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DENIS’ KOLUMNE

mein Name ist Denis Wischniewski. Die meisten kennen mich, weil ich der Herausgeber bin, der Goofy, der das Heft hier mitmacht und den Mist am Ende verantwortet.

Ich bin im Jahr 1973 geboren. Das ist so lange her, dass ich mich daran kaum erinnern kann.

Nun, da wir das Jahr 2023 zählen, bin ich sozusagen in der Rush Hour meines Lebens. Nicht in der Rush Hour meines Lauflebens (vorüber), aber in der des ganz allgemein gültigen Lebens. Alles zischt links und rechts an mit vorbei. Alles zerrt an mir, alles lässt mich manchmal 360 Grad auf der Stelle rotieren und mit einem riesigen Fragezeichen auf der Stelle zurück. Ich gehöre zu den Männern im besten Alter, schlechte Clooney-Kopien, die in Wirklichkeit mehr Probleme und Sorgen haben als jemals zuvor. Meine Kinder sind erwachsen und fast erwachsen, aber die Sorgen darum, ob sie maximal bestbehütet groß werden, werden nie kleiner. Und dann ist da immer wieder das mit dem Laufen, dem ich nie davonlaufen kann. Wer glaubt, dass Laufen ein Mittel zur Rekreation ist, täuscht sich - zumindest bei mir, Für mich ist es manchmal und zu oft auch Stress. Am Ende ist es dann aber eine Rechnung mit dem berühmten Doppelstrich und dort kommt eine Summe heraus der ein dickes Plus vorangestellt ist. Insofern - alles bestens. Noch.

Man sollte sich Vergleichen entziehen. Vor allem im Sport. Es macht in 99% aller Fälle keinen Sinn, sich mit anderen zu vergleichen. Die Parameter sind zu verschieden. Ein guter Trailrunner ist die oder der, der ganz einfach den Lauf so läuft, als ob es morgen keinen weiteren gäbe. Die Kunst am Laufen liegt im Hier und Jetzt. Was nützt all das planen und optimieren, wenn der einzelne Lauf seine Qualität verliert, wenn der Kopf rattert, Zweifel Überhand nehmen. Ich plädiere für das Sich-treiben-lassen, für das Ignorieren der Smartwatch.

Ich bin jedenfalls raus, Leute. Ich laufe. Ich laufe schnell und langsam. Ich laufe sogar Intervalle und mit Maximalpuls, aber eben nur, wenn ich Lust darauf habe. Lust ist überhaupt ein guter Begriff im Zusammenhang mit Trailrunning und Laufsport.

Lust ist ja auch so ein Sexding. Vor allem in zunehmendem Alter. Ich habe gelesen, dass sich ältere Paare für ihren Akt feste Termine planen sollten, um überhaupt noch in den Schüttelblues zu kommen. Im Prinzip so etwas wie ein Trainingsplan. Die Lust würde dann von ganz allein kommen und wenn nicht, dann wäre das auch okay. Ja, das Leben ist vom Geschlechtsverkehr bis hin zum Laufsport eine oft stumpfe Excel Tabelle.

Lust also. Lust ist auch eine Schwelle. Eine Stufe und Treppe. Ich habe zu oft keine Lust die Schuhe anzuziehen und rauszugehen. Zu kalt. Zu dunkel. Zu nass. Zu früh. Zu spät. Zu müde. Zu wenig Zeit. Zu irgendwas anderes. Ich zwinge mich. Ich zwinge mich regelrecht in dieses Kunstfaser-Gewand, in die Trailschuhe und es sind schreckliche erste Minuten, meist so lange bis das Haus nur noch klein zu sehen ist. Manchmal wird der Lauf gut, lustvoll und manchmal funktioniert es nicht. Es wird nicht belohnt, dass ich mich gezwungen habe. Die Stufe hinein in die Trailschuhe läuft über Kilometer und bis zurück nach Hause quasi immer vor mir mit. Das gibts. Und das muss ich akzeptieren. Eine Konsequenz daraus wäre: Es lassen. Nur dann laufen, wenn die Lust von Anfang an da ist. Mhhhh. Für mich eine bedingt gute Idee, weil ich so vermutlich nur einmal in 14 Tagen laufen würde. Ich würde fett, teigig, hätte einen Kürbiskopf und schlechte Laune.

Trailrunning ist kein Neuwagen mit Garantie. Ihr habt einen Gebrauchtwagen gekauft, der sehr günstig war, aber viel Pflege benötigt. Das ist Trailrunning! Der Anlasser kaputt? Ihr müsst ihn austauschen. Nie Ölwechsel vergessen. Ach so - mit einem E-Auto wird übrigens auch nicht alles automatisch einfacher.

Eines kann ich übrigens als Läufer auch in später Karriere immer anstreben und aufrechterhalten - Tempo lässt nach, Kraft lässt nach, aber die Lässigkeit kann „increasen“. Vielleicht finde ich über die Lässigkeit, den guten Stil im Laufen auch wieder zur unbedingten Lust. Das wäre mein Plan. Kein Trainingsplan, aber ein Lustplan und Lässigkeitsplan. Diese Pläne führen mich dann zielsicher auch zu höheren sportlichen Zielen, wie den Grand Raid La Reunion, den ich im Oktober gerne laufen würde. Ein 170 Kilometer Ultratrail, der vielleicht schwerste der Welt und ein Finish nur über Lust, Lässigkeit und etwas Logik.

In der Rush Hour des Lebens, in diesem verfickten „best ager“ Status, in dem ich feststecke, sollen die doch alle an mir links und rechts vorbei zischen und mich wie Walter Mitty stehenlassen. Sollen sie doch. Ich laufe MEIN Ding, meinen Rhythmus und mit sinkender Followerzahl. Bei aller Communityrun- und Gruppenlauf-Tendenz bleibe ich doch auch gerne der Ausdauersport-Eremit, ein Individualist und Eigenbrötler. Trailrunning bietet wirklich alles für introvertierte Jungs wie mich - einsame Weite, left Foot, right Foot, die immer selben Muster, die immer selbe Laufrunde zur immer selben Uhrzeit. Laufen ist für mich auch ein Heimathafen, so ein Ort, in dem ich mich sicher fühle und mal lustvoll, mal lustlos einfach das sein kann was ich eben bin.

Ich hasse Vergleiche. Hatte ich schon erwähnt. Was ich mich früher als junger Radrennfahrer mit anderen Jungs aus dem Verein messen musste. Sick war das. Es ging teilweise nicht mehr um die eigene Leistung, sondern nur noch darum, irgendwie vor den anderen zu landen. Ein Zustand, der so etwas wie ein InstagramVorgänger war.

Heute ist nun Ruhe eingekehrt in mich und den Sport. Diese benannte Rush Hour, soll rauschen. Sie soll gerne ein Grundrauschen bleiben und mich stehen lassen. Zisch. Links vorbei. Zisch. Rechts vorbei. Ich beuge mich nach unten. Langsam. In aller Ruhe, wegen der Bandscheibe und ziehe mir die Trailschuhe an. Bin dann mal draußen beim Laufen. Auch wenn es etwas Überwindung kostet.

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