Lonely Planet Traveller Germany, October 2015

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4 | Prachtexemplar von einem Fischertukan. 5 | Feinarbeit: Über Stock, Stein und abenteuerliche Holzbrücken wird der Geländewagen manövriert

AKTUELL

Abenteuer Forschung

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Weil vielen Universitäten und Instituten Geld sowie Arbeitskräfte fehlen, holen sie sich für die Feldforschung Amateure an Bord. Welchen Nutzen diese Expeditionen wirklich haben, worauf man bei der Auswahl achten sollte und drei spannende Anbieter im Porträt

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1 | Die Wüsten-Forscher sind mit Fernglas, GPS-Gerät und gutem Schuhwerk ausgestattet. 2 | Immer mit der Ruhe! Ein Dreifinger-Faultier hängt im Baum. 3 | Vom Holzboot aus erkundet ein Team die Insel Sumatra

FOTOS: WOUTER KINGMA )2), ISTOCK )2), PR

TEXT ALINA HALBE

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m halb sechs steht Sven Strohschein Regenwald oft den ganzen Tag. Und bezahlt auf. Freiwillig. Im Urlaub. Er ist mitten auch noch dafür. „Feldforschern fehlen meist in Peru und wird gleich nach dem zwei Dinge: Geld und Arbeitskräfte“, erklärt Frühstück durch den Dschungel stapDr. Matthias Hammer, Gründer der Naturfen, um Leoparden und Primaten zu zählen. schutzorganisation „Biosphere Expeditions“. Als Laie nimmt er an einer wissenschaftlichen Er bringt freiwillige Laien und Wissenschaftler Expedition zum Schutz bedrohter Tiere teil. mit Artenschutzprojekten auf der ganzen Welt Immer mehr Menschen unterstützen im zusammen. Das Geld, das die Teilnehmer für Urlaub Forschungsprojekte durch aktive Mitdie ein- bis mehrwöchigen Trips zahlen, fließt arbeit. Sie zählen Schneeleoparden im Tian in Unterbringung, Verpflegung, das Personal Chan-Gebirge, dokumentieren Korallenriffs und die Projekte selbst. „Einige Programme im Indischen Ozean oder graben in Frankreich würde es ohne die Unterstützung von Freinach Hinterlassenschaften aus der Römerzeit. willigen gar nicht mehr geben. Viele Ohren Citizen Science nennt sich diese Form der und Augen liefern große Datenmengen und Wissenschaft, für die man weder einen akadedie Teilnehmer erleben dafür ein Abenteuer“, mischen Titel braucht, noch an einer Uni einsagt Hammer. Doch das Angebot ist groß und geschrieben sein seriöse Organimuss. Oft geht sationen sind von „Die Forscher kriegen es dabei um ihre Daten, die Teilnehmer profitgierigen NaturbeobachUnternehmen nur ein echtes Abenteuer“ tungen und das schwer zu unterSammeln von scheiden. Im Daten. Expeditionen, die zu diesem Zweck an besten Fall lässt sich anhand von Expeditionsdie entlegensten Orte der Welt führen, stellen berichten nachvollziehen, wofür das Geld eine Sonderform dar. Denn nicht immer müskonkret eingesetzt wurde und was die Arbeit sen die Hobbyforscher bis Peru reisen, um sich vor Ort tatsächlich bewirkt hat. wissenschaftlich zu engagieren. Projekte finIm Wissenschaftssystem gibt es gespaltene det man auch in Deutschland, Österreich und Lager, was die Qualität der von Amateuren der Schweiz (s. S. 26). Andere kann man sogar zusammengetragenen Daten angeht. Dr. Katrin bequem von zu Hause aus unterstützen: etwa Vohland forscht zum Thema Citizen Science mithilfe einer App Bilder von Galaxien veram „Museum für Naturkunde“ in Berlin. Sie gleichen oder bei Kameraaufnahmen aus dem kennt die Konflikte: „Citizen Science ist kein Dschungel nach Schimpansen Ausschau billiges Datensammeln. Es kostet Zeit, eine halten. Die Aufgaben sind simpel, den Zeitgemeinsame Sprache zu finden. Mit einem aufwand bestimmen die Nutzer meist selbst. durchdachten Versuchskonzept bekommt man Wer sich aber als Teilnehmer zu einer Expeaber gute Ergebnisse. Das wird im Wissendition anmeldet, arbeitet in Wüste, Wald oder schaftssystem nicht ausreichend honoriert.“

INTERVIEW: SVEN STROHSCHEIN

Erfahrungsbericht vom Amazonas LPT: Herr Strohschein, wie viele Expeditionen haben Sie schon gemacht? Ich war mit „Biosphere Expeditions“ auf den Azoren, im Oman, in Namibia und zuletzt zwei Wochen am Amazonas in Peru. Was haben Sie dort gemacht? Wir haben z. B. protokolliert, wie viele Jaguare und Primaten im Reservat leben. Das ist nicht so einfach, wie man denkt! Die Tiere im dichten Wald zu finden erfordert ein bisschen Übung. Wie läuft ein Tag im Camp ab? Um sechs Uhr gibt es Frühstück, dann bricht man in kleinen Gruppen zur ersten Tour auf. Mittags stärkt man sich im Camp. Nach einem zweiten Trip ist dann um fünf Uhr „Feierabend“. Wen trifft man da im Team? Leute aus der ganzen Welt. In Peru habe ich mit einer Verkäuferin aus Manchester, Medizinstudenten aus Antwerpen und einem Paar aus Australien zusammengearbeitet. Eine bunte Truppe! Warum Expedition statt Urlaub? Man bekommt einen spannenden Einblick in Tierwelt und Forschung. Und die Wissenschaftler profitieren, weil plötzlich 40 statt zwei Augen neugierig den Dschungel absuchen. Was war Ihr Highlight? Eine Python kreuzte einen halben Meter vor meinen Füßen den Weg. Ein komisches Gefühl. Wenn Sven Strohschein nicht auf Expedition ist, arbeitet er als Schiffsmakler in Hamburg.

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Dein nächstes Abenteuer – die Wüste Negev

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ARCHÄOLOGIE: ARGE ARCHÄOLOGIE

Wir schreiben das Jahr 52 v. Chr. Der Gallische Krieg ist in vollem Gange. Julius Caesar rückt mit seinen Legionen bis Gergovia vor, um die gegnerischen Gallier zu belagern. Die können sich aber unter Fürst Vercingetorix rechtzeitig im schwer einnehmbaren Gergovia, heute Gergovie, in der Auvergne, verschanzen. Von ihrem Hügel aus greifen die Gallier die römischen Lager wieder und wieder an, was Caesar letztlich zum Rückzug zwingt. Bis heute werden Relikte aus der Zeit der „Schlacht von Gergovia“ im Zentrum Frankreichs geborgen. Seit 2013 erforschen Wissenschaftler die geschichtsträchtige Stätte, begleiten Exkursionen zu spektakulären Fundstellen, auf das Schlachtfeld und zu den römischen Lagern. Nach einer Einführung in die Grabungsmethodik beginnen die Teilnehmer mit der Freilegung. Die Chancen auf spannende Funde stehen übrigens gut, denn bislang ist erst etwa ein Prozent der Stadtfläche ausgegraben.

Flosse in Sicht? Acht Walarten, darunter Finnwal, Pottwal, Großer Tümmler und Streifendelfin, sind im zentralen Mittelmeer verbreitet. Doch gerade in Küstennähe kommt es etwa durch Schifffahrt, Militärmanöver oder Fischerei zu Konflikten zwischen Mensch und Natur. Um einen eventuellen Rückgang der Arten zu erkennen, protokolliert „OceanCare“ von einem Forschungs-Segelschiff aus das Vorkommen der Tiere. Auf etwa einstündigen Beobachtungstouren vor der Côte d’Azur fahren sie eine Route mit konstanter Geschwindigkeit und geradem Kurs ab. Die Teilnehmer dokumentieren währenddessen zu dritt unter fachlicher Anleitung die Anzahl der gesichteten Wale und Delfine, ihre Position und ihr Verhalten. Die ganze Expeditions-Woche findet auf dem Schiff statt. Nach getaner Arbeit kann man sich im Segeln üben oder in kleinen Buchten schnorcheln und bei schlechtem Wetter auch zur Abwechslung mal an Land gehen.

Der 8-tägige Trip findet vom 9. bis 16.1.2016 statt und kostet ab ca. 1700 €, exkl. Anreise. Die Expeditions-Sprache ist Englisch. Infos zum Projekt gibt es auf biosphere-expeditions.org oder unter Tel. 09 31-40 48 05 00.

Die Grabungsreise vom 6. bis 13.8.2016 kostet ab ca. 1580 €, exkl. Anreise. Weitere Infos und Anmeldung auf arge-archaeologie.at, Tel. +43-(0)664-571 70 21. Wissenswertes zum Schlachtfeld Gergovia liefert gergovie.net.

Eine Woche im sechsköpfigen Team plus Skipper und Kursleitung kostet ab ca. 1550 €, exkl. Anreise. Infos zu Projekten und die Termine für 2016 erfahren Sie auf oceancare.org oder unter Tel. +41-(0)44-780 66 88.

Die Online-Plattformen Bürger schaffen Wissen und Österreich forscht informieren über aktuelle Citizen-Science-Projekte in Deutschland und Österreich (buergerschaffen wissen.de, citizen-science.at).

und dem DDA (Dachverband Deutscher Avifaunisten) findet man ganzjährig Veranstaltungen zur Vogelbeobachtung und aktuelle Termine für Birdwatching-Wochenenden im Herbst (nabu.de, dda-web.de).

Der Urlaubsranger Rügen lässt Amateure im Biosphärenreservat Robben zählen und Fledermäuse orten (urlaubsranger.de). Beim NABU

Hobby-Historiker können sich bei der Deutschen Burgenvereinigung e.V. Exkursionen anschließen (deutsche-burgen.org).

Lonely Planet Traveller Oktober 2015

Komm einmal dahin, wo alles begann

MEERESBIOLOGIE: OCEAN CARE

In der goldgelben Wüstenlandschaft der Arabischen Halbinsel tummeln sich so spannende Spezies wie der Arabische Oryx, eine Antilopen-Art, die Oman-Falbkatze, Sandfüchse und Gazellen. Die Naturschutzorganisation „Biosphere Expeditions“ arbeitet bei diesem Projekt eng mit Wissenschaftlern des „Dubai Desert Conservation Reserve“ zusammen, um das Vorkommen der Tiere zu überwachen und ihnen einen sicheren Lebensraum zu schaffen. Das Team ist mit etwa zwölf Teilnehmern klein und international. Die ZeltCamps sind mit Toiletten und Duschen komfortabel ausgestattet. Nach zwei Tagen Grundausbildung geht es im Geländewagen oder zu Fuß mit GPS-Geräten durch die Wüste. So werden die Anzahl, die Nahrungsaufnahme und das soziale Verhalten der Tiere in der Herde dokumentiert. Kamera- und Lebendfallen helfen den Forschern dabei, biologisches Material, etwa für DNA-Analysen, zu sammeln.

Projekte vor der Haustür

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BIOLOGIE: BIOSPHERE EXPEDITIONS

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FOTOS: ISTOCK, PR (3) GRAFIK: DMITRY BARANOVSKIY, MIKE WIRTH, DAN HETTEIX

1 | Gut getarnt: Die Arabische Gazelle ist in der Wüste kaum zu erkennen. 2 | Archäologie-Trips bieten Geschichte zum Anfassen. 3 | Hobby-Forscher dokumentieren die Position der Delfine

Reiseangebote „WANDERN IM GELOBTEN LAND“ | 8 Tg., Wander- und Kulturreise, 7 ÜHP/ DZ in Hotels/Kibbuz, inkl. Fahrten in priv. Fzg., Eintritte, Reiseliteratur, dt. Rsl., ab € 1.070.- p.P., zzgl. Flug | DIAMIR Erlebnisreisen GmbH, BertholdHaupt-Straße 2, 01257 Dresden, Tel.: 0351/312077, www.diamir.de

Besuch Israel

„ISRAEL ZU FUSS“ | Wander- und Erlebnisreise, mit leichten und moderaten Wanderungen, 14 Tg., ÜHP in (*)***Hotels, Gästehäusern u. Kibbuz, inkl. Transfers, Eintritte, dt. Rsl., Flug, ab € 2.598.- p.P. | Wikinger Reisen GmbH, Kölner Str. 20, 58135 Hagen, Tel.: 02331/9046, www.wikinger.de

Besuch Israel

„WÜSTENAKTIV IN DER NEGEV WÜSTE“ | 8 Tg., ÜF/DZ Hotel Ramon Inn, inkl. Mietwagen, Jeeptour, Fahrradtour, ab € 927.- p.P., zzgl. Flug, tagesaktuelle Flugpreise auf Anfrage | Israel Tours & Travel, ein Unternehmen der World Travel Group, Gymnasiumstr. 45, 63654 Büdingen, Tel.: 06042/9569425, www.israel-tours-travel.de

„TEL AVIV MARATHON“ | 5 ÜF/DZ im Hotel Olympia***, 24.-29.02.16, Flug mit EL AL oder UP by EL AL, ab € 499.p.P. | Superstar Holidays Ltd., Eschersheimer Landstr. 162, 60322 Frankfurt, Tel.: 069/2972850, www.superstar.de


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