8 minute read

Female Empowerment

Next Article
Existenzgründung

Existenzgründung

Warum die Fitnessbranche mehr Diversität vertragen kann

Selbstverantwortlich deine Karriere zu gestalten, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Wie können die Handlungsspielräume optimal gestaltet werden, damit alle ihren individuellen Karriereweg gehen können?

Vier Frauen. Vier Meinungen. Noch immer ist es so, dass Männer in der Arbeitswelt dominieren. Auch in der Fitnessbranche sind Frauen unterrepräsentiert. Vor allem eine Selbstständigkeit scheint für Frauen oft schwieriger zu sein als für Männer. Welche Stolpersteine man sich aus dem Weg schaffen kann, welche Netzwerke, Vereine und Tools in der Selbstständigkeit helfen können, beantworten vier Frauen aus der Fitnessbranche, die es geschafft haben, ihr eigenes Business aufzubauen.

Die Stereotype in der Fitnessbranche sind oft sehr plakativ: auf der einen Seite die Sixpack-Models und aufgepumpten Bodybuilder und auf der anderen Seite sich dehnende Yogalehrerinnen und Tänzerinnen. Ob auf Werbeplakaten oder Webseiten, die Männer machen Kraftsport und die Frauen stehen als hübsches Beiwerk daneben. Leider spiegelt sich dieses Bild generell in der Branche wider: ein deutlicher Männerüberschuss und nur wenig Frauen, die herausstechen. Warum ist das so? Was könnte man machen, um mehr Diversität in die Fitnessbranche zu tragen und sich gegenseitig zu stärken? Befragt wurden vier Frauen aus der Fitnessbranche.

KIRSTEN DEHMER

Geschäftsführerin der fitforfacts GmbH und Coach im Bereich Führungskräfte

Welche Herausforderungen und Stolpersteine bei der Selbstständigkeit betreffen besonders Frauen?

Als Frau in der Fitnesswelt ist man seit Beginn eine Exotin. Die Männer sind in der Welt, in der es um Fitness, Muskeln und Aussehen geht, dominant. Testosteron und Lautstärke sind die Merkmale von Fitness. Leider hat die Branche es bis heute nicht geschafft, das Image zu wandeln. Daher haben es Frauen bis heute schwerer, sich zu positionieren. Meist schafft man es über einen besonderen USP oder ein besonders innovatives Produkt. als unprofessionell ausgelegt. Es geht nicht darum, männlich zu wirken, sondern professionell mit viel Wissen, viel Präsenz und viel Wärme. So kommt man weiter.

Wo kann man sich Unterstützung holen?

Im WIFA-Netzwerk oder bei Coaches.

Welche Tools machen einem die Arbeit leichter?

In meinen Augen das eigene Auftreten und das Image der Marke, für die man steht.

Hast du konkrete Tipps und Tricks, worauf man als Frau in der Branche achten sollte?

Wie auch in anderen Branchen sollte man sich ein professionelles Auftreten und Verhalten aneignen. Viele Frauen neigen zur Niedlichkeit; das wird oft

Was bedeutet es zu netzwerken?

Netzwerken ist die einzige effektive Art, schnell ans Ziel zu kommen. Menschen wollen Menschen. Wer miteinander spricht und sich zeigt, kann sein Produkt platzieren und auch verkaufen.

NICI MENDE

Dipl.-Trainerin med. Fitness mit dem Schwerpunkt Bewegungsschmerz sowie Autorin und internationale Referentin

Welche Herausforderungen und Stolpersteine bei der Selbstständigkeit betreffen besonders Frauen?

Außer, dass ich mir ab und zu gern selbst im Wege stehe, habe ich bisher keine frauenspezifischen Stolpersteine erfahren oder wahrgenommen.

Worauf sollte man als Frau in der Branche achten?

Taff und mutig sein. Wenn sich Zielsetzungen nicht immer sofort umsetzen lassen, hilft es, den Mut nicht zu verlieren, mal unbequem seine Position zu vertreten, die Massenbewegungen kritisch zu beäugen und die Wege neu zu stecken.

Wo kann man sich Unterstützung holen?

Ich finde Menschen wichtig, die sich auch kritisch äußern und nicht nur „bravo“ rufen. Wenn sich jemand mit meinen Anliegen beschäftigt und mir eine konstruktive Meinung, gegebenenfalls Kritik, äußert, schätze ich das.

Welche Tools machen einem die Arbeit leichter?

Einfach anfangen! Das ist kein käufliches Tool, aber es hilft, den teils steilen Berg zu erklimmen. Auch wenn es nach unfassbar viel aussieht, hilft es, loszulegen. Jede Arbeit fällt leicht, wenn sie Spaß bringt. So sollte jeder und jede einen Job ausüben dürfen, der ihn oder sie interessiert, der sich nicht immer leicht anfühlt, aber richtig.

Was bedeutet es zu netzwerken?

Ähnlich wie bei der Selbstständigkeit, trifft das Wort ganz genau das, wonach es klingt. Netzwerken bedeutet, sich ein nützliches Umfeld aufzubauen, in dem man Austausch, Hilfestellung, Inspiration und Rückhalt erfahren kann. Richtig genutzt, spinnt es sich in den besten Fällen ganz nebenbei. Networking sollte möglichst ungezwungen und vor allem nicht erzwungen sein. Wichtig ist, dieses erfolgversprechende System richtig zu interpretieren, sich niemals unter dem eigenen Wert zu verkaufen. Beispielsweise sollten die Ergebnisse der eigenen Arbeit eben nicht jedem kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Die Nutzungsrechte werden in diesem Zusammenhang häufig fehlinterpretiert. Wovon sollen wir leben, wenn andere unsere Arbeitsleistung für sich vermarkten?

FRANKA SCHUSTER

Public Relations Lead bei Urban Sports Club

Welche Herausforderungen und Stolpersteine bei der Selbstständigkeit betreffen besonders Frauen?

Eigenverantwortung, Finanzierung, Personalthemen, Akquise und unkontrollierbare Faktoren wie Inflation oder Krieg sind aktuelle große Herausforderungen. Dafür sind Selbstbestimmung und die Chance, Talente und eigene Motivationen einzusetzen, sehr positiv. Allgemein sind Gründerinnen und Frauen in Führungsetagen immer noch unterrepräsentiert. Dabei wäre das Ausgleichen des „Gender-Gaps“ bei Fachkräftemangel und stagnierendem Wachstum nicht nur gerecht, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll.

Hast du konkrete Tipps und Tricks, worauf man als Frau in der Branche achten sollte?

Frauen oft Fragen gestellt bekommen, die Männer nie gestellt bekommen würden – auch ganz offen in Interviews. Allen voran die Frage: Wie willst du als Selbstständige Arbeit und Familie in Einklang bringen? Daher mein Tipp: entspannt sein, unangebrachte Fragen einfach ignorieren. Nutze es für dein Marketing und deine PR, dass du Gründerin bist, denn das Thema ist relevanter denn je. Bitte Kolleginnen und Kollegen, die ebenfalls selbstständig sind, um Hilfe. Sie können oft gut beraten.

Wo kann man sich Unterstützung holen?

Bei Plattformen wie „HerCareer“, bei Verbänden wie der „WIFA – Women in Fitness Association“ oder dem DSSV und beim Bundesministerium für Wirtschaft, das die bundesweite Gründerinnenagentur eingerichtet hat – und bei anderen Selbstständigen natürlich!

Welche Tools machen einem die Arbeit leichter?

Tools wie Fitogram als Studiosoftware und Asana für Projektmanagement und Planung. Social Media Scheduler wie Later für Instagram und Buchhaltungssoftware wie Lexoffice oder Sevdesk. Je nach Service, Produkt und Bedürfnissen gibt es viele günstige Tools, die Selbstständige nutzen können. Wichtig: Man muss auch nicht alles selbst machen, sondern sollte sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren. Social Media, Marketing oder Akquise können auch sinnvoll an Plattformen oder Agenturen ausgelagert werden.

MAIKE KUMSTEL

International Business Development bei Sport Alliance

Welche Herausforderungen und Stolpersteine bei der Selbstständigkeit betreffen besonders Frauen?

Die größte Hürde ist die Angst vor dem Ungewissen und dem Risiko. Laut Studien scheuen Frauen das Risiko mehr als Männer, sodass der Schritt, sich selbstständig zu machen, für Frauen eine wesentlich größere Herausforderung ist. Außerdem ist es in der Selbstständigkeit eher üblich, ungeregelte Arbeitszeiten zu haben. Dies ist mit einer Familie schwer zu vereinen. Zudem ist es statistisch gesehen so, dass von Frauen gegründete Start-ups weniger Risikokapital als rein männliche oder gemischte Gründerteams erhalten..

Hast du konkrete Tipps und Tricks, worauf man als Frau in der Branche achten sollte?

Sich ein funktionierendes Support-System zu erschaffen, ist unabdingbar. Im beruflichen Bereich ist das ein Netzwerk und Mentoren, die einem neue Perspektiven aufzeigen und Türen öffnen. Sich gegenseitig zu helfen und auch helfen zu lassen, ist wichtig. Wir müssen verstehen, dass wir gemeinsam wesentlich schneller und einfacher erfolgreich sein können und dies kein Zeichen von Schwäche ist. Im privaten Bereich gilt das Gleiche: Wenn Frauen von Freunden und der Familie Unterstützung und das Verständnis erhalten, dass sie ein eigenes Unternehmen mit gewissen Verpflichtungen führen, ist vieles einfacher. Der aktive Austausch über Probleme und Hindernisse, denen man im Berufsleben begegnet, ist ebenfalls unabdingbar. Zudem möchte ich jede Frau dazu ermutigen, sie selbst zu sein und ihr Wissen und Können mit der Welt zu teilen. !

Wo kann man sich Unterstützung holen?

In unserer Branche gibt es mittlerweile viele Verbände wie die Women in Fitness Association, die Frauen in unserem Sektor repräsentieren, bestärken und vernetzen. Ich kann jeden nur ermutigen, Teil solcher Verbände zu werden und vom Netzwerk und der Unterstützung, die man dort erfährt, zu profitieren.

Welche Tools machen einem die Arbeit leichter?

Sucht euch einen Mentor, von dessen Erfahrung ihr lernen könnt, werdet Teil eines Netzwerks/Verbands und tauscht euch so viel wie möglich aus. In diesen Gruppen werden fachliche Themen genauso wie soziale und strukturelle Probleme diskutiert, von denen jede/jeder profitieren kann. Auch Messen und Events, Webinare und Podcasts sind wertvolle Tools, um von inspirierenden Menschen zu lernen und dann in Kontakt zu treten.

Was bedeutet es zu netzwerken?

Netzwerken wird heutzutage leider immer noch oft als „aufgezwungener Small Talk, um Geschäfte anzubahnen“, interpretiert. Dabei ist Netzwerken vielmehr der aktive Austausch von Erfahrungen und der Anfang von wertvollen Beziehungen. Es geht hier darum, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu unterstützen. Wir müssen uns als Branche und als Menschen mehr als Partner und weniger als Konkurrenten sehen. Wenn wir sinnvoll netzwerken, können wir gemeinsam und auch jeder einzeln mehr erreichen und bewegen. Es ist genug Platz für jeden.

FAZIT

Wie kann jeder als Einzelperson zu mehr Diversität in der Branche beitragen? Einfach mal machen! Andere Kolleginnen unterstützen, fachlich und menschlich. Sich austauschen über Herausforderungen und darin bekräftigen, weiterzumachen. Schon allein dadurch, dass man sichtbar ist, dass man schreibt, diskutiert und Präsenz zeigt, kann man seinen Wirkungskreis erweitern.

Das größte Potenzial kann doch dann darin stecken, weniger Ego und Arroganz und mehr Mut und Neugierde an den Tag zu legen. Wenn es mit dem Vorhaben nicht klappt, dann hat man immerhin etwas gelernt.

Lasst uns also gemeinsam daran arbeiten, unsere Branche vielfältiger werden zu lassen. Das hört nicht bei der Geschlechterdiskussion auf – fängt dort aber vielleicht an. Aus eigener Erfahrung ermutige ich, mutig Chancen und Angebote zu nutzen. Ich habe mich auf diese Weise in vier Jahren von der quereinsteigenden Newcomerin zur erfolgreichen Expertin und Autorin entwickelt. Mein erstes Buch, „Neurozentriertes Training

– so trainierst du Gleichgewicht und Sta-

bilität", ist ein Zeichen dafür, was man erreichen kann, wenn man auf sich und seine Kompetenzen vertraut, ein Netzwerk aus Unterstützenden hat und gemeinsam etwas verändern will. W

LUISE WALTHER

Die Berliner Personal Trainerin arbeitet an der Schnittstelle Medizin-Fitness. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Individualisierung und Professionalisierung von Reha- und Trainingsprozessen mit Fokus auf Schmerzreduzierung und Bewegungsoptimierung ihrer Kunden. www.neurozentriertestraining.de

This article is from: