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Elternalltag
TEXT Ursel Nendzig
Autorin Ursel Nendzig, Mutter zweier Söhne, berichtet live aus der Achterbahn.
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MAL WAS ANDERES!
Ausmalen ist das neue Basteln. Wenig verwunderlich, dass ein Thema gar nicht so skurril sein kann, als dass es dazu keine Ausmalbilder gibt.
Es hat irgendwann mit Autos und Baggern angefangen. Der große Sohn wollte Ausmalbilder davon. Keine Malbücher, bitte nicht, er wollte es einzeln ausgedruckt haben. Es war ein teilweise langer und zermürbender Prozess, in Google »Ausmalbild Traktor« einzugeben und durch die vielen, vielen Seiten Ergebnis der Bildersuche zu klicken, bis der richtige Traktor erschien. Nein, der hat einen Anhänger, bei dem sind die Räder nicht unterschiedlich genug, er muss aber von der Seite sein und so weiter. Mein einfühlsames Drängen, er möge sich bitte für eines entscheiden, er müsse ja nicht den Rest seines Lebens damit verbringen, verklang wirkungslos zwischen den Ohren des damals etwa Vierjährigen.
Endlich ein Ausmalbild gefunden und ausgedruckt, begann das Prozedere, das sich bis heute nicht verändert hat. Es wird möglichst schnell und möglichst in den echten Farben ausgemalt – meine Rufe nach einem regenbogenfarbenen Traktor verhallten ebenfalls – und anschließend akribisch mit der Schere ausgeschnitten. Zum Schluss landet das Bild, mit Tixo an der Wand über dem Bett festgeklebt, in einer Art Galerie des Wahnsinns. Die Traktorenbilder spannten sich inzwischen über alle Phasen des sich wandelnden Interesses: Nach Traktor und Auto kam Konkreteres wie ein Fiat 500 Abarth oder eine Kawasaki Ninja. Dann kamen das sprechende Auto Lightning McQueen und Modelle von Hotwheels-Autos. Lego Ninjago war längere Zeit Thema, dann auch schon langsam Minions (sehr viele gelbe Stifte), Pokémon und Brawler, die Stars aus dem Handyspiel. Da begann ich mich langsam zu wundern. Egal, was ich suche, und wenn es der Krixikraxi-Supergaxi dritter Generation aus der Sonne-Mond-und-Sterne-Serie mit dem unschlagbaren Dreifach-Gold-Skin ist: Ich finde ein Ausmalbild dazu! Egal, wie sophisticated die Interessen der Kinder sind, es gibt offenbar so großen Bedarf, diese Dinge durch ein Ausmalbild nochmal zu verwurs-
»Meine Rufe nach einem regenbogenfarbenen
Traktor verhallten.«
ten, dass irgendjemand da draußen ein Ausmalbild deswegen produziert und es als Download zur Verfügung stellt. Inzwischen ist der große Sohn fast zwölf Jahre alt und immer noch erarbeitet er sich alles, was ihn beschäftigt, durch Ausmalbilder. Zurzeit ist es American Football. Die Ausmal-Galerie über dem Bett ist inzwischen so voll, dass es eigene Hefte gibt, in die er die ausgedruckten, ausgemalten und ausgeschnittenen
Logos der Teams der US-amerikanischen National Football League eingeklebt hat.
Ich bin wirklich gespannt, was da noch alles kommt. Meine Tipps für die folgenden Jahre: Band-Logos, Biermarken, Hanfblätter, Nackige. Ich bin mir ganz sicher, dass es auch dafür Ausmalbilder gibt, trau mich aber noch nicht zu suchen.