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Häufige Fehler im Strategieprozess vermeiden
Text Jonathan Schneidemesser
Schon Thomas Carlyle wusste: Der schlimmste aller Fehler ist, sich keines solchen bewusst zu sein. Gerade bei der Strategieentwicklung und -durchführung gehören Fehler einfach dazu. Aus ihnen kann man lernen. Aber nur, wenn man sich der Fehler auch bewusst ist, helfen sie dabei, die Strategie nachhaltig zu optimieren.
Treffender jedoch wäre es mit Dietrich Bonhoeffer und seinem Ausspruch: Der größte Fehler, den man im Leben machen kann, ist, immer Angst zu haben, einen Fehler zu machen. Und das trifft die Fehlerkultur in Deutschland gut. Denn Angst vor Fehlern ist hier weit verbreitet – das hat aber auch seinen Grund. In einer Studie der Leuphana Universität Lüneburg wurde die Toleranz im Umgang mit Fehlern untersucht. Daraus erstellten die Forscher ein Ranking, in dem sich Deutschland auf Platz 60 einfindet, direkt vor Singapur, das gleichzeitig das Schlusslicht der Untersuchung war. Fragt man sich, warum Singapur das Schlusslicht ist, sollte man sich vor Augen führen, dass hier Fehler durchaus noch mit dem Rohrstock in der Öffentlichkeit bestraft werden.
Und diese intolerante Fehlerkultur hat Einfluss auf Unternehmensstrategien. Innovationen und neue Entwicklungen entstehen nicht, wenn man konservativ handelt. Die USA zeigen, dass es erlaubt sein darf, Fehler zu machen, um aus ihnen zu lernen. Und dazu wusste der britische Politiker Sir Edward Heath: „Vor Fehlern ist niemand sicher. Das Kunststück besteht darin, denselben Fehler nicht zweimal zu machen.“ Wenn möglich, kann man auch aus den Fehlern, die andere bereits gemacht haben, etwas lernen. Und gerade bei der Strategiebildung gehören Fehler einfach dazu. Ein eingeschlagener Weg kann sich als falsch herausstellen, eine Mitarbeiterentscheidung kann fehlerhaft sein und eine Investition enorm nach hinten losgehen. Das gehört zum Prozess bei der Strategiefindung und -entwicklung einfach mit dazu.
Damit man nicht alle Fehler selbst machen muss, haben wir hier einmal sieben Tipps zusammengestellt, wie man die häufigsten Fehler vermeiden kann. 1. Unvollständige Informationslage Gute Entscheidungen fällt man am besten auf der Grundlage möglichst vieler Informationen. Trotzdem ist es erschreckend, wie viele Unternehmer-Entscheidungen mit einem Bruchteil der nötigen Informationen gefällt werden. Natürlich kann man nie alle Informationen haben. Man sollte aber versuchen, ein möglichst klares Bild zu bekommen, bevor man eine Entscheidung trifft. Das setzt einerseits ein gutes Fachwissen voraus. Welche Qualifikationen sind für eine Entwicklung nötig, sind Auflagen damit verbunden und welcher Kostenpool kann auf mich zukommen, sind Informationsfragen, für die es spezielles Fachwissen braucht. Andererseits sollte man so viele Informationen wie möglich aus allen Bereichen beschaffen, um eine gute Entscheidungsgrundlage zu haben. Nehmen wir als Beispiel die Standortwahl. Viele Unternehmen treffen die Wahl ihres Standortes, weil es gerade eine Immo-
bilie gibt, die passen würde, oder aber aufgrund eines gewissen Wohlgefühls vor Ort. Das muss nicht unbedingt zu schlechteren Entscheidungen führen, es könnte aber bessere geben. Informationen, die helfen können, sind: Mietpreis, Lage, Entwicklung des Viertels, Parkplatzsituation, Zuschüsse, Renovierungsbedarf, Umfeld des Standortes, Attraktivität für die Gemeinde usw. Oft müssen bei Strategieentscheidungen in der Physiotherapie rechtliche Hürden gemeistert werden. All das muss beachtet werden.
Klar ist auch, dass man nicht für jede kleine Entscheidung eine umfassende Recherche betreiben kann. Häufig gibt es das Personal in der Praxis auch gar nicht her, solche Entscheidungen informationstechnisch zu unterstützen. Trotzdem sollte man versuchen, möglichst viel herauszufinden. Eine gute Vernetzung vor Ort schadet auch nicht. Manchmal bleibt auch nicht genug Zeit, um ausreichend Informationen für die Entscheidungsfindung zu beschaffen. Aber noch mal: Wenn es um strategische Entscheidungen geht, sollte man die Zeit, die man hat, nutzen und die Entscheidungen langfristig planen. An diesen hängt schließlich deutlich mehr als nur etwas Kleingeld.
2. Emotionen überwiegen die Fachkompetenz Was eint Corona und eine Fußballweltmeisterschaft? Genau – alle haben dazu eine Meinung und wissen es natürlich besser als die Experten, die auf diesem Feld bereits jahrelang arbeiten. Was Experten und die 80 Millionen „Bundestrainer“ aber unterscheidet, ist, dass die einen auf Kompetenz setzen und die anderen auf Emotionen. Gerade im Entscheidungsprozess sollten Emotionen so gut es irgendwie geht in Schach gehalten werden. Ganz ausschließen kann man sie einfach nicht – letztlich werden Entscheidungen eben emotional getroffen. Allerdings kann man im Prozess immer wieder zurückzutreten und hinterfragen, wie viel Emotion in dieser Entscheidung steckt.
Spannend wird es, wenn es zu hitzigen Diskussionen im Team über eine Entscheidungsfindung kommt und der Praxisinhaber dann ein „Machtwort“ von oben herab spricht, damit die Entscheidung endlich getroffen ist. Das schadet mehr, als es nutzt. Die Entscheidung ist wahrscheinlich schlecht getroffen, das Teamgefüge leidet darunter und ein eigentlich nötiger Austausch wurde grob abgebrochen. Bevor es zu so einer Situation kommt, sollte man die Diskussion lieber abbrechen und an einem anderen Tag zu einer Entscheidung kommen. Denn wer erfolgreich strategisch handeln will, sollte lösungs- und sachorientiert vorgehen. Vorhandene Kompetenz sollte genutzt werden, genauso wie beschaffte Informationen. In einer emotionalen Diskussion gehen sachliche Argumente häufig unter.
3. Zu wenig Kommunikation Glücklicherweise sind Teams in Physiopraxen von der Größe her überschaubar. Das macht es leichter, auch wirklich alle Mitarbeiter am Strategieprozess teilhaben zu lassen und sie „mitzunehmen“. Während in Konzer-
Bevor eine Entscheidung getroffen wird, sollte man möglichst viele Informationen sammeln
Bei der Kommunikation gilt es einen guten Zwischenweg zu finden. Es sollte nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel Austausch stattfinden
Wurde ein Strategieprozess eingeleitet, sollte er auch verfolgt werden, unabhängig davon, ob Führungskräfte das Interesse daran verlieren oder das Team Angst hat, sich nicht durchsetzen zu können
nen viele Entscheidungen von oben nach unten (top-down) entschieden werden, kann es hier ein Miteinander geben. Dann wissen auch alle, was auf sie zukommt, denn häufig wirken sich strategische Entscheidungen in einer Physiopraxis auf alle Mitarbeiter aus. In Großunternehmen kann es schnell mal dazu kommen, dass eine Führungskraft zu wenig oder gar nichts an seine Mitarbeiter kommuniziert, sodass diese dann vor einer riesigen Flut an Informa-
tionen und Neuentwicklungen stehen, die über sie hereinbricht. Praxisinhaber sollten also darauf achten alle Beteiligten einzubeziehen.
Gleichzeitig sollte man darauf achten, dass nicht zu viel kommuniziert wird, da Mitarbeiter sonst irgendwann abschalten und nicht mehr zwischen relevantem und irrelevantem unterscheiden können. Mit einer guten Kommunikationsstrategie können auch alle wichtigen Informationen gebündelt und gehört werden. Das macht dann später die Entscheidungsfindung einfacher – und keiner kann sagen: „Warum hast du das nicht gesagt?“ – „Du hast ja nicht gefragt!“
Auch in der Entscheidungsfindung, den daraus resultierenden Abläufen und Zielsetzungen ist die richtige Kommunikation enorm wichtig. Nur so bleiben die Mitarbeiter motiviert, auch am Ausüben der Strategie dranzubleiben. 4. Durchsetzungskraft fehlt Bei Punkt zwei kritisierten wir, dass zu viele Entscheidungen via Machtwort von oben herab getroffen werden. Es sollte aber auch nicht dazu kommen, dass die Stimme verhallt, denn dann kann die Strategie noch so gut sein. Sie wird einfach nicht umgesetzt werden können. Manchmal reicht bereits eine Gegenstimme im Team, um den gesamten Prozess zu blockieren. Daher sollte man frühzeitig feststellen, wie das
Team zu den anstehenden Entwicklungen steht und wo mögliche Fallstricke zu finden sind. Meist reicht es aus, die Sichtweisen des Gegenübers zu hören, ihn früh am Prozess zu beteiligen, um seine Vorbehalte auszuräumen. Oft kann man dabei sogar noch etwas lernen.
Manchmal scheitert die Durchsetzung einer Strategie auch deshalb, weil sie zu abgehoben, vielleicht sogar zu visionär ist. Hier ist die richtige Kommunikation essenziell, aber auch das richtige Team. Dieses kann helfen, die richtigen Informationen für praktische Entscheidungen zu beschaffen, sodass die Strategie passend für das Unternehmen bleibt.
Emotionen sollten eine möglichste geringe Rolle spielen
5. Führung verliert das Interesse am Strategieprozess In den seltensten Fällen kommt es zu diesem Fall, da Strategieprozesse meist vom Inhaber oder Geschäftsführer eines Unternehmens ausgehen. In manchen Fällen ist das nicht möglich, oder aber es wird ein Team gebildet, um eine neue Strategie zu entwickeln und durchzusetzen. Unpraktischerweise kann es dann dazu kommen, dass die Führungsperson nicht von der Strategie überzeugt ist, sei sie auch noch so gut ausgearbeitet, mit kompetenten Informationen unterfüttert und gut kommuniziert. Letztlich ist so etwas immer zum Scheitern verurteilt, weil das Strategieteam nicht am längeren Hebel sitzt. Bei der Arbeit eines Strategieteams bedarf es also einer guten Abstimmung mit der Führungsebene, welche Form von Strategie gewünscht ist.
In anderen Fällen kann die Führung einfach das Interesse am Strategieprozess verlieren, obwohl es ihn selbst eingeleitet hat. Auch hier liegt es dann am Team, diesen fortzuführen und im besten Fall die Führungskraft zu einem Einsteigen zu motivieren. Dieser Fall ist übrigens gar nicht so selten, da Inhaber und Geschäftsführer sich in so vielen Themen involvieren, dass es für sie manchmal zu viel werden kann. Dann bedarf es einiger Geduld.
Fazit Ein Strategieprozess ist auf mehreren Ebenen herausfordernd und verlangt viel von einem Team ab. Da ist es hilfreich, wenn man nicht alle Fehler selbst machen muss. Mit unseren Tipps kann man nun zumindest einige der am häufigsten auftretenden Probleme passend angehen.
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