1 minute read

Startbedingungen

Unser Autor ist jenseits der 45 und hat sich nun überlegt, dass sein Laufsport in diesem Jahr wieder eine „Saison“ werden soll. Wieso es hin und wieder Sinn machen

Mit mir war kein Start zu machen. Das war zumindest in den vergangenen Jahren so. Und als bei uns vor wenigen Wochen eingebrochen wourde und dabei auch die Schublade mit den ganzen Finishermedaillen (und der analogen SchleppzeigerStoppuhr meines Vaters, aber das ist eine andere Geschichte) quer durchs Schlafzimmer geschüttet wurde, kam mir das vor wie ein Relikt aus fernen Zeiten. Stimmt, da war ja mal was, das Laufen auf Zeit. Das Laufen als Event. Wie aus mir ein Wettkampfläufer wurde, weiß ich noch ganz genau. Mit meinem Vater lief die Wette, ob ich bei der City Night in Berlin – einem, hust, Straßenzehner über den Kurfürstendamm – seine Bestzeit knacken konnte. Ich „joggte“ da gerade mal seit einigen Monaten. Einen Pulk von 10.000 Läufer:innen und meine 41:59 fand ich spektakulär. Seitdem gehörten regelmäßige Wettkämpfe zu meiner Laufroutine, wobei die Distanzen länger, die Landschaften schöner und die Teilnehmerzahlen übersichtlicher werden sollten.

Wie aus mir dann kein Wettkampfläufer mehr wurde, diese Entwicklung liegt rückblickend ziemlich im Nebel. Klar, ich bin in erster Linie Journalist. Weshalb es zunächst eine rein professionelle Entscheidung war, bei Einladungen für das Trail Magazin den inkludierten Startplatz auszuschlagen. Wie will ich authentisch von den Gefühlen der Sieger:innen berichten, wenn ich zeitgleich irgendwo im hinteren Mittelfeld und in meinem ganz eigen Film durch die Berge marschiere. Eine Reportage ist nichts, was sich nebenbei erledigen lässt. Ob das auch eine Ausrede war? Vielleicht. Wobei, ich war ja glücklich mit meiner Art zu laufen. Ein Race-Wochenende in den Bergen: eine schlaflose Nacht vor Aufregung und noch eine vor Erschöpfung. Dazwischen fünf, sechs Stunden das sprichtwörtliche gestochene Schwein. Ein anderes Trailwochende in den Bergen: Flow, tiefe Eindrücke und zwischendurch noch Muße für all die schönen Dinge des Lebens und die Landschaft. Laufen ohne Druck, coole Sache. Nur ist das mit dem Druck aber auch so: Druck komprimiert, er verdichtet. Und das hilft sehr, wenn das eigene Verhältnis zum Laufen gerade an eher losen Fäden hängt. Ich wurde katholisch erzogen, mir fehlt das pietistische Selbstquäl-Gen. Ich mach nicht einfach Bergintervalle am Berliner Teufelsberg, nur weil ich es (nicht) kann. Deshalb versuche ich es in diesem Jahr mal wieder mit drei, vier Rennen. Und siehe da, umgehend formiert sich, woraus (hoffentlich) bald eine Form werden wird. Die langen Läufe werden wieder lange Läufe, aus vier Einheiten in der Woche werden tatsächlich vier. Vor allem aber wird das Laufen noch einmal intensiver und schöner. Das hatte ich tatsächlich fast vergessen.

This article is from: