Info Malediven EXTRA
Zwischenruf Die Malediven gelten als Trauminseln mit Sonne, Lagunen und Luxus. Scharia, religiöser Fanatismus, Unterdrückung und Umweltzerstörung sind das andere Gesicht der „sunny side of life“ (so die Eigenwerbung), findet Sam Mittmerham. Der Journalist reist, schreibt, fotografiert und forscht seit rund drei Jahrzehnten, vornehmlich im Natur- und Artenschutz weltweit, aber auch zu geografischen und geopolitischen Themen
Die Trauminsel-Bilder hat jeder im Kopf: Luxusvillen über blauen Lagunen, farbenfrohe Korallen und Fischschwärme, weiße Strände, perfekte Bräune, bestes Essen, vollendeter Service. Abschalten. Aber was ist, wenn man einschaltet? Was sagen die Zahlen, die Menschen?
lich Forschung betreiben und junge Malediver ausbilden. Eigentlich wäre das Sache der Regierung. Die Malediven existieren letztendlich ja doch nur wegen ihrer Korallenriffe: Geologisch, geografisch, wirtschaftlich, kulturell hängt alles von gesunden Riffen ab. Deren Gesundheit und Fortbestand zu ignorieren ist fahrlässig und völlig unverantwortlich.“
DAS PARADIES ALS TABELLENLETZTER
Im Korruptionsindex von Transparency International rangieren die Malediven weit unten (Platz 134). Auf der Rangliste in Sachen Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ kommen sie nicht über Platz 112 hinaus, im Environmental Performance Index der Universitäten Yale und Columbia landen sie auf Platz 137 (jeweils von 180).
Der diesjährige El Niño verschärft das Problem: „Korallen kommen bei Wassertemperaturen von über 30 Grad ins Schwitzen und sterben im Extremfall ab“, erklärt Hammer. „Unsere Forschungsexpedition im Juli dokumentierte ein schockierendes Korallensterben von bis zu 90 Prozent. Wir machen uns ernsthafte Sorgen um die Korallen – und die Menschen. Riffe können sich erholen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Auf El Niño hat die Regierung der Malediven keinen Einfluss, wohl aber auf Überfischung, Meeresverschmutzung und Schutzzonen. Im Moment sägt man mit Eifer am eigenen Ast.“
Zusammen mit Aussagen von Oppositionellen formen sich diese Zahlen zu einem düsteren Bild. Omar Abdul Razzak, Abgeordneter der oppositionellen Demokratischen Partei der Malediven: „Präsident Yameen hetzt Schlägergruppen auf Oppositionelle und lässt sie im Gefängnis verschwinden. Es gibt keine freie Presse, keine Religionsfreiheit, keine unabhängigen Richter. Dafür die Gesetzsprechung nach der Sharia. Die Menschenrechte werden mit Füßen getreten.“
WAS TUN, FRAGT MAN SICH
Dieser Eifer ist oft religiös motiviert. Präsident Yameen ist Staatsoberhaupt und Regierungschef in einem, mit ihm wuchs der Einfluss islamistischer Kräfte. Oppositionelle haben „große Sorgen, denn früher gab es einen gemäßigten Islam. Jetzt herrscht Angst. Saudi-Arabien schickt Prediger ins Land; Pakistanis und Chinesen investieren massiv, das hat das Klima verändert.“ Was tun?
2008 fanden die ersten demokratischen Wahlen statt. Doch 2012 wurde der Gewinner Mohamed Nasheed von alten Seilschaften aus Amt und Land gedrängt. Nasheed, weltweit bekannt geworden durch seine UnterwasserKabinettsitzung, galt als Hoffnungsträger, er stand für Demokratisierung und Naturschutz. Unter seiner Führung wurden die Kapazitäten für den dringend nötigen Meeresschutz aufgestockt und Schutzgebiete eingerichtet. Das Marine Research Center hatte über 60 Angestellte – heute kann man sie an einer Hand abzählen.
Es gilt, die Zivilgesellschaft zu stärken, damit sich das System von innen heraus erneuert. „Die jungen Malediver, die wir ausbilden, schlagen noch mehr die Hände über dem Kopf zusammen als wir“, so Hammer. „Sie wissen genau, was gerade abläuft, was zu tun ist.“ Und die Touristen? „Die sollen bitte kommen“, meint Ahmed Naseem, Ex-Außenminister und heutiger Oppositionspolitiker. „Sie sollen ihren Urlaub genießen. Aber bitte sprechen Sie auch mit den Einheimischen“, appelliert er, „machen Sie sich ein eigenes Bild und lassen Sie sich nicht im Luxushotel isolieren!“
Dr. Matthias Hammer, Chef von Biosphere Expeditions, die seit 2011 alljährlich Riffbestandsaufnahmen auf den Malediven durchführt, sieht „jedes Jahr eine Verringerung der Kapazitäten. Mittlerweile sind wir als kleine, gemeinnützige Organisation die Einzigen, die kontinuier-
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