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PORTRÄT Ludwig Kendzia
Text & Fotos: CLEMENS NIEDENTHAL
Ludwig Kendzia ist gut darin, Dinge ans Licht zu bringen. In Fernsehund Radioreportagen berichtet er von rechtsradikalen Männerbünden oder kalabrischen Mafia-Clans. Wir haben den Thüringer als Trailrunner kennengelernt, als Teilnehmer unserer Lesercamps am Gardasee. Und später erfahren, dass er fast mal ein Rockstar war. Begegnung mit einem Spurensucher.
Vielleicht habt Ihr Ludwig Kendzia schon einmal im Fernsehen gesehen. Seine Reportage über die 'Ndrangheta lief im vergangenen Jahr in der ARD. Eine investigative Recherche über die kalabrische Mafia und wieso diese nach 1990 ausgerechnet in Erfurt und Thüringen Fuß fassen konnte. In „Unsichtbare Kartelle – Die Mafia in Mitteldeutschland“ zitieren Kendzia und sein Rechercheteam aus einem Abhörprotokoll der italienischen Polizei, in dem ein sogenannter Broker der Organisation einen Boss in Kalabrien fragt, was er in Ostdeutschland kaufen solle. Der Mafiosi antwortet schlicht: „Alles.“ Auch von den Mafiamorden in Duisburg, am 15. August 2007 wurden sechs Menschen direkt vor einem italienischen Restaurant erschossen, führten die Spuren direkt nach Erfurt.
Was für eine Geschichte! Wobei Ludwig Kendzia Wert darauf legt, dass seine Recherchen eben genau das nicht sind – keine Geschichten also. Sondern mühsam und vor allem geduldig und im Team zusammengetragene Puzzleteile. Eine oft jahrelange und immer verschwiegene Arbeit, die auch mal in Sackgassen mündet und sich immer wieder selbst hinterfragen muss. Wie verlässlich ist eine Quelle? Welchen eigenen Nutzen könnte ein Informant aus seiner plötzlichen Gesprächigkeit ziehen? Wie passt das alles zusammen? Die rassistischen Morde des NSU, die kalabrische 'Ndrangheta und zuletzt die gleichsam skurrile wie gefährliche Reichsbürgerbewegung – Ludwig Kendzia taucht ein in Milieus, denen man eigentlich nicht zu nah kommen möchte. Er tut dies nie mit der vulgären Gier eines Polizeireporters. Er tut dies, ja, mit der Beharrlichkeit und auch der Demut eines Langsteckenläufers. Eines Langstreckenläufers? „Für einen Langstreckenlauf“, so Kendzia, „braucht man jede Menge Geduld und eine gewissenhafte Vorbereitung. Durchhaltevermögen, also Kondition, braucht man sowieso. Das sind alles Dinge, die sich auch gut auf eine investigative Recherche übertragen lassen. Am Start siehst du, spätestens bei einem Ultralauf, das Ziel noch nicht. Und du hast keinen Schimmer, wie und erst recht nicht wann du dort ankommen wirst. Das ist in einer Investigativrecherche genau das gleiche.
Du fängst an, an irgendwelchen Fäden zu ziehen und gehst dann Stück für Stück diesen Weg. Du verläufst dich, scheiterst, versuchst es noch mal mit einer anderen Abzweigung. Wenn ich etwa zurückdenke an unseren Film über die Mafia, da haben wir drei Jahre dran gearbeitet – das ist viel Zeit, das ist eine sehr, sehr lange Strecke.“ Was die Recherche und das Ultrarennen noch gemeinsam haben: Beide bestrafen den Übermut, bestrafen zu impulsive und vielleicht auch euphorische Momente, bestrafen jene, die meinen, zu schnell im Ziel zu sein: „Als dann der 45-Minüter über die Mafia in der ARD lief, habe ich mir das in Ruhe und entspannt im Fernsehen angeguckt und alles nochmal Revue passieren lassen. Ungefähr so habe ich mich auch im Zielbereich nach meinem ersten Ultra an der Zugspitze gefühlt.“
Youtube-Schnipsel vom Mont Blanc Zum Laufen war Ludwig Kendzia dabei schon ein paar Jahre früher gekommen. Aber auch das hatte mit seinem Beruf als Journalist und Reporter zu tun: „Nach dem Studium hatte ich mich eigentlich für ein Praktikum