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MYVIRTUALTRAIL.DE
Zeigs uns nochmal!
Das war ein toller MVT-Sommer 2022. Viele von euch waren auf den 15 Strecken unterwegs, viele haben persönliche Rekorde aufgestellt und sich für Wettkämpfe in Form gebracht oder haben sich mit anderen Zeiten gemessen. Eine letzte Challenge wartet nun auf Euch ...
Siebengebirgsumrundung von Sebastian Maier
Sebastian Maier wollte es wissen. Analog zum Vorbild UTMB umrundete er nicht nur einen Gipfel, sondern einen ganzen Gebirgszug. Und zwar das Siebengebirge. Satte 27 Kilometer mit 1000 Höhenmetern kamen bei der Umrundungen dieses rheinischen bis zu 461 Meter (Ölberg) hohen Gebirges zusammen: „Schön war’s mal wieder, habe alte Ecken seit Jahren mal wieder gesehen und ein paar, zumindest gefühlt, neue Wege erlaufen.“
Text: BENNI BUBLAK
Das Myvirtualtrail Jahr neigt sich dem Ende zu. Noch bis zum 30.11. habt ihr die Chance eine oder mehrere unserer 15 Strecken zu laufen. Vielleicht rückt ihr dadurch auch noch den ein oder anderen Platz in unserer Jahresbestenliste hinauf. Zumindest die ersten Plätze, sowohl bei Herren und Damen scheinen aber schon vergeben zu sein. So immens ist der Vorsprung von Rene Strosny (362 Punkte) und Helen Schrötter (237 Punkte). Gesammelt haben sie diese Punktzahl über insgesamt 32 Aktivitäten (22 – Rene; 10– Helen). Respekt! Rene, der sich schon letztes Jahr ganz oben in der Jahresbestenliste platzierte, fehlen aktuell nur noch zwei Strecken, bis er alle 15 Strecken unserer Lauf-Plattform absolviert hat. Die Strecken sind alle zu weit weg von deiner Heimat und sowieso gibt es die besten Trails eh vor deiner Haustür? Dann zeig uns unbedingt deine Premium-Trailrunde bei dir daheim (siehe Oktober Challenge). Denn wir suchen für das kommende Jahr wieder wunderschöne Strecken zwischen Flensburg und Zugspitze, Saarschleife und Zittauer Gebirge.
Im August drehte sich alles um den Ultratrail du Mont Blanc. Wir wollten im Rahmen unserer August-Challenge, dass ihr eure eigene Gebirgsumrundung lauft. Sei sie auch noch so unvergleichbar mit der großen Runde um den weißen Eisriesen. Vier schöne Umrundungstouren aus eurer Feder, ääh Füßen, möchten wir euch daher an dieser Stelle vorstellen.
Muppbergumrundung von Patrick Engelhardt
Neustadt bei Coburg hat einen ganz prächtigen Hausberg. Diesen zu umrunden fiel Patrick nicht ganz leicht, kostete ihn aber nur schlappe 12 Kilometer: „Es fällt zwar nicht leicht die schönen Trails auf dem Muppberg zu ignorieren, aber eine Runde um den “Mount Neustadt” mit ständigen Blick auf unseren Hausberg hat auch seinen Reiz.“
Spitzfels und Wolfsberg Umrundung von Armin Eichenhofer
Mitten im Schwarzwald ausgehend von Wolfach umrundete Armin auf einer 11 Kilometer langen Runde zwei vertraute Gipfel auf ungewohnten Pfaden: „Auf dem Spitzfelsen bin ich schon einige Mal gewesen aber umrundet habe ich ihn noch nie. Danke für die Challenge und die Idee die Dinge mal anders zu erlaufen.“
Glessener Höhe Umrundung von Christof Wilczek
Den höchsten Berg Europas und den höchsten Berg des Rhein-Elft-Kreises, trennen nur schlappe 4600 Höhenmeter. Streng genommen ist die Glessener Höhe (205 m) nichtmal ein richtiger Berg, zumindest kein Natürlicher. Christof hat es nicht so genau genommen und ihn während eines 33 Kilometer Longruns umrundet: „Abraumhalde = Berg? Auf der Glessener Höhe steht ein Gipfelkreuz und deswegen ist er mein Hausberg ohne Anfahrt (door to trail)“
Oktober Challenge: Deine Strecke für 2023!
Du hast eine Strecke in Deinem vertrauten Trail-Gebiet, die unbedingt überregionale Aufmerksamkeit verdient hätte? Im Rahmen der Oktober Challenge wollen wir schon nach geeigneten Routen für das kommende MyVirtualTrail Jahr suchen. Vielleicht wird deine Trainingsrunde 2023 eine der 15 neuen MVT-Strecken. Die Strecke sollte zwischen 15 und 40 Kilometern lang sein und möglichst viele und attraktive Trails Deiner Region enthalten. Laufe die Route ab und lade im Bereich Competitions deine gpx Aktivitäts-Datei, ein paar Streckenbilder und eine kleine Streckenbeschreibung hoch und Du bist dabei.
Text & Fotos: CLEMENS NIEDENTHAL
Auf Bornholm bin ich meinen ersten Ultra gelaufen. Damals 2013. In diesem August komme ich Das geschlossene System
als Urlauber zurück. Sieben Tage in einem Sommerhaus hinter den Dünen. Und auf Trails, wie sie diverser kaum sein könnten. Auch, weil es auf Bornholm Felsen gibt, wie sonst nirgends in Dänemark. Eine Liebeserklärung
Ich mag Inseln. Ich mag die Logik, der sie folgen. Die klare Kante zwischen Land und Meer, die meistens auch ein Trail ist. Ich mag das Wetter, dem man entlang dieser Kante noch einmal intensiver folgt. Ich mag die Eindeutigkeit einer Insel. Es gibt keine Übergänge. Alles auf dieser Insel ist für die nächsten sieben Tage potenziell interessant. Alles andere liegt auf der anderen Seite des Meeres.
Ich mag Bornholm. Ganz besonders Bornholm. Hier bin ich 2013 meinen ersten Ultra gelaufen. Den Hammertrail. Hier habe ich Kim Rasmussen kennengelernt. Läufer. Laufveranstalter. Lauftrainer. Weswegen diese Geschichte über eine Augustwoche auf dieser dänischen Insel, die doch dem schwedischen Festland so viel näher liegt, an einem Donnerstag, Punkt 17 Uhr, auf dem Sportplatz von Tejn beginnt. Intervalltraining mit dem Tejn IF, Dänemarkts vielleicht bekanntestem Trailrunningverein. Tim Rasmussen wird uns in den kommenden zweieinhalb Stunden über eine knackige, tückische Schleife schicken. Dreimal im Uhrzeigersinn, dann dreimal in umgekehrter Richtung. Den Schotterweg zwischen den Sommerhäusern hinunter, den kleinen Pfad mit Blick auf das Meer, scharf rechts den Wurzeltrail und dann als Gegenanstieg die lange Treppe. Wir schenken uns nichts. Und nach sechs Runden weiß ich, dass mich der Hammertrail im kommenden Mai wiedersehen wird. Dass ich auf Bornholm einfach sehr, sehr gerne renne.
Viele, die man hier auf Bornholm trifft, sind irgendwann zurückgekommen. Wie Martin Barslund Jensen, der in guten und sehr guten Restaurants auf dem dänischen Festland und in der Welt gearbeitet hat, um dann auf Bornholm selbst Wein anzubauen. So wie Pia Bajlum und Kasper Bajlum Müller, denen während eines Besuches bei seinen Eltern das leerstehende Strandhotel, tatsächlich heißt es auf dänisch Strandhotellet, in Allinge aufgefallen war. Und die dann tatsächlich einen Millionenbetrag zusammenkratzen konnte. Und noch einmal einen für die sehr geschmackvolle Sanierung des luftigen Hotelbaus aus dem späten 19. Jahrhundert. Mit den Zimmern im zarten Blau, das weder mit dem Blau der Ostsee konkurrieren sollte, noch mit jenem des Himmels und das darüber hinaus ganz unbedingt nicht kitschig sein durfte. So wie Nicolai Nørregaard, der in Kopenhagen die New Nordic Cuisine miterfunden und später einen Ableger seines mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichneten Restaurants Kadeau in die Dünen von Ostre Somarken gestellt hat. Der schlichte schwarze Holzbau wirkt dabei wie eines der typischen, legeren Strandlokale und kaum wie eines der wichtigsten Restaurants Nordeuropas. Kein Logo, ja nicht einmal ein Türschild. Dänisches Understatement. Helle Morgensen, die Frau vom Tourismusverband, hat festgestellt, dass solche Rückkehrer:innen jetzt häufiger kommen. Und früher. Bereits in den Dreißigern. Das mag am zunehmend ortlosen Arbeiten liegen, am Internet. Vor allem aber liegt es an dem Versprechen dieser Insel, ein besonderer Ort mitten im Meer zu sein. Groß genug, um ein hinreichendes Repertoire an Orten, Landschaften und Stimmungen bereitzuhalten. Aber klein genug, um noch auf Leute mit wirklich guten Ideen zu warten. Wie auf Jessica und Christian Andersen von der Microbrauerei Pennylan in der alten Fischfabrik von Tejn. Sie kam sogar den weiten Weg aus Australien auf die Insel. Es gäbe doch keinen schöneren Ort zum Leben, „auch im Winter, nein, vor allem im Winter.“ Was Jessica Andersen auch festgestellt hat: Die Menschen entdecken die Kliffe. Die felsigen, beinahe gebirgigen Küstenpassagen, die es in Dänemark tatsächlich nur auf Bornholm gibt: „Das hat in der Pandemie angefangen, als die Leute eben nicht mehr nur vier Wochen im Jahr in ihren Sommerhäusern waren. Plötzlich hat einer nach dem anderen sein Haus im Süden verkauft und sich etwas hier im Norden gesucht. Spazierengehen, ja Wandern war auf ein-
Infos Bornholm
Ab Sassnitz auf Rügen verkehren die Fähren in die Inselhauptstadt Rønne endlich ganzjährig (Fahrzeit dreieinhalb Stunden). Wer ohnehin durch Schweden reist, kommt mit den Tragflächenfähren ab Ystadt merklich schneller ans Ziel. Als Basislager für einen Trailurlaub empfiehlt sich neben dem hügeligen Norden (von Hasle bin Tejn), die gesamte Ostküste mit den pittoresken und belebten Dörfern Gudhjem und Svaneke und exponierten Küstentrails. Spätestens im Sommer und mit Familie kommen auch die Sandstrände bei Dueodde und Balka ins Spiel, zumal es dort die meisten Ferienhäuser und Campingplätze gibt. Abseits der Hauptsaison macht sich der öffentliche Nahverkehr rar, eine Empfehlung hingegen, Bornholm nur mit dem Rad (und Laufschuhen) zu bereisen. Die guten, landestypisch sehr geschmackvollen Hotels sind relativ teuer, eine Nacht im traumschönen Strandhotellet in Allinge könnte man sich dennoch gönnen. Ferienhäuser sind nicht teurer als hierzulande und zumeist recht groß (drei Schlafzimmer), perfekt für eine Laufgruppe. Gerade innerhalb der Orte finden sich aber auch kleinere Wohnungen. Manche Restaurants, Campingplätze etc. sind nur während der Sommersaison geöffnet, die inzwischen aber immerhin bis weit in den Dezember reicht. Recht voll, aber nie zu voll, ist es von Anfang Juli bis Mitte August, der dänischen Hochsaison. www.bornholm.info/de
mal das Ding.“ Bornholm, das sind die Alpen Dänemarks. Was man auf Bornholm gerade auch entdeckt: Die Fischerei- und Industriehäfen mit ihrer pragmatischen, manchmal fast brutalistischen Architektur. In solchen Zweckbauten entstanden die Microbrauerei Penyllan oder das Weinlokal Kanteen (beides in Tejn) und Pia Bajlums mexikanisches Restaurant Paloma (in Nexø). Die Dän:innen, ausgerechnet die Dän:innen, scheinen plötzlich keine Lust mehr drauf zu haben, dass alles immer nur hygge ist.
Tatsächlich, als ich am Osterwochenende 2013 zum ersten Mal auf Bornholm war, war der Norden der Insel noch doppelt verschlafen. Einerseits, weil sich der Tourismus noch auf die fast weißen Sandstrände bei Dueodde konzentriert hatte, die verlässlich unter die „Top 50s Beaches of the World“ gewählt werden. Und auf die pittoresken Hafendörfer an der Ostküste, Svaneke und Gudhjem vor allem, in denen sich der Charme des vorvergangenen Jahrhunderts bewahrt hat. Andererseits, weil die Tourismussaison auf der Insel sowieso ein kurze war. An Mittsommer ging es los und bereits im August leerten sich die Strände und Campingplätze wieder. Beides ist heute anders. Bornholm hat sich, mit Hilfe des Tourismusmarketings, aber mehr noch
Neu belebte Hafenareale: Die Weinbar Kanteen in Tejn, das mexikanische Paloma in Nexø
durch lokale Initiativen und dem, was man gemeinhin den Zeitgeist nennt, als Outdoorinsel neu erfunden. Seit diesem Jahr fährt auch die Fähre von Rügen ganzjährig. „Gerade an Weihnachten und Neujahr“, sagt Helle Morgensen, die Touristikerin, „kommen viele aus Berlin oder Hamburg, die die ruhigste Zeit im Jahr tatsächlich als eine ruhige Zeit verbringen wollen.“ Auch viele der jungen, handwerklichen Gastronomien, die ursprünglich als Saisongeschäft gestartet waren, haben inzwischen ganzjährig geöffnet. Nur im November und ab Mitte Januar gönnt sich die Insel noch eine kleine Auszeit
Anders Heindorff ist einer dieser handwerklichen Köche, die nach Bornholm gekommen sind. Obwohl er diesen Beruf genau genommen nie wirklich gelernt hat. Und genau deshalb schmeckt es im Provianten an der Hafenkante von Gudhjem eben so wie es schmeckt. Heindorff serviert eher gut kuratierte Produkte als wirklich gekochte Teller. Einen Blauschimmelkäse aus dem Norden Dänemarks mit einer selbstgemachten Brombeermarmelade, was dann zusammen beinahe wie ein säuerlicher Cheesecake schmeckt. Oder eine alte Karottensorte mit angegrillten Salatherzen. Nur unter den raspeldünnen Scheiben von der Rosa Bete finden sich selbstgemachte Hackfleischbällchen, der skandinavische Klassiker. Jeder Teller kostet rund 6 Euro. Zu zweit oder zu viert lädt man sich einfach den Tisch voll und isst kreuz und quer. Sharing is caring. Hin und wieder sei es noch immer schwer, ein solches Restaurant, eigentlich ist auch das Provianten eher eine Weinbar, zu führen, erzählt Anders Heindorff. Gerade mitten im Hafen mit seinen Tourist:innen, die dann doch immer nach einem klassischen Hauptgericht verlangen. Oder nach einer Pizza. Heindorff aber gehört zu jenen, die sich in den Kopf gesetzt haben, den Geschmack Bornholms zu verändern. Nicht didaktisch und von oben herab. Sondern mit viel Geschmack und einem Gespür für die Region, die Saison und die Atmosphäre. Gerade hat er sich in ein neues Projekt gestürzt. Er macht Cidré, also Apfelwein. Aber nicht, wie wir ihn aus Deutschland kennen, sondern beinahe so, wie man auch Champagner macht. Mit Flaschengärung und langer Lagerzeit auf der Hefe. Aber gutes Essen geht auf Bornholm auch mal ganz schnell. Im kleinen Hafen von Allinge etwa, gleich gegenüber des Strandhottelet, wo zwei Mitzwanziger:innen unter dem Wohlklang einer merklich älteren Playlist (Kinks, Love, Fleetwood Mac) im Zweieinhalbminutentakt Pizzen backen, die dann die Tourist:innen, und offensichtlich auch das halbe Dorf auf der Hafenmauer sitzend essen. Gut, dass mein Lauf heute hier endet. Und dass es da diese Sauna gibt, ein Betonkubus, fast unsichtbar in die Kaimauer integriert. Das Dorf hat sich die Sauna selbst geschenkt und jeder, der mag, kann sie in der dunklen Jahreshälfte für 50 Kronen (gut 6 Euro) anfeuern. Im Sommer ist die Benutzung umsonst. Und das Bad im Hafenbecken auch an diesem späten Augustabend noch eher wohlig warm als allzu erfrischend. Trails, die man auf Bornholm unbedingt rennen sollte: Die 25k-Schleife des Hammertrail hier im Norden der Insel mit seinen exponierten Trails, einen Fuß beinahe im oder hoch über dem Meer. Vorbei an der Ruine des Hammerslots und durch den großen Granitsteinbruch. Entlang der beiden Leuchttürme, es gibt sogar einige ausgesetzte Passagen. Und dann die 340 Stufen jener Holztreppe hinunter, die vor gut 150 Jahren einmal angelegt worden war, damit Schiffbrüchige an der zerklüfteten Steilküste überhaupt die Chance hatten, das rettende Ufer zu erreichen. Die GPS-Daten des Kurses mit rund tausend positiven Höhenmetern, gibt es auf der Hompage der Veranstaltung (www.hammertrail. dk). Und den Ufertrail von Bornholmer Kunstmuseum über Gudhjem und Svaneke nach Nexö (rund 30 Kilometer).
Anders Heindorff ist aus Kopenhagen auf die Insel gekommen. Im Provianten in Gudhjem kuratiert er beste Produkte zu unglaublich köstlichen Tellern. Die Sandstrände bei Dueodde werden verlässlich unter die „50s best Beaches of the World“ gewählt
Der schönste Trail Bornholms: Die 25k-Schleife des Hammertrail, mit einem Fuß immer im oder über dem Meer.
Bornholm Hammertrail
Dieses Rennen ist so gut, und ich spreche aus Erfahrung, dass es gleich zweimal im Jahr veranstaltet wird. Im Januar als Winter Edition – falls nicht wie im letzten Jahr ein Wintersturm die kompletten Fährverbindungen zum Erliegen bringt. Die, die schon auf der Insel waren, sind dann aber trotzdem gelaufen. Und einmal Ende Mai. Auf einer traumschönen, stets kupierten 26k-Runde geht es durch den felsigen Norden der Insel. Die Distanzen: von ganz kurz bis zu bis zu 50 Meilen. Für das bekannteste und anspruchsvollste dänische Ultrarennen gibt es bis zu drei ITRAPunkte. Die Sommer Edition ist zudem Teil der skandinavischen Golden-Trail-Series (Distanz 33 Kilometer). Veranstaltet werden beide Rennen, und noch einige mehr, von Lene Møller, Kim Rasmussen und dem umtriebigen Dorfverein Tejn IF. Wenn Ihr also nach Bornholm vorbeischaut: . Donnerstags um 17 Uhr am Sportplatz in Teijn und Samstags, 13 Uhr, auf den Hammertrails, Start im beschaulichen Hammerhavn (man kann sich nicht verpassen). Sagt dennoch vorher via Mail Bescheid. www.hammertrail.dk www.tejnif.dk
Am besten an einem raueren Morgen, wenn der Ostwind die Wellen gegen die Felsen peitscht. Und das Meer so grau ist wie der Himmel und die Felsen. Der Weg ist radikal logisch, immer am Wasser lang, und auch in einzelnen Etappen laufbar, zumal der öffentliche Nahverkehr im Gegensatz zum Inselinneren auf der zumeist parallel zum Trail verlaufenden Küstenstraße recht rege funktioniert. Die Dünen im Süden bei Dueodde und Somarken, mit dem Strandhafer, den Heidegewächsen und dem feinen, fast weißen Sand, einfach immer der Nase nach. Und das Ekodalen, das Echotal, im Inselinneren, das so heißt, weil es in dieser eiszeitlichen Senke tatsächlich ein Echo gibt. Probiert es einfach aus. Ruft Trail Magazin.
Kim Rasmusssen (Mitte) ist Läufer und Laufveranstalter. Und als Trainer ein sympathischer, aber harter Hund.
Text: DENIS WISCHNIEWSKI Fotos: ANDI FRANK, KLAUS FENGLER, PHILIPP REITER
Im Finale.
In meinem Sport gibt es diese festen Säulen: Kilian Jornet siegt immer, ich vertrage keine Energy-Gels, ich starte immer zu schnell. Und - es gibt den Transalpine Run, seitdem ich ein Trailrunner bin. Grund genug zum dritten Mal dabeizusein. Eine Alpenüberquerung mit allen Konsequenzen, Emotionen und Umwegen.
Mindestens drei der acht Etappen führten durch hochalpines Terrain und liessen die Luft merklich dünner werden. Als der Transalpine Run im Jahr 2005 zum ersten Mal seinen Weg als Wettkampf über die Alpen fand, stellte Gerhard Schröder die Vertrauensfrage, verkaufte Adidas Salomon und starb Modezar Rudolph Mooshammer. Schröder und Mooshammer hätten es niemals zu Fuß über die Alpen geschafft, mit Adidas und Salomon wäre man auch heute noch gut ausgerüstet, wobei aktuell Dynafit als Hauptsponsor des „TAR“ dem Event und auch der neuen Route seinen alpinen Stempel aufdrückt. Die Route über 290 Kilometer und 17.500 Höhenmeter sollte die anspruchsvollste in der Historie des Team-Wettbewerbs werden. Über den Transalpine Run zu berichten ist von außen betrachtet fast unmöglich. Das Rennen, welches sich in 8 Etappen und 8 Tagen von Garmisch bis nach Vals in Südtirol fortbewegt, wird nach nur wenigen Tagen zu einer Glocke und eingeschworenen Gemeinschaft. Wer also wissen möchte, was oder wie der TAR ist, muss sich die Mühe machen, selbst teilzunehmen. Es gibt schwere Bergläufe, epische Ultratrails, den UTMB, Skyraces oder Adventureruns, aber eben nur einmal den „TAR“. Kein anderer Trailrun auf der Welt bringt seine Teilnehmer so sehr an spezielle Grenzen, denn am Ende ist es die pure Dauer über eine ganze Woche in Verbindung mit Tagesstrecken, die an die Marathondistanz heranreichen und dabei oft bis zu 3000 Höhenmeter schwer sind. Eine Woche lang sind wir eine Person. Till und Denis. Ein Team. Für 8 Tage. Kategorie: Senior Master Men. Addiert über 100 Jahre jung. Wir starten als Team „Trail Magazin“. Für Till wird es nach vielen tollen Wettkämpfen, einem UTMB Finish, Altersklassen-Siegen beim ZUT oder im Oman, der erste Transalpine-Start sein. Ich weiß zumindest was auf mich zukommen kann, denn es wird meine dritte Teilnahme sein. Immer hin kam ich immer gesund und zufrieden an. Das soll mit Till natürlich genauso ablaufen.
Ich erinnere mich an meine beiden Teilnahmen 2015 und 2017. Zunächst lief ich mit Tom Wagner, einem viel, viel stärkeren Partner. Eigentlich vollkommen inkompatibel, aber dadurch, dass Tom sich damals zu 100% auf mich einließ,
Ida-Sophie Hegemann (The North Face) gewinnt gemeinsam mit Sebastian Hallmann (Brooks/VWR) die hochklassige Mixed-Wertung.
mich zog, schob und sich kümmerte, waren wir eine echte Einheit - ohne Stress, ohne Streit oder Befindlichkeiten. Er hätte viel schneller sein können, aber darum ging es nicht. Ihm nicht und mir erst recht nicht. Zwei Jahre später stand ich am Start der Westroute mit Gerald Blumrich, einem 15 Jahre älteren Läufer. Wir waren auf dem ein und selben Niveau. Wir hatten den gemeinschaftlichen Sinn, einfach eine nette Woche laufenderweise zu verbringen und kamen mehr als glücklich in Italien an. Mit Till ist es diesmal ein wenig anders. Wir sind auch außerhalb des Events ein Trainingsteam, leben im selben Ort, kennen einander gut und waren in Coronazeiten auch ein wenig zu langen Trails ohne Startnummer verdammt. Dass wir beide als Duo hier mitmachen ist mehr als nur logisch, konsequent und sinnvoll. Seit Monaten reden wir darüber, studieren die Startliste, um zu eruieren, wer uns in Konkurrenz steht. Jeder Trainingslauf im Vorfeld ist so etwas wie eine Trockenübungs-Etappe.
Nun ja, irgendwann ist es dann jedenfalls soweit. Start. Erste Etappe. Wir holen unsere Startnummern, bekommen riesige Taschen, die für eine Woche von Ort zu Ort, Hotel zu Hotel wandern. Dass das auch mal holprig ist, erfahren wir später. Wieso sollte unser Gepäck problemlos vorankommen, wenn wir es auch nicht tun? Am Vorabend checken wir im Hotel ein, holen uns die letzte Speisung, breiten die Ausrüstung für den frühen Morgen, die erste Etappe von Garmisch nach Nassereith auf den Betten aus und kommen anschließend nicht in den Schlaf. Zwei gestandene Männer, ein Jurist, ein Journalist sind nervös und zappelig, wie Teenager vor der Abschlussfahrt nach Paris.
Um 8 Uhr fällt der Startschuss. Wir rennen mit 300 anderen Teams in einem 4:15er Schnitt aus dem Ort hinaus in Richtung Eibsee. Wir sind zu schnell. Viel zu schnell. 43 Kilometer und 2500 Höhenmeter später wissen wir das natürlich. Am Nachmittag liegen wir wieder im Hotel. In einem anderen, einem Hotel, das ich seit Jahrzehnten kennen und nie und nimmer auf die Idee gekommen wäre, dort einzuchecken. Vom Balkon aus blicken wir auf den Stau der Fernpaßstraße, auf viele holländische KFZ-Kennzeichen. Alles nach dieser schweren Etappe wirkt skurril. Till und ich sind noch nicht im Rennen angekommen. Wir meiden am Abend die Pastaparty - wie so oft in den kommenden Tagen, denn die Wege dorthin erscheinen uns mit dem Shuttlebus zu weit und wir sind müde. Sehr müde. Im Prinzip nutzen wir jede Sekunde nach den Läufen für unsere Regeneration. Früher war das anders. Ich sag es wie es ist: Mit 49 und 53 kann man noch sehr flott die Berge hoch und wieder runter, aber man braucht Erholung und Ruhe und die Zeit, dies zu tun. Am nächsten Morgen vergisst der Shuttlebus, dass rund 20 Teilnehmer im Hotel Fernsteinpass darauf warten, um 5.30 Uhr abgeholt und zum Start nach Imst gebracht zu werden. Er kommt einfach nicht. Wir frieren. Eine Stunde lang und dann wird der Start wegen uns um 10 Minuten verschoben. Der Tag am Tschirgant wird dennoch großartig und von einzigartigen Panorama-Blicken geprägt. Wir sind im Flow, erkennen im Ziel aber doch sehr, dass wir hier darum kämpfen in den Top10 unserer Klasse zu landen. Die Teams vor uns erscheinen heldenhaft, bärenstark und zäh. Platz 10 ist unser Ziel. Unser Traum, einmal auf diesem Podium zu stehen und sei es nur auf einer einzigen Etappe, wird unerreichbar bleiben. Überhaupt fällt mir auf, dass dieser Transalpine Run eine Entwicklung hinter sich hat - zwar mögen internationale Top-Teams fehlen, große Namen dem Event fern bleiben, aber in der Breite und im ersten Gesamtdrittel ist alles ein großen Schritt nach vorne geschritten und zusammengerückt. Es ist beeindruckend, wie schnell der sogenannte „Breitensport“ hier über die Alpen rennt, wie professionell das alles angegangen wird. Die meisten hier haben sich seriös, mit Trainingsplan und persönlicher Trainingsunterstützung auf diese Woche vorbereitet. Till und ich übrigens nicht. Hätten wir mal sollen. So, bleibt uns nur unsere Erfahrung, das Zurückgreifen auf alte Leistungen und das Wissen, daß wir es irgendwie schon können. Die dritte Etappe ins Pitztal treibt allen, wirklich allen den höchsten Respekt in die Beine. 54 Kilometer. 2700 Höhenmeter. Ein mächtiges Ding, irgendwie unvermittelt am Anfang des Rennens, früh genug, um es zu laufen, aber mit soviel Restdistanz, dass man sich viel Gedanken darum macht, wie man mit dieser Ultrastrecke die folgenden Tage überstehen soll. Es wird meine persönliche Qual und auch eine Prüfung für Till. Bei Kilometer 21 von 54 drückt der Magen. Alles muss raus. Ich hänge über dem Zaun. Teams laufen an uns vorbei, fragen nach dem Befinden, das ja keinerlei Interpretationsspielraum bietet.
Irgendwann sind wir bei Halbzeit. In Mandarfen wartet ein Ruhetag auf uns, der keiner ist. Ruhetag bedeutet beim TAR nämlich Bergsprint. 800 Höhenmeter hinauf zum Rifflsee, eine Runde flach ums Wasser und nach 7 Kilometern Ende. Ein Laktatmonster, das einem immerhin jegliches Bergablaufen und etwas Muskelschonung verspricht. Diese kurze Qual ist jedenfalls nicht so ganz unser Ding. Wir landen auf Rang 14, bleiben jedoch solide auf Gesamtplatz 10. Wer nun wissen möchte, was wir bei diesem TAR vor und nach dem Laufen erlebt haben, sei gesagt, dass sich das kurz beantworten lässt - schlafen, essen, altersgerecht Blödsinn daherreden, Beine mit Latschenkieferöl einreiben, Lanz in der Mediathek schauen und dabei schimpfen. Auf der fünften Tagesetappe verlassen wir das Pitztal und überqueren die 3000er Marke, um über beeindruckende Restgletscherwelten und hochalpin ins Ötztal zu laufen. Ein Steinschlag Felsstück rast Zentimeter an meinem Kopf vorbei, ich bleibe geschockt stehen, habe butterweiche Beine, will alle Gedanken um mein Glück manifestieren, kann für 10 Sekunden keinen Schritt tun, um danach mit zwei lauten Ausatmungen die Lücke zu Till wieder zu schließen.
Inmitten des TAR angekommen, fühlen wir uns als Teil eines großen Ganzen, als Mitglieder einer echten Gruppe. Längst laufen wir Tag für Tag mit den selben anderen Teams, mal sind wir vor Ihnen mal hinter ihnen. Man kennt sich, man findet gute Worte. Ich weiß nicht, ob „Konkurrenz“ der richtige Begriff ist. Vermutlich nicht. Der TAR ist auch das Resultat der Umstände. Die von Rennchef und Bergführer Martin Hafenmaier geplante neue Route ist alpiner und attraktiver denn je, aber auch anfälliger als früher. Schlechtes Wetter lässt keinen Plan B zu - es geht direkt zu Plan C. So auch am sechsten Tag. Die Etappe, wie ursprünglich geplant fällt aus und wir finden uns, wie alle anderen auch, in einem Shuttlebus wieder. Die Überfahrt ins Stubaital bei grausamer Witterung und Regen erinnert an eine Klassenfahrt. Die Vorstellung heute bei Neuschnee an der 3000er Marke zu laufen, ist keine sonderlich Schöne. Stattdessen bekommen wir bis zum Nachmittag Zeit und finden uns überrascht in einem Rennformat, das mit der geplanten Strecke zwar nichts zu tun hat, aber doch hochspannend klingt. Wir laufen 6,5 Kilometer auf der Berglauf WM Strecke 2023 nach oben, um von dort in einer Schleife wieder nach unten zu ballern. Der Veranstalter nennt das heute „Berglauf Up und Down“, ich kenne es als klassisches Skyrace. 13 Kilometer und 1000 Höhenmeter. Till und ich schenken uns voll ein. Laufen hoch was geht und runter ebenso. Rang 9 und das Wissen, daß nach so vielen Tagen die Beine noch immer, oder endlich gut sind. Am Abend überkommt uns die Ehrlichkeit. Till gibt zu, dass er mit fünf oder sechs Etappen auch ganz happy gewesen wäre und ich füge sehr beruhigt hinzu, dass es mir genauso geht, dass die Angelegenheit hier ein ganz schönes Brett ist und das Ziel in Südtirol noch so fern scheint.
Tag 7. Es ist zu früh. Schon wieder ein Start um 6.30 Uhr. Es wird der ungemütlichste Tag aller Tage und ist durchzogen von einer gewissen Härte, Schwere und viel Regen. Es wird nie hell. Laut Rennchef die technisch schwerste Etappe und wohl so etwas wie eine Strecke, die er seit Jahren unbedingt haben will. Für uns. Für sich. Es wird nicht klappen. Nach 2 Stunden und 30 Minuten überschreiten wir das Simmingjöchl und werden vom Rennchef begrüßt, der in einem schicken Regen-Poncho gekleidet darauf hinweist, dass die Etappe in 2 Kilometern bei der Bremer Hütte endet. Abbruch. Till:“ Ähh. Wie? Meint er das ernst, Denis?“ „Ja, klar, meint der Hafenmaier das ernst. Der Rennchef macht doch mit einem Rennabbruch keine Ironie und Comedy auf 2740 Meter Höhe bei Pisswetter.“ Doch das Rennen ist nicht wirklich zu Ende an der Hütte auf 2400 Meter, sondern lediglich von der Zeitnahme ausgeklammert. Wir müssen 8 schwere Kilometer ins Tal absteigen. Im Matsch, auf Trails, die längst Bäche sind. Es wird ein 2 Stunden Hike, der mir schwerer in die Beine geht als der Rennmodus. Unten warten in einem vom Veranstalter rasch aufgebauten Lager warme Suppe und Brote und wieder einmal Shuttlebusse. Dieser Tag zerrt vielen an der Substanz - es gibt einige, die das Rennen heute beenden. Entweder weil sie schlicht keine Lust mehr haben, müde sind, verletzt sind oder erkältet. Hier auszusteigen ist
Der TAR, auf gänzlich neuer Route, war anspruchsvoll und hielt was er versprach.
Miteinander: An solchen Stellen ist Rücksicht gefragt und Kampf um Sekunden unangebracht.
Der Autor lief mit: Denis mit Teampartner Till Kürschner im Ziel nach acht Etappen. bitter, denn die letzte Etappe soll mit allem versöhnen was war. Die letzte Etappe, wird für Till und mich etwas ganz besonderes, ein harter Kampf, der dennoch Flow hat und einen Zielort, der uns irgendwann einfach magisch anzieht.
Wieder Samstag. Es ist wieder Samstag. Die Stimmung im Startbereich der letzten Etappe ist positiv aufgeladen. Alles hat heute Energie. Eine Erleichterung, daß das Ziel so nahe ist. Es erinnert auch an die erste Etappe, vor genau einer Woche. Es kommt mir länger vor. Es scheint irgendwie so als ob wir für viele Wochen in diesem Trupp voranziehen, als ob wir seit Monaten über die Alpen laufen. Zwar ist jede Etappe anders, jede Landschaft besonders, aber doch fällt man hier in eine Art Tagesroutine, die es schwer macht, die einzelnen Tage als eigenständige Erlebnisse wahrzunehmen. Ein Geschenk ist dieser letzte Tag eben auch nicht. Die Strecke ist wundervoll, nochmals mit zwei Anstiegen gespickt, die nahe der 3000 Meter gipfeln, aber fast alles ist laufbar und durchzogen von Sonne und Spätsommer-Licht. Till und ich geben alles. Mehr geht nicht. Wir wuchten uns mit wütendem Stockeinsatz die letzten Höhenmeter, durch ein Irrsinnig steiles Geröllfeld nach oben. Es geht ab hier nur noch nach unten. Alle 15.000 Höhenmeter sind im Sack. Till weiß das, ich weiß das. In uns steigt alles an Energie auf, was es geben kann und wir stürzen uns in den 12 Kilometer langen Downhill, der nur ein Ende hat - das Ziel in Vals. Auf den letzten flachen 2000 Metern reduzieren wir das Tempo, wollen alles, absolut alles genießen und versuchen den Moment so bewusst wie nur möglich zu erleben. Es gelingt uns ganz gut. Der Augenblick der unsere letzten Schritte in die große Festhalle über den Zielstrich markiert, bleibt unvergesslich. Wir fallen uns in die Arme, lassen uns von all denen, die vor uns finishten bejubeln und begreifen für Minuten nicht, was mit uns los ist. Das wars? So plötzlich? Vorbei? Meine lieber Herr Gesangsverein - was für ein Trip. Was eine Woche und was für ein Ende. Ich war mir so sehr sicher, dass 3 Teilnahmen reichen, dass ich das nun nicht mehr brauche. Oder?
Wie ist das eigentlich, eine Schwester, nein, eine Zwillingsschwester zu haben, die genau das gleiche macht? Und auch noch genauso gut. Wir haben die schwedischen Trailrunning-Twins Sana und Lina El Kott Helander getroffen und sind uns seit dem sicher, dass ihr Leben, trotz der Erfolge beim Transalpine Run, beim Pitz Alpine Glacier Trail oder dem Monte Rosa Sky Marathon kein permanentes Wettrennen ist
Lina
Hierzulande kennt man Sanna und Lina El Kott Helander, seit sie 2017, und im Folgejahr gleich noch einmal, als Team den Transalpine Run gewonnen haben. Dabei laufen die schwedischen Zwillingsschwestern genauso gerne gegeneinander. Und noch lieber, wie bei der Erstaustragung der gemeinsamen Berglauf- & Trail-WM ab dem 3. November in Chiang Mai, Thailand, gegeneinander in einem gemeinsamen Team, der schwedischen Nationalmannschaft. Auf dem Weg dorthin geht es für die beiden 28-Jährigen noch nach Nepal. Höhenluft schnuppern und Erfahrungen sammeln. Sanna und Lina El Kott Helander haben gelernt, die Dinge zu nehmen, wie sie kommen. Gerne mit Vollspeed, aber doch auch mit einer entschleunigten Gelassenheit. Ein Gespräch über professionelles Herumrennen und das Älterwerden, übers Pilze suchen und das richtige Gefühl für den Trail.
Sana und Lina El Kott Helander, Wir alle kennen Laufen als einen oft auch einsamen Sport. Nur ihr beide nicht, oder? Gibt es auch Zeiten oder auch nur einzelne Läufe, in denen jede von Euch allein trainiert?
Sana (lacht): Tatsächlich nicht, nein. Wir sind eigentlich immer gemeinsam unterwegs. Lina: Ich war 2019 lange verletzt, da musste Sana notgedrungener Weise alleine los. Sana: Wir haben ja auch eine gemeinsame Wohnung nicht weit vom Haus und dem Garten unserer Eltern in Östersund in der Provinz Jämtland, der gebirgigsten Region Schwedens.
Ihr lebt also schon immer am selben Ort?
Sana: Direkt nach der Schule waren wir gemeinsam zum Studium ins nordschwedische Umeå gegangen … Lina: … und haben uns dort echt seltsam gefühlt. Es gab keine Berge und zudem waren wir die Freaks, die immer nur über Sport geredet und an Sport gedacht haben, nicht an die Uni-Seminare, die Partys … Sana: … bis wir draufgekommen sind, dass all die anderen vielleicht die Freaks sind. Wir sind nach vier Monaten jedenfalls zurück nach Östersund …
… und seit seitdem professionelle Trailläuferinnen.
Sana: Mit dem professionell ist das so eine Sache. Abgesehen vom Sponsoring durch Merrell, unseren Ausrüster, sind die Einnahmen ja rar. Es gibt kaum nennenswerte Preisgelder, keine Förderung durch die Verbände. Wir geben noch Workshops, veranstalten selbst Rennen, haben vegetarische Kochbücher geschrieben. Und wir brauchen abgesehen von dem Geld, das der Sport nun mal kostet, nicht viel. Lina: Ich will irgendwann hier in den schwedischen Bergen ein Bed’n’Breakfast eröffnen und meine Leidenschaften verbinden, den Sport, Food, den Kontakt mit Menschen, dazu ein paar Tiere. Aber noch liegt der Fokus ganz klar auf dem Laufen.
Essen scheint Euch sehr wichtig zu sein.
Sana: Das bringt ein Ausdauersport
mit sich, würde ich sagen. Ohne die richtige und ausreichende Ernährung gelingt Dir nichts … Lina: Und wir sind so aufgewachsen, mit dem Garten unserer Eltern mit der ganzen Natur um uns herum.
Wir reden jetzt also nicht von Gels, Shakes und Proteinriegeln?
Sana: Abgesehen vom Wettkampf, wo es oft eine effiziente, schnelle Energieaufnahme braucht, versuchen wir auf intensiv verarbeitete Lebensmittel zu verzichten. Lina: Mit dem Essen ist es ja wie mit dem Laufen, es soll Spaß machen. Wir sind leben seit sieben Jahren vegetarisch, schreiben das aber niemandem vor. Wir sagen nur, was die Natur doch alles für leckere Sachen bietet. Sana: Jetzt beginnt zum Beispiel gerade die Pilzsaison. Warst Du schon Pilzesammeln?
Stärkt Eure permanente Zweisamkeit den Zusammenhalt oder fördert es die Konkurrenz?
Sana: Beides. Wobei die Beziehung zwischen uns über Jahrzehnte gewachsen und ziemlich unerschütterlich ist. Lina: Wenn aber eine im Training einen schlechteren Tag hat und permanent hinterher hechelt, nagt das schon an der Laune. In Wettkämpfen können wir hart gegeneinander fighten und uns dennoch gegenseitig die Erfolge gönnen. Sana: Es ist dann eher so, dass die jeweils Schwächere mit der eigenen Leistung hadert.
Wie wird es sein, in diesem Sport alt zu werden?
Lina: Super, vorausgesetzt, der Körper spielt lange genug mit. Wir messen uns im Wettkampf ja häufig mit Athletinnen und Athleten, die schon Ende 30 oder Mitte 40 sind. Sie zeigen uns, dass man Trail- und Skyrunning wirklich lange mit Spaß und auf einem hohen Niveau machen kann.
Und was gelingt Euch heute, was vor vier, fünf Jahren vielleicht noch nicht so einfach war?
Lina: Ruhig zu bleiben, oder Ruhe zu geben. Es gab Zeiten, da habe ich sehr viel und auch zu viel trainiert. Ich habe buchstäblich schmerzlich erfahren müssen, dass das nicht der Königsweg ist. Aus Fehlern lernen zu können, für diese Erkenntnis habe ich eine Weile gebraucht, aber dann hat sie mich unheimlich befreit. Sana: Genau, man muss Dinge abhaken können, die vielleicht nicht so gut gelaufen sind. Früher habe ich über ein für mich enttäuschendes Rennen noch Monate gegrübelt. Heute sage ich mir, Mensch, ein Rennen ist auch nur ein Rennen. Lina: Ein Did-Not-Finish ist zum Beispiel etwas, worüber ich mich natürlich immer noch nicht freue, was ich aber inzwischen annehmen kann.
Wir motivieren uns gegenseitig, kritisieren uns, kennen uns viel zu gut. Vielleicht ist da einfach kein Platz für einen Trainer
Wie sieht Euer Training heute aus?
Sana: Noch immer sehr zeitintensiv, aber wir gehen nicht mehr so sehr an unsere Grenzen. Intervalle zum Beispiel trainiere ich gar nicht mehr. Lina: Wir gehen einfach raus und sind lange Tage draußen, rennend, wandernd, auf Skiern oder auf dem Rennrad. So ein Tag darf dann gerne auch morgens um fünf Uhr beginnen. Sana: Über den Sommer, während der Saison, geht man in den Rennen ja ohnehin an seine Grenzen. Die Zeit dazwischen ist dann eine Mischung aus Grundlagentraining und Regeneration. Lina: Und Spaß am Draußen sein.
Ein Trainer, eine Trainerin, könnte das eventuell anders sehen?
Lina (lacht): Deswegen haben wir auch keinen. Sana: Das hat auch wieder mit dieser besonderen Konstellation zwischen uns beiden zu tun. Wir motivieren uns gegenseitig, kritisieren uns, wir kennen uns gut. Vielleicht ist da einfach kein Platz für jemanden Dritten. Lina: Wir wollen uns unseren Spaß einfach nicht nehmen lassen. Sana: Und das ist absolut ernst gemeint. Wir haben mit der Zeit gelernt, in den Dingen gut zu sein, die wir von ganzem Herzen machen.
Wie seht Ihr aus dieser Perspektive die zunehmende Professionalisierung des Trailrunnings. Inzwischen gibt es junge und sehr junge Athlet:innen, die so intensiv trainieren, wie es auch Leichtathlet:innen oder Skisportler:innen tun und die schon als Jugendliche mit dem Trailrunning beginnen.
Lina: Tatsächlich haben wir mit 16, 17 Jahren sogar ähnlich intensiv trainiert, nur eben nicht in irgendwelchen Nachwuchskadern oder Akademien. Wir haben es gemacht, weil es unsere große Leidenschaft war.
Sana: Ich finde es einerseits faszinierend und anspornend, dass da jetzt neue und junge Sportler:innen in der Szene auftauchen. Andererseits sehe ich schon die Gefahr, das Trailrunning seine Leichtigkeit verliert. Dass dieses Gefühl von Freiheit, dass ich immer mit dem Sport verbunden habe, verloren gehen kann.
Lina: Dennoch ist diese Professionalisierung auch wichtig. Ich begrüße es zum Beispiel, dass die Berglauf- und Trail-WM in Thailand, bei denen wir im November ja starten werden, einen größeren Stellenwert bekommen hat. Weltmeisterschaften, Olympische Spiele, das sind die großen Fixpunkte, auf die man als Sportlerin hinarbeitet.
Ihr habt die Schwierigkeiten angesprochen mit dem Trailrunning Geld zu verdienen. Beschreibt einmal Eure Partnerschaft mit Merrell.
Sana: Ich empfinde die als super angenehm, weil unser Ausrüster keine Forderungen stellt. Wir müssen nicht bei bestimmten Rennen starten oder zu irgendwelchen Events fliegen. Vielleicht ist das der Vorteil einer kleinen Marke, sie ist näher an den Athlet:innen. Und ich mag die Gemeinschaft mit den anderen Läufer:innen sehr, etwa mit Alex Dautel aus Deutschland, auch wenn wir uns jetzt nicht jeden Monat sehen.
Euer Lieblingsschuh?
Lina: Das ist jetzt ein bisschen gemein, weil den kann man noch gar nicht kaufen. Es ist die zweite Generation des Merrell Skyfire, die im Frühjahr auf den Markt kommt. Sana: Definitiv ja, das wird ein superleichter, sehr schneller Schuh mit einem tollen Gefühl für den Untergrund.
Dabei setzen doch selbst Wettkampfschuhe gerade gerne auf viel Dämpfung, Plattentechnologie und eine Rocker-Geometrie.
Sana: Ich brauche einen Schuh, der mir ein klares Feedback gibt, der mich connected mit den Trails. In diesen neuen, sehr weichen Schuhen fühle ich mich richtiggehend unsicher und kippelig.
Mimmi Kotka, Ida Nilsson, natürlich Emelie Forsberg, ihr beide: Trailrunning ist in Schweden ein sehr feminines Thema. Was können wir in Deutschland da von Euch lernen?
Lina: Ich glaube gar nicht, dass das spezifisch mit Trailrunning zu tun hat. Die schwedische Gesellschaft hat früher als andere gelernt, Frauen die gleichen Chancen und die gleiche Präsenz zu geben, im Beruf, in der Politik, eben auch im Sport. Wir hatten in unserer Jugend jedenfalls nie das Gefühl, dass es da etwas gibt, dass nur die Jungs machen durften.
PERFEKT GERÜSTET FÜR DEN SCHNEE:
ZWEI WINTERTRAILNEUHEITEN MIT BOA® LA SPORTIVA CYKLON CROSS GTX UND SCARPA RIBELLE RUN KALIBRA G MIT DEM BEWÄHRTEN BOA® FIT SYSTEM FÜR BESTLEISTUNGEN IM WINTER
LA SPORTIVA CYKLON CROSS GTX®
Der Cyklon Cross GTX® von La Sportiva ist ein technischer Mountain Running® Schuh. Dieser Trailschuh wurde fürs Training und für Wettkämpfe im Gelände in den Wintermonaten entwickelt und ist auch mit Schneeschuhen kompatibel. Seine integrierte, wasserabweisende Gamasche aus Zwei-Wege-Stretch-Mesh und dem L6 BOA® Fit System hält gemeinsam mit der wasserdichten aber atmungsaktiven GORETEX ®-Membran Matsch und Schnee zuverlässig draußen. Dank dem „Easy-in"-System lässt sich der Schuh schnell und einfach anziehen, was zum allgemeinen Komfort beiträgt. Das BOA® Fit System sorgt für eine schnell, mühelos und präzise einstellbare Passform. Zur Sohle aus FriXion® White – einem Materialmix mit herausragenden Grip-Eigenschaften – können AT Grip Spikes für eine noch bessere Traktion auf schneebedecktem oder vereistem Untergrund verwendet werden. Damit ist der Schuh die ideale Wahl für alle, die auch in den Wintermonaten gerne im Gelände laufen und Wettkämpfe bestreiten.
Preis: € 239,- Gewicht: H 355 g; D 300 g Sprengung: 4 mm Größen: H 38–47,5; D 36–42,5 Verkaufsstart: Sept. 2022 Farben: Herren black-yellow; Damen black-hibiscusm BOA® Fit System: L6 Drehverschluss & TX6 Seil Einsatzbereich: Winter-Trailrunning, mittlere bis lange Distanzen
Preis: € 250,- Gewicht: 370 g (½ Paar Größe 42) Sprengung: 4 mm Größen: Unisex 36–38 (nur ganze Größen), 39–46 (mit ½ Größen), 47 & 48 Verkaufsstart: Oktober 2022 Farbe: black-azure BOA® Fit System: Li2 Drehverschluss & TX6 Seil Einsatzbereich: Winter-Trailrunning, mittlere Distanzen
SCARPA RIBELLE RUN KALIBRA G
Der Ribelle Run Kalibra G von Scarpa ist ein Trailrunningschuh für variables Gelände und extreme Bedingungen. Dank seiner enganliegenden, umschließenden Passform mit dem BOA® Fit System Li2 bietet er zuverlässigen Schutz vor Kälte, Matsch und Schnee. Dieses Modell überzeugt mit herausragender Stabilität, hohem Komfort und optimaler Dämpfung. Damit eignet sich der Ribelle Run Kalibra G gut für Läufer, die in den Wintermonaten Mitteldistanzen im Training und Wettkampf absolvieren oder in technisch anspruchsvollem Berggelände unterwegs sind.
Text & Fotos: CLEMENS NIEDENTHAL
Ein Armbruch ist doch kein Beinbruch? Oder doch? Notizen aus einem Laufsommer mit Gipsverband
Radiushals über Kopf Radiushalsfraktur. Und da bin ich noch mit einem blauen Auge davongekommen. So hat es mir zumindest meine offensichtlich mit Erfahrungswerten gesegnete Chirurgin erklärt. Nach einem Sturz – in meinem Fall: Rennrad, Mensch von rechts, Ausweichmanöver, Straßenbahnschiene – wandert die Energie so durch den Arm und denkt sich, dass sie irgendwo ja hinmuss. Mit Pech kommt sie bis in die Schulter. Eckgelenksprengung, Bänderschlamassel, Operationstisch. Ich hatte Glück. Ich habe mir nur den Radiushals gebrochen. Die Speiche knapp vor dem Ellenbogen. Vier Wochen Gipsschiene. Ausgerechnet im August. Zum Glück im August. Denn langärmelige Klamotten passen keine über den Gips. Es sei denn, ihnen würde vorher Gewalt angetan. Immerhin, es stehen keine Rennen an, die abgesagt werden müssten. Und in den Urlaub, nach Bornholm, kann man ja auch mit Gipsarm fahren. Ob und wann ich denn wieder Laufen dürfe? Ich hätte ja kein gebrochenes Bein, meint die Ärztin. Eine so schwammige wie versöhnliche Antwort. Dinge, die mit einem Gipsarm überraschend gut funktionieren: Duschen (tatsächlich), Schlafen (noch überraschender), mit wildfremden Menschen ins Gespräch kommen. In der Berliner U-Bahn zum Beispiel. Von wildfremden Menschen angerempelt werden. Ebenfalls in der Berliner U-Bahn, die ich fortan lieber doch so wenig benutzen werde wie irgend möglich. Also Plan B. Wenn ich schon nicht wirklich laufen kann, zumindest für die ersten Tage bis Wochen, wird eben gegangen. Einmal sogar die elf Kilometer bis ins Büro. Ein Fest der Entschleunigung. Leider habe ich keine Zeit für sowas. Es muss wieder mehr Tempo in mein Leben. Fürs erste entscheide ich mich fürs Bergtraining in meinem Reihenhaus. Einmal von unten nach oben sind auch rund sieben Höhenmeter. Die 30 Wiederholungen erweitere ich später auf 50. Nicht nur die Gipsschiene ist danach nass geschwitzt. Und das Treppenhaus eine Saunalandschaft. Ich muss wieder raus. Laufen. Dinge, die mit Gipsarm überraschend schlecht funktionieren: Schuhe binden. Die behelfsmäßige Schleife dröselt sich alle zwei, drei Kilometer auf. Notiz an mich: Vom nächsten Schuhtest unbedingt ein Modell mit Boa-Verschluss abstauben. Dinge, die mit Gipsarm überraschend hilfreich sind: das Weather Shirt von Houdini. Eine kurzärmelige Regenjacke quasi. Die passt auch über den Gips. Im Urlaub auf Bornholm packt mich dann der Übermut. Ohnehin meinte die Ärztin ja, ich solle die Gipsschiene jetzt nach gut drei Wochen täglich abnehmen und den Arm vorsichtig bewegen. Aus den Übungen auf der Ferienhausterrasse wird ein kurzer, freiärmeliger Lauf. Er endet mit der Feststellung, dass sich mein Gehirn leider sehr an die Vorstellung gewöhnt hat, dass da ein Knochen gebrochen ist. Es mahnt mich zur Vorsicht und bremst mich schon im kleinsten Downhill aus. Ist wohl gut gemeint, von meinem Gehirn. Irgendjemand muss ja auf mich aufpassen.
Trailrunning- ein Sport zum Anfassen?
Wir hielten Trailrunning bisher immer für einen ausgesprochen nahbaren Sport. Ein Sport, dem Star-Kult fremd ist und der keine Distanz zwischen Normalos und Profis kennt . Wir waren beim diesjährigen UTMB und fragten uns, ob das noch zutrifft.
Text: BENNI BUBLAK Fotos: ULTRA TRAIL DU MONT BLANC
Ein Raunen, gefolgt von Klatschen und Anfeuerungsrufen geht durch die Menge, die dicht gesäumt am letzten Anstieg des Ultra Trail du Mont Blancs steht. Kilian kommt. Kilian Jornet. Eine Legende, ein Held, eine Lichtgestalt? Oder doch einfach nur einer von uns? Ein Trailrunner eben. Auch ich stehe an jenem Col du Montet, rufe und klatsche. Kilian stürmt vorbei. Ok er stürmt nicht, auch ein Kilian Jornet rennt nach 150 Kilometern und 9000 Höhenmetern in den Beinen keinen supersteilen Anstieg mehr hoch. Er ist doch sichtlich gezeichnet von den Strapazen. Eben noch hat er mit einem Kraftakt Mathieu Blanchard ein paar Minuten hinter sich gelassen. Mir reicht die kurze Stippvisite mit dem Superstar nicht aus und so renne ich ihm hinterher. Ich bin nicht der einzige mit diesem Plan. Der Führende des UTMB 2022 zieht den kompletten Anstieg zum Tete Aux Vent eine Menschenschar von 5 bis 10 Leuten hinter sich her. Ein bisschen albern fühle ich mich schon. Aber hey in welchem Sport kannst du deinem großen Idol aus wenigen Zentimetern Entfernung bei der Arbeit zuschauen, ohne Barrieren, ohne Hindernisse?
Trailrunning ist ein ziemlich egalitärer Sport. Wir stehen alle an derselben Startlinie, laufen dieselbe Strecke und erleiden dieselben Schmerzen. Ok einige sind schneller als andere. Deutlich schneller. Haben Sponsoren und verdienen inzwischen sogar ihren Lebensunterhalt mit diesem Sport. Dennoch hatte ich immer das Gefühl, dass in diesem Sport die Distanz zwischen
Ja auch ich bin Kilian hinterher gerannt. Ein kleines bisschen wie ein Teenie seinem Boy-Band Schwarm. Dabei habe ich auch die Menschen am Streckenrand beobachtet. Die meisten von ihnen haben Kilian nur durch ihr Smartphone gesehen. Jetzt besitzen sie zwar ein persönliches Bild oder Video vom katalanischen Trail-Star, haben aber gleichzeitig die Distanz zu ihm erhöht.
Profis und vermeintlichen „Normalos“ kaum existent ist. Dass es eine unausgesprochene Übereinkunft darüber gibt, dass es das selbe Feuer ist, was wir spüren, die selben Dinge, die uns beschäftigen und die selben Probleme, die uns quälen. Die typische Distanz, hier der Bratwurst essende Fan und dort der durchtrainierte Vollzeit-Sportler, getrennt durch mehrere Stadion-Ordner, existiert nicht. Ich erinnere mich noch an Chamonix vor ein paar Jahren. Natürlich haben die Leute sich umgeguckt und ihre Begleitung angestupst, wenn Anton Krupicka oder Jim Walmsley über die Straße liefen. Aber im nächsten Moment ist man halt hingegangen und hat einen kleinen Smalltalk gehalten. Als wär der Typ einfach nur ein alter Bekannter, den man lange nicht gesehen hat. Trailrunning ist und war eben doch immer ein Sport ohne Distanz, ein Sport zum Anfassen.
Seit dem diesjährigen UTMB habe ich das Gefühl, dass sich dieser Zustand allmählich auflösen könnte. Wir treffen die Trailrunning Elite nicht mehr zufällig auf der Straße, sondern eher am Stand ihres Sponsors, wo sie zwischen Schuhen und Werbeslogans sitzen und Autogrammkarten unterschreiben. Wir sind unseren Trailrunning Ikonen näher als jemals zuvor. Aber nicht, weil wir vor oder nach einem Lauf mit ihnen Bier oder Startlinie teilen, sondern weil ihre Geschichten über großartig aufbereitete Highlight-Videos oder spektakuläre Live-Bilder in unser Wohnzimmer transportiert werden. Das ist einerseits klasse. Andererseits sind Autogrammkarten und das Phänomen ‚Menschen nur aus dem Fernsehen‘ zu kennen, doch ziemlich Distanz-erhöhend.
Ja auch ich bin Kilian hinterher gerannt. Ein kleines bisschen wie ein Teenie seinem BoyBand Schwarm. Dabei habe ich auch die Menschen am Streckenrand beobachtet. Die meisten von ihnen haben Kilian nur durch ihr Smartphone gesehen. Jetzt besitzen sie zwar ein persönliches Bild oder Video vom katalanischen Trail-Star, haben aber gleichzeitig die Distanz zu ihm erhöht, indem sie das digitale Endgerät zwischen Kilians und ihre eigene Nase schoben. Kilian selbst dürfte der ganze Hype um seine Person eher unangenehm gewesen sein, hat man bei ihm doch immer den Eindruck, dass er gerade deshalb Bergsportler geworden ist, weil Gipfel und Wildnis die beste Möglichkeit sind, sich dem sozialen Leben zu entziehen. Spätestens beim Zieleinlauf hat man ihm sein Unwohlsein auch angesehen. Wie er sich unbeholfen durch die Menschenmassen drückte und schüchtern winkte. Man mag da niemandem einen Vorwurf machen. Natürlich will jeder den Sieger des UTMB ins Ziel einlaufen sehen. Natürlich will ihm jeder so nah wie möglich kommen. Dennoch scheint mir das Konzept: „Trailrunnning– ein Sport zum anfassen“ an diesem Tag in Chamonix an seine natürlichen Grenzen gestoßen zu sein. Das ist so ein bisschen, wie bei einem Touri oder Insta Hotspot. Es kann der schönste Fleck der Erde sein, ist eine gewisse Menge an Besuchern überschritten, stehlen jene ihm genau die Faszination, die ihn vorher ausgemacht hat. Beim Zieleinlauf von Kilian, aber auch schon vorher an der Strecke, war diese kritische Masse definitiv erreicht. Der Sport gewinnt mehr und mehr an Popularität. Es werden in Zukunft daher wohl nicht Weniger werden. Die Frage die sich da natürlich stellt, ist, wie lange können die UTMB Organisatoren diesen Zustand aufrecht erhalten? Denn noch mehr Menschen haben einfach keinen Platz im Zentrum von Chamonix. Noch mehr Menschen am Rand der Strecke und der Berg ist irgendwann ausgetrampelt, wie der Wacken Acker. Werden wir also zukünftig Zugangsbeschränkungen zum Start-Ziel Gelände und vielleicht sogar zur Strecke, also zum Berg, erleben? Große Zuschauertribünen, für die man Eintritt zahlen muss? Abgesteckte Routenabschnitte am Berg, die nur Kameraleute betreten dürfen? Trailrunning-Superstars, die von Ordnern durch die Menschenmassen zum Start oder vom Ziel weg eskortiert werden? Kennen wir alles von anderen Sportarten. Aber vom Trailrunning?
Manche Entwicklungen wird man wohl nicht aufhalten können. Gut möglich, dass aus einem Sport zum anfassen ein Sport zum zuschauen wird. Um die Eingangsfrage zu beantworten: Ja, Kilian ist, zumindest für den Autor dieser Zeilen, so etwas wie ein Idol. Und das nichtmal wegen seiner sportlichen Leistungen allein. Autogrammkarten sind mir von dem zurückhaltenden NNormal Athleten und größten Trailrunner aller Zeiten allerdings noch nicht zu Gesicht gekommen. Zumindest etwas was Hoffnung macht.
THE
BOSS Fastest Known Time oder Trail-Rekord. Wie auch immer man es nennen mag, die Bob Graham Round ist die Prestige-trächtigste Route jenseits von Events. Nun mit neuer Bestzeit.
Text: BENNI BUBLAK Fotos: STEVE ASHWORTH
Jack Kuenzle? Noch nie gehört? Ja auch uns war dieser Name bis vor kurzem noch völlig unbekannt. Aber am 10. September breitet sich eine Nachricht wie ein Lauffeuer aus. Zumindest wenn man, wie der Autor dieser Zeilen, in mehreren Bob Graham und Fellrunning Gruppen auf Facebook Mitglied ist. Sie lautete wie folgt: Neuer Rekord (auf das Kürzel FKT reagiert man im Lake District eher allergisch) auf der Bob Graham Round! Kilians Fabelrekord um eine halbe Stunde gebrochen! Aber von wem? Auf den Treppen der berühmten Moot Hall in Keswick sitzt ein Typ mit breitem Grinsen und lockigem Haar– welches sich von Kopf bis Brust erstreckt. Mehr als eine schwarze Splitshorts und Vaporfly-Schuhe (trug er nur die letzten 6 Straßenkilometer der BGR) hat er nicht am Körper. Gerade eben hat er die prestige-trächtigste aller FKT-Routen (Verzeihung liebe Briten) in nur 12 Stunden und 23 Minuten absolviert. Der Kellner der anliegenden Bar, namens „The Round“, reicht ihm daraufhin unverzüglich ein Pint. Fellrunning Legende und 36-jähriger Rekordhalter auf der BGR Billy Bland gratuliert als einer der ersten. Wer also ist dieser Typ namens Jack Kuenzle? Wer tief in der FKTSzene steckt, mag den Namen des US-Amerikaners vielleicht schonmal gehört haben, schließlich läuft Jack keine Rennen, sondern hat sich ganz auf das Aufstellen von Fastest Known Times spezialisiert. Und wahrscheinlich ist es auch genau diese Spezialisierung und Fokussierung, die es braucht, will man einen vermeintlich unerreichbaren Rekord brechen, wie den von Kilian Jornet, aufgestellt im
Die Geschichte der Bob Graham Round
Die Briten nennen ihre Berge Fells. Das Laufen und auch das Rekorde aufstellen in eben jenen Fells hat auf der Insel eine äußerst lange Tradition. Im englischen Lake District erdachten sich schon vor über 100 Jahren einige Verrückte eine interessante Challenge: Wer schafft es in 24 Stunden am meisten Fell-Gipfel zu erklimmen. Diese Challenge gibt es bis heute (der Rekord liegt bei 78 Gipfeln), viel populärer wurde allerdings eine Runde, die ein gewisser Bob Graham im Jahre 1930 lief, um sich diesen Rekord zu sichern. Ausgehend von der idyllischen Kleinstadt Keswick verband jener Bob 42 Gipfel in einer Runde, die so schön und logisch war, dass sie bis heute unzählige Male nachgelaufen wurde. Sogar ein eigener Club wurde gegründet, in den man nur aufgenommen wird, wenn man die BGR unter 24 Stunden finisht. 1982 lief ein gewisser Billy Bland die Runde in 13 Stunden 53 Minuten. Diese Zeit galt mehr als 30 Jahre als unangreifbar. Erst 2018 schaffte es Kilian Jornet die Zeit nochmal um fast eine Stunde zu verbessern. Eine festgelegte Route gibt es nicht. Die einzigen Fixpunkte sind die 42 Gipfel und die Moot Hall in Keswick, welche als Start und Zielpunkt fungiert. Die ungefähre Streckenlänge sind 100 Kilometer und 8000 Höhenmeter. Wobei das Gelände oft rau und weglos ist. Üblicherweise wird die BGR in Begleitung von Pacern gelaufen, welche sich um Streckenfindung, Verpflegung und weiteres kümmern. Aber auch bezeugen, dass alle Gipfel passiert wurden. Die Runde unterteilt sich in 5 Legs, die jeweils durch Straßenquerungen markiert sind.
Jahr 2018. Nach unzähligen FKTs in den USA, ist Jack, der als Lauf-Coach arbeitet, also nach Großbritannien gereist, hat sich einen Van gekauft und den ganzen Sommer dort verbracht. Die Route bis ins Detail zu studieren und ganz genau zu analysieren, wo Kilian vor vier Jahren Zeit liegen gelassen hat, war noch die einfachste Aufgabe seiner akribischen Vorbereitung. Schließlich fährt man nicht einfach so ins Lake District und läuft die Bob Graham Round. Nein, das wäre erstens naiv und zweitens respektlos. Jack knüpft Kontakte, zeigte sich bei lokalen Fell-Races und macht sich einen Namen, indem er die Trantor Round FKT (Teil der Ramsay Round) brach. Wichtig, um schnelle Pacer für die Bob Graham Round zu finden und sich Akzeptanz zu verschaffen in der manchmal etwas schrullig wirkenden, aber immer wunderbar authentisch-unverstellten, Fellrunning Szene Englands. Und dann lief er also. Von Leg eins Zeit auf Kilian gut machend, passiert er einen klangvollen Gipfel nach dem anderen. Skiddaw, Clough Head, Dollywagon Pike, Sergeant Man, Scafell Pike… irgendwann sind alle 42 Gipfel geschafft und nur noch die letzte und einzige Asphalt-Passage zurück zur Moot Hall in Keswick liegt zwischen Jack Kuenzle und seinem Eintrag in die Trailrunning Geschichtsbücher. Ob der unkonventionelle Ami ohne Sponsorenverpflichtungen sich an diesem historischen Tag noch ein T-Shirt übergezogen hat, ist leider nicht überliefert.
Text: LARS SCHWEIZER Fotos: NO LIMITS PHOTOGRAPHY
IT´S ALL
Ohne Kohlenhydrate geht nix! Aber wie sieht eigentlich die einfachste Energieversorgung für Ausdauersportler im Detail aus und worauf müssen wir dabei besonders achten?
ABOUT
Ein schwäbischer Laufpodcast bezeichnet in seiner aktuellen Ausgabe die Verpflegung von Trailläufer*innen als verwahrlost und rückständig im Vergleich zu den Triathleten. Aus meinen eigenen Erfahrungen, sowohl als Trainer wie auch als Athlet, kann ich das durchaus bestätigen. Aber es findet bereits ein Umdenken statt. Aber wie wichtig sind Kohlenhydrate überhaupt? Wie viele sollte man zu sich nehmen und wie trainiert man die Aufnahme von Kohlenhydraten? Es ist schwer von der Hand zu weißen, dass Kohlenhydrate wichtig sind für den Ausdauersport. Diese gehören zusammen mit Fett und Eiweiß zu den Makronährstoffen. Kohlenhydrate werden nach dem Verzehr, sofern sie nicht direkt wieder verbraucht werden, im Körper als Glykogen in Leber und Muskeln gespeichert. Bei einer sportlichen Aktivität wird dieses Glykogen dann in Glukose zerlegt und vom Körper als Energiequelle genutzt. Kohlenhydrate stellen für den Körper mit die einfachste Energieversorgung dar, da der Körper zur Verwertung weniger Sauerstoff benötigt als vergleichsweise für die Energieerzeugung aus Fett oder Eiweiß. Dieser Mix aus Kohlenhydraten, ein Teil gespeichert im Muskel und die anderen zugeführt während der Aktivität, stellen die maximale verfügbare Menge an verwertbaren Kohlenhydraten für den Körper dar. Bevor wir uns aber anschauen, wie die optimale Kohlenhydratversorgung aussehen sollte, betrachten wir erstmal die aktuelle Situation: Eine 2021 veröffentlichte Studie, welche untersuchte wie sich Trailläufer*innen während eines Wettkampfs verpflegen. Das Ergebnis
CARBS
war eine Kohlenhydratversorgung zwischen 15 und 32 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde. Vergleicht man das mit der Versorgung der Elite, Kilian nahm beim aktuellen UTMB circa 80g/h zu sich, dann zeigt sich hier eine deutlich reduzierte Versorgung im Breitensport. Teilweise wird bei kürzeren Distanzen oder im Triathlon auch mit noch höheren Kohlenhydratmengen gearbeitet. Die Menge wird dann auf 100g/h oder bis zu 120g/h gesteigert.
Doch wie viele Kohlenhydrate machen überhaupt Sinn? Zunächst ist es einmal interessant zwischen Glucose und Fructose zu unterscheiden. Beide verwenden im Körper verschiedene Transporter, um aus der Nahrung aufgenommen zu werden. Aus diesem Grund sollte immer eine Kombination aus Glucose und Fructose zu sich genommen werden. Dies ermöglicht dem Körper eine höhere Menge an Kohlenhydraten aufzunehmen, als wenn man nur eine der beiden Arten supplementiert. Über das optimale Verhältnis streitet sich aktuell wieder die Wissenschaft. Ging man bisher von von 2:1 Glucose zu Fructose aus, tendieren aktuelle Studien hin bis zu einem 1:1 Verhältnis. Untrainiert kann der Körper laut Studie circa 60g Glucose und 30g Fructose pro Stunde aufnehmen (zumindest beim Radfahren). Will man mehr Kohlenhydrate pro Stunde aufnehmen ohne Magenprobleme zu bekommen, sollte das trainiert werden. Die Hauptursache für DNFs bei Ultraläufen sind laut mehrerer Studien immer wieder Magen-Darm Probleme wie Durchfall, Bauchkrämpfe oder Übelkeit. So gut wie jeder von uns Läufer*innen hat das Problem wohl schon erfahren. In so gut wie allen Fällen ist hier die Ernährung die Ursache. Gerade beim Laufen kommt die mechanische Belastung des Magens durch die Laufbewegung noch dazu. Diese führt dazu, dass die Magenwände aneinander reiben bzw. die Magensäure in Bewegung kommt. Auch eine untrainierte zu hohe Kohlenhydratzufuhr oder ein zu hoher Anteil an Proteinen, vor allem aus Milcheiweiß, kann zu Problemen mit der Verdauung führen. Untrainiert sollten Mengen von 60g Kohlenhydraten aus Glucose und Fructose pro Stunde normalerweise ohne Probleme zu konsumieren sein. Will man darüber hinaus gehen, dann sollte, gerade für längere Ultraläufe, das Gefühl mit vollem Bauch zu laufen, trainiert werden. Das Training hierzu funktioniert am besten in sechs Phasen und sollte in der der direkten Vorbereitung auf einen Wettkampf stattfinden.
In der ersten Phase wird der Körper generell auf die erhöhte Kohlenhydrataufnahme vorbereitet. Solltest du dich also im Alltag eher Low-Carb ernähren, gilt es jetzt den Körper wieder auf die vermehrte Aufnahme von Kohlenhydraten vorzubereiten. Dazu solltest du in dieser Phase bis zu 6g Kohlenhydrate pro Kilo Körpergewicht pro Tag an bis zu drei Tagen pro Woche zu dir nehmen. Die „eingeschlafene“ Aufnahme von Kohlenhydraten wird wieder aktiviert. In der zweiten Phase geht es darum, die Fructose Transporter im Training zu trainieren. Hier nimmst du bis zu 45g Kohlenhydrate pro Stunde, bestehend vorrangig aus Fructose, zu dir. Die Phase kann parallel zur ersten Phase stattfinden. Dieses Training sollte mindestens zwei Mal pro Woche stattfinden. Ab der dritten Phase wird dann die Kohelenhydartaufnahme im Training gesteigert. Du solltest mit 45-60g Kohlenhydraten pro Stunde starten und dann in der vierten Phase auf bis zu 90g steigern. Achte bitte darauf deine Laufrunden entsprechend so zu legen, dass du jederzeit abbrechen kannst bzw. ein stilles Örtchen findest. Die letzten beiden Phasen beschäftigen sich dann mit der direkten Vorbereitung auf den Wettkampf. Teste aus, was du essen wirst, welche Produkte du einsetzt und ob du die geplante Menge an Kohlenhydraten verträgst.
Wie schaffst du so viele Kohlenhydrate zu dir zu nehmen? Geht man von den bisher geläufigen Gel Herstellern aus, so findet man hier meistens 60-70% Kohlenhydrate auf 100g Gewicht. Sprich auf 40g Gel kommen ca. 25g Kohlenhydrate. Allein nur damit den Bedarf an Kohlenhydraten zu decken, kann in längeren Rennen in viel Stress ausarten bzw. auch zu ungeheuren Mengen führen, welche man mitschleppen muss. Als Rechenbeispiel soll ein 50 km Traillauf mit ca. 2500 Höhenmeter dienen. Im Mittelfeld ist man hier gute 7:30 Stunden unterwegs. Will man sich zumindest mit 60g Kohlenhydrate pro Stunde versorgen, würde das 450g bedeuten, sprich man müsste ohne externe Verpflegung 18 Gels mitschleppen, was gleichbedeutend wäre mit 720g Gewicht im Rucksack. Zum Glück haben sich inzwischen die Produkte weiterentwickelt und es gibt auch Energiegels mit höherer Energiedichte. Anbieter schaffen es inzwischen verträgliche und schmeckende Produkte mit 80-90% Kohlenhydraten herzustellen. Auf 54g Gewicht kommen dann beispielsweise 45g Kohlenhydrate. Dies
allein würde das Gewicht aus oben genanntem Beispiel von 720g auf 540g (bei 10 benötigten Gels) reduzieren. Aber auch das ist nicht die alleinige Lösung, wenn man mehr als 60g Kohlenhydrate pro Stunde zu sich nehmen will. Es bietet sich an zusätzlich mit Kohlenhydratgetränken zu arbeiten. Gängige Hersteller ermöglichen es ca. 50g Kohlenhydrate in einer 500ml Softflask aufzunehmen. Sprich, statt in der Flask nur Wasser mitzunehmen, können gleichzeitig Kohlenhydrate zugeführt werden. Eine Strategie für die 50km könnte also wie folgt aussehen: An den Start gehen mit zwei Softflasks a 50g Kohlenhydrate. Im Rucksack noch eine dritte Softflask mit Kohlenhydrat-Pulver. Dazu zwei Gels mit hohem Anteil an Kohlenhydraten und sechs normale Gels. In den ersten zwei Stunden trinkt man dann jeweils eine Flasche mit Kohlenhydraten leer. Die leeren Flaschen kann man dann an der Verpflegungsstation entsprechend mit Wasser oder Iso wieder auffüllen. Die dritte Flask füllt man für Stunde drei ebenfalls mit Wasser auf. Zusätzlich zum Getränk nimmt man in den ersten drei Stunden noch ein normales Gel dazu. So kommt man die ersten drei Stunden auf 50g durch die Getränke und noch 20-25g durch das Gel. Anschließend ab der vierten Stunde setzt man auf ein Gel mit hohem Kohlenhydratanteil und ein Gel mit normalem Anteil. Das bringt die Menge an Kohlenhydraten dann immer noch auf 65g pro Stunde. In der letzten Stunde setzt man entweder auf ein Gel mit hohen Kohlenhydraten oder auf ein normales Gel. Diese Vorgehensweise wäre, bis auf Wasser, komplett unabhängig von externer Verpflegung. Sollte schon im Vorfeld bekannt sein, dass es Gels an den Verpflegungsstationen gibt, kann man die Menge im Startrucksack verringern.
Wie sieht nun aber eine mögliche Strategie über noch längere Distanzen aus? Solltest du aber mehr als 12 Stunden unterwegs sein, wird die reine Ernährung über Energiegetränk und Gel immer schwieriger. Die oben genannten
Eine Strategie für die 50km könnte also wie folgt aussehen. An den Start gehen mit zwei Softflasks a 50g Kohlenhydrate. Im Rucksack noch eine leere Softflask mit nur Pulver drin.
Produkte haben zwar den Vorteil, dass die Verfügbarkeit von Kohlenhydraten hoch ist, gleichzeitig aber den Nachteil, dass du relativ wenig Volumen an Nahrung im Magen hast. Die Magenwände beginnen durch die Bewegung beim Laufen, gerade auch im Downhill, aneinander zu reiben und können zu Übelkeit und Bauchkrämpfen führen. Auch eine Übersäuerung des Magens kann entstehen. Außerdem kann der übermäßige Konsum der zuckerhaltigen Gels und Getränke zu Problemen mit dem Darmtrakt führen und Durchfall verursachen. Alles in allem führt das dazu, dass sich eine hohe Müdigkeit einstellt, weiterhin Nahrung zu konsumieren. Hier gibt es zwei Möglichkeiten, um dem Problem Herr zu werden. Entweder man hat wie Kilian Jornet jemand an den Verpflegungsstationen stehen, der einen zwingt sich die Gels und Kohlenhydrate weiter reinzuzwingen oder man hat sich Alternativen bereitgelegt. Hat man sich nach dem UTMB die Videos aus den Verpflegungsstationen angeschaut, so fällt auf, dass auch die Profis beim UTMB über 20 Stunden nicht nur auf Gels, sondern auch feste Produkte, setzen. Wenn Du weißt, dass Du über eine solche lange Zeit unterwegs sein wirst, dann lege dir Alternativen zurecht. Am besten wechselst Du dann auf Bananen, Cookies oder Riegel. Du musst aber aber daran denken, trotzdem genug Wasser zu dir zu nehmen, sodass die aufgenommene Nahrung verarbeitet wird. Über alternative Ernährung, wie beispielsweise Suppe mit Reis, kann man auch gut Natrium aufnehmen. Wenn du die Möglichkeit hast dich extern betreuen zu lassen, sprich mit deinen Supportern ab, was
du zu dir nehmen willst. Meine Tipps sind oben genannte Brühe mit Reis oder instant Kartoffelbrei mit weichen Backerbsen. Kilian hat beim UTMB auf folgende Verpflegung gesetzt: Zwischen den Verpflegungsstationen konsumierte er 80g Kohlenhydrate pro Stunde über ein 0,5 Liter Getränk. Zusätzlich einen Riegel pro Stunde. Vor Abschnitten auf denen er intensiver unterwegs war, vor allem in den ersten Stunden, nahm er zusätzlich noch ein Gel ein. An den Verpflegungsstationen setzte er auf eine Mischung an fester Nahrung mit Fetten, Kohlenhydraten und Ballaststoffen. Vor allem Kartoffeln, Avocado Burritos oder Reis mit Avocado standen hier auf seinem Speiseplan, um den Magen zu füllen und gleichzeitig Kohlenhydrate zu konsumieren, welche über längere Zeit ihre Energie freigeben. Diese benötigen zwar mehr Blut im Magen, welches dann nicht mehr in den Muskeln oder zur Kühlung der Haut zur Verfügung steht, das spielt aber bei der Intensität des UTMB und dem diesjährigen Wetter keine entscheidende Rolle. Wie sieht es mit natürlicher Nahrung statt künstlichen Kohlenhydraten aus? Hier könnte man ein großes Fass aufmachen, inwiefern natürlicher Zucker im Vorteil gegenüber von raffiniertem Zucker steht. Es gibt durchaus prominente Lauftrainier, welche die rein natürliche Ernährung in jeder Art von Wettkampf lobpreisen. Die Möglichkeit sich rein natürlich auf Trainingsläufen zu ernähren, besteht durchaus und mag auch Sinn machen, bzw. keine Nachteile mit sich bringen. Auch ist diese Methode etwas günstiger, als sich nur mit teureren Gels zu ernähren. In Wettkämpfen unter Belastung bringt sie aber auch Nachteile mit sich. Betrachtet man zum Beispiel die beliebte Dattel: Wird diese unter Höchstbelastung zu sich genommen, muss sie zunächst ordentlich gekaut werden. Außerdem braucht man mehr Flüssigkeit. Die ersten Kohlenhydrate werden zwar auch über die Mundschleimhaut bereits aufgenommen, aber dieser Prozess findet später statt, wie bei Kohlenhydraten oder Gels. Der Nachteil von so gut wie allen natürlichen Lebensmitteln ist aber vor allem die Energiedichte. Bleiben wir beim Beispiel der Dattel: Diese hat auf 100g Gewicht 68g Kohlenhydrate. Das Verhältnis ist also vergleichbar mit einem Energiegel. Auf 40g kommen beim Gel 25g Kohlenhydrate. Bei der Dattel 27g. Pro Stück hat eine Dattel aber nur 5-6 g Kohlenhydrate. Um also die gleiche Menge Kohlenhydrate wie beim Gel zu erreichen, müsste man 5 Datteln essen. Bei 60g Kohlenhydraten pro Stunde wären wir bei 10-12 Datteln pro Stunde. Neben der reinen Menge, ist auch die schon im Abschnitt davor erwähnte größere Menge an benötigtem Blut im Magen ein Nachteil. Jenes steht dann nicht mehr für den Sauerstofftransport in die Muskeln oder zur Kühlung zur Verfügung. Gerade bei intensiveren Wettkämpfen oder in heißer Umgebung ist das nicht zu vernachlässigen. Dieses Beispiel zeigt, dass es durchaus Sinn macht, sich im Wettkampf auf Ernährung mit „künstlichen“ Gels und Getränken zu konzentrieren. Im Alltag kann man trotzdem auf eine möglichst natürliche Ernährung Wert legen, sollte die Ernährung mit künstlichen Produkten aber trotzdem vorher trainiert haben. Ansonsten lohnt sich auch der Blick auf die Zutatenlisten der Hersteller. Auch hier findet sich unter den Herstellern einige, welche ausschließlich auf natürliche Zutaten ohne Konservierungsstoffe setzten, aber dennoch eine höhere Kohlenhydratdichte als beim eigentlichen Naturprodukt erreichen.
Wer dem Mann mit dem Hammer schon mal begegnet ist bzw. in einem längeren Wettkampf wirklich leer gelaufen ist, weiß, dass die Ernährungsstrategie neben dem Training und Pacing, die wichtigste Säule darstellt. Ohne Kohlenhydrate funktioniert die Energiebereitstellung im Körper nicht mehr ausreichend und das bedeutet früher oder später das Aus im Wettkampf. Um dies zu verhindern, stehen inzwischen hunderte verschiedene Produkte in allen erdenklichen Geschmacksrichtungen zur Verfügung. Zu einer optimalen Rennvorbereitung gehört inzwischen genauso, dass man sich eine Ernährungsstrategie zurechtlegt. Hier ist es vor allem entscheidend, sich zu überlegen, wie lange man unterwegs sein wird, wie viele Verpflegungsstationen in welchen Abständen es geben wird, wie viel Kohlenhydrate man zu sich nehmen will und wie sich das am besten mit den zur Verfügung stehenden Verpflegungsstationen kombinieren lässt. Macht auf keinen Fall den Fehler und riskiert ein erfolgreiches Rennen durch eine vernachlässigte Verpflegungsstrategie. Denkt immer daran: CARBS ARE KING!
Texti: DENIS WISCHNIEWSKI Fotos: JORDI SARAGOSSA
›› Doch ein Rekord!
Dass der Streckenrekord beim Pikes Peak Ascent in den USA fällt, war Wunschgedanke, aber wenig realistisch - im Vorfeld des Rennens fiel aber eine andere Marke ganz eindrucksvoll ...
Wenn ich denn schonmal in Colorado bin und den Pikes Peak Ascent laufe, dann kann ich mich an den berühmten Incline-Treppen (nahe der Rennstrecke) ja schon einmal warmlauafen, dachte sich Remi Bonnet und liess die Stoppuhr auf den 1400 Metern und 615 Höhenmetern laufen. Neuer Rekord! 20 Sekunden schneller als Joseph Gray im Jahr 2015, der damals 17 Minuten und 45 Sekunden unterwegs war. Für Bonnet war der Rekord offenbar eine gute Vorbereitung auf das eigentliche Ziel der USA-Reise - die fünfte Etappe der Golden Trail World Series, den PIKES PEAK ASCENT, der im Rahmen des legendären Marathons einen Tag zuvor stattfindet und nach 21 Kilometern auf dem Gipfel endet. Die Uhr blieb bei 2 Stunden und 7 Minuten stehen, was den Sieg für den Schweizer bedeutete. Ein zweiter Rekord war es indes nicht, denn die schnellste Zeit für den Run zum höchsten Punkt bleibt souverän unberührt. Matt Carpenter setzte 1993 die Bestmarke mit 2:012:06.