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Sonntagsfrühstück
Märkischer Sonntag 31. Oktober/1. November 2020 Bernau
Wo Zebras, Gnus und Geparden sich ihr Land Stück für Stück zurück erobern
Malika Fettak leitet eine Expedition in Kenia / Eine nahezu tote Landschaft soll wieder zu einem Wildtierparadies werden Von Christiane Flechtner Kenia – Der Jeep holpert über etwas, das einmal eine Straße gewesen sein könnte. Tiefe schlammige Schlaglöcher wechseln sich ab mit ausgefahrenen Rillen. Kein Wunder, dass diese Sandpiste von allen nur „Impossible Road“ genannt wird, denn sie ist wirklich kaum zu überwinden. Malika Fettak sitzt am Steuer und macht das Unmögliche möglich: In Zeitlupentempo überwindet sie für das Fahrwerk des Jeeps gefährlich herausragende Steine und bleibt auch in den tiefsten Schlammlöchern nicht stecken. Kein Wunder, fährt sie diese Strecke mehrmals am Tag, um Tiere in diesem Gebiet zu beobachten und zu zählen. Eine abrupte Bremsung und ein breites Lächeln in ihrem Gesicht verrät den anderen im Fahrzeug, dass sie etwas Besonderes entdeckt hat: Eine Gepardin mit sage und schreibe sechs Jungtieren – wahrlich auch in den größten Nationalparks Afrikas eine Besonderheit. Noch vor wenigen Jahren bestand diese Region Kenias aus nicht viel mehr als unfruchtbarer Erde. Totes, staubiges Land ohne Leben. Doch nach und nach hat sich das Grau in Grün verwandelt – und das zuvor noch tote Stück Land wird Zebras, Gnus, Antilopen und eben auch von Geparden Stück für Stück zurück erobert. Die 54-Jährige Malika Fettak ist Expeditionsleiterin einer Artenschutzexpedition in Kenia, die
zum zweiten Mal von der Naturschutzorganisation Biosphere Expeditions durchgeführt wird. Die Organisation ist bekannt für ihre erfolgreiche Einbindung von Laienhelfern in weltweite Artenschutzprojekte und arbeitet seit 1999 Hand in Hand mit Menschen und Biologen in verschiedensten Projektgebieten – so auch im Enonkishu Conservancy im Südwesten Kenias. „Wir wollen Wissenschaftlern dabei helfen, ihre Forschungsprojekte durchzuführen“, erklärt sie. „Dafür rekrutieren wir motivierte Menschen, die in ihrem Urlaub Daten sammeln.“ Seit zwölf Jahren arbeitet sie bei Biosphere Expeditions und war bisher unter anderem auf den Spuren von Raubkatzen und Elefanten in Malawi und Namibia und dem seltenen Schneeleoparden in Kirgistan unterwegs. Nun ist sie mit zwölf Expeditionsteilnehmern aus den unterschiedlichsten Ländern in Kenia unterwegs. Kenia ist eines der Länder mit dem größten Bevölkerungswachstum. Von 1960 bis 2017 stieg die Zahl von 8,1 Millionen auf 49,7 Millionen Einwohner – ein Anstieg um ganze 513 Prozent. In den nächsten 25 Jahren soll sich die Zahl noch verdoppeln. Das Land ächzt
Idealer Platz: Vom Gipfel des Kileleoni-Hill lässt sich das Gebiet aus der Vogelperspektive beobachten.
unter der Last der wachsenden Bevölkerung und der damit einhergehenden sich ausdehnenden Infrastruktur. Diese grenzt immer öfter an den für Tiere notwendigen und einzigen Lebensraum. So hat das artenreiche Land in nur drei Jahrzehnten fast 70 Prozent seiner Wildtiere verloren – einerseits durch die Zerstörung ihres Lebensraums, andererseits durch die Einflüsse des Klimawandels mit extremen Dürren. Auch das 1.700 Hektar große Gebiet des Enonkishu Conservancy, das sich rund 240 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Nairobi befindet, war schon lange kein Lebensraum für Wildtiere mehr. Es handelt sich hierbei um eine Pufferzone zwischen dem berühmten Mara-Serengeti-Ökosystem und der Zivilisation. Das Land gehörte 32 verschiedenen Landbesitzern, die es als Farmland für Mais- oder Bohnenanbau sowie zur Rinderzucht nutzten – und dabei enorm überstrapazierten. Die zu hohe Nutztierzahl führte zu einer extremen Bodenerosion. Um der Verwüstung entgegenzuwirken, schlossen sich 2009 die Landbesitzer zu einer Gemeinschaft zusammen und verwandelten das Gebiet in eine Conservancy, einem von der loka-
Einweisung: Die Expeditionsteilnehmer sollen Daten sammeln, um die Rückkehr der wilden Tiere anhand von Zahlen zu belegen.
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Die 54-Jährige Malika Fettak ist Expeditionsleiterin einer Artenschutzexpedition in Kenia. Mit freiwilligen Helfern sammelt sie Daten über die Rückkehr der Wildtiere. Fotos: Christiane Flechtner
Vogelperspektive zu beobachten. Die dritte Gruppe samt Expeditionsleiterin Malika checkt bereits installierte Kamerafallen auf Bilder von nachtaktiven Tieren. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die reine Anzahl der Wildtiere hat sich innerhalb eines Jahres vervielfacht. „Das Ganze hat eine Eigendynamik entwickelt“, sagt die Expeditionsleiterin. „Die Landschaft hat sich in ein Paradies verwandelt, in dem Nutz- und Wildtiere friedlich nebeneinander leben können“, sagt Fettak. Sie profitieren sogar voneinander – wie man am Beispiel des Gepardenweibchens mit ihren Jungen gut erkennen kann: Die Gepardengruppe lässt sich vom Expeditionsteam in aller Seelenruhe beobachten, denn in der Nähe von Menschen zu sein, bedeutet Sicherheit für die Jungtiere. Die sechs Jungtiere, die in der Mittagshitze an einem schattigen Plätzchen gemeinsam chillen, sehen aus wie ein zusammengeworfener beige-schwarzer Haufen aus gepunktetem Fell. Hier ragt eine Pfote heraus, dort ein plüschiger Schwanz, mittendrin ein Kopf mit schläfrigen Augen und ein weit aufgerissener gähnender Mund mit spitzen Zähnchen. Nicht weit entfernt ihre Mutter, die auch beim Dösen immer ein wachsames Auge auf ihre mitt-
Elefanten auf Futtersuche: Die Anzahl der Wildtiere hat sich innerhalb eines Jahres vervielfacht. lerweile halbwüchsigen Jungen hat. Sechs Jungtiere auf einmal ist bei Geparden eher ungewöhnlich - noch dazu, sie dann auch allesamt durchzubringen. Doch der Ort, den sie gewählt hat, um sie zur Welt zu bringen und aufzuziehen, scheint perfekt zu sein. „Die Gepardenmutter Kisara weiß, dass ihre Jungen vor anderen Raubtieren wie Löwen oder Hyänen sicher sind, wenn sie sich so dicht an unserem Jeeps aufhalten“, erklärt Malika Fettak. „Möglicherweise sind aus diesem Grund auch noch alle Sechs am Leben“, fügt sie hinzu. Positiver Nebeneffekt: Auch Tou-
risten entdecken das Gebiet für sich – und zurzeit sind sie ganz heiß auf Fotos von der GepardenGroßfamilie. So unterstützen sie das Schutzgebiet Enonkishu noch zusätzlich durch ihre Eintrittsgelder. Möglicherweise finden sich an anderer Stelle sogar Nachahmer für das nachhaltige Konzept. Dem bevölkerungsreichen Land würde es guttun, und mit der Akzeptanz der Wildtiere gäbe eine Chance, ihren ohnehin schon knappen Lebensraum Stück für Stück zu vergrößern. Weitere Infos: www.biosphere-expeditions.org
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„Wir sind die
len Bevölkerung gemeinsam verwalteten Schutzgebiet. Die jahrtausendealten Verhaltensweisen von Wildtieren dienten der Renaturierung des Gebietes dabei als Vorbild: „Hier hat man die große Wanderung der Gnus durch die Serengeti im Kleinen nachgeahmt“, erklärt die Expeditionsleiterin. Die Gnus lockern nicht nur den Boden mit ihren Hufen auf, sondern düngen ihn auch mit ihrem Dung. Dann ziehen sie weiter, und das abgegraste Grün kann wieder wachsen. „Hier in Enonkishu überlässt man diese Aufgabe den Rindern – man lässt sie systematisch in bestimmten Gebieten weiden und treibt sie dann weiter. Innerhalb weniger Jahre ist nun aus toter Erde eine grüne Oase geworden, von der nicht nur die Landbesitzer profitieren, sondern auch die Wildtiere“, freut sich Malika Fettak. Die Expeditionsteilnehmer sammeln nun Daten, um die Rückkehr der wilden Tiere anhand von Zahlen zu belegen. Während Kunsang Ling aus Toronto gemeinsam mit Matthias Herold aus Deutschland, der Finnin Sirpa Lahtinen und Kathy Haan aus den USA per Fernglas, GPS-Geräten und Entfernungsmessern mehrere Stunden in einem Versteck das Wasserloch observiert, machen sich Ranger Albert Ngetich mit dem Kanadier Brian Oikawa und dem Niederländer Paul Serail zu Fuß auf den Weg zum Gipfel des Kileleoni-Hill, um das Gebiet aus der
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