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BRAUCHEN WIR 2023 EIN GESETZ ZUR HALBIERUNG DES PESTIZIDEINSATZES IN DER EU? »JA.«

… sagt Agrarökonom Sebastian Lakner. Wir brauchen verbindliche EU-weite Ziele sowie Anreize zur Einsparung von Pflanzenschutzmitteln, aber mit Augenmaß.

GASTKOMMENTAR

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Sebastian Lakner

Moderne Landwirtschaft ist nicht ohne Pflanzenschutz möglich. In der konventionellen Landwirtschaft erfolgt dies mit den sogenannten »chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln«. Aber wie viel davon ist notwendig? Die gute Nachricht zuerst: Der Absatz von Pflanzenschutzmitteln ist – in Tonnen Wirkstoff gemessen – seit Jahren in Deutschland und der EU leicht rückläufig. Moderne Betriebe sparen Mittel, wo es geht. Sogenannte »Schadschwellen« zeigen an, ab wann der Einsatz von Mitteln auf dem Acker nicht zu vermeiden ist. Leider arbeiten nicht alle Betriebe konsequent mit diesem Prinzip. Zu häufig werden Pflanzenschutzmittel vorsorglich genutzt, um Äcker »keimfrei« zu halten. Orange Äcker im Herbst nach einer »vorsorglichen Behandlung« sollten der Vergangenheit angehören. Diese Praxis ist einer der Gründe, warum die Artenvielfalt auf den europäischen Äckern weiterhin rückläufig ist.

Es kommt darauf an Pflanzenschutz gezielter einzusetzen. Dies ist der Hintergrund der EU-Verordnung zur »Nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln« (Sustainable Use Regulation, kurz Sur ). Sie ist Teil der Farm-to-Fork-Strategie der EU-Kommission. Die Idee: Die EU setzt verbindliche Reduktionsziele und die Mitgliedsstaaten sol - len über eigene Gesetzgebung LandwirtInnen zum Einsparen von Pflanzenschutzmitteln bewegen, einheitlich sortiert nach spezifischem Risiko der Wirkstoffe.

LandwirtInnen in der EU müssen schon jetzt komplizierte Vorschriften einhalten, die den Anbau häufig recht bürokratisch machen. Daher kommt es darauf an, gezielt und intelligent vorzugehen. Forschungsarbeiten der Eth Zürich zeigen, dass eine moderate Besteuerung von Pflanzenschutzmitteln die richtigen Anreize für Betriebe setzen könnte. LandwirtInnen müssten genau kalkulieren, ob sich der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln lohnt oder nicht. In Situationen, in denen es wichtig ist, bliebe der Einsatz weiterhin möglich, aber das vorsorgliche Spritzen von Mitteln würde teuer. Eigentlich eine zeitgemäße Idee, die die Betriebe zu mehr Nachhaltigkeit anstiftet, ohne mit der Verbotskeule zu kommen. Ein Besteuerung könnte also – wenn die Sur beschlossen wird – eine Form zur Umsetzung sein, die bürokratischen Aufwand im Alltag von LandwirtInnen reduziert.

Aktuell gibt es allerdings Spekulationen, dass die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen diese Verordnung zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zurückziehen könnte. Die europäischen Land- wirtschaftsverbände nutzen die Ukraine-Krise geschickt und haben sich auf die Sur eingeschossen. Was wäre die Folge eines Rückziehers? Das Thema wäre auf EU-Ebene verbrannt und die Ewiggestrigen hätten erneut gewonnen, zu Lasten von VerbraucherInnen und der Umwelt. Nach der Aufgabe der EU-weiten Brachen 2022 eine neuerliche Nie derlage für Artenvielfalt und eine nachhaltige Landwirt schaft. Der politische Schaden wäre immens. Von der Leyen müsste sich eingestehen, dass sie politisch nicht in der Lage ist, ihre eigenen Pläne, nämlich den Green Deal in der Land wirtschaft umzusetzen. Ambitionierte Länder wie Deutsch land, die Niederlande oder die Skandinavier würden nati onale Regeln auf den Weg bringen, der Idee eines einheit lichen EU-Marktes wäre damit ein Bärendienst erwiesen.

Es kommt jetzt darauf an, die Sur-Verordnung mit Augen maß umzusetzen und intelligente Lösungen wie eine geziel te Besteuerung von Pflanzenschutzmitteln auf den Weg zu bringen. Für die Praxis sind Übergangszeiträume notwen dig. Aber wenn eine Reduktion von Pflanzenschutzmitteln erreicht werden soll, dann ist eine EU-weite Verordnung wie die Sustainable Use Regulation mit verbindlichen Zielen für alle Mitgliedsstaaten wichtig.

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