FOKUS
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Einsamer Räuber auf
leisen Pfoten
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TIERWELT 31 | 3. AUGUST 2017
Bild: Adrian Baer
Lautloser Jäger, perfekter Tarnungskünstler und doch ein Opfer des Menschen: Der Schneeleopard muss um seine Zukunft in freier Wildbahn bangen. In Zoos hingegen wird er fleissig gezüchtet. Auf den folgenden Seiten berichten wir von einem Schutzprojekt in den Bergen Kirgistans, werfen einen Blick ins Zuchtbuch und lernen im Zoo Zürich die letzte Schneeleopardin kennen, die in freier Wildbahn zur Welt gekommen ist.
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Expedition Schneeleopard Das Alatau-Gebirge in Kirgistan erinnert an eine unverbaute Schweiz.
In Kirgistan leben kaum mehr als 300 Schneeleoparden. Für sie reisen jedes Jahr freiwillige Amateurforscher nach Zentralasien, mit dem Fernziel, ein Schutzgebiet zu errichten. Der Autor war zwei Wochen lang mit dabei. MATTHIAS GRÄUB (TEXT UND BILDER)
Bis dahin ist es an uns Laienforschern, unter professioneller Anleitung durch die Berglandschaft zu streifen, Fussabdrücke zu foto-
er Zacken unten links; Wolfskot auf einem Felsvorsprung: ein grüner Zacken unten rechts. Nach acht Wochen Forschung sollen
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Kästchen für Kästchen durchforsten
A
man geht in die Hocke, stützt seine Ellenbogen auf den Felsbrocken, der verirrt im hohen Gras steht, und blickt durch sein Fernglas in Richtung Gipfel. «Aizurück auf die Wanderergruppe, die gerade keuchend hier oben eintröpfelt.
abgesehen haben. Denn diese sind begehrt Prunkstücke in dubiosen Privatzoos, oder tot,
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Zentralasiens», in Kirgistan, aus. Das Gebirge hier heisst «Alatau» und die «Aibeks», die cke, Ibex. Russisch ausgesprochen. Aman Talgartbek Uulu, so heisst er mit
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erstmals hier statt. -
Landkarte. Am oberen Rand ist sie mit Buchstaben beschriftet, am linken Rand mit Zah-
brocken in der Bergsonne. Wir könnten in den -
ukrainische Biologe mit dem jugendlichen tende Wissenschaftler der Expedition, die von -
Kamerafalle: im Windschatten eines senkrecht stehenden Felsen. Hier scheint ein schmaler Pfad entlangzuführen. Der Kirgise
über die Felsen in seinem Bett zu hüpfen. im Binnenland Kirgistan landet auch der Ka-
Hoffen auf Schneeleoparden-Selfies Lange Trekkinghose, Gummistiefel, Fingerhandschuhe; die Kapuze seines Fleecepullovers hat er über den Kopf gestülpt. Nur das Gesicht mit den asiatischen Zügen lugt aus
xelt auf allen vieren vor die Linse, um zu tes-
Am Ufer des Karakol steht auch das Basis-
Die Kamerafalle ist für unsere Expedition aller Voraussicht nach die einzige Chance, -
traditionelle Jurte, ein Küchen- und ein Ess-
der Wind vermag sich gar scharf durch die
dem «Bars» zuordnen konnten. Und erst noch
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leoparden. -
nanziert durch den deutschen Naturschutz-
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untersucht und ausgefüllt sein. Anhand unleoparden ziehen. Und dies schon zum vier-
War das der Schneeleopard? Die versehrte Murmeltierpfote lässt nur vermuten.
getaner Forschungsarbeit im Feld unsere Fun-
BIOSPHERE EXPEDITIONS Die zweiwöchige Schneeleoparden-Expedition in Kirgistan wurde organisiert durch «Biosphere Expeditions». Die internationale Non-ProfitOrganisation richtet sich an Laien, die unter professioneller Anleitung beim Artenschutz mithelfen möchten. Angeboten werden Expeditionen rund um die Welt, vom Korallenriff auf den Malediven über Wölfe in Niedersachsen bis hin zum Elefanten-Schutzprojekt in Thailand. Zwei Wochen Schneeleoparden-Expedition in Kirgistan kosten rund 2200 Franken plus Flüge. www.biosphere-expeditions.org TIERWELT 31 | 3. AUGUST 2017
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Wissenschaftler von «Biosphere Expedition mitgenommen. Die letzte, im Altai-Ge-
schung und drei Jahre Politikarbeit gebraucht, aber jetzt ist genau das Gebiet, in
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Der Geist der Berge
der Nomaden. Eine Jurte nach der anderen ploppt hier gerade auf; die Hirten richten sich langsam aber sicher im Tal ein. Noch sind in -
Der lange und buschige Schwanz ist das Markenzeichen des Schneeleoparden. Er wird bis zu einem Meter lang und dient als Steuerruder, mit dem die Grosskatze ihre Sprünge kontrollieren kann.
Die Kirgisen nennen den Schneeleoparden «Geist der Berge». Körperbau und Lebensweise der Grosskatzen machen ihn zu einem perfekten Versteckkünstler. Sein Name hingegen könnte besser gewählt sein. VON MATTHIAS GRÄUB
Juli ist noch Frühsaison hier oben. Das zeigt auch das Blumenmeer, das gerade in allen Farben erblüht.
parkieren neben einem gesattelten Pferd vor anderen Tiere.» -
Der Steinbock hat seine Spur hinterlassen.
Das graubraune Fell mit den schwarzen Flecken ist die perfekte Tarnung – zumindest in der kargen Felslandschaft. Im Schnee hebt sich der Schneeleopard hingegen etwas stärker vom Hintergrund ab, auch wenn das Fell im Winter heller ist. Vielleicht wäre also «Felsleopard» der treffendere Name.
Die Bevölkerung wird eingebunden Hammer, ein muskulöser Glatzkopf mit Doktortitel, ist diese Woche ebenfalls mit dabei in Kirgistan. Der Biologe hat in Oxford und Cambridge studiert, fühlt sich aber in
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herauf statt von oben herab errichten.» Heisst: Die Hirten hier oben miteinbeziehen, die Bevölkerung für den Naturschutz begeistern, bevor man an die Politiker tritt.
Die kurze Schnauze mit den grossen Nasenlöchern hilft dem Schneeleoparden, sich in der Kälte warm zu halten: Die Luft, die er einatmet, wird darin erwärmt, bevor sie in die Lunge gelangt.
doch die Ausnahme; der «Bars» begnüge sich -
parden und deren Beutetieren halten und vor
Dass die Unternehmung auf gutem Weg besuch bei Einheimischen. Und mit Haus ist
schönsten Tiere. Wir müssen auf sie aufpassen, denn es sind nicht viele von ihnen übrig.»
Der Schneeleopard hat von allen Grosskatzen das dickste und dichteste Fell. Im Winter wird es stellenweise über zehn Zentimeter lang. Das schützt ihn vor Wind, Schnee und Kälte in seinem Lebensraum, der bis 6000 Meter hoch liegt.
Pferde sind in Kirgistan überall zu finden.
Zu lange keine Regeln befolgt Der Hirte erinnert sich an die streng organiWie ein Schneeschuh sind die grossen Pfoten des Schneeleoparden gebaut. Sie verhindern durch die grosse Auflagefläche, dass er im tiefen Schnee einsinkt.
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Wichtig für die Jagd auf Beutetiere sind die muskulösen Gliedmassen des Schneeleoparden. Mit ihnen kann er angeblich Sätze von rund 15 Metern machen. Das ist zwar kaum nachweisbar, dürfte aber höchstens leicht übertrieben sein.
Morgenroutine im Forschercamp: Zum Frischmachen geht’s an den Fluss.
WO ER LEBT
auf der Landkarte markieren, um möglichst
in seine Uniform schlüpfen, seine Waffe pa-
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Bild: © Abeselom Zerit / shutterstock.com; Illustrationen: © dovla982 / shutterstock.com; © KatarinaF / shutterstock.com; © shemesh2004 / shutterstock.com; © Airin.dizain / shutterstock.com; © Baurz1973 / shutterstock.com; © okili77 / shutterstock.com
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KIRGISTAN
Mongolei
China
WAS ER FRISST Indien
Steinböcke Total: 4000 – 6000 Exemplare, davon u. a. China: 2000 – 2500 Mongolei: 500 – 1000 Indien: 200 – 600 Kirgistan: 150 – 500 Quelle: iucnredlist.org
Argali-Schafe
Nutztiere
Murmeltiere
Königshühner
In Kirgistan gelten Steinböcke als Hauptbeute des Schneeleoparden. Nutztiere werden hier nur selten gerissen. Im Himalaya hingegen soll sich die Beute zu 70 Prozent aus Schafen, Ziegen, Rindern und Yaks zusammensetzen. TIERWELT 31 | 3. AUGUST 2017
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