 0,8 bis 1 Euro) ankommt, für die es seit langem eine etablierte, hochprofitable Produktionsinfrastruktur gibt.

Neu, Neuer, Nova Ende März wurden auf der vom novaInstitut (Hürth) organisierten CelluoseFibre-Konferenz die drei bemerkenswer-

Analytik Jena GmbH+Co. KG Thermocycler-Software

Effizienzdruck und Dokumentationspflichten – die Herausforderungen steigen auch im Life Science-Laboralltag weiter. Mit der neuen Thermocycler-Software „Biometra TSuite“ setzt Analytik Jena genau dort an: Das Tool ermöglicht die einfache, zentrale Bedienung und onlineÜberwachung von Analytik Jena PCR-Geräten und erweitert insbesondere in Laboren

mit vielen Thermocyclern die Möglichkeiten zur vielseitigen Nutzung des gesamten PCR-Gerätepools. Biometra TSuite ermöglicht den Zugang zum gesamten Netzwerk an Thermocyclern von einem Büroarbeitsplatz aus. Neue Thermocycler können jederzeit in das bestehende Netzwerk integriert werden. Dadurch sparen Labore wertvolle Zeit und erhöhen ihre

testen Innovationen des Jahres 2023 im Feld der bakteriellen Zellulose-Produkte von den 220 Konferenzteilnehmern gewählt.

Gewinner sind die Firmen Nanollose und Birla Cellulose mit ihrer „baumfreien Nullarbor™-Nanozellulose. Nullarbor sei deutlich fester als Lyocell aus holzbasiertem Zellstoff; selbst die Zugabe geringer Mengen von Bakterienzellulose zu Holzzellstoff erhöhe die Faserzähigkeit, so die Unternehmen. Eine erste Pilotcharge von 260 kg mit einem Anteil von 20% Bakterienzellstoff ist bereits hergestellt. Nun sollen die Produktionsmenge und der Nullarboranteil erhöht werden.

Den zweiten Platz belegte die nicht biotechnologisch arbeitende schwedische Renewcell AB mit Circulose®, einem Zellstoff, der in einer Anlage mit 120.000 Tonnen Jahreskapazität aus Textilabfällen gewonnen wird und von gleichwertiger Qualität wie OriginalViskose, -Lyocell, -Modal, -Acetat oder andere Arten von Zellulosefasern ist. Den dritten Platz belegte die indische Gencrest Bio Products mit Vybrana –eine aus Bananenstauden am Ende des Lebenszyklus gewonnene Cellulosefaser. Die Biomasseabfälle werden mit einem Enzym-Cocktail prozessiert, um Lignin und Verunreinigungen zu entfernen und spinnbare Zellulosestapelfasern für die Textilproduktion zu gewinnen. •

Performance. Das intuitive Bedienkonzept der Software gewährleistet einen schnellen Einstieg in die Nutzung der umfangreichen Funktionen. Die Biometra TSuite Software eignet sich für die Bedienung des automatisierten Thermocyclers Biometra TRobot II sowie für die Biometra-Serien TOne, TAdvanced und TRIO. https://www.analytik-jena. de/biometra-tsuite

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Analytik Jena GmbH+Co. KG Konrad-Zuse-Straße 1 07745 Jena Telefon +49 3641 77 70 Telefax +49 3641 77 9279
info@analytik-jena.com
„Biometra TSuite“ Bildnachweis: © GEA unten); © Analytik Jena GmbH+Co. KG (oben) Nachhaltigkeit

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