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PRO/CONTRA

Hannes Namberger und Dmitry Mityaev liefen beim Ultra Trail Cape Town als gemeinsame Sieger ins Ziel. Eine schöne Sache, die den freundschaftlichen Charakter unseres Sports betont oder gar unsaubere Wettbewerbsverzerrung?

Nach einem 10 Kilometer Straßenlauf oder einem Marathon Händchen haltend als Sieger ins Ziel laufen? Ich gebe zu, das finde auch ich befremdlich. Ich werde jetzt hier keine exakte Renndistanz festlegen, ab welcher es legitim ist, gemeinsam zu finishen. Dennoch finde ich, dass ein Ultratrail seine eigenen Gesetze hat. Wer 100 Kilometer über Berge und schwere Trails gelaufen ist, war eben nicht nur schneller als sein Gegenüber, nein er teilt unter Umständen mit jenem Gegenüber ein ganz einzigartiges emotionales Erlebnis. Vielleicht hat man sich gegenseitig motiviert, Gel oder Salztabletten geteilt oder dem Konkurrenten nach einem Sturz auf die Beine geholfen. Über die Distanz und das Gelände entsteht eine Verbindung. Und nach alldem soll nun auf den letzten Asphaltmetern im Sprintduell entschieden werden, wer von Beiden den Kürzeren zieht? Das erfordert dann doch einiges an emotionaler Kälte. Etwas von dem wir uns in diesem Sport eigentlich immer distanzieren wollten. Gemeinsam finishen sollte kein Patentrezept werden, ist aber in diesem Sport ein rein menschlicher Impuls. Wer wären wir, unsere Sehnsucht nach kompetitivem Spektakel dem überzuordnen.

Zugegeben, es fällt mir nicht leicht, dieses Contra zu schreiben. Zu positiv sind die Erinnerungen an so manches legendäre gemeinsame Finish bei noch einmal legendäreren Rennen. 2018 kamen Franco Collé und Jonas Russi beim SwissPeaks gemeinsam ins Ziel – nach 360 Kilometern und knapp 63 Stunden. Und zu genau weiß ich von mir selbst, dass ich bei meinen eigenen Ultrarennen nicht einmal in der Lage bin, auf den letzten ein oder zwei Kilometern ein Rennen gegen mich selbst zu laufen. Geschweige denn gegen jemand anderen. Und doch: Wie krass war etwa der Zieleinlauf auf der 81k-Distanz des Zugspitz Ultratrails 2017, als Alexander Dautel erst im Dorfkern von Grainau auf Max Kirschbaum aufschloss und ihm am Ende 17 Sekunden abnehmen konnte. Oder das einmalige Finale beim TDS 2019, als nach 135 Kilometern ein Trio bestehend aus Dmitry Mityaev, Marcin Swierc und Dylan Bowman fast zeitgleich vom letzten Berg hinunter kam und alle mitfieberten, wer nach den letzten flachen Kilometern als Erster vor der Kirche in Chamonix einbiegt. Trailrunning, so sagen wir immer, findet eigentlich überall statt. Weshalb auch diese letzten Asphaltmeter zu einem Rennen gehören.

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