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Lebensmittel. Wirtschaft. neu denken
Studiere Lebensmittel- und Ressourcenwirtschaft mit Zukunft
MANAGEMENT IN DER ÖKOBRANCHE
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Umland-Gemeinden mit erfasst wurden.
Auch in Berlin sieht man die Stadt und ihr Rundherum als Ganzes. Historisch war das nicht nur den Input, sondern auch den Output betreffend relevant. Im 19. Jahrhundert war es eine große Aufgabe der Abwässer der BerlinerInnen aus der Stadt zu bringen. Sie wurden in zwölf Pumpwerken gesammelt und auf Flächen außerhalb verrieselt. Lange steigerte das dort den landwirtschaftlichen Ertrag. »Menschliche Fäkalien sind nichts Schlimmes, sondern Dünger«, sagt Katrin Stary, die Geschäftsführerin der Stadtgüter Berlin. Erst die Industrialisierung brachte Probleme. Teils wurden bis in die 1990er-Jahre Industrieabwässer verrieselt. Weshalb 2.500 Hektar der insgesamt 17.000 Hektar, welche die Stadtgüter heute betreuen, mit Schwermetallen kontaminiert sind. »Für die Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln sind diese Flächen damit nicht verwendbar.« Diese Flächen dauerhaft bewachsen zu halten, sei eine »Ewigkeitsaufgabe, die noch viele Generationen nach uns beschäftigen wird«, sagt die Managerin. Denn solange sie durchgehend bewachsen bleiben, ruhen Nickel, Kadmium und Blei dauerhaft immobil im Boden. Gelangt allerdings Regen ungehindert darauf, wandern sie ins Grundwasser. Mit Unternehmen, die durch anderweitigen Flächenverbrauch zu Kompensationsmaßnahmen verpflichtet sind, werden diese Flächen langfristig verbessert – und zum Beispiel zu Streuobstwiesen. Lose auf selten gemähten Wiesen wachsende Obstbaumbestände sind nicht nur besonders wertvolle Lebensräume für seltenes Getier und Wiesenpflanzen. Eine Untersuchung mit der Humboldt Universität hat ergeben, dass die Schwermetalle nicht in die Äpfel oder andere Früchte gelangen. Le - diglich reife Holunderbeeren könnten belastet sein. »Wir weisen natürlich darauf hin, dass die Holunderbeeren kontaminiert sind«, sagt Stary. Jene 14.000 Hektar landwirtschaftliche Flächen im Berliner Umland, die die Stadtgüter verpachten, seien natürlich sehr begehrtes Land für Siedlungen, Gewerbe- und Infrastrukurprojekte. »Mein Auftrag ist aber in erster Linie, die landwirtschaftlichen Flächen zu beschützen. Wir haben deshalb etabliert, dass wir nichts mehr hergeben ohne entsprechende Tauschflächen«, so Stary. Dass die studierte Landvermesserin und Immobilienökonomin früher das Real Estate Management der Berliner Flughäfen verantwortete und dort auch die Enteignungsverfahren für deren Erweiterung über hatte, ist für harte Verhandlungen wohl kein Nachteil. Lediglich bei der Erhö-
Wiener Landwirtschaftsbericht
Seit 2003 veröffentlichen Stadt Wien und Landwirtschaftskammer alle zwei Jahre einen umfassenden Bericht zur Landwirtschaft im Stadtgebiet. stadtlandwirtschaft.wien hung des Bioanteils der Flächen (derzeit: 9%) ist Katrin Stary vollkommen auf den guten Willen der PächterInnen angewiesen. »Wir würden Bio gerne stärker fördern. Das Problem ist aber, dass es aus historischen Gründen sehr langfristige Pachtverträge gibt, die teilweise bis 2056 laufen. Eine Umstellung geht also nur, wenn das ein/e PächterIn möchte.«
Beim Bioanteil ist Wien deutlich weiter als Berlin. Bereits 31 Prozent der Fläche wird hier zertifiziert biologisch bewirtschaftet. Bis 2025 möchte man in der österreichischen Hauptstadt bei der Produktion und beim Konsum von Biolebensmitteln das Bundesland Nummer eins sein. (Zur Orientierung: Salzburg lag zuletzt flächenmäßig bei 57% Bioanteil.) Die Stadt Wien, mit selbst 2.000 Hektar landwirtschaftlich bewirtschaftet (etwa mit dem Bio-Zentrum Lobau oder dem Weingut Cobenzl), versteht sich als ökologischer Leitbetrieb, agiert seit Jahren biozertifiziert und verzichtet damit beispielsweise auf synthetische Spritzmittel. Zur Vermarktung ihrer eigenen Bioprodukte (und von Wildbret aus den Wasserschutzwäldern südlich von Wien) hat die Stadt zuletzt die Marke »Wiener Gusto« kreiert. Die Landwirtschaftskammer Wien, Interessensvertretung der hunderten restlichen Agrarbetriebe, propagiert als eigene Marke: »Stadternte Wien«.
Die Berliner Stadtgüter feiern gerade ihr 150-jähriges Bestehen – ab September auch in einer virtuellen Ausstellung. Vor dem Zweiten Weltkrieg umfassten die Stadtgüter 25.000 Hektar, heute sind es 17.000. Nur durch Industrieabwässer kontaminierte Flächen (2500 Hektar) werden nicht bewirtschaftet. berlinerstadtgueter.de
Ob Bio oder konventionell bewirtschaftet: bedroht sind die landwirtschaftlichen Flächen auch in Wien. Norbert Walter, seit Frühjahr Präsident der Wiener Landwirtschaftskammer und selbst Biowinzer, lobte bei seinem ersten offiziellen Auftritt als oberster Bauernfunktionär nicht nur die Vielfalt der Wiener Stadtlandwirtschaft, sondern gelobte auch »darauf zu achten, dass so wenig Boden wie möglich verloren geht oder versiegelt werden«. 85 Prozent der als Vorranggebiet Landwirtschaft gewidmeten Böden seien abgesichert, das dürfe auf keinen Fall weniger werden. Während anderswo Betriebe wachsen, Äcker oder Weinberge dazupachten können, ist das im Stadtgebiet aber nur bedingt möglich. »Die eine oder andere Chance in Nischen oder in der Direktvermarktung wird es noch geben«, ist sich Walter sicher. »Es braucht dafür aber Leute, die bereit sind Risiko auf sich zu nehmen und sich auf das Abenteuer einzulassen.« Seine Vision: Wien als »Innovation Lab« für moderne Landwirtschaft. Dazu soll es künftig auch einen eigenen »Innovation Day« geben. Sehr wahrscheinlich, dass es dabei auch Besuch aus Berlin geben wird.