Cafe BE, 2. Halbjahr 2011

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Cafe BE 2011

BÖRSE EXPRESS


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Talk: Ein Goldguru, ein Börsebrief-Pionier und einer, der Explorationsrisken übernimmt

„Zielgruppe Untergangspropheten und Hinterwäldler - das war einmal“

Im Cafe BE (v. li.): Sven Olsson (Zimtu Capital), Ronald Stöferle (Erste Group), Christian Drastil (BE), Joachim Brunner (IRW)

Edelmetall-Experten über Chancen für Gold und Staaten. Ergebnis des Talks: Eine gemeinsame Roadshow im November in Wien. Cafe BE: Herr Stöferle, am 4. Juli haben Sie Ihren Gold-Report mit Bottom Line 2300 Dollar als Langfristziel versandt. Die Zugriffe waren heftig. Nicht nur bei den klassischen Finanz- und Wirtschaftsmedien fand man die Story unter den meistgelesenen, sondern vor allem auch in der Blogsphäre und bei spezialisierten „Weltuntergangsseiten“. Wie lange haben Sie daran gewerkt? Wann wird es den nächsten Report geben? Ronald Stöferle: Die viele Arbeit hat sich wirklich gelohnt, das Feedback ist bislang extrem positiv. Allein auf der Seite vom Prudent Investor gab es innerhalb von 24 Stunden mehr als 20.000 Downloads. Die reine „Schreibarbeit“ beläuft sich auf ca. zwei Monate. Allerdings mehr oder weni-

ger 24/7, also auch an den Wochenenden. Dazu noch während des Jahres ständige Recherche, viele (Anm: Betonung „vieeeeele“) gelesene Bücher und Reports usw.. Nachdem wir den Report auf deutsch und englisch publizieren, kommen noch Layoutarbeiten, Korrekturlesen usw. dazu. Insofern schreibe ich den Report also nur einmal pro Jahr, alles andere wäre im Privatleben beziehungsschädlich. Der nächste „In Gold We Trust“ wird dann Ende Juni 2012 erscheinen. (lacht). Nachdem die Welt ja laut Maya-Kalender erst am 21.12.2012 untergehen wird, geht sich das also gemütlich aus. Cafe BE: Stichworte wie Goldbugs, Goldsekten, Goldcommunity - erklären Sie doch bitte diese Begriffe für die Leser kurz ... Stöfe rl e: Gold ist ein hochemotionales Thema. Es scheint, als gäbe es lediglich zwei Lager: Personen, die Gold lieben aka Gold Bugs - und Personen, die es hassen. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es wenige Grautöne. Besonders im Fi-

nanzsektor ist die „Aurophobie“ sehr ausgeprägt. Diese krankhafte Angst oder Aggression gegenüber Gold scheint es bei keinem anderen Gut zu geben. Schliesslich kenne ich keine solch ausgeprägte Aversion gegen Kupfer, keine manischen Anleihen-Feinde oder militanten Immobilien-Basher. Wir sehen uns als Analysten und nicht als Psychotherapeuten, insofern möchte ich auf die Gründe für die starke Aversion nicht weiter eingehen. Vielmehr versuche ich seit Jahren anhand von Zahlen, historischen Vergleichen und Fakten zu begründen, wieso Gold unserer Meinung nach ein zentraler Portfoliobaustein sein sollte. Derzeit findet definitiv ein Paradigmenwechsel statt, Gold scheint gottseidank langsam den Nimbus des „Investments für Untergangspropheten und Hinterwäldler“ zu verlieren. Nicht nur klassische Gold Bugs, sondern nunmehr auch zahlreiche Hedge Funds-Ikonen wie John Paulson, David Einhorn, Paul Tudor Jones oder Ray Dalio haben mittlerweile ein Faible für Gold.


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Cafe BE: Die Aurophobie wird - glaube ich - wirklich nur durch die Aktienphobie der österreichischen Bundesregierung getoppt ... aber zurück zum Gold: Welche dieser spezialisierten Websiten hat die grösste Community, die grösste Bedeutung? Stöferle: Da gibt es sehr viele. Blogseiten wie die befreundeten Herren von www.acting-man.com oder dem Prudent Investor, dann natürlich die deutschen Goldseiten.de, in den USA bin ich mit Zerohedge sehr gut befreundet. Dann natürlich viele „Austrian“ Seiten und natürlich das Goldstandardinstitute in Wien. Cafe BE: Sind Sie auch in Deutschland gut vernetzt? Stöferle: Doch. Die „Szene“ ist ja sehr klein. Höhepunkt ist natürlich immer die Edelmetallkonferenz im November in München. Dazu gibt es noch viele Veranstaltungen wie zB. die Go-Ahead Konferenz von Niki Kimla in Wien, die Hamburger Marc Banko Seminare, etc..

bares Goldprodukt aufgelegt. Bitte um ein paar Worte dazu und welche Rolle Sie dabei spielen ... Stöferle: Wir haben vor zwei Jahren einen Goldaktien-Basket aufgelegt, der bislang knapp 100 Prozent im Plus liegt und die meisten Benchmarks outperformt hat. Der Basket ist ein passives Produkt, bei dem ich – anhand eines technischen und fundamentalen Modells – einmal jährlich eine Titelselektion mache. Wir wollen die Kosten möglichst niedrig halten, deshalb die jährliche Rebalancierung. Ich habe ausschliesslich Mid-Caps ausgewählt, nachdem das meiner Meinung nach der „sweet spot“ sein dürfte. Auch im Hinblick auf Übernahmen. Cafe BE: Und wann wird wieder umgeschichtet, wird es grössere Änderungen geben? Stöferle: Die Änderungen finden jedenfalls am letzen Handelstag im Juli statt, ich werde sicherlich wieder einige Aktien austauschen, die Strategie bleibt aber gleich.

Cafe BE: Mir ist eigentlich ausser Ihnen nur ein Bankanalyst bekannt, der sich massiv um Goldresearch bemüht, Eugen Weinberg von der Commerzbank. Wie ist das bei Ihnen gelaufen? Warum ist die Erste auf den Goldzug aufgesprungen? Stöferle: Die Initiative ging von mir aus, nachdem ich privat eine Goldaktie besass, die sich sehr gut entwickelte und ich mich im Zuge dessen mit der Materie beschäftigte. Anschliessend habe ich unseren Head of Research Fritz Mostböck gefragt, ob ich einen kleinen Spezialreport zum Thema Gold schreiben könnte und habe mich weiter eingelesen. Ich kam nach der technischen und fundamentalen Analyse des ersten Reports zum Schluss, dass Gold ein exzellentes Chance/Risikoverhältnis aufweist (damals stand der Preis bei ca. 550 Dollar) und habe den Call abgegeben, dass wir das Allzeithoch aus 1980 bei 850 Dollar übersteigen würden. Das war damals wirklich sehr gewagt. Von Jahr zu Jahr wurden die Reports dann länger - und hoffentlich besser - und es eröffneten sich neue Dimensionen wie die Österreichische Schule der Nationalökonomie.

Cafe BE: Abschliessend zum physischen Goldgeschäft, ich habe gehört, dass Sie unlängst mit der Münze Österreich auf Roadshow waren. Wie kann ich mir das vorstellen? Welches Publikum? Welches Ziel? Stöferle: Richtig, wir haben gemeinsam mit der Münze Österreich eine Veranstaltung in Bukarest bei unserem Private Banking und vor institutionellen Kunden veranstaltet. Das Interesse war enorm, wir hatten auch zahlreiche Fernseh-Interviews. Generell merkt man in der CEE- & und SEE-Region, dass die Goldaffinität wesentlich höher ist als hierzulande. Deshalb glaube ich auch, dass wir uns im Goldsektor hier auch wirklich gut positioniert haben.

Cafe BE: Sie haben ja auch ein handel-

Cafe BE: Herr Brunner, Sie sind kein Un-

„Der Fear-Trade und der LoveTrade sind die Eckpfeiler des Bullenmarktes bei Gold“ Ronald Stöferle, Erste Group

bekannter bei unseren Lesern und waren einer der ersten, der sich dem Thema Rohstoffe intensiver gewidmet hat. Bitte beschreiben Sie kurz Ihre Aktivitäten. Joachim Brunner: Hauptberuflich bin ich Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Portfolio Invest in Salzburg. Wir managen neben Einzeldepots auch Fonds wie zum Beispiel den PI Global One, mit dem wir in den letzten Jahren den Markt deutlich outperformen konnten. Darüber hinaus betreibe ich noch die Nachrichtenagentur IRW-Press, die vor allem für Rohstoffunternehmen ihre Pressemitteilungen im deutschen Sprachraum verbreitet und zu guter Letzt bin ich noch Chefredakteur des Börsenbriefs Smallcap-Investor. Cafe BE: Wie hoch ist das verwaltete Volumen bei der Portfolio Invest? Wie viel


BÖRSE EXPRESS CAFE BE davon in Rohstoffe investiert? Bru nner: Wir verwalten derzeit rund 85 Mio. Euro und davon sind rund 55 Prozent in Aktien investiert und davon werden wiederum rund zwei Drittel in Rohstoffaktien gehalten. Cafe BE: Wie sehen Sie insgesamt die Börsenbriefszene im Bereich Rohstoffe? Brunner: Als ich vor sieben bis acht Jahren begonnen habe, über Rohstoffe zu schreiben, hat es nur sehr wenige Börsenbriefe gegeben, die sich mit diesem Thema beschäftigt haben und auch eine Expertise in diesem Bereich hatten. Nach dem anfänglichen Boom vor allem der hochspekulativen Explorerwerte verzehnfachte sich die Zahl der Börsenbriefe. Leider hat sich damit auch die Zahl der „weniger gut informierten“ Börsenbriefautoren massiv erhöht. Man muss also schon aufpassen, welche Briefe man liest und welche möglichen Interessenskonflikte sich vielleicht dahinter verbergen könnten. Cafe BE: Ronni Stöferle spricht von 2300 Dollar für Gold. Ihre Sicht der Dinge? Brunner: Gold ist eine Angstwährung und daher hängt es davon ab, wie die Politik mit der jetzigen „Systemkrise“ umgeht. Nachdem die Politiker immer dazu neigen, den einfachsten Weg zu gehen, ist die Wahrscheinlichkeit recht gross, dass die von Herrn Stöferle avisierten 2300 Dollar nur ein Zwischenschritt in diesem Goldboom sein werden. Immer mehr Leute erkennen, dass Gold Geld ist und daher versuchen sie aus dem Teufelskreislauf der Geldschöpfung bzw. des Gelddruckens auszubrechen. Cafe BE: In einem Forum wurde einmal über intensiv über einen Vergleich GM vs. Österreich diskutiert - ein Vergleich, den Sie gebracht hatten. Bitte um kurze Zusammenfassung ... Brunner: Es ist damals, schon vor Jahren, in einem Vortrag von mir gegangen, in welches Unternehmen die Zuhörer lieber investieren würden. In ein Unternehmen „A“, das eine Verschuldung von 102 Prozent vom Umsatz hat und in den letzten acht Jahren vier Jahre mit Gewinn gearbeitet hat oder in ein Unternehmen „B“, das 242 Prozent Verschuldung wohlgemerkt vom

Umsatz hat und in den letzten 32 Jahren keinen Gewinn erwirtschaftet hat. Unternehmen A war General Motors, das zu diesem Zeitpunkt gerade in Konkurs gegangen war und Unternehmen B war der Staat Österreich mit einer „AAA“ Bonität. Die Zahlen haben sich übrigens in den letzten Jahren für Österreich nicht verbessert.

gehen würde. Hier ein kleines Beispiel: Die USA haben offizielle Staatsschulden von 14.300 Mrd. Dollar ohne verdeckte Schulden oder Staatszusagen usw., Die Staatseinnahmen - also das Steueraufkommen 2010 - lagen aber nur bei 2381 Mrd. Dollar. Das heisst, die USA müssten sechs Jahre lang alle Steuereinnahmen dazu verwenden, um ihre Schulden abzudecken und dürften dabei keinen Cent ausgeben und ausserdem keine Zinsen für ihre Schulden zahlen. In den anderen westlichen Ländern sind die Zahlen nicht viel besser, auch in Österreich nicht.

Ca fe BE: Sie verwenden auch gerne das Wort „overpromoted“. Was ist aktuell overpromoted? Brunner: Vor ein paar Jahren waren ganz klar die Rohstoffaktien in Deutschland „overpromoted“. Jetzt würde ich aktuell keine „overpromotion“ sehen, ausser vielleicht im Zertifikatesegment. Da gibt es schon so viele, dass man einen Kompass braucht, um die richtigen herauszufinden. Das Schlimme dabei ist, dass dem Markt bzw. den Unternehmen kaum Joachim Brunner, Autor und Fondsmanager Geld als Betriebskapital zugeführt werden, aber es wird Cafe BE: Sie gelten auch nicht als Freund die Volatilität am Markt erhöht und das klassischer Relationen, wie zB „Verschul- ist negativ zu sehen. dung in Prozent des BIP" ... Brunner: Ich halte gelinde gesagt den Ver- Cafe BE: Herr Olsson, Joe Brunner meingleich Staatsverschuldung in Prozent zum te, wenn ich einen Termin zu Gold und BIP auszudrücken für Schwachsinn. Die- Rohstoffen mache, müssten Sie unbedingt ser Vergleich sagt gar nichts aus. Das ist, mit an den Tisch. Und da Sie gerade in wie wenn ein Unternehmen sagen würde, Wien sind, nehme ich das gerne auf. Bitseine Verschuldung beträgt nur ein paar te stellen Sie sich, Zimtu und die AktiviProzent vom Branchenumsatz. Den ein- täten des Unternehmens unseren Lesern zigen Vergleich, den ich für akzeptabel hal- kurz vor ... te, ist der Vergleich Staatsverschuldung ge- Sven Olsson: Erst einmal herzlichen Dank, genüber dem Steueraufkommen - also dass ich zu dieser Runde kurzfristig daquasi mit den Einnahmen, die ein Staat zustossen durfte. Als Manager in einem hat. Das Problem ist, dass diese Zahlen so kanadischen Beteiligungsunternehmen hahaarsträubend wären, dass sogar dem be ich es vor allem mit jungen Rohstoffgrössten Optimisten wohl das Lachen ver- unternehmen zu tun, die Kapital suchen.

„Es ist Schwachsinn, die Staatsverschuldung in Prozent des BIP auszudrücken“


BÖRSE EXPRESS CAFE BE und bringen sie an die Börse. Zimtu ist also ein Emissionshaus für Rohstoffunternehmen. Die Finanzierung über die Börse ist dabei nichts Äusserliches, sondern das Lebensblut dieser jungen Explorationsunternehmen. Ohne die Börse als Instrument der Risikostreuung, wäre wohl staatliche Subvention und letztlich Steuergeld – das natürlich auch vielfältig fliesst - das einzige Mittel, um die Risiken abzubilden und den gewaltigen Kapitaldurst zu löschen. Zur Veranschaulichung nur eine Zahl: Pro Jahr gibt es allein an der Börse Toronto über hundert neue Listings von jungen Bergbaufirmen, insgesamt sind derzeit rund 1500 Explorationsunternehmen notiert. Die DySven Olsson, Director Zimtu Capital namik ist mit hiesigen Verhältnissen nur schwer zu vergleichen. Wenn Sie so wollen, dann repräsentiere ich in dieser Runde also das unternehmerische Element. Mir fällt immer wieder Cafe BE: Das ist - aus hiesiger Sicht - leiauf, dass hierzulande gerne vergessen wird: der richtig. Wenn ich Sie bitte, drei ZimMan muss Lagerstätten erst einmal fin- tu-Incubees hervorzuheben, welche wäden und entwickeln, um sie auszubeuten. ren das, und warum? Es handelt sich um eine genuin unter- Olsson: Zimtu Capital Corp. ist wie gesagt nehmerische Aufgabe, sprich, es braucht an der TSX-Venture Börse zu Hause. Wir Unternehmen, die das Risiko der Explo- beherrschen dort natürlich unser Handration übernehmen. Die Rohstoff-Indu- werkszeug: Das fängt beim klassischen strie hat dafür eine Arbeitsteilung entwik- IPO an, geht über Reverse Take-Over bis kelt, bei der die grossen Produzenten ge- zur Verwendung von Börsenmänteln verwissermassen das Research & schiedenster Art. Das Paradebeispiel für Development an kleine Gesellschaften eine erfolgreiche Gründung auf dem Weund letztlich an den Kapitalmarkt out- ge eines IPO ist sicher Western Potash sourcen. Genau an dieser Nahtstelle ist Corp., ein Kali-Explorer. Zimtu hat 2007 Zimtu Capital Corp. tätig: Wir suchen aus- den ersten Scheck über 250.000 kanadisichtsreiche Projekte, gutes Management, schen Dollar für das Unternehmen ausgründen junge Rohstoffgesellschaften – gestellt. Heute, stressige vier Jahre später, im vergangenen Jahr allein vier - , statten hat Western Potash einen Börsenwert von die Unternehmen mit Seed-Kapital aus 280 Mio. kanadischen Dollar. Wenn ich

„An der Börse in Toronto haben wir jährlich hundert neue Listings von jungen Bergbaufirmen“

von Stress spreche, ist natürlich der Crash 2008 gemeint, aber auch die lange währende Unsicherheit, ob die 40 Mio., die beim IPO in der Kasse waren, tatsächlich zur Entdeckung einer Lagerstätte führen würden. Heute wissen wir: Western Potash besitzt eine Weltklasse Kali-Lagerstätte und wir sind so überzeugt vom Erfolg des Unternehmens, dass wir keine Aktie abgeben, auch wenn uns bewusst ist, dass zur Entwicklung des Projekts mehr als 2 Milliarden US-Dollar notwendig sind. Man darf in diesem Geschäft keine Angst vor grossen Zahlen haben. Commerce Resources Corp. ist eine weitere Zimtu-Gründung – übrigens hervorgegangen als Spin-Off aus der Zimtu heraus, lange bevor Zimtu selbst an die Börse ging. Die beiden Gesellschaften stehen sich immer noch besonders nahe, nach aussen sichtbar durch den gleichen CEO, Dave Hodge. Commerce ist spezialisiert auf Seltene High-Tech-Metalle – Tantal und Niob – sowie auf Seltene Erden. Bisher sind mehr als 20 Mio. kanadische Dollar in die Entwicklung des Tantalprojekts geflossen. Nach Grösse und Art kann dieses Projekt den Tantalmarkt weltweit verändern, vor allem, wenn es um ethisch saubere Versorgung geht. Die Entdeckung Seltener Erden in Quebec befindet sich dagegen noch in einem früheren Stadium. Dennoch nimmt das Eldor-Projekt schon einen der vorderen Plätze in der PeerGroup ein. Wir sind zuversichtlich, dass Commerce bei der kommenden Ressourcenschätzung in punkto Gehalt und Größe endgültig ganz vorne mitspielt. Zimtu hält noch knapp zwei Prozent der Gesellschaft. Als letzte Variante sei unsere Beteiligung an Equitas Resources Corp. genannt. Zimtu hat innerhalb der zurückliegenden eineinhalb Jahre eine Position von rund 20 Prozent an dem jungen Kupfer-GoldExplorer aufgebaut. Equitas ist damit zwar keine Zimtu-Gründung, aber wir haben die Gesellschaft nach einem Aktiensplit komplett restrukturiert, sprich für neue Projekte und Management gesorgt. Besonders bestätigt fühlen wir uns dadurch, dass Equitas erst in diesen Tagen die Zusage zur Finanzierung durch eines der grössten chinesischen Bergbauunternehmen erhalten hat. Es ist ein Novum, dass


BÖRSE EXPRESS CAFE BE sich die Chinesen schon in einer so frühen Phase beteiligen. Wir sehen hier für Equitas eine perfekte Partnerschaft. Noch etwas: In diesem Frühjahr sind wir bei zwei jungen Kohlegesellschaften eingestiegen, die beide noch in diesem Jahr an die Börse gehen sollen. Das eine Projekt liegt in Kolumbien, das andere in der Mongoglei. Wir sind darüber hinaus auch erfolgreich als Projekt-Makler, sprich wir erwerben aussichtsreiche Projekte und verkaufen diese dann an bereits bestehende börsennotierte Gesellschaften gegen Aktien und Cash. Allein im vergangenen Jahr haben wir mehr als ein Dutzend solcher Transaktionen abgeschlossen. Cafe BE: Jetzt bin ich neugierig: Und was führt Sie nach Wien? Olsson: Ich bin natürlich viel unterwegs. Börsennotierte Gesellschaften brauchen immer das enge Gespräch mit Investoren. Die typischen Stationen von Road Shows in Europa sind immer wieder Genf, Zürich, München, Frankfurt. Ich muss zugeben, dass ich beruflich erst ein Mal in Wien war und das ist Jahre her. Wir haben aber jetzt doch erste Kontakte zu Investoren hier geknüpft und die greife ich natürlich gerne auf. Cafe BE: In Deutschland gibt es etliche Roadshow-Termine und eine grosse Publikumsmesse, die Edelmetall- und Rohstoffmesse am 4. und 5. November 2011 in München. Und Wien? Olss on: In Wien ist mir nichts bekannt, sollten wir einmal starten*. Cafe BE: Das nehme ich gerne auf. Frage an die Runde: Ist Ihr positiver Zugang zu Rohstoffen nicht eigentlich ein Sell für die Wirtschaft und die Börsen? Brunner: Nein, nicht unbedingt. Rohstoffe brauchen Unternehmen, die diese verarbeiten. Geht es also der Wirtschaft schlecht, geht es auch den Rohstoffen schlecht. Gold ist dabei als Ausnahme zu sehen. Gold ist kein wichtiger Rohstoff für die Industrie, aber ein monetäres Wert-

aufbewahrungsmittel. Gold ist ein Indikator für das Vertrauen in unser „Finanzsystem“. Beim Öl ist wiederum der Öl-Peak ein Thema, das heisst, dass wir den Zeitpunkt der grössten möglichen konventionellen Förderung meines Erachtens bereits überschritten haben und daher haben wir in der Zukunft das Problem, dass wir unsere Nachfrage nicht mehr befriedigen werden können. Aber das jetzt zu diskutieren und vor allem die Folgen und die Chancen für unsere Wirtschaft abzuschätzen, würde den Rahmen dieser Diskussionsrunde vollkommen sprengen. Stöferle: Meiner Meinung nach gibt es zwei zentrale Eckpfeiler dieses Bullenmarktes.

Sowohl den Fear-Trade als auch den LoveTrade. Nun was bedeutet das? Die AngstKomponente wird von den negativen Realzinsen, der überbordenden Staatsverschuldung und der steigenden Angst vor einem Systemkollaps getrieben. Diese Komponente wird derzeit als einziger Grund für den Goldbullenmarkt genannt. Es wird jedoch häufig vergessen, dass China und Indien die treibenden Faktoren auf der Nachfrageseite sind. Die hohe traditionelle Goldaffinität und der steigende Wohlstand werden die Nachfrage langfristig unterstützen. 2020 werden 50 Prozent des Welt-BIP’s von Emerging Markets erwirtschaftet, im Jahr 2000 betrug der Anteil noch knapp 19 Prozent. Ein Grossteil der Schwellenländer weist ein deutlich grösseres Faible für Gold auf als die Industrienationen. Wir glauben einfach, dass Gold in Zeiten chronischer Unsicherheit ein exzellenter Hedge ist. Zudem macht Gold aus Portfoliomanagement-Ge-

sichtsgründen definitiv Sinn. Es hat eine niedrige Korrelation zu Aktien und eine negative Korrelation zu Bonds. Insofern denken wir, dass es ein exzellenter Eventhedge ist. Cafe BE: Werden wir in drei Jahren den Euro noch haben? Olsson: Ja, aber die Kaufkraft des Euro, gemessen an einer Unze Gold, wird geringer sein als heute. Brunner: Ich bin ein überzeugter Optimist und Realist und daher sehe ich eine Chance von 80 Prozent, dass wir noch einen Euro haben werden. Vielleicht nicht in dem jetzigen Länderumfang, aber tendenziell bin ich hier positiv eingestellt. Cafe BE: Abschliessend - die aktuelle Ratingagenturen-Diskussion. Wie sehen Sie das? Brunner: Diese Diskussion ist ja fast schlimmer als der BIP-Vergleich. Sicher haben die Ratingagenturen ihren Beitrag zu dieser Krise geleistet, vor allem durch das Rating von verbrieften Kreditprodukten, die dann zu MilliardenVerlusten bei den Anlegern geführt haben. Aber Ratingagenturen für die jetzige Krise verantwortlich zu machen, ist lächerlich. Die Ratingagenturen haben keine Euroschulden verursacht, das war alleine jeder einzelne Staat und deren Politiker. Man muss aber sagen, sie hätten schon viel früher mit dem Downgraden von Staatsratings beginnen müssen. Eigentlich dürfte auch jetzt kein einziger wichtiger EU-Staat oder die USA das Höchstrating von „AAA“ tragen, dazu ist die Lage schon viel zu kritisch. Diskussionsleitung: Christian Drastil Fotos: Franz-Josef Galuschka ❲ * Hinweis: Die Edelmetall- und Rohstoffmesse 2011 findet am 4. und 5. November in München statt. Gleich danach - am 7. November - wird der BE erstmals einen Edelmetall- und Rohstoff-Event veranstalten. Die drei Cafe BE-Gäste Stöferle, Brunner und Olsson werden dabeisein. Das wurde heute, 11. Juli (vier Tage nach dem Cafe BE-Talk), fixiert. Details folgen. Mehr zum Cafe BE: http://www.boerse-express.com/cafebe


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Cafe BE: Kommt der Zerfall der Eurozone? Und wer verliert bzw. gewinnt dabei?

EUROpa im Würgegriff von Politik, Ratings und verhetzenden Rechtsprofessoren

Im Cafe BE (v. li.): Robert Gillinger (Börse Express), Stefan Bruckbauer (Bank Austria), Helene Schuberth (OeNB), Friedrich Mostböck (Erste Group)

Am Donnerstag finden sich die Regierungschefs der Euro-Zone zum nächsten Krisenmeeting ein. Das Cafe BE lud zum Talk über Ratings, Fehler der Politik und Gefahren eines Defaults. Cafe BE: Bitte nur ein kurzes Ja oder Nein: Gibt es die Eurozone in fünf Jahren noch: Drei mal ein „Ja“. Cafe BE: Ist die Schuldenlast nicht zu erdrückend? Helene Schuberth: Staatsschulden steigen immer nach Finanzkrisen, diesmal sogar schwächer als zumeist, da es historisch im Schnitt beinahe zu einer Verdoppelung der Verschuldung nach Finanzkrisen gekommen ist. Insofern, vor allem der Euroraum, sind wir eigentlich in einer

komfortablen Situation. Prognosen sagen einen Anstieg der Schuldenquote in der Eurozone um etwa 20 Prozentpunkte von 2008 auf 2015 voraus, 40 hingegen in den USA. Und die in der Kritik stehenden Länder haben einen geringen BIP-Anteil am Euroraum. Griechenland 2,5 Prozent, Portugal 1,9, Irland 1,7 Prozent. Was derzeit passiert, ist fundamental nicht gerechtfertigt. Es hat vielmehr damit zu tun, dass es vier Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise noch immer nicht gelungen ist, den Finanzsektor in angemessener Weise zu regulieren, und ich möchte ganz speziell die Ratingagenturen ansprechen. Bei der Lateinamerika-Krise wurden die Länder mit der Ankündigung von Umstrukturierungen besser geratet, heute sagt man 'Selective Default'. Das wäre wahrscheinlich mit schwer vorhersehbaren Folgen verbunden. Cafe BE: Ist die Beteiligung Privater eine

ökonomische Notwendigkeit? Stefan Bruckbau er: Die Beteiligung privater Investoren hat Folgewirkungen, die wir heute noch nicht sehen. Die meisten Staatsanleihen liegen nicht bei irgendwelchen Investmentbanken, sondern bei faden, risikoaversen Fondsmanagern, Versicherungen usw. Die werden das Investment in solche Anleihen künftig massiv anders beurteilen als bisher. Und das kostet die Staaten und Steuerzahler viel, viel Geld, vor allem im Euroraum. Das bedenken die Politiker viel zu wenig - dass sie hier einen Tabubruch begehen. Friedrich Mostböck: Das ist wie bei der Wertpapier-KESt. Den bösen Spekulanten, wer auch immer das ist, den gibt es immer noch. In Österreich ist dadurch leider der Anteil der Retail-Aktionäre zurückgegangen, die zur privaten Vorsorge Aktien gekauft haben. Der böse Spekulant wurde durch solche Massnahmen


BÖRSE EXPRESS CAFE BE überhaupt nicht getroffen. Bruckbauer: Die Spekulanten haben gesagt: Den Euro zerlegt's, und Griechenland geht Pleite. Und die Politik steuert darauf zu. Das ist das Skurrile, sie tut genau das, was die Spekulanten wollten. Sie spielen ihnen in die Hände und glauben, sie mit Massnahmen wie einer Privatbeteiligung zu treffen. Cafe BE: Die Deutschen haben es in dieser Frage aber besonders schwer ... Bruck bauer: Die Deutschen sagen, ich zahle das Geld lieber für die Rettung meiner Spekulanten, als die man eine Hypo Real Estate ruhig bezeichnen kann, als dass sie es den Griechen, den Spaniern oder wem auch immer schenken würden – sonst lernen die kleinen Kinder da unten ja nie das Sparen. Diese Geisteshaltung, wenn die in der EU mehrheitsfähig ist, gibt dem Euro auf lange Sicht keine Chance. Schuberth: Es scheint so, als gebe es eine Diskrepanz zwischen nationalen Egoismen und der europäischen Idee. Es geht aber auch darum, dass man bis zur Finanzkrise kein adäquates Verständnis für wirtschaftspolitische Koordinierung in der EU hatte. Da sehe ich jetzt einen wesentlichen Fortschritt. Denn es gab durchaus Diskussionen

„Was derzeit passiert ist fundamental nicht gerechtfertigt. Es hat vielmehr damit zu tun, dass es vier Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise noch immer nicht gelungen ist, den Finanzsektor in angemessener Weise zu regulieren“ Helene Schuberth, Senior Advisor Volkswirtschaft OeNB

über ökonomische Ungleichgewichte in den Gremien der EU, wie auch über die Immobilienbubbles in Teilen Europas wie

„Sonst lernen die kleinen Kinder da unten ja nie das Sparen. Diese Geisteshaltung gibt dem Euro auf lange Sicht keine Chance“ Stefan Bruckbauer, Chefvolkswirt Bank Austria

etwa Spanien oder Irland. Man war sich der Konsequenzen nur nicht bewusst. Aber in diesen Staaten gab es zum Teil auch überdurchschnittliches Wachstum, und die Steuereinnahmen sprudelten. Da hat man wenig Interesse, die entsprechenden Massnahmen zu setzen. Daher bin ich auch bezüglich der Zukunft nicht so skeptisch. Wir haben jetzt ein geläutertes Verständnis für die Notwendigkeit wirtschaftspolitischer Koordinierung, die weit über den fiskalpolitischen Rahmen hinausgeht. Es wurde auch in kurzer Zeit eine europäische Aufsichtsstruktur geschaffen und makroprudenzielle Regulierung gewinnt an Bedeutung. BE Cafe: Ich fasse zusammen: Wir sitzen vor allem hier, weil die Politik nicht die richtigen Massnahmen ergriffen hat. Warum wäre ein Default eigentlich so furchtbar – Argentinien steht auch noch? Bruck bau er: In Argentinien dauerte es Jahre bis der Lebensstandard wieder von zuvor erreicht wurde – das sind Schreibtischtäter, die einen Default verlangen. Wir leben in der Eurozone, die


BÖRSE EXPRESS CAFE BE eine der reichsten der Welt ist, sind eine Speerspitze in Bezug auf wirtschaftliche, politische und die Qualität des Finanzmarktes. Da kann man nicht mit Mitteln wie in Lateinamerika agieren, dann würden wir auch so gesehen. S ch ub er th : Es geht um die Frage europäische Solidarität versus Nationalisierungstendenzen. Aber man wird erkennen, dass es keine Alternative gibt – jede Finanzkrise hat ihre Kosten. Europäische Solidarität bedeutet letztlich, dass diese Kosten vergleichsweise gering gehalten werden können. BE Cafe: Wenn man sich die grossen Wirtschaftsblöcke ansieht, steht der Euroraum bei den Verschuldungszahlen nicht so schlecht da. Warum sind wir so angreifbar? Mostböck: Ich möchte das auf den einen Satz komprimieren: Weil wir verletzbar sind. In den USA gibt es eine gemeinsame Währung, aber nur US-Treasuries. Wir haben auch eine gemeinsame Währung, aber bei uns kann man auch in Sondersituationen von einzelnen Staaten investieren oder angreifen – in griechische Eurobonds, in deutsche und wie auch immer, mit unterschiedlichen Zinsen, deshalb

„Fakt ist, dass die Ratingagenturen seit mindestens fünf Jahren einen unglaubwürdigen Job machen“ Friedrich Mostböck, Chefanalyst Erste Group

sind wir angreifbar. Das mit dem wirtschaftlichen Vergleich kann ich nur unterstreichen. Ich habe mir eine Tabelle erstellt. Auf der einen Seite die öffentliche Verschuldung zum BIP, auf der anderen die Gesamtverschuldung pro Kopf. Da gibt es einen Korridor ent-

„Eurobonds bieten den Vorteil, dass es nicht den Durchschnittszinssatz sondern einen niedrigeren geben würde.“ Helene Schuberth, Senior Advisor Volkswirtschaft OeNB

lang der Maastrichtkriterien. Ganz weit draussen gibt es zwar Portugal und etwa Griechenland, aber auch die USA und Japan. Dann habe ich die Ratings darüber gelegt. Da muss man die Frage stellen, warum Ratingagenturen immer auf kleinere Staaten hinpecken, das ist nicht besonders schwierig. Hinzu kommt, dass es sich ja um eine Black Box handelt, kein Mensch weiss, wie Moody's und S&P zu ihren Ratings kommen. Fakt ist: Die Verschuldungskrise ist eine globale, die sich nicht auf den Euro reduzieren lässt. Auch deshalb glaube ich, dass es den Euro noch länger geben wird, denn der Grossteil der Staaten wie Österreich ist nicht angreifbar. Griechenland ist ein Rundungsfehler in der Eurozone, Portugal detto. Fakt ist, dass es die Eurozone weiter geben wird, nur dass die Politik schneller und gezielter an die Sache herangehen muss und nicht immer auf irgendwelche Meetings wartet. BE Cafe: Jetzt fiel das Stichwort Ratingagentur schon wieder. Zu Recht im Fokus der öffentlichen Empörung? Schuberth: Ja, weil die Agenturen prozyklisches Verhalten an den Tag legen; weil sie in der Vergangenheit gezeigt haben, dass sie nicht immer in der Lage sind,


BÖRSE EXPRESS CAFE BE richtig zu bewerten. Ratingagenturen sind aber nur ein Teil eines Phänomens, das ich Entstaatlichung des Rechts nenne: Der Staat hat wesentliche wirtschaftspolitische Aufgaben, die mindestens genauso bedeutend sind wie Sozial- oder Arbeitsmarktpolitik, an private Institutionen delegiert und denen sehr hohe Bedeutung beigemessen. Das trifft nicht nur RatingAgenturen, das trifft zum Beispiel auch Rechnungslegungs-Institutionen. Ich finde es aber schade, dass man immer situativ bestimmte Schwachstellen in der Regulierung, die als Sündenböcke fungieren, herauspickt und in ein paar Wochen sind es wieder andere - wie vielleicht Basel III-Fehlentwicklungen. Bru c kb au er : Zur Entstaatlichung des Rechts muss man aber sagen, dass die Staaten das auch gemacht haben, da sie massiv davon profitierten. Warum hat Österreich begonnen, praktisch das gesamte Anleihenprogramm ins Ausland zu verkaufen? Weil sie gesagt haben, die österreichischen Banken zahlen uns zu wenig. BE Cafe: Wieviel der Staatsschuld liegt im Ausland? Schuberth: 75 Prozent. Bruckbauer: Rein bei Anleihen sind es mehr als 90 Prozent. Weil eben die

Rendite gedrückt werden konnte. Sehr oft hat diese Entstaatlichung dem Staat enormen Vorteil gebracht. Und jetzt will man in der Krise die Konsequenzen nicht sehen. Mostböck: Fakt ist, dass Ratingagenturen seit mindestens fünf Jahren einen unglaubwürdigen Job machen. Die Krise ist durch den US-Häuslbauer entstanden, durch die Niedrigzinspolitik der Herren Greenspan und Bush. Und das muss jetzt Obama ausbaden, der überhaupt nichts dafür kann. Der Effekt der Subprime-Krise ist die Staatsverschuldung, was uns noch eine Zeit begleiten wird, das ist nicht in einem halben Jahr vorbei, dauert sicher fünf oder mehr Jahre. Es ist einfach so, dass sich die ganzen Schulden nicht von heute auf morgen reduzieren lassen. Bruckbauer: All das hat seine Richtigkeit, ich bin auch kein Freund von Ratingagenturen, das ist aber nur eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite sehe ich das ganze Ratingagenturen-Bashing als Schutzbehauptung der Politik für eigenes Fehlverhalten. Griechenland ist Pleite, das ist so. Mostböck: Griechenland hat aber mit der Finanzkrise nichts zu tun. Dort war die Verschuldung immer bekannt hoch, aufgepoppt ist es nur durch die Finanzkrise.

„Griechenland ist pleite. Das ist so“ Stefan Bruckbauer, Chefvolkswirt Bank Austria

Bruckbauer: Aber glauben Sie, dass man mit griechischen Anleihen Geld verliert, oder bekommt man 100 zurück? Mostböck: Wir sagen seit Monaten, dass griechische Anleihen derzeit kein Investment sind. Aber das mag wieder drehen. Denn was bekommt man in Österreich oder Deutschland für zehnjährige Anleihen – praktisch nichts. Schuberth: Zur Aussage 'Griechenland sei pleite' muss ich widersprechen. Ich würde mir dieses Urteil nicht zutrauen. Es geht um die Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung. Wesentlich ist, wie hoch das Zinswachstumsdifferential ist, wenn man die Tragfähigkeit beurteilen will. Und dass es gelingt, dem Land mit einem Anpassungsprogramm Zeit zu geben. Die Reform eines Steuersystems, das so funktioniert wie das griechische, das dauert und geht nicht innerhalb von einem halben Jahr. Ich halte es für sehr gefährlich, wenn jemand sagt, dieses Land ist pleite. Da wird eine Liquiditätskrise in eine Solvenzkrise transformiert. Bruckbauer: Die deutsche Bundeskanzlerin und der Finanzminister sagen, private Investoren müssen sich an der Umschuldung beteiligen. Das heisst aber, Ratingagenturen haben absolut recht, wenn sie sagen: Wer sich griechische Staatsanleihen kauft, muss mit einem teilweisen Zahlungsausfall rechnen. Mos tböck : Ratingagenturen spielen bei dem bösen Spiel mit. Fakt ist, dass sie zuletzt einen furchtbar schlechten Job gemacht haben. Und wenn das so ist, wie auch in der Subprimekrise, dann frage ich mich, welchen „value added“ bringt das für die Märkte? Keinen. Warum kann sich die EU nicht trauen, die Ratings auszusetzen und zu sagen: Wir brauchen euch nicht. Bru ck ba ue r: Ich glaube man kann niemandem verbieten, etwas zu raten. Ausserdem glaube ich, dass die Agenturen heilfroh darüber wären. Mit dem Rating von Staaten ist kein Geld zu verdienen, es bringt aber enormen Stress. Und warum rühmt sich Österreich, ein Triple-A zu haben? Wie kann die Politik ein Aussetzen der Ratings oder andere lustige Dinge fordern, wenn sie selbst hinmarschiert und sagt: Bitte gebt mir ein


Montag, 7. März 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE NEWSBE Triple-A, sonst habe ich ein Problem – da beisst sich die Katze in den Schwanz. Ich kann nicht nur „ja“ zu Ratings sagen, solange es für uns okay ist, sonst wollen wir es nicht mehr haben. Ich fürchte, dass es ohne Rating gerade für die kleineren Staaten komplizierter wird, sich Geld am Kapitalmarkt zu beschaffen. Mostböck: Österreich ist mittlerweile so gut aufgestellt, dass jede Ratingagentur ihre Glaubwürdigkeit verlieren würde, wenn auch nur angezweifelt wird, dass Österreich ein Triple-A ist. Von mir aus sollen sie ihre Ratings machen. Aber ich erwarte, dass sie auch einen Lösungsansatz darlegen. Bruckbauer: Das ist nicht ihr Job. Mostböck: Aber wenn ich in die Zukunft sehe und mir aufgrund dessen ein Urteil, ein Rating, erlaube, muss ich die Szenarien ja haben. Sonst habe ich eine Spirale nach unten, die nie endet, ... S c h ub e r th : Die selbsterfüllende Prophezeiung. Bruckbauer: Auch ohne Ratingagenturen könnte sich Griechenland heute nicht refinanzieren. Mostböck: : … daher sollten die Agenturen einmal etwas positiv Konstruktives

beitragen und auch Lösungsansätze vorstellen. BE Cafe: Es fiel das Stichwort Folgewirkung der Beteiligung Privater an einer Lösung des griechischen Schuldenproblems. Trifft man da die Richtigen, und wie weit ist es noch bis zur Transferunion? S chu b ert h : Wer in Zeiten steigender Anleihezinssätze Anleihen gekauft hat, wie das viele gemacht haben, hat schöne Gewinne gemacht. Bru ck ba u er: Der grosse Haufen an griechischen Anleihen, die bei Europas Banken liegen, sind bei Emission gekauft worden, und waren vorgesehen, dass sie bis Laufzeitende behalten werden - held to maturity. Dort gibt es keine Gewinne. Schulden wegstreichen heisst, den Bürgern Geld wegzunehmen. Der Schuldenschnitt ist eine Umverteilung von jenen, die gespart haben, an jene, die zuviel ausgegeben haben. Und an alle, die Griechenland am liebsten sofort aus der Eurozone ausschliessen würden: Eine ungeordnete Auflösung wird die Menschen, die mehr Schutz benötigen, stärker treffen als jene,

„Die Eurozone ist angreifbar, weil wir zwar eine gemeinsame Währung haben, man aber in Sondersituationen von einzelnen Staaten investieren kann oder angreifen“ Friedrich Mostböck, Chefanalyst Erste Group

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die man treffen will. Je ungeordneter es wird, desto mehr hilft man jenen, die man vermeintlich treffen wollte – Spekulanten, Investmentbanken, Reiche. Die werden sich in einem katastrophalen Umfeld, das entstehen könnte, relativ zu den mittleren und unteren Einkommensschichten besser entwickeln können, sind flexibler, haben vielleicht heute ihr Geld schon verschoben, haben Gold ... Mostböck: … oder Immobilien Bru ck ba ue r: ... und sind von der Performance des Staates weniger abhängig, da sie von ihm weniger brauchen. Hedgefonds etwa feiern ja nur mehr das, was die Politik in Europa abzieht je mehr die Politik jene Lösungen anspricht wie Umschuldung, oder gar den Euro-Austritt. BE Cafe: Für Griechenland zahlen, ist also das kleinere der Übel? Bruckbauer: Das müsste die Politik den Leuten erklären. Dass relativ kleine Zahlungen in einer Transferunion in Europa der kleinere Preis sind, als wenn das Ganze zerfällt. Es mag moralisch besser sein, wenn Griechenland seine Schulden zahlt. Aber es nutzt uns nichts, wenn die Folge von all der Moralisiererei ist, dass es dem österreichischen Bürger und Steuerzahler schlechter geht - dann ist es ein Blödsinn. Die Zukunft ist ganz klar: Wir müssen auf die europäische Ebene kommen. Ich bin ein Fan von Eurobonds. Aber nicht jetzt. Denn ich fürchte, dass Deutschland dann aus der Währungsunion austritt. Das schaffen die Deutschen derzeit nicht. Mos t bö ck : Den Deutschen hat die Währungsunion bisher am meisten gebracht. Bruckbauer: Aber das wissen die Leute nicht. Es gibt zu viele Ottes, zu viele Sinns. Das sind gemeingefährliche Rechtsprofessoren, die die Masse verhetzen. Der Wissensstand deutscher Abgeordneter über Ökonomie ist ein überschaubarer. Sc hu be rt h: Ich glaube auch, dass ein weiteres Finanzpaket für Griechenland einfach die günstigste Lösung für die Steuerzahler ist. Wer vom Austritt aus der Währungsunion spricht, weiss nicht, was er tut. Das ist die teuerste Lösung, die Jahrzehnte an Wohlstand kostet. Und eine


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Kernwährungsunion, von der einige träumen? Die ökonomischen Folgewirkungen sind eine starke Aufwertung der Währung und eingeschränkte Exportmöglichkeiten. Eine Mitgliedschaft in der Währungsunion ist vermutlich irreversibel, da wir einen Integrationsgrad der Finanzmärkte erreicht haben, der ein geordnetes Herauslösen nicht so leicht möglich macht. Und wenn, dann mit hohen ökonomischen Kosten. Barry Eichengreen

haben die Möglichkeit es relativ einfach zu stoppen, mit Hilfen für Griechenland, vielleicht noch Portugal. Auch Österreich würde beim Rollen erwischt werden, da wiegt man sich in falscher Sicherheit. Mos tböck: Das glaube ich nicht. Bruckbauer: Wenn der Schnellball einmal so gross ist, dass eventuell Spanien und Italien da auch noch drinnen sind, dann hilft nur noch ein gigantischer Solidaritätsschritt – die Vergemeinschaftung aller Schulden. Und diesen Schritt schaf-

tum wird sie aber nicht abtragbar sein. Doch genau diesen Weg geht die Politik. BE Cafe: Gibt es für Sie einen relativen Gewinner der Verschuldungskrise? Mos tböck : Der Outcome der Krise ist, dass die Defizite und die Gesamtverschuldung aller osteuropäischer Staaten geringer ist als die der westeuropäischen Staaten, mit Ausnahme von Ungarn. Vorteil der meisten osteuropäischen Staaten ist auch, dass sie den Euro noch gar nicht

Quo-vadis-EUROpa-Runde im Cafe BE (v. l.): Stefan Bruckbauer (Bank Austria Creditanstalt), Helene Schuberth (Oesterreichische Nationalbank), Friedrich Mostböck (Erste Group) meint, dass das die Mutter jeder Finanzkrise wäre. Bruckbauer: Absolut. BE Cafe: Wie stehen Sie zu Eurobonds? M os t böck : Eine schwierige Frage, vor allem eine politische. Wenn es aber zu einer Verschärfung der Situation kommt, wird man sich entscheiden müssen. Schuberth: Eurobonds bieten den Vorteil, dass es nicht den Durchschnittszinssatz sondern einen niedrigeren geben würde. Bruckbauer: Derzeit rollt das Ganze wie ein Schneeball den Berg hinunter, der immer grösser wird – erst Griechenland, und jetzt wird schon Italien umkreist. Wir

fen die Deutschen innenpolitisch nicht. Mos tböck: Wenn Italien und Spanien im Schneeball sind, dann ist ohnehin alles kaputt, dann haben wir eine weltweite Lawine. Eines möchte ich aber zu den ganzen Sparpaketen sagen: In Griechenland kann man sich zu Tode sparen, aber wenn dort kein Wachstum passiert, gibt es auch keinen Abbau von Defiziten. Also haben immer drastischere Massnahmen keinen Sinn, denn wenn es keinen Konsum, keine Investitionen etc. gibt, wird die Situation immer dramatischer. Die Verschuldung ist unbestritten eine grosse Herausforderung. Ohne Wachs-

haben und abwarten können. Ich glaube dass die zentral- und osteuropäische Zone kaum angreifbar ist und ein relativer Gewinner der Krise ist. Und Österreich profitiert davon mit seinen Verflechtungen in die Region.

Diskussionsleiter: Robert Gillinger Fotos: Martina Draper

weitere Fotos unter http://www.boerse-express.com/cat/diashow/slidepage/662299


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Talk: Der Broker, der Kommunikator, der Investor und die Expertin für Derivate/Market Making

Ideen für den Finanzplatz: „Andere“ KESt, Insti-Anreize, Gebührenfrage Tut nicht jammern, richtet die Politik aus. Ändert sich nichts, fährt der Markt jedoch ungespitzt in die Erde. Ideen für ein Comeback hier. Cafe BE: Das Motto lautet „Ideen für den Finanzplatz Wien“. Die Regierung richtet ja aus, dass man trotz der Hürden, die in den Weg gelegt wurden, nicht jammern soll. Noch einmal zusammengefasst: Wien gehört heuer sowohl von der Indexperformance als auch von der Umsatzentwicklung her zu den weltweit schwächsten Märkten. Rasinger sagt, dass es wohl kein anderes Land auf der Welt gibt, in dem die Politiker bei jeder Gelegenheit stolz erklären, keine Aktien zu besitzen. Die KESt ist da, Fekter hat den Ball bezüglich Gewinn/Verlustausgleich auf Kontenebene erfreulicherweise via BE den Brokern zurückgeworfen. Ich bitte in einer ersten Runde um eine Interpretation des Status Quo, vielleicht gleich beginnend mit Ihnen, Herr Huber ... Ernst Huber: Was die Handelsumsätze betrifft, so ist das wirklich keine schöne Entwicklung. Auch wir hatten starke Umsatzrückgänge zu verzeichnen, die Vorzieheffekte aus November/Dezember werden da stets als Gegenargument gebracht. Nur sollte das aber irgendwann abreissen. Und das ist derzeit definitiv noch nicht der Fall. Wir haben auch immer die Vergleiche zu den deutschen Mitbewerbern, dort sieht es deutlich besser aus. Ich habe bereits Ende 2010 gesagt, dass uns die Wertpapier-KESt zwischen 15 und 20 Prozent an Transaktionen kosten wird, das war aus heutiger Sicht sogar noch zu optimistisch. Es kostet mittlerweile wirklich sehr viel Geld. Die Ergebnisauswirkung auf unsere Bank schätzen wir auf drei bis vier Millionen Euro, und das ohne Programmierkosten. Das heisst ja auch, dass wir weniger Körperschaftssteuer zahlen, dass wir weniger Mitarbeiter beschäftigen

www.boerse-express.com/cafebe (v. li.): Ernst Huber (direktanlage.at), Bernhard Grabmayr (Scholdan & Comp.), Heike Arbter (RCB/ZFA), Wolfgang Matejka (Investor)

und Stellen teilweise nicht nachbesetzen. Wenn man da andere Institute hinzuzählt, entsteht ein Gesamtschaden, der gigantisch ist. Cafe BE: Und wie ist die Kommunikation mit den Kunden in dieser Zeit? Huber: Wir bekommen täglich Anrufe von Kunden im Call Center, die sagen, „diese österreichische Lösung ist anlegerfeindlich und wir machen deswegen jetzt deutlich weniger in diesem Umfeld“. Mittlerweile haben wir auch Überträge an ausländische Banken zu verzeichnen, da geht es um eine dreistellige Millionen-EuroSumme. Man kann niemandem böse sein, der einen Steuerstundungsvorteil im Ausland konsumieren will. Es kann nicht sein, dass wir bei Gewinnen KESt abziehen und um Verlustgegenrechnung muss sich der Anleger dann selbst im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung kümmern. Das ist eine hinterweltische Lösung, die niemandem hilft. Vielleicht beruhigen sich jetzt

die Umsätze auf diesem Niveau, aber im April 2012, wenn es mit dem KESt-Abzug losgeht, kommt die nächste Ohrfeige, wenn die Leute dann sehen, was das wirklich für sie heisst. Viele Kunden, die jetzt noch mehr tun, werden dann ebenfalls die Aktivität zum Teil reduzieren. Was diverse Politiker betrifft, ist es wirklich gefährlich, wenn immer über Medien ausgerichtet wird, dass alle Aktienanleger Zocker und Spekulanten sind; das geht deutlich zu weit. Aktien gehören in unterschiedlichen Gewichtungen in jedes Kundendepot. Cafe BE: Herr Matejka, Ihre Interpretation des Status Quo bitte. Wolfgang Matejka: Der Status Quo ist – und ich spreche ja viel mit Institutionellen – ein Endzeitstatus. Die Institutionellen sind verängstigt bei Aktienquoten von 2 Prozent bis maximal 3 Prozent. Einige haben gar nichts mehr. Sie werden nach wie vor von den Risk Controllern aus den Aktien geführt. Es ist ja auch so, dass zB,


BÖRSE EXPRESS CAFE BE wenn man beim Rentenportfolio Probleme bekommt, sich das Gesamtrisiko erhöht. Die Folge: Man muss weiter Aktien verkaufen. Die Begründungen sind historisch: Hohe Vola, etc.. Die Institutionellen fahren jetzt mit 180 km/h im Finsteren und haben Angst. Man kann nur noch durch Kostenreduktion die Margen erhöhen. Wenn da bei den Renten was passiert, ist man hilflos ausgeliefert. Die Möglichkeiten, sich aktiv gegen die Risken eines grossen Staatsanleihenportfolios zu stellen, sind nicht mehr gegeben. Das hat zu einer Desillusionierung der Institutionellen geführt. Da ist jeder Private noch ein Hoffnungsträger. Bei den Institutionellen wirken auch Basel III oder Solvency II zusätzlich negativ. Der Kostendruck in den KAGs nimmt gewaltig zu, Fonds werden zusammengelegt, kreative Fondsmanager werden zurückgepfiffen. ETFs sind der grosse Trend, ich möchte da aber warnen: Indexing ist in einer Aufwärtsphase immer cool, aber wenn es kippt, kann es gefährlich werden, weil man, wenn man verkaufen muss und oft nur die grossen und starken Titel loswird. Ich sehe die Gefahr, dass hier ein ziemliches trojanisches Pferd aufgebaut wird. Also: In den KAGs ist kein Motor sichtbar, der Frustationslevel bei den Asset Managern ist hoch, aktiv ist lediglich das Treasury, es wird probiert, die noch verfügbare Liquidität des Marktes durch Trading auszunützen. Damit wird die Sitation immer schlimmer. Ich sehe das Ende eines emotionellen Zyklus fast erreicht, ich glaube, dass es schon in den nächsten zwei Monaten zu einem grossen Schreikrampf kommen wird. Das Minderwertigkeitsgefühl sickert durch. Cafe BE: Herr Grabmayr, Sie haben vor Jahren das Telekom-Ticket gemacht, waren mit Scholdan & Company bei vielen grossen Transaktionen dabei. Früher ging es um Volksaktien, aktuell geht es um Aktienbashing. Und bei den wenigen Transaktionen, die es gibt, sind österreichische Banken oder Kommunikationsagenturen oft gar nicht dabei ... Bernhard Grabmayr: Zum Status Quo kann ich nur sagen: Es fehlt der Glaube. Auf einem Gewista-Plakat wurde Antonio Gramsci zitiert: „Die Krise besteht darin, dass das Alte stirbt und das Neue nicht

geboren werden kann“ . Wir haben Primärmarkttransaktionen gesehen, bei denen der Österreicher einfach nicht erwünscht war. Es gibt eine gewisse Gläubigkeit, dass Gott in London wohnt. Die unternehmerische Kraft, die wohnt aber sehr wohl in Österreich. Die Unternehmen arbeiten, sie sind erfolgreich und sie machen Gewinne. Die Stimmung ist grottenschlecht, es fehlt die Lust auf Risiko. Es fehlt auch ein nüchterner Blick. Wir sind kein grosses Land und die Lust auf den Finanzmarkt wird immer geringer. Wir hatten davor eine Sondersituation mit einer starken staatlichen Förderung der Aktie, das wurde plötzlich als Risiko interpretiert. Wenn man etwas bewegen will, muss man sich darauf konzentrieren, worin wir stark sind. Die unternehmerische Ernst Huber, Vorstand direktanlage.at Kraft. Als Kommunikator sage ich, dass das zuallererst im eigenen Umfeld gespielt werden muss. Die Cafe BE: Sie ja die „Zertifikate-Chefin“ der Unternehmen müssen am Heimatmarkt RCB und der Zertifikate-Bereich ist der stärker präsent sein, denn, wenn nicht ein- einzige, der in den Umsatzstatistiken der mal die lokalen Marktteilnehmer wissen, Wiener Börse höhere Werte als vor einem was bei einigen notierten Unternehmen Jahr ausweist ... jetzt genau Sache ist, ist das ein Ver- Arbter: Die RCB hat hier einen Umsatzkaufsargument mehr. Denn freilich holt Marktanteil von 86 Prozent. Dieses Segman sich ja Tipps und spricht unterein- ment wird also massgeblich von Raiffeiander. sen getragen. Auch hier: Getrieben ist das Ganze von einer Überzeugung, dass der Cafe BE: Frau Arbter, die RCB gehört si- Heimatmarkt nicht nur für die Unternehcher zu jenen Banken, denen man Com- men, sondern auch für die Banken sehr mittment zum Wiener Markt unterstellen wichtig ist. Man sollte halt nur nicht alkann. Sei es nun Research, die Vorreiter- leine in der Sandkiste spielen. Was für Akrolle bei Strukturierten Produkten, die star- tien gilt, gilt für Zertifikate ja noch viel mehr. ke Stellung bei der Annahme von Market Es braucht eine positive Einstellung zum Maker- und Spezialist-Mandaten. Rech- Kapitalmarkt generell. Insgesamt gehört net sich das in Tagen wie diesen noch? das Committment zum Markt erhöht. Bitte um einen Status Quo. Heike Arbter: Die RCB ist wirklich wahr- Cafe BE: Das Committment der RCB zum scheinlich jene Bank, die dem Wiener Wiener Markt. Bleibt das so, wie es ist? Markt das grösste Committment entge- Arbter: Ja. genbringt. Der Heimatmarkt ist wichtig, und da gehören Dinge wie „Spezialist sein“ Cafe BE: Beim Zertifikate Forum Austria, dazu. dem Sie vorstehen, gab es trotzdem eine recht zufriedenstellende Zwischenbilanz.

„Wir brauchen den Verlustausgleichstopf wie in Deutschland, die Banken müssen die KESt für die Kunden saldieren dürfen“


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Arbter: Ja, die Entwicklung ist dynamisch und erfreulich, die Volumina sind gestiegen. Es gibt viele Väter des Erfolgs, einer davon heisst Zertifikate Forum Austria. Information, Transparenz und Aufklärung liegen uns auf dem Herzen und das merkt man. Es gibt hier auch eine gute Zusammenarbeit mit der Wiener Börse. Man braucht nur ins Ausland zu schauen: Was passiert an der Euwax, bei Scoach? Auch Skandinivien ist ein gutes Beispiel. Auch in Wien könnte noch mehr gehen. Produkte werden gelistet, aber die Umsätze müssen natürlich noch steigen. Cafe BE: Herr Huber, wieviel Anteil am Volumen haben die Zertifikate bei direktanlage.at? Huber: Rein vom Bestandsvolumen her sind es vielleicht zehn Prozent, von der Handelstätigkeit her geht es auf ca. 40 Prozent. Ein grosser Teil passiert ausserbörslich, das ist leider zum Nachteil für die Börsen. Momentan gibt es einen Steuervorteil, das macht sich bemerkbar. Zuvor wurden Scoach und Euwax genannt, bei intelligenten Orderarten haben wir in Wien noch einiges an Aufhol- oder Optimierungsbedarf. Ob sich das rechnet oder nicht: Wien muss das nachziehen. Für uns sind Zertifikate ein ganz wichtiger Bereich. In unsicheren Zeiten kommen Kapitalgarantien gut an, auch wenn das Emittentenrisiko meist vergessen wird. Cafe BE: Die Runde 2 bezieht sich auf die eingangs genannten Ideen. Ich bitte Sie, und das fernab jeglicher Träumerei, Ansätze zu nennen, die den darniederliegenden Markt wieder beleben könnten. Sie sprechen ja mit dem Finanzministerium über die KESt, Herr Huber ... Huber: Die Steuer, die haben wir, ich glaube, es ist illusorisch, darüber nachzudenken, ob man diese noch wegbekommen kann. Ich habe dazu mit beiden Regierungsparteien gesprochen, da ist nichts zu machen. Was mir jedoch sehr wichtig ist, dass wir es schaffen, dass die Banken saldieren können, dass man Gewinne mit Verlusten ausgleichen kann. Ich bin überzeugt, dass ein Verlustausgleichstopf, wie es ihn auch in Deutschland gibt, viele Anleger zurück an die Börse bringen würde. Fekter hat das ja auch zu Euch, zum Bör-

se Express, öffentlich gesagt, dass sie dem Verlustausgleich durch die Banken sofort zustimmen würde. Leider haben hier auch die Banken derzeit eine defensive Stellung eingenommen. Technisch machbar ist das auf alle Fälle; die technische Ausrede gilt für mich nicht. Ich glaube, der KESt-bedingte Schaden wäre damit um mindestens die Hälfte reduziert. Dann würde

„Brauchen Investitionsfreibetrag für inländische Institutionelle, sonst droht ein Ausverkauf“ Wolfgang Matejka, Investor

auch keiner mehr im Ausland ein Konto eröffnen, weil er dort bessergestellt ist. Mit dieser Lösung gebe es nur Gewinner und auch ganz wichtig: Das Bankgeheimnis bliebe dadurch gewahrt. Cafe BE: Hochrangige Grossbankvertreter haben auch uns gesagt, dass sie aktuell an der KESt nicht mehr herumbasteln wollen. Bleibt zu hoffen, dass diejenigen, die das anbieten wollen, auch ohne breiten Bankenkonsens anbieten dürfen ... (Anm.: es folgte eine kurze off.rec.-Diskussion, ob Grossbanken überhaupt Einzeltitel anbieten wollen ...).

Huber: Für so eine Optionsmöglichkeit sehe ich wenig Chancen, leider. Momentan läuft man gegen eine Wand. Es bleibt ja auch zusätzlich das Thema Verlustvortrag, hier gibt es auch in Deutschland eine weitaus gerechtere Lösung. Cafe BE: Wir wissen ja, dass ein als extrem streitbar geltender Investor damit zum VfGH gehen wird. Die Hoffnung ist, dass vor Inkrafttreten der Steuer noch politisches Umdenken einkehrt. Herr Matejka, Sie haben ja auch schon zuvor das Ganze aus der Sicht der Institutionellen betrachtet. Auch hier: Ohne Träumerei, was wäre Ihr Ansatz? Matejka: Ich glaube, dass die Politik so dumm nicht ist, um zu erkennen, dass da ein Fehler passiert ist. Ich habe ebenfalls mit dem Finanzministerium gesprochen, Sektionschef Wolfgang Nolz gibt ja mittlerweile zu, dass die WP-KESt-Lösung unterm Strich ein bisschen patschert ist. Das, was jetzt notwendig ist, ist den Politikern das Gesicht zu lassen. Es gibt Ängste, als Versager gebrandmarkt zu werden. Gesichtswahrend wäre eine Modellierung der Steuer, die von den Banken umgesetzt wird. Alternativprodukte sind ein furchtbarer Schuss ins Knie. Was ich mir zusätzlich wünschen würde – vielleicht ist es ein Wunsch ans Christkind – dass man den Institutionellen eine Investitions- oder Steuererleichterung zugesteht. Man muss Institutionelle wieder in eine Art Beteiligungsinvestment zurückführen. Dann würde ich mich als Politiker wohler fühler, ich erwarte M&A-Transaktionen in Europa und auch in Österreich. Das Ausverkaufsfeeling an der Börse lädt ein, ob es missglückte IPOs oder unterbewertete notierte Unternehmen sind. Kurzfristig sind M&A-Transaktionen für den Standort gut, aber mittelfristig sehe ich den Ausverkauf nicht positiv. Und die Politiker werden erst recht keine Freude damit haben. Wenn die Politiker diese grosse Story erkennen würden, müssten sie sich stärker absichern, man muss die lokalen Institutionellen stärker an den Markt binden. Man könnte sagen: „Du hast einen Investitionsfreibetrag und alles, was über fünf Prozent ist, braucht man die nächsten zehn Jahre nicht versteuern“. Man könnte ja mit zwei Prozent


BÖRSE EXPRESS CAFE BE ich appellieren, dass sie nachdenken, wo sie zuhause sind und die Rechnung anstellen, ob nicht vielleicht doch Investor Relations die billigste Imagewerbung darstellt, die man bekommen kann. Cafe BE: Stichwort Werbung. Sie haben ja immer wieder Finanzmarktkampagnen gemacht. Warum holt man nicht gerade jetzt die Politik für Standort- bzw. Eigenkapitalkampagnen an Bord? Das wäre ja ein Beginn. Grabmayr: Es ist wert, darüber nachzudenken, wie man Politikern in der Öffentlichkeit einen Imagevorteil verschaffen kann, wenn sie für Eigenkapital, für den Finanzmarkt sind. Cafe BE: Frau Arbter, das Forum geht stark in Richtung Ausbildung, Ihr Kollege, RBI-Chef Stepic, plant eine Standort-Initiative. Was wären weitere Ideen? Arbter: Der zentrale Faktor ist die Liquidität, die mangelnde LiquidiBernhard Grabmayr, GF Scholdan tät dieser Tage führt dazu, dass auf der Investorenseite die Risiken zubeginnen, das wäre eine Invitation. Das rückgefahren werden – bestimmte Fonds würde einmal den Druck aus dem Markt können nicht mehr investieren. Auch Banherausnehmen, die Nostros sind ja über- ken können nur noch eingeschränkt Povoll mit Positionen, Market Maker-Ver- sitionen eingehen, weil sie aus diesen teilpflichtungen sind derzeit eher eine Strafe weise nicht mehr herauskommen. Es ist als eine Freude. Das wäre mein Ansatz für die Unternehmen damit schwieriger und schnell möglich, wünschen täte ich geworden, Market Maker zu finden. Dazu kommt, dass auch Derivate und Zertimir noch viel mehr. Grabmayr: Ich denke, es ist wirklich wich- fikate eine Grundliquidität brauchen. Wie tig, dass man den Politikern ihr Gesicht bekommt man neue Liquidität an die Börlässt. Man hört, dass Banken schlecht sind, se? Da ist natürlich ein Faktor immer der die Börse schlecht ist, Spekulanten schlecht Kostenfaktor. Die Kosten in Wien sind im sind. Die mediale Schlacht um Gut und Vergleich zu Deutschland um ein VielfaBöse wird man nicht gewinnen können. ches höher. Der Zugang zum Markt wird Man sollte nicht über die Börse, sondern erleichtert werden müssen, vor allem bei über Eigenkapital sprechen. Unternehmen den Strukturierten Produkten, die ja durch brauchen Eigenkapital und dafür gehört Hedging wiederum Liquidität zurückfühStimmung gemacht. Die Gefahr eines Aus- ren. Wir haben einen Börsenverbund in verkaufs sehe ich auch, da bin ich bei Herrn Osteuropa, für Zertifikate und Derivate gibt Matejka. Wenn man den Finanzplatz be- es leider noch so gut wie keine Ideen. leben will, sollte man Börsegänge machen. Matejka: Im Derivate-Bereich kommt es Es gibt eine Studie, die 24 Mrd. an Po- leider oft zu einem negativen Aha-Effekt. tenzial sieht, vor allem bei den Ländern, Der ATX-Future ist so gut wie nicht zu vielleicht fängt ja zB die Steiermark an. handeln. Ich hatte vor wenigen Tagen 50 Die Börse ist kein Altar, sondern ein Han- ATX-Futures verkauft, es war unmöglich, delsplatz. An die Unternehmen möchte in der Nähe des Fair Value rauszukom-

„Investor Relations stellt die billigste Imagewerbung dar, die man bekommen kann“

men. Mit Aktien wäre es mir auch nicht gelungen. Arbter: Wenn ich mir beispielsweise Polen anschaue, dann sieht das ganz anders aus. Dort haben wir einen Futures-Markt, der zu den liquidesten in Europa gehört. Es gehört die Einstellung geändert, es gehört der Zugang geändert. Mehr aktive Marktteilnehmer sind nötig. Matejka: Polen ist auch mein Beispiel, wie es funktionieren kann. Ganz abstrakt: Wenn jemand als Politiker eine Steuer einführt, dann hofft er ja, dass er etwas dafür bekommt. Wenn das also etwas ist, dessen Basis fungibel ist, dann kann es ins Ausland wandern. Für mich wäre es daher logisch, dass man da Werbung macht und etwa sagt: „Freunde, Wertpapier-Investieren ist lässig“. Oder bei einer Finanztransaktionssteuer: Man müsste doch durch halb Europa laufen, und Finanztransaktionen - wenn man das Wort endlich buchstabieren kann - promoten. Grabmayr: Die Steuer ist aber nicht eingeführt worden, um mehr Geld zu bekommen, sondern damit die Politker sagen können, dass sie etwas gegen die Spekulanten tun. Matejka: Es ist den Politikern nicht bewusst, was sie anrichten. Huber: Vor vier Jahren sagten uns Deutsche beim Oktoberfest, dass man in Deutschland gerade eine JahrhundertNeidgesellschaft habe und in Österreich hingegen alles fair und gut sei, Österreich das „bessere Deutschland“ sei. Dieses Bild hat sich um 180 Grad gedreht. Heute überholen wir uns in Österreich teilweise selbst linksaussen. Matejka: Beispiel Finanztransaktionssteuern: Wie soll sich denn das ein Market Maker und Zertifikate-Spezialist leisten können? Arbter: Natürlich, wenn man für das Bereitstellen von Liquidität bestraft wird, ist es eng mit der Kalkulation. Matejka: Und in den Zertifikaten sind ja ein Dutzend Komponenten drin, für jedes würde man die Transaktionssteuer zahlen. Das würde wiederum alles verteuern und vieles unmöglich machen. Cafe BE: Die Finanztransaktionssteuer also als weitere Massnahme zur Senkung der Liquidität ...


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Grabmayr: Exakt.

erbegünstigungen – junge Aktien, Genussscheinfonds – die Leute an das Eigenkapital heran, so was ist heute überhaupt nicht denkbar ... Huber: Wenn man noch vor fünf Jahren am Stammtisch gesessen ist, war man stolz, wenn man erzählen konnte, dass man ein paar Aktien hat. Heute schämt man sich schon fast dafür. Auch den Banken und Bankern wird seitens der Politik immer wieder die Schuld an der Finanzkrise zugeschanzt; das ist stark imageschädigend und das haben sich die österreichischen Banken - die immer ordentlich gearbeitet haben - definitiv nicht verdient.

Cafe BE: Man kann hoffen, dass London und auch gewisse Frankfurter Kreise zu stark sind und das zu verhindern wissen. Matejka: Credit Default Swaps zu regulieren, wäre ein besserer Ansatz. Cafe BE: Nun haben europäische Politiker laute Wünsche nach Steuern im Finanz- und Bankenbereich geäussert. Bankensteuern gibt es bereits. Im Wertpapierbereich: Glauben Sie, dass das Inkrafttreten einer Finanztransaktionssteuer den Politikern hier einen abgemildeteren Blick auf etwa die KESt geben könnte? Matejka: Die Finanztransaktionssteuer hat sicher eine einfachere Aussenwirkung als die furchtbare KESt. Die ethische Frage, wie weit eine Finanztransaktionssteuer greift, müsste im Vorfeld geklärt werden. Viele Produkte würden einfach nicht mehr angeboten werden. Die BUSt wurde ja auch abgeschafft, weil sie nichts gebracht hat ausser einen Standortnachteil. Wir haben aktuell mehrere BIP-zerstörerische Faktoren, zum einen die teure Verwaltung, die die produzierenden Unternehmen zu immer grösseren Leistungen zwingt, damit man das alles erhalten kann und zweitens die Zinsenzinsen. Die Banken fahren ihre Kreditvergaben zurück. Warum fährt voestalpine-Chef Eder sein Gearing zurück? Weil er sich einfach nicht mehr mit den Banken an einen Tisch setzen will, wenn er etwas braucht. Das ist ein Effekt, der nicht nur Österreich betrifft. Man hat allerorts extrem viel Cash, der Zinseszinseffekt wird da zum Schneeball. Der Versuch, die Leute via tiefe Zinsen in den Konsum zu zwingen, hat teilweise funktioniert. Es wäre aber besser, die Leute via tiefe Zinsen auch in Sachinvestments zu führen. Volkswirte fürchten sich nicht vor der Politik, sondern vor den Zinsenzinsen. Huber: Das alles ist nicht mehr bewältigbar, man braucht ja nur auf die Pensionen zu schauen. Die Verwaltungsreform ist ebenso dringend nötig, es gibt aktuell sehr viele Doppelgleisigkeiten. Viele Städte und Gemeinden haben keinen finanziellen Spielraum mehr und es wird laufend enger. Matejka: Der private Sektor hat Geld, das der Staat benötigt. Steuern sind ein Weg, sich dieses Geld zu holen. Spareinlagen

„Gerade im Zusammenhang mit dem Thema Liquidität ist der Kostenfaktor sehr wichtig“ Heike Arbter, ZFA-Chefin. Detail am Rande: In ihrer Rolle als Head of Structured Products der RCB jettete sie gleich nach dem Cafe BE nach Warschau, wo Abends das Listing von 27 RCB-Zertifikaten und erstmals auch 90 RCB-Optis im Rahmen eines „Debuit Warrantow“-Fests mit Ludwik Sobolewski, CEO der Warsaw Stock Exchange, gefeiert wurde

sind der einzige Weg, es dem Zugriff mittel- bis längerfristig zu entziehen. Über den Konsum können Steuern generiert werden, Eigenkapital für Unternehmen kann ebenso mehr Wachstum und damit mehr Steuern bringen.

Cafe BE: Da waren sehr spannende Ideen dabei. Schlussfrage: Glauben Sie, dass der Markt auch Selbstheilungskräfte hätte, selbst, wenn alles so kommt, wie es jetzt geplant ist? Huber: Wenn die Politik in dieser Art und Weise weitermacht, wird es noch schlimmer. Die Aktionärsquote bleibt auf Schlusslicht-Niveau in Europa. Grabmayr: Der Markt sind wir alle, die Politik gehört dazu. Von alleine wird sich nichts tun. Matejka: Ich glaube, dass der Markt ein händlergetriebener Markt bleibt. Ich glaube weiters, dass es Tendenzen gibt, einen Catch-Up-Effekt aufzubauen. Danach würde Wien fallengelassen werden. Es sollte ein Bildungsprozess kommen, der den Wirtschaftsstandort sichert. Mit einem normalen Steuerrecht und durchaus auch Investitionsanreizen. Es soll nicht so wirken, als würde man den Banken einen Gefallen tun. Das Thema „wir sind alle der Markt“ setzt eine gewisse Form des Entscheidungswillens voraus. Sich hinzusetzen und warten, was die Kronen Zeitung sagt, ist zu wenig. Arbter: Ich schliesse mich an, es wird aber alles andere als leicht sein, hier die richtigen Massnahmen zu finden. Matejka: Dabei ist es ein Elfer, bei dem der Tormann nicht mehr im Tor steht. So easy wie jetzt, dem Land etwas Gutes zu tun, wird es nicht mehr gehen. Diskussionsleitung: Christian Drastil Fotos: Martina Draper Cafe BE: www.boerse-express.com/cafebe

Cafe BE: In den Achtzigern führten Steu-


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Cafe BE zu Corporate Governance Entwicklungen in Europa und dem Trend zur Namensaktie

„Luxusabgabe“ Aufsichtsräte: Über Quoten, Vergütung und Ansehen

Im Cafe BE: Richard Schenz, Viktoria Kickinger, Bettina Schragl, Wilhelm Rasinger, Michael Eberhartinger

Frauenquoten sind zwar in aller Munde, Österreichs Aufsichtsräte brauchen aber auch mehr Spezialisten und Experten aus dem Ausland. Dabei kommt die politisch heikle Vergütungsfrage ins Spiel. Ein Talk mit Experten. Cafe BE: Die EU-Kommission hat im April eine öffentliche Konsultation zur Frage eingeleitet, wie die Corporate Governance (CG) in europäischen Unternehmen verbessert werden kann. Das Grünbuch sollte eine Debatte zu einer Reihe von Fragen anstossen, die etwa um den Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrat und eine Steigerung der Beteiligung der Aktionäre an CGFragen kreisen. Wird in Zeiten der globalen Schuldenkrise und den Sorgen um Griechenland und den USA, dem Thema CG Ihrer Auffassung nach genügend Aufmerksamkeit eingeräumt? Wilhelm Rasinger: Das eine ist das Regelwerk, welches etabliert worden ist. Das andere ist die Umsetzung in den Unter-

nehmen. Ich bin der Ansicht, dass die österreichischen Unternehmen im Grossen und Ganzen sehr bemüht sind, diesem Kodex zu folgen. Das entscheidende Problem liegt woanders: Nur ein kleiner Teil der österreichischen Wirtschaft notiert an der Börse. Wir haben sehr viele öffentliche Unternehmungen und Firmen, die teils in ausländischem Besitz sind. Dort sehe ich ebenfalls die Notwendigkeit, sich an den CG Kodex zu halten. Lässt man die Regeln über den Streubesitz etc. weg, gäbe es rund 60 Punkte, die bei öffentlichen Unternehmen in Österreich sinnvoll umgesetzt werden könnten. Bei Griechenland sehe ich nicht unbedingt einen Zusammenhang mit CG. Viktoria Kickinger: Ich bin Ihrer Meinung, die Regulierung sollte sich nicht allein auf die börsennotierten Unternehmen beschränken. Das ist auch ein Vorschlag im Grünbuch, und was man so aus Brüssel hört, wird dies in vielen Stellungnahmen unterstützt. Zu Griechenland: Bei der letzten Wirtschaftskrise hat sich die EU relativ rasch mit den Aufsichtsräten beschäftigt und untersucht, inwiefern diese Organe – vor allem in den Banken - ein Mitver-

schulden trifft. Das wurde auch in einem eigenen Grünbuch aufgegriffen. Es ist meiner Meinung nach ein richtiger Ansatz, dass Bank-Aufsichtsräte anders behandelt werden sollen als herkömmliche Aufsichtsräte. Ab November etwa müssen die neu hinzukommenden Bank-Aufsichtsräte ihre Qualifikation nachweisen – und zwar nicht durch Geburtsdatum und Wohnort, sondern durch die berufliche Vita. Das ist sehr vernünftig. Aber ansonst gilt hier das Motto von Griffner Haus: Mehr Freiheit, mehr Licht. Es ist schon genug reguliert, und sehr viel strenger sollte man die Aufsichtsräte nicht an die Kandare nehmen. Eine Überregulierung führt zu einer Bürokratisierung. Richard Schenz: Da möchte ich mich anschliessen, wir brauchen nicht mehr Regulierung. Ich will auch nicht die wirtschaftliche und finanzielle Grosswetterlage mit CG in Zusammenhang bringen. Aber eines steht fest: Die Pleiten, die wir bei Firmen erlebt haben, sind sehr häufig auf Fehlleistungen bei CG zurückzuführen. Ich bin ebenfalls der Meinung, dass nicht nur börsenotierte Unternehmen CG anwenden sollen, sondern öffentliche Unternehmungen genauso. Ich habe einmal gesagt: Ein staat-


BÖRSE EXPRESS CAFE BE liches Unternehmen ist mehr als börsennotiert, weil es 8,5 Millionen Österreichern gehört und nicht dem Herrn Minister oder der Frau Minister. Sei es der teilverstaatlichte Flughafen, die ÖBB, …. Rasinger: …ORF, Asfinag. Schenz: Die Österreicher haben das Recht, dass diese Firmen sich verpflichten, dem CG Kodex zu folgen. Viele Pleiten, wie eine Bawag, eine Hypo, wären nie passiert, wenn die Herrschaften das eingehalten hätten. Das Zusammenspiel bei der Bawag zwischen Aufsichtsrat und dem Vorstand war ja ein Musterbeispiel von Nichteinhaltung der CG.

Das ginge aber nur auf freiwilliger Basis? Schenz: Ja, aber es gibt auch Eigentümer. Und die Eigentümer - der Staat muss halt parteipolitische Interessen in den Hintergrund stellen - müssen in Hauptversammlungen eben auch darauf hinweisen und nachfragen, wenn der Kodex nicht eingehalten worden ist. Rasinger: Der Gesetzgeber könnte bei öffentlichen Unternehmen schon etwas anschieben. Genauso wie börsenotierte Unternehmen verpflichtet sind, eine Erklärung über die Einhaltung abzugeben, sollte das auch auf Firmen im öffentlichen Besitz ab einer gewissen Grössenordnung zutreffen. Michael Eberhartinger: Die ÖBB etwa hat schon seit Jahren eine Verpflichtungserklärung zum Kodex. Generell kann ich mich nur anschliessen: Die Regelungsdichte im österreichischen CG System - seien es gesetzliche Vorschriften oder freiwillige Selbstregulierung - ist bereits sehr hoch. Wenn man sich das EU-Grünbuch durchliest, verwundert es daher nicht, dass zahlreiche dort behandelte Themen bei uns bereits geregelt sind. Die Präambel des Kodex empfiehlt zudem, dass sich auch öffentliche Unternehmen daran orientieren. Kickinger (blickt in Richtung Schenz):: Auch wenn Sie jetzt gleich die Augen verdrehen werden, möchte ich ein Thema aufgreifen:

„Ich verdrehe die Augen nur dann, wenn jemand meint, es genügt ein Kurs und man ist Aufsichtsrat“ Richard Schenz, Beauftragter für Kapitalmarktentwicklung und CG, BMF

Frauen in Aufsichtsräten. Hier warne ich ausdrücklich vor politischem Aktionismus. Das EU-Grünbuch wendet sich an das monistische System der Verwaltungsräte (Geschäftsleitung nicht institutionell von der Überwachung getrennt, Anm.). Wenn die EU mehr Frauen in Verwaltungsräten fordert, so sind mehr Frauen in operativen Positionen gemeint, sprich in Verwaltungsräten. Die EU meint definitiv nicht mehr Frauen in Aufsichtsräten. Da wir in Deutschland und Österreich das duale System mit Vorstand und Aufsichsrat haben, kommt jetzt aus Deutschland die Forderung nach mehr Frauen in Aufsichtsräten. Das kann aber nicht funktionieren. Um es auf den medizinischen Bereich umzulegen: Wenn man nicht genügend Oberärzte hat, können nicht ausreichend Primarstellen besetzt werden. Ich warne davor, dass hier ein an sich gutes und funktionierendes System und auch die Idee der Diversität durch Oberflächlichkeit kaputt gemacht werden. Im EU-Grünbuch kommen die Frauen bei der Diversität auch erst an dritter Stelle. Zuallererst wird eine berufliche Diversität verlangt, es gibt etwa in jedem zweiten Unternehmen keinen Marketing-Experten im Aufsichtsrat. Zudem muss geografische Diversität Einzug halten, vor allem bei Unternehmen, die nicht nur in Österreich tätig sind. Dann erst wird die geschlechtsspezifische Diversität genannt. Das wird allerdings aus dem Zusammenhang geris-

sen, und es entstehen Diskussionen, die der Sache der Frauen und der Sache der Unternehmen mehr schaden als nutzen. Schenz: Weil Sie mich angesprochen haben: Ich verdrehe keine Augen, ich bin voll bei Ihnen. Ich verdrehe die Augen nur dann, wenn jemand meint, es genügt die Absolvierung eines Kurses, um Aufsichtsrat zu sein. Das ist die so genannte „HelikopterMethode“: Ich mache einen Kurs und springe von oben in den Aufsichtsrat hinein. Solange die Frauen nicht von unten in wichtige operative Funktionen kommen, macht das Ganze wenig Sinn. Ich muss jahrelang operative Verantwortung haben, wissen, wie eine Firma funktioniert, bestimmte fachliche Qualifikationen aufweisen, dann kann ich als Aufsichtsrat heraus gepickt werden. Einen Kurs mache ich zur Abrundung meines Wissens, aber nicht mehr. Kickinger: Aufsichtsrat ist kein Lehrberuf. Schenz: Ich bin absolut gegen eine Quote, habe aber nichts gegen die Diskussion darüber. Denn diese hält das Bewusstsein wach, dass es auch Frauen gibt, die Potenzial haben und tüchtig sind. Die Quote hat den Nachteil, dass sie nicht branchenspezifisch definiert wird. In einer Bank, in einer Versicherung können vielleicht 70% der Frauen im Aufsichtsrat sitzen. Bei einer voestalpine kann ich mir das hingegen


BÖRSE EXPRESS CAFE BE nicht vorstellen. Ich war früher etwa im Aufsichtsrat der voestalpine Industrieanlagenbau. Ich als Techniker, Physiker, musste mich wirklich bemühen, bei den hochtechnischen Diskussionen des Industrieanlagenbaus einigermassen gescheite Fragen stellen zu können. Rasinger: Ein Teil dieses Problems wird sich im Zeitablauf lösen. Zum einen sind die Frauen im Hochschulwesen auch in einschlägigen Studien im Vormarsch, zum anderen sieht es im Mittelmanagement vieler Unternehmen gut aus. Hier besteht Potenzial, und es ist nur eine Frage der Zeit, dass die Frauen auch stärker im Vorstand und dann im Aufsichtsrat vertreten sind.

Land kommen. Den Spitzenwert weist Holland mit über 50% auf, den tiefsten Wert hat Deutschland mit gerade einmal 8%, was für die deutsche Industrie höchst erstaunlich ist. Österreich liegt etwas über Deutschland. Hier ist sicher noch ein Nachholbedarf gegeben, was auch damit zusammenhängt, dass Englisch dann die Sitzungssprache werden müsste. Einen noch grösseren Nachholbedarf haben wir bei den Spezialisten.

Land wie Deutschland. Eine andere Frage, die angesprochen gehört: Wenn wir mehr Spezialisten wollen, stellt sich auch die Frage der Vergütung. Ein Ausländer ist ein anderes Gehaltsniveau gewöhnt und sieht sich auch mit einem erhöhten Reise- und Zeitaufwand konfrontiert. Dieser Diskussion muss man sich stellen. Und gerade in Österreich ist das leider nicht immer glücklich gelaufen und wurde auch von der Politik sehr einseitig aufgegriffen. Kickinger: Ich möchte das sogar noch toppen: Es ist zum Beispiel nicht möglich, vom Entgelt eines Aufsichtsrates etwas abzusetzen. Wir (Inara, Anm.) wollen das gerne vorbringen, bekommen im Finanzministerium aber leider keinen Termin. In letzter Zeit werden unsere Schreiben nicht einmal mehr beantwortet, was auch ein Signal ist. Die Unternehmen können zudem das Entgelt für den Aufsichtsrat nur zu 50% als Betriebsausgabe absetzen.

Eberhartinger: Der Trend zeigt klar nach oben. Die schon seit 2009 bestehende Diversitätsempfehlung des österreichischen CG Kodex sowie die Anführung von Frauenförderung im CG Bericht haben bereits Wirkung gezeigt: Der Anteil von Frauen in Aufsichtsräten in ATX-Unternehmen lag 2008 bei 5,8%, heuer sind es bereits 11,6%.

Rasinger: Eine Art Luxusabgabe also, wie ein Geschäftsessen.

Rasinger: Und wie schon in der Bibel steht, muss auch vor der eigenen Tür gekehrt werden. Die Interessensvertreter, die sich dieses Themas annehmen, haben selbst Probleme, nur annähernd an diese Quoten heranzukommen. Damit meine ich die Arbeitkammer, die Gewerkschaft, aber auch die Betriebsräte. Diese Vertretungen haben sicher keine Vorbildfunktion.

„Wir bekommen im FinanzMinisterium leider keinen Termin “

Wie bereits angesprochen, geht es bei der Diversität ja nicht nur um Frauen, sondern auch um den Anteil der Spezialisten in den Aufsichtsräten, etwa aus Marketing und Risk Managent, bzw. um die Internationalität. Inwiefern sehen Sie hier Nachholbedarf bei österreichischen Unternehmen? Kickinger: Bei europäischen Unternehmen gibt es im Durchschnitt 26% oder 30% Aufsichtsräte, die aus einem anderen

Viktoria Kickinger, Inara

Ich glaube, der Aufsichtsrat wird in zehn, fünfzehn Jahren bereits zur Hälfte aus Berufsaufsichtsräten, aus Spezialisten bestehen. Neben dem Finanz-Experten wird der Vergütungs/HR-Spezialist zunehmend gefragt sein. Die EU fordert zudem konkret die Marketingspezialisten ein. Ein weiteres Feld für Spezialisten ist meiner Meinung der Immobilienbereich, der immer komplexer wird. Rasinger: Einige Anmerkungen: In Bezug auf die Internationalität macht es schon einen Unterschied, ob es sich um ein kleines Land handelt, für das die internationale Vernetzung wichtiger ist, oder ein grosses

Kickinger: Ja, genau. Das heisst, der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Aufsichtsräte zur Besprechung gehen, das absitzen und dann wieder nach Hause fahren… Schenz: …. einen Kaffee trinken und tratschen …

Kickinger: …. und den Kaffee sollen sie sich noch selber zahlen. Die Aufsichtsräte lesen keine Bücher, besuchen keine Fortbildungsveranstaltungen, etc. Wir haben berechnet, eine Änderung würde für den Staat keinen Einnahmenverlust bedeuten. Rasinger: Es bringt ihm sogar etwas, weil die Steuerbelastung des Aufsichtsrates höher ist, als wenn er etwas in Form einer Dividendenausschüttung erhält. Bei letzterer habe ich einen Satz von 25%, der Aufsichtsrat hingegen ist meist in einer Progression von 50%. Schenz: Gesetzlich einen Aufsichtsrat vor-


BÖRSE EXPRESS CAFE BE zuschreiben und dann die Tantiemen nicht zur Gänze absetzen zu dürfen, ist an sich ein Scherz. Rasinger: Ein anderes Thema in diesem Zusammenhang ist auch die Grösse dieser Gremien. Jeder, der sich etwas mit Gruppendynamik und Psychologie beschäftigt hat, weiss, dass ab einer gewissen Grösse ein Gremium nur mehr Dinge entgegen nimmt und eine intensive Diskussion nicht mehr stattfinden kann. Ein sehr gutes Gremium sollte sechs bis acht Kapitalvertreter haben. Alles was darüber hinausgeht, ist meiner Meinung nach in Frage zu stellen. Damit ist auch etwas an Einsparungspotenzial gegeben. Wenn ich zwölf Aufsichtsräte habe, dann umfasst das Gremium inklusive der Arbeitnehmervertreter 18 Mitglieder. Das ist eine Schulklasse. Nicht die Quantität macht es, sondern die Qualität, auch wenn das nicht auf alle Unternehmen gleichermassen anwendbar ist. Die Folge ist auch, dass die Arbeit des einzelnen Aufsichtsrats intensiver wird. Das Minimum der gesetzlich vorgeschriebenen vier Sitzungen ist in der Regel nur bei wirklich totaler Schönwetterlage ausreichend. Schenz: Zu meiner Zeit bei der OMV schwankte es zwischen vier und acht Sitzungen im Jahr. Kickinger: Die vier Sitzungen sind Vergangenheit. Ich habe den Vorsitz bei einem Unternehmen in Schieflage, wir haben allein im letzten Jahr elf Aufsichtsratssitzungen gehabt, ganz zu schweigen von den Ausschüssen, Telefonkonferenzen. Wobei ich auch glaube, bei der CG sollte man auf Unternehmen in Krisensituationen etwas Rücksicht nehmen, in einer Krise muss naturgemäss einiges ausser Kraft treten. Schenz: Dafür gibt es die Comply- und Explain-Regeln. Gäbe es ein Gesetz, wäre das Unternehmen daran gebunden. Durch den Kodex kann ich erklären, warum ich bestimmte Sachen nicht einhalte, und der Aktionär kann das nachvollziehen. Eberhartinger: Die Flexibilität braucht das Unternehmen auch bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrates. Es sollten nicht allzu detaillierte Regeln aufgestellt, sondern

„Wenn wir mehr Spezialisten wollen, stellt sich auch die Frage der Vergütung“ Wilhelm Rasinger, Interessensverband für Anleger

abstrakte Ziele vorgeben werden, wie es bei uns im Kodex bereits der Fall ist. Schliesslich muss die breite Palette aller Unternehmen erfasst werden.

Ich möchte noch einmal auf die Vergütungspolitik zurückkommen. Ich glaube, wir alle haben noch die Reaktionen auf die Erhöhung der Aufsichtsrats-Gagen bei der Erste Group im Hinterkopf. Ich habe den Eindruck, der Aufschrei in der Politik und von vereinzelten Aktionären war viel lauter als der tatsächliche Unmut. In der HV gab es Tagesordnungspunkte, die mehr Gegenstimmen hatten. Wie löst man dieses Problem? Kickinger: Ich glaube, ich habe eine Erklärung. Und ich sage das jetzt wirklich sehr zynisch: Die Politik sagt, mehr Frauen in Aufsichtsräte, weil sie weiss, die Frauen geben sich mit weniger Geld zufrieden. Was anderes fällt mir dazu nicht ein. Es ist ein Zeichen für den Wirtschaftsstandort, wie wichtig er seine Aufsichtsräte nimmt. Ich kann nur jedem raten: Aussitzen, die Diskussion über sich ergehen lassen und nicht nachgeben. Was nichts kostet, ist nichts wert. Der Aufsichtsrat haftet mit seinem Privatvermögen, das darf man nie vergessen, und er bekommt weniger bezahlt, als die D&O-Versicherung (Directors-andOfficers-Versicherung, Anm.) ausmacht.

Schenz: Ich möchte dem Herrn Treichl Lob aussprechen. Er traut sich einfach, in einer so genannten Neidgesellschaft Schritte zu setzen, die uns international vergleichbarer machen. Der einzige Kritikpunkt, den ich habe: Man hätte vielleicht ein, zwei Jahre warten können, bis das Partizipationskapital zurückgezahlt ist. Aber im Prinzip ist das Aufsichtsratsthema nur mehr im Zusammenhang mit Treichls Ausbruch gegenüber der Politik zu sehen. Alles andere hat sich längst wieder beruhigt. Kickinger: Als der frühere ÖIAG-Chef Michaelis vor rund einem Jahr völlig zu Recht gesagt hat, er hebt die Vergütungen für die Aufsichtsräte in staatsnahen Unternehmen an, war der Aufschrei auch gewaltig. Rasinger: Ich möchte etwas zurecht rükken: Die Aufsichtsratsvergütung ist nicht Thema von Herrn Treichl, der Generaldirektor ist. Das muss man entkoppeln. Kickinger: Es gibt immer wieder die Diskussion, speziell in Deutschland, dass bei der Bezahlung mit zweierlei Mass gemessen werden sollte. Also wenn man sich einen internationalen Aufsichtsrat holt, soll der eben seine 100.000, 200.000 Euro erhalten, die er sonst auch bekommt, und die anderen sollen weiterhin ihre 10.000, 20.000, 30.000 Euro erhalten. Gott sei Dank


BÖRSE EXPRESS CAFE BE wurde das bei uns im Keim erstickt. Jeder Österreicher würde sonst sein Mandat zurücklegen. Es kann nur die Lösung geben, dass die Vergütung europaweit harmonisiert und angeglichen wird. Schenz: Wir hatten das erste Problem damit beim Einstieg Abu Dhabis (IPIC, Anm.) bei der OMV. Damals kamen zwei Aufsichtsräte aus Abu Dhabi in den Aufsichtsrat. Die haben über die Tantiemen der österreichischen Kapitalvertreter nur den Kopf geschüttelt. Kickinger: Und wurde dann unterschiedlich bezahlt? Schenz: Nein, wir haben das Niveau etwas angehoben, aber nicht so weit, wie sie damals wollten. Rasinger: Bei all diesen Diskussionen soll man den Leuten aber auch nicht Angst machen. Sie sollen sich vor den Haftungen nicht fürchten. Es gibt die D&O-Versicherung, und es gibt eigentlich de facto in Österreich keine Haftungsfälle, die wirklich schlagend geworden sind. Das ist derzeit noch ein stark theoretisches Problem. Die D&OVersicherung ist ja auch dazu da, Ansprüche abzuwehren. Schenz: Ich halte regelmässig Vorträge bei einem Projekt der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereingung, „Zukunft Frauen“. In der Einleitung beim Kamingespräch sage ich den Damen bereits: Aufsichtsratstätigkeit ist Arbeit, Verantwortung und nicht berühmt bezahlt. Kickinger: In Deutschland sind im vergangenen Jahr acht Aufsichtsratsgremien zur Haftung herangezogen worden. Wie das Amen im Gebet kommt das auch zu uns nach Österreich. Ich glaube ja, dass der CG Kodex die eine Seite der Medaille ist, die andere Seite sind die D&O-Versicherungen, die die Vorschriften verschärfen. Bei der Berechnung der Prämie wird bereits jetzt die Qualifikation des Aufsichtsrates berücksichtigt. Die Versicherungen hängen das nicht an die grosse Glocke, aber wenn es ein nicht so qualifizierter Aufsichtsrat ist, kostet die Prämie mehr. Der Druck wird sicher stärker von den Versicherungen kom-

„Für den Ansatz der freiwilligen Selbstevaluierung wollen wir auch auf EU-Ebene werben“ Michael Eberhartinger, Büro des Kapitalmarktbeauftragten

men, die über Nacht die Haftungsbedingungen verschärfen können, und nicht so sehr von der EU. Rasinger: Ich sage in diesem Zusammenhang immer: Dummheit und Unfähigkeit sind vor Gericht nicht einklagbar…. Kickinger: Aber Dummheit schützt vor Strafe nicht. Rasinger: Damit Sie zu Schadenersatz herangezogen werden, müssen Sie sich – zumindest in Österreich nach der bisherigen Rechtskultur – schon wirklich einiges zu Schulden kommen lassen. Aber ich bin ganz bei Ihnen: Da wir auch was das Rechtswesen betrifft immer stärker amerikanisiert werden, wird es zunehmen. Im angelsächsischen Recht wird angeklagt und solch ein Druck gemacht, dass es dann zu einem Vergleich kommt. Kickinger: Ich habe aus eigener Erfahrung heraus - weil ich ein Schönwetter-Mandat hatte, das über Nacht ein Krisenmandat geworden ist - Inara gegründet, die Initiative Aufsichtsräte Östereich. Das ist sozusagen ein ÖAMTC für Aufsichtsräte, wo man alles nachschlagen kann. Bevor man das erste Mandat annimmt, gibt es zudem 20 Fragen, die man sich grundsätzlich stellen sollte, bevor man überhaupt einmal ja

sagt. Mitgehangen, mitgefangen. Bin ich einmal drinnen, kann ich nicht mehr rasch raus gehen. Wenn es kippt, kann ich gar nicht raus gehen.

Warum eigentlich nicht? Kickinger: Weil das kursrelevant ist. Und man tut es auch nicht, in einer Krise von Bord zu gehen. In einer Krise hat der Aufsichtsrat besonders eng zusammenzuhalten.

Im EU-Grünbuch wird auch die externe Beurteilung der Verwaltungs- bzw. Aufsichtsräte vorgeschlagen. Was halten Sie davon? Eberhartinger: Wir haben einerseits die Selbstevaluierung des Aufsichtsrates und andererseits die freiwillige externe Evaluierung der Einhaltung des Kodex zumindest alle drei Jahre durch eine unabhängige Institution. Gerade für diesen Ansatz der freiwilligen externen Evaluierung wollen wir auch auf EU-Ebene werben, weil das ein österreichisches Spezifikum ist, dass sich unserer Ansicht nach gut bewährt hat und besser geeignet ist als ein Monitoring der CG Berichte durch eine Aufsichtsbehörde, wie im Grünbuch vorgeschlagen. Man muss sich ja nur ansehen, von wie vielen Stellen der CG Bericht schon überprüft wird. Zu-


BÖRSE EXPRESS CAFE BE erst hat der Aufsichtsrat die Pflicht, dazu gibt es jetzt auch neue Regeln, dann schaut sich der Abschlussprüfer den Bericht an, die Wiener Börse, weiters gibt es noch die freiwillige externe Evaluierung. Hier sind schon etliche Kontrollebenen eingezogen. Kickinger: In der Schweiz machen es 90% der Unternehmen, das ist ein Gütesiegel für den Kapitalmarkt, in Deutschland lassen sich drei Viertel der börsennotierten Unternehmen so alle drei Jahre extern evaluieren. In Österreich kenne ich nur die OMV, die sich einer freiwilligen Selbstevaluierung durch Dritte unterzieht.

sehr intensiv betreiben, wenn es nicht schon ein vorgegebenes Konstrukt gibt. Schenz: Das kann ich bestätigen. Eberhartinger: Die Board-Evaluierung zielt meiner Meinung nach primär auf das monistische System ab, wo es möglich ist, dass CEO und Chairman durch ein und dieselbe Person ausgeübt werden.

Ich würde gern noch auf die Rolle der Aktionäre eingehen. Im Grünbuch wird das mangelnde Engagement der Aktionäre angesprochen und die Kurzfristigkeit der Investments. In Deutschland ist bereits angedacht worden, treue Aktionäre mit höheren Dividenden zu belohnen. Was halten Sie davon?

Rasinger: Damit kein Missverständnis entsteht: Das eine ist die Evaluierung der Einhaltung des Kodex, das andere ist die Evaluierung Rasinger: Ich der Arbeit des Bobin ganz froh ards. Die Frage über eine öfhat, glaube ich, fentliche Diseher auf das zweikussion, halte te gezielt. Ich finaber nichts von de es generell gut, der Entwicklung diesen Gedanken eines neuen ReViktoria Kickinger, Inara in den Raum zu gelwerks. Zum stellen. Aber man einen sind die sollte immer Schritt für Schritt vorgehen. Aktionäre extrem heterogen: Ich habe FaBei den Unternehmen, bei denen ich in- milienaktionäre, Kernaktionäre, Institutiovolviert bin, gibt es etwa einen Fragebogen. nelle im In- und Ausland, ich habe BuffetDer Vorsitzende erhält damit ein Feedback. Aktionäre, ich habe Privataktionäre. Man Wenn man einen Schritt weitergehen und darf auch nicht vergessen, dass HauptverVorzugsschüler sein möchte, könnte man sammlungen unter der Woche am Vornatürlich alle paar Jahre jemanden extern mittag oder am Nachmittag stattfinden. Es beauftragen, sich mit Interviews und struk- ist notwendig, die Aktionäre in den Entturierten Fragebögen ein Bild über die Ar- scheidungsprozess zu involvieren, aber mit beit des Boards zu machen. Der Gedanke vertretbaren Aufwendungen, Stichwort ist gut, der erste Schritt ist schon getan. Ich Stimmrechtsvertreter. Es ist also nicht notwürde noch keine Verpflichtung für not- wendig, immer vor Ort dabei zu sein und wendig erachten. Aber mit dem Essen die Hauptversammlung mit dem Hyde Park kommt der Appetit. Corner zu verwechseln. Im Ausland etwa gehört es zur VerpflichKickinger: Wird es institutionalisiert, ist es tung der Depotbank, für Hauptversammsicher auch ein hygienisches Instrument für lungen die Einladungen und Tagesordnung die Tätigkeit des Aufsichtsrates. Man macht zu verschicken. Der Aktionär hat dann die selbst ja auch alle paar Jahre einen Ge- Wahl, selbst hinzugehen oder einen Stimmsundheitscheck und sieht, ob die Werte in rechtsvertreter zu wählen bzw. diesem auch Ordnung sind. Ich bin auf der Seite des CG Weisungen zu geben. In diese Richtung Kodex, auf der Seite der Sicherheit. Es gibt muss es gehen. Sehr gut gefällt mir das in ja auch eigentümer-dominierte Unterneh- Spanien. Bei uns ist alles noch ein bisschen men, bei denen der Haupteigentümer im aufwendig und auch noch nicht so im BeAufsichtsrat sitzt. Dieser wird von sich aus wusstsein. Man muss den Aktionären zeitkaum eine externe Evaluierung freiwillig gemässe Formen anbieten, das Stimmrecht

„Es würde dem Wirtschaftsstandort gut anstehen, die hohe Qualität seiner Aufsichtsrate entsprechend abzugelten“

Montag, 7. März 2011

wahrzunehmen. Die zuvor genannten Anreiz-Mechanismen halte ich für eher problematisch, weil sich die Frage stellt, ob man damit nicht wieder andere Probleme schafft. Die Diskussion ist wertvoll, aber ich glaube nicht, dass dies Gegenstand eines Regelwerks sein kann. Kickinger: Mich erinnert die Diskussion mit der Staffelung ein bisschen an die Idee mit der Staffelung der Studiengebühren. Bemüht, aber in der Praxis nicht umsetzbar. Schenz: Die Idee ist gut, aber in der Praxis nicht handhabbar. Das erzeugt zusätzlichen administrativen Aufwand. Eberhartinger: Man müsste das Aktiengesetz ändern, es wäre bürokratisch nicht einfach. Auch wenn es ein interessanter Ansatz wäre, der langfristige Aktienbesitz gehört gefördert. Rasinger: Eines müsste schon in Österreich auch diskutiert werden: Das Thema der Namensaktien. Das Unternehmen erhält damit direkten Kontakt zu seinen tatsächlichen Aktionären. Im angelsächsischen Raum gibt es nicht die Zwischenschaltung einer Bank, die jedes Mal für ein Schriftstück, das zu den Aktionären kommen soll, etwas verlangt. Schenz: Das ist verfolgenswert. Rasinger: Die Börse muss sich überlegen, ob sie die technischen Voraussetzungen hat, in Deutschland gibt es ein Mischsystem. Insgesamt ist ein leichter Trend in Richtung Namensaktien festzustellen.

Vielleicht noch ein Schlusswort? Kickinger: Die Aufsichtsräte speziell in Österreich werden viel zu stark unter ihrem Wert geschlagen. Wir haben tolle Aufsichtsräte. Es würde dem Wirtschaftsstandort gut anstehen, diese hohe Qualität auch dementsprechend abzugelten.

Durch das Gespräch führte: Bettina Schragl

Bilder: Franz-Josef Galuschka http:www.boerse-express.com/cafebe


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Talk: Wie Experten für Stockpicking & Asset Allocation in Tagen wie diesen argumentieren

Absage an M&A-Fantasie in Wien, dafür Investorenwünsche an Immos Wenn man international aufpassen muss, muss man in Wien besonders aufpassen. Doch keine Risken ohne Chancen (für Stockpicker). Cafe BE: Frau de Krassny, Sie managen für die Semper Constantia einen Aktienfonds, den SemperShare Opportunity (Anm.: ISIN AT0000A0K1T0), wurden zuletzt dafür auch in Performancerankings ausgezeichnet. Bitte um ein paar Worte zum Produkt. Isabella de Krassny: Der Fonds wurde im August 2010 aufgelegt, gestartet ist er am 15. September. Mit dem Hintergrund, dass ich schon sehr viele Einzelmandate hatte, die vom Volumen her zu klein waren und die ich aufgrund auch der steuerlichen Veränderung – auf Einzeldepotbasis konnte man das Geld steueroptimiert nicht mehr managen – dann in den Fonds eingebracht habe. Der Fonds hat ein Volumen von rund 25 Mio. Euro. Zuletzt habe ich neues Geld eher abgelehnt, das Fundraising zurückgeschraubt. Ich hatte zwar mit Stiftungen gute Termine, bin aber froh, dass in diesen turbulenten Wochen nicht viel dazugekommen ist. Der Fondsansatz ist ein eher opportunistischer, ich bin auf der Suche nach Übernahmekandidaten und unterbewerteten Unternehmen mit stabilen Cash Flows und gesunden Bilanzen. Ein No Go sind Firmen, bei denen ein Riesenbatzen Firmenwerte auf der Aktivseite steht und das nicht im Eigenkapital Deckung findet. Eine Intercell beispielsweise war für mich ein Non Go, oder auch eine S&T. Ich agiere da lieber bilanz- und valueorientiert, habe auch immer ein bis zwei Übernahmekandidaten dabei, heuer war es die Roth & Rau, die hatte ich mit 10 Prozent gewichtet, das hat mir Outperformance gebracht. Cafe BE: Wie gross ist der Österreich-Anteil im Fonds?

boerse-express.com/cafebe (v. li.): Edi Berger (Wiener Privatbank), Isabella de Krassny (Semper Constantia), Monika Rosen (UniCredit), Roland Neuwirth (Salus Alpha)

De Krassny: Der Österreich-Anteil ist relativ gross, wobei ich insgesamt zuletzt stark Gewichtung reduziert habe, ich hatte im Juli an guten Tagen in den steigenden Markt hineinverkauft. Aktuell habe ich etwas mehr als 30 Prozent Cash, von den verbleibenden etwas weniger als 70 Prozent sind es ca. 70 Prozent in Österreich. Cafe BE: Setzen Sie zur Optimierung der Performance auch Derivate ein? De Krassny: Ich bin seit einer Woche short im DAX, Gott sei Dank. Man kann sich auch nicht anders helfen. Wenn ich an Tagen wie diesen die AT&S verkaufen will, dann nimmt mir die niemand ab. Natürlich sind solche Hedges mit einer grossen Unschärfe, der DAX ist ja nicht so viel gefallen wie manche Einzelwerte, da muss man laufend justieren. Cafe BE: Welche Investoren setzen Ihren Fonds ein? De Krass ny: Vor allem Private Banking und Stiftungen, die nicht selbst ein Man-

dat vergeben. In Summe verwalte ich ca. 105 Millionen, das meiste in Spezialfonds. Ich habe da ganz tolle Stiftungen, die mir seit Jahren vertrauen. Cafe BE: Und welche sind die grössten Positionen, die grössten österreichischen Aktien im Fonds? De Krassny: Immofinanz und Telekom, da habe ich Anfang August zugekauft. Weiters Barrick Gold. Cafe BE: Und Grossbanken aus dem ATX? De Krassny: Null. Cafe BE: Haben Sie eine Benchmark? De Krass ny: Nicht wirklich. Euro-Stoxx oder MSCI Europe schaut man sich an. Aber es ist mir weitgehend egal, es beruhigt mich nicht, nur 10 Prozent zu verlieren, wenn die Indizes 20 Prozent verlieren. Ich probiere, nichts zu verlieren. Cafe BE: Der Fonds ist ganz normal über Broker erwerbbar ... De Krassny: Ja, es ist ein Publikumsfonds,


BÖRSE EXPRESS CAFE BE in Deutschland zugelassen, der auch über die Broker bezogen werden kann. Cafe BE: Herr Berger, am 1. August haben Sie Ihre neue Aufgabe bei der Wiener Privatbank angetreten. Was können Sie uns schon – über die Presseaussendung hinaus – verraten? Was waren die Beweggründe, diese Herausforderung anzunehmen? Eduard Berger: Ich arbeite ja seit acht Jahren sehr erfolgreich mit Alfred Reisenberger zusammen, ich bin mehr als 20 Jahre Aktienbroker gewesen. Es ist auch immer die Frage zwischen Theoretikern und Praktikern. Wer hat die Ideen, wer setzt sie um? Wir sind immer mehr zur Überzeugung gelangt, dass wir uns in dem, was wir tun, sehr gut auskennen. Wir haben mit der Wiener Privatbank die Chance bekommen, die Seite teilweise wechseln zu können und unsere guten Ideen selbst in Anlageentscheidungen für eigene Kunden ummünzen zu können. Ich sehe das auch als logischen Entwicklungssschritt, nach 20 Jahren auf der Brokerseite nun auf die Asset Manager Seite zu wechseln. In der Wiener Privatbank - wir sind ein Spezialinstitut, das sehr erfolgreich im Immobilienbereich ist, zB bei Vorsorgewohnungen, wo aufgrund der Eigentümerschaft der Bank eine sehr grosse Expertise im Haus ist - gibt es gute Möglichkeiten. Private Banking und Asset Management waren durchaus erfolgreich, es ist aber noch viel möglich. Das ist die Aufgabe, das zu entwickeln. Im Mittelpunkt steht natürlich unsere Aktien Österreich-Expertise. Wir werden Produkte entwickeln, den Fondsbereich ausbauen. Cafe BE: Wird ein Österreich-Aktienfonds kommen? Berger: Das ist ein bisschen zu früh zu sagen, ich formuliere es so: Österreich hat bei uns traditionell einen Schwerpunkt und wir werden schauen, dass wir auch in Zukunft die Wiener Börse unterstützen. Wir wollen die Expertise um die Aktie anbieten, aber eben auch einen Fonds. Wie der genau ausgestaltet sein wird, da bitte ich noch um etwas Zeit. Cafe BE: Wann wollen Sie das ungefähr angehen? Berger: Im Laufe des September sollten

„Zuletzt habe ich neues Geld eher abgelehnt, das Fundraising zurückgeschraubt“ Isabella de Krassny, Semper Constantia

wir hier schon Botschaften haben. Cafe BE: Ist auch eigenes Research angedacht? Berger: Da ist ganz klar die Strategie, dass wir uns bei den Experten, die es am Markt gibt, bedienen. Der Aufbau einer eigenen Researchabteilung ist in einem ersten Schritt nicht geplant. Caf e BE: Obwohl man mit Alfred Reisenberger ... Berger: Seine Expertise ist ja dann für den Fonds geplant. Cafe BE: Die Bank ist vor kurzem in die neuen Büros am Parkring übersiedelt. Wann exakt? Berger: Am 23. Juli, wir haben 45 Mitarbeiter am Standort. Cafe BE: Frau Rosen, Frage an die AssetAllocation-Spezialistin. Wie sieht die ak-

tuelle Einschätzung der UniCredit aus? Monika Rosen: Ihr Timing ist perfekt, wir haben am Mittwoch in Abstimmung mit den anderen europäischen Einheiten eine Anpassung der Asset Allocation gemacht: Wir haben Aktien von zuletzt übergewichten auf neutral zurückgestuft. Es wurden technische Unterstützungen, die man sich gesetzt hat, unterschritten. Ich würde sagen, zum Gesamtbild haben wir eine ganze Reihe von Störfaktoren gehabt, angefangen von der Protestwelle im arabischen Raum, dann die Nuklearkatastrophe in Japan, die Schuldendebatte in der Euro-Peripherie und zuletzt die Eskalation in der amerikanischen Schuldendebatte. Wir haben zwar lange Widerstand geleistet, aber irgendwann schlägt das auf das Sentiment durch. Jetzt kommt deutlich mehr Risikoaversion in den Markt, daher die Rückstufung auf Neutral, obwohl die Bewertungen sicherlich nicht überzogen sind. Auch die Berichtssaison in Amerika war gut.

Ca fe BE: Wohin wird umgeschichtet? Rosen: Wir erhöhen den Cash-Anteil, weil wir das auch wieder in den Aktienmarkt investieren wollen. Mittelfristig bleiben wir optimistisch. Cafe BE: Und was können die Trigger sein, damit Sie wieder auf Overweight gehen? Rosen: Ich würde schon sagen, dass – weil wir uns auch erst nach längerer Diskussion für das Neutral entschieden haben – jetzt einmal eine Beruhigung der Nachrichtenlage abgewartet werden muss. Die aktuellen Schlagzeilen sind ja solche, die der Kunde, der Investor, nicht unbedingt lesen will. Die Unsicherheitsfaktoren müssen sich zurückbilden, das Timing ist da immer schwierig. Das Tief wird man nicht erwischen. Cafe BE: Ich möchte Sie nach dem „wir“ fragen. Wie geht so ein Reallokationsprozess vor sich?


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Rosen: Ich bin seit zwei Jahren Head of Research Global Investment Strategy im UniCredit Private Banking, d.h. eine über Österreich hinausgehende Funktion. Es gibt ein Investmentkomitee, an dem die Länder Italien, Österreich, Polen und Deutschland sowie auch andere Einheiten teilnehmen. Wir haben da regelmässig auch über Conference Calls Kontakt,

Caf e BE: Ich möchte eine Frage zum Schweizer Franken anhängen. Es ist ja so, dass man allerorts über die Kredite, das Häuslbauer-Dilemma spricht, aber kaum von der Gegenseite, nämlich zB von Franken-Bonds als Longposition. Wie sehen Sie das? Rosen: Der Anstieg des Franken war rasant, die Notenbank ist auf den Plan ge-

„Viele Gelegenheiten übersieht man, wenn das Blut aus dem Computer herausspritzt“ Eduard Berger, Wiener Privatbank

die Umschichtung am Mittwoch war eine ausserordentliche. Cafe BE: Und noch ein paar Worte zu den Bonds in der Asset Allocation bitte ... Rosen: Das ist meiner Meinung nach die vielleicht noch diffizilere Diskussion als die Aktienseite. Wir haben bei den Unternehmensanleihen nur noch Investment Grade, auch da das Risiko herausgenommen. Das Jahr ist noch nicht aus, die Überraschung ist für mich die wieder sehr gute Performance der Staatsanleihen der Kernmärkte. So sehr diese Schuldendiskussion auch verunsichert hat, für die Staatsanleihen, vor allem US-Treasuries, war es gut. Die Performance am US-Staatsanleihenmarkt ist gut (Anm.: der Talk fand vor der Abstufung der US-Bonität durch S&P statt).

rufen. Das ist spekulativ geworden, ich wäre von der Investmentseite mittlerweile vorsichtig, wir empfehlen das nicht aktiv. Freilich haben die diversen Nachrichten, die wir zuvor angesprochen hatten, eine Flucht auch in den Schweizer Franken ausgelöst. Cafe BE: Herr Neuwirth, Ende Q1 waren Sie im Cafe BE und nannten Immofinanz, austriamicrosystems und Wolford als Empfehlungen für das Q2. Bitte um eine kurze Bilanz und eventuell neue Favoriten ... Roland Neuwirth: Ich glaube, die Empfehlungen haben sich im Vergleich ganz gut geschlagen. Bei Wolford ist offenbar seit einiger Zeit ein grosser Käufer im Markt, dazu solide Zahlen. austriamicrosystems hat sich ebenfalls gut gehalten. Immofinanz war damals ja der Top-Pick

aller Anwesenden und gerade dieser Titel hat die schwächste Performance aus meinem Trio gehabt. Die Immo-Aktien sind sicher stärker unter Druck gekommen, als man sich das in Österreich vorgestellt hat. Dabei ist deren Konjunktur nicht so schlecht, Österreich und Deutschland sind vom Markt her stabil, Osteuropa kommt in die Gänge. Bei der Immofinanz habe ich die Auswirkungen der Wandelanleihe unterschätzt, da ist es vielen, mit denen ich gesprochen habe, ähnlich gegangen. Da werden noch weiter laufend Stücke auf den Markt kommen. Auf der Gegenseite gibt es die Käufe von der Fries-Gruppe. Aktuell sind eher conwert und CA Immo meine Favoriten. Die Bank Austria hat ja bei der CA Immo eine Beteiligungserhöhung angestrebt, was nicht in vollem Ausmass gelungen ist, Anleger dachten, 12,35 ist der Boden, jetzt sind wir deutlich darunter. Cafe BE: Und Ihre neuen Favoriten? Neuwirth: CA Immo, dazu möchte ich die Polytec nennen, das Unternehmen ist zu billig bewertet und hat gutes Momentum. In der Wahrnehmung ist Polytec noch immer durch die Fast-Pleite vor zwei Jahren belastet, dabei hat sich das mittlerweile massiv gedreht. Das Unternehmen hat sich von einer hochriskanten Anlage zu einem soliden Investment mit Netto-CashPosition gewandelt. Freilich hat man einen Entrepreneur an der Spitze, der immer für Überraschungen gut ist. Sonst möchte ich kein Unternehmen hervorheben, CA Immo und Polytec sind die Favoriten. Cafe BE: Und wie hat sich der Fonds (Anm.: Salus Alpha RN Special Situations, ISIN:AT0000A0GYZ4) entwickelt? Neuwirth: Wir haben bereits 34 Mio. Volumen, es gab trotz volatiler Märkte Mittelzuflüsse. Die Performance ist im Vergleich mit den Indizes sehr gut, dennoch nicht befriedigend. Seit Jahresbeginn ist es ein kleines Minus. Cafe BE: Und Ihre Einschätzung der Immobilien-Aktien, Frau de Krassny? Die Immofinanz hatten Sie ja genannt ... De Krassny: Die meisten liegen so weit unter dem NAV. Mein NAV ist Eigenka-


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„Wir haben jetzt einmal die Aktien auf neutral zurückgestuft und sind in Cash gegangen“ Monika Rosen, UniCredit

pital minus Firmenwerte, und nicht irgendetwas Hochgerechnetes. Mein Favorit ist die Immofinanz, die haben ausgeputzt, die Bilanz bereinigt. Als Zehetner gestartet ist, wurden rund 3,50 Euro wertberichtigt. Ich nehme an, dass wir das Schlimmste hinter uns haben. conwert wiederum hat bewiesen, dass man über Buchwert verkaufen kann, da ist aber der Abstand zum Net Asset Value nicht mehr so gross wie bei der Immofinanz. Bei der CA Immo hab ich insofern ein bisschen Bauchweh, weil sie die Vivico gekauft haben, und das ist ein riesen Klumpen am Bein, da habe ich Vorbehalte. Da muss noch viel investiert werden. Zudem sehe ich bei der CA Immo die Bank als grossen Profiteur, weil Zinsen von ca. 5 Prozent bezahlt werden und ich eine Eigenkapitalrendite von unter 5 Prozent habe, da bin ich nicht dabei. Ich verstehe auch, dass die Bank CA Immo-Aktien zukauft. Also Immofinanz, auch die Zahlen war jetzt sehr gut. Das einzige, was ich bei Immofinanz vermisse: Das oberste Gebot müsste, wenn ich so weit unter NAV notiere, doch sein, Aktien zurückzukaufen und Immobilien zu verkaufen. Das sagt Zehetner nicht so klar, die conwert spricht

das eindeutig aus. Ich mag von Zehetner nicht hören, dass er in Polen etwas kauft, sondern zum NAV verkauft. Neuwirth: Umek macht bei der conwert genau das, was wir vor zwei Jahren gefordert haben, da wird der Jahrhundertboom bei Wiener Zinshäusern auch für Verkäufe genützt. De Krassny: Genauso halte ich es für richtig, ich kann nicht nachvollziehen, warum man jetzt wieder in Deutschland bei den LBBW-Wohnungen mitbietet. Aus meiner Sicht ist das das falsche Signal an den Kapitalmarkt. Cafe BE: Immofinanz also vor allem als Top-Gewicht, weil das Gap zum NAV noch nicht so gut geschlossen wurde? De Krassny: Ja, conwert hatte auch mit der Übernahme der ECO ein Lucky Buy. Da waren wir auch dabei, jetzt vor allem mit der Wandelanleihe. Cafe BE: Und in Richtung Übernahmekandidaten in Wien? De Krassny: Da sehe ich nicht viel. Wolford haben wir eine sehr eingefahrene Aktionärsstruktur, die nicht sehr zugänglich ist. Was ich mir vorstellen könnte, ist eine

Übernahme der THI. Einfach, weil es hier um eine nicht korrellierende Asset Klasse geht. Da wächst jeden Tag total unabhängig von den Weltproblemen Masse heran, das Problem ist, dass die biologischen Vorräte in der Bilanz meines Erachtens nach zu hoch sind, aber man muss das nicht bezahlen. Der NAV wird mit 17 Euro ausgewiesen, aber man hat einen Aktienkurs von 6 Euro. Der Einblick in die Bewertungsmodelle ist nicht so grossartig, aber PwC als Prüfer ist vertrauenswürdig, wenn das nicht passt, dann hol ich mir die (lacht). Stiftungen, die in Geld schwimmen, suchen nach Alternativen. Ob das Agrarflächen, Windräder oder eben TeakPlantagen sind, man sucht Substanz. Im Fonds ist die Aktie nur gering gewichtet, ich habe auch die Wandelanleihe mit der Option zu 5 Euro. Aber Übernahmekandidaten generell in Österreich? Nein, da tu ich mir schwer. Neuwirth: Wir hatten vor Jahren eine Übernahmewelle, das wurde abgearbeitet. Grundsätzlich tut sich nicht viel, mir fallen nur folgende Möglichkeiten - aber sicher nicht als „heiss“ zu bezeichnen auf einen Zeitraum von 3-5 Jahren - ein. Zunächst RHI, ein Evergreen und Herr Schlaff ist da ja nun doch schon ca. fünf Jahre drinnen. Dann die CA Immo, das haben wir besprochen. Auch Polytec haben wir besprochen: Huemer hat Anfang des Jahres die Beteiligung reduziert. Eine Uniqa möchte ich in den Raum stellen: Raiffeisen braucht bekanntlich Kapital, dazu ein neuer CEO, der eine Equity Story daraus machen will. Und hat sich Uniqa als Marke denn wirklich durchgesetzt oder sind die alten Marken nie in den Köpfen der Mitarbeiter abgelegt worden? Letztendlich Wolford: Die Familien haben schon vor einigen Jahren Palmers verkauft. Warum, nachdem jetzt richtig fein wieder rausgeputzt, nicht auch Wolford? Gerüchte gab es immer wieder. Berger: Ich bin sehr skeptisch, was M&A betrifft. Global ja, aber in Österreich gibt es kaum etwas. Im nicht börsenotierten Bereich kann etwas gehen, im börsenotierten Bereich möchte ich da wirklich keine Fantasie aufbauen. Zu den Immobilienaktien möchte ich sagen, dass man alle drei besitzen kann, aber man es als Österreicher immer wieder vergisst, dass


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Ros e n: Ich hätte ja eher die Schlagzeilen bei den IPOs gesehen als bei M&A, Stichwort LinkedIn oder vielleicht Facebook. Branchen, die im Bereich M&A genannt werden, sind zunächst einmal die Börsen mit NYSE Euronext und Nasdaq. Weiters Konsumgüter und der Versuch von Carl Icahn, Clorox zu übernehmen. Oder Infrastruktur-Plays wie zB Flughafenbetreiber. Über allem steht Verunsicherung, es gibt hohe Cash-Bestände, aber nur sporadische Deals. Man hält sich auch das Pulver trocken.

es ja weltweit nicht nur drei Immobilienaktien gibt. Die Konkurrenz um das Kapital ist sehr gross, die kleinen Österreicher müssen doppelt so schnell laufen wie die Grossen, um die Aufmerksamkeit zu erhalten. Bei der Immofinanz wurde zuletzt zu viel über die Financial Engineering-Dinge gesprochen, nicht über das Kerngeschäft. Bei der CA Immo bin ich anderer Meinung als Frau de Krassny, Vivico kann eine gute Sache werden, Deutschland ist eine grosse Chance. Cafe BE: Die Runde spricht immer von drei Immobilien-Aktien, was muss die S Immo tun, damit es vier werden? Berger: Die Genussscheinproblematik gehört gelöst, man muss die Dinge einfach machen. Dinge, die wir in Österreich gerade noch verstehen, will sich zB ein Engländer gar nicht erst anhören. Die Dinge müssen einfach sein. Die Firma selbst ist gut geführt, der Erklärungsbedarf kommt von den Genussscheinen her. Auch die Immofinanz hatte lange Zeit sehr viel zu erklären, das Financial Engineering wurde gut gelöst. Das beste Beispiel ist conwert: Die Story ist simpel, leicht zu verstehen. Jetzt ist die Story halt doch schon ordentlich gelaufen. Damit sind wir beim Thema Börse. Zur Zeit hat das Stockpicking wenig Wert, ich glaube, das wird sich wieder ändern. In diesen Tagen hedgt fast jeder mit Futures, da werden dann die Indexaktien querbeet verkauft, Stockpicking hat da wenig Bedeutung. Wir glauben, daran, dass das Beschäftigen mit der einzelnen Aktie das Sinnvollste ist. Daher auch die neuen Aktivitäten der Wiener Privatbank. M&A sehe ich in Wien wie gesagt nicht, das wird maximal als Hoffnungsschimmer eingesetzt. Cafe BE: Was erwarten Sie für ATX und DAX in den nächsten Wochen und Monaten? Berger: So dramatisch schlecht ist die Welt nicht, die Bewertungen, die KGVs sind günstig. Wir werden nach den Turbulenzen wieder auf Fundamentals schauen, dazu kommt ja auch, dass Aktien ein toller Inflationsschutz sind. Vieles sieht man halt nicht, wenn das Blut aus dem Computer herausspritzt. Ich hatte noch nie so viele Anfragen von Freunden und Bekannten bekommen, ob sie jetzt aus dem Schweizer Franken raussollen. Also den

Cafe BE: Welche Branche würden Sie hervorheben? Monika Rosen: Am ehesten die Technologie, dort kommen die meisten Geschichten her. Dort ist man auch auf der Suche nach der jeweils nächsten Revolution.

„Leider gibt es zu wenige Core Holdings in Österreich“ Roland Neuwirth, Salus Alpha

Schweizer Franken würde ich jetzt nicht drehen. Auch bei Gold sollte man aufpassen. Börse ist Psychologie, vor zwei Wochen dachte man, man könnte durchatmen, wir haben uns aber vom Timing her geirrt. Trotzdem spricht viel für wieder steigende Kurse. Ros en: Die Krise 2008 hat mit sich gebracht, dass die Leute etwas von den Financial Assets weggegangen sind. De Krassny: Im Gold hab ich kein Counterpart-Risiko. Rosen: Auch das ist ein Punkt. Berge r: Als Asset Class wird sich Gold noch weiter durchsetzen, ist ja noch nicht lange so ein grosses Thema. Cafe BE: Frau Rosen, Ihr Österreich-Kollege Thomas Neuhold nannte mir – wenngleich ebenfalls mit Hinweis auf geringe Wahrscheinlichkeiten – RHI, Wienerberger, Intercell, Telekom, Immofinanz – als M&A-Kandidaten. Ich möchte Sie um den internationalen Blick bitten, in welchen Branchen sehen Sie Möglichkeiten?

Cafe BE: Schlussfrage – Sie alle sind lange im Geschäft. Gibt es eine persönliche Lieblingsaktie? Eine, für die Sie ein besonders gutes G’spür haben? Berger: Andritz. Die haben eine gute, globale Auftragslage und eine bilanzielle und finanzielle Gesundheit. Von der Vorsehbarkeit und von der Qualität her ist Andritz eine Lieblingsaktie. Für aktivere Investoren ist die voestalpine grossartig. Neuwirth: Gute Antwort, leider gibt es ja viel zu wenige Core Holdings in Österreich, also Firmen, die über den Zyklus hinweg wachsen. Andritz, Mayr-Melnhof, Semperit, dazu vielleicht Rosenbauer und Lenzing. Berger: Auch Palfinger hat eine hohe Grundqualität. Rosen: Mir gefällt IBM, eines der ersten Technologieunternehmen, das markant in Richtung Dienstleistung gegangen ist. Mit allen Problemen, die es im Service gibt. De Krassny: Über die Jahre hindurch die Lieblingsaktie? Da möchte ich Semperit nennen. Diskussionsleitung: Christian Drastil Fotos: Katharina Schiffl * http://www.boerse-express.com/cafebe


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Cafe BE zu Schweizer-Franken-Krediten, Marktmanipulationen, Banken-Kapitalanforderungen

„Im Wesentlichen hunderttausende Mini-Hedgefonds produziert“

Cafe BE zu Gast bei den Vorständen der Finanzmarktaufsicht (FMA): Helmut Ettl (li.) und Kurt Pribil

Die FMA-Vorstände fühlen sich in ihrer Forderung nach höheren Verwaltungsstrafen von der EU unterstützt. Bei möglichen Kapitalzuschlägen für systemrelevante Banken sollen Anreizeffekte für ein nachhaltigeres Geschäftsmodell inkludiert werden. Cafe BE: Aktuelles Thema Telekom-Kursaffäre: Wie sich mittlerweile herauskristallisiert hat, dürfte ja fast der gesamte frühere Telekom-Vorstand von der Kursmanipulation im Jahr 2004 informiert gewesen sein. Wenn heute bei einem börsennotierten Unternehmen Ähnliches passieren würde - also der gesamte Markt weiss über Stichtage und Kursschwellen Bescheid und dann kommt es zum auffallenden Kurssprung -, was wäre seitens der Aufsicht und Ihrer Möglichkeiten anders? Helmut Ettl: Man muss den Tatbestand der Marktmanipulation und jenen der Untreue auseinander halten. Was hier im Moment verfolgt wird, ist der Verdacht auf eine massive Untreuehandlung im Jahr 2004, weil hier mit Unternehmensgeld schluss-

endlich ein Kurs herbeigeführt wurde, um Begünstigten die Ausübung von Optionen zu ermöglichen. Das ist eine Untreuehandlung, die damals wie heute mit den gleichen Gesetzen zu ahnden gewesen wäre. Was haben wir 2004 aber nicht gewusst? Dass nämlich eine direkte Verbindung besteht zwischen dieser Marktmanipulation - im Verwaltungsstrafrecht gab es damals allerdings keine Sanktionsmassnahmen dafür – und der Telekom. Wir, als FMA, konnten damals eine solche Beteiligung der Telekom nicht in den Unterlagen der Euro Invest nachweisen. Und aufgrund von Vermutungen, die nicht bewiesen sind, können auch nicht weitere Schritte gesetzt werden. Wir haben damals alles untersucht, schwerpunktmässig natürlich die Bank, und sind natürlich auf die Ungereimtheiten der Transaktion gestossen. Hinzu kam eine Sondersituation: Die neue Richtlinie zur Marktmanipulation war bereits beschlossen, zu dem Zeitpunkt aber noch nicht in Kraft. Da es für uns aber so offensichtlich eine Handlung war, die bekämpft werden musste, haben wir den Paragrafen „Schädigung des Ansehens der Wiener Börse“ angewendet und einen Strafbescheid verhängt. Kurt Pribil: Damals war eine Marktmanipulation im österreichischen Recht ledig-

lich als Scheingeschäft zwischen denselben Partnern definiert. Heute ist jede Aktion eine Marktmanipulation, die zu einem künstlichen Kurs führt oder zu einem verzerrten Kursbild beiträgt. Daher wäre das heute klar als Marktmanipulation abzuurteilen. Unser damaliger Bescheid wurde allerdings aufgehoben. Aber nochmals: Wir haben ermittelt, aber es gab keine Indizien und keine Beweise. Bei allen Protokollen, Einvernahmen und auch Telefonprotokollen ist kein einziges Mal der Name Telekom oder ein Mitarbeiter der Telekom genannt worden. Daher konnten wir auch nicht an den Staatsanwalt herantreten. Was würde sich heute ändern? Vom Umfang, von den Verhörmöglichkeiten würde es genauso laufen, nur die Verwaltungsstrafmöglichkeit ist eine ganz andere als früher. Worum es hier aber jetzt geht ist das Vorgehen des Staatsanwaltes gegen Veruntreuung. In dem Punkt hat sich nichts geändert.

Wie oft kommt dieser Paragraf „Schädigung des Ansehens der Wiener Börse“ überhaupt zum Einsatz? Pribil: Das ist bisher noch nicht passiert, weil die neue Marktmanipulations-Richtlinie viel konkretere Fehlverhalten und Pa-


BÖRSE EXPRESS CAFE BE ragrafen beinhaltet. Es handelt sich dabei um einen breiten Sammel-Paragrafen, es müsste wirklich das System gefährdet und geschädigt worden sein. Damals hat auch die zweite Instanz entschieden, dass man von dem Einzelfall (Telekom-Kursmanipulation, Anm.) nicht auf eine Schädigung des Ansehens der Wiener Börse schliessen kann. Für uns war es dennoch sehr wichtig, diesen Schritt gesetzt zu haben.

Sie haben angekündigt, Einspruch gegen den Freispruch im Insiderprozess gegen den früheren OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer einzulegen. Ist das passiert? Pribil: Das ist erfolgt. Das Verfahren liegt beim Oberlandesgericht. Kurz zum Urteil: Der Richter hat uns in dem einen Punkt recht gegeben, dass Herr Dr. Ruttenstorfer sehr wohl eine Insiderinformation hatte, aber die Kausalität nicht gegeben war. Das heisst, obwohl man eine Insiderinformation hatte, war diese nicht schlüssig für die entsprechende Transaktion. Wir sehen das komplett anders, zumal es seit Dezember 2009 eine EuGH-Entscheidung gibt, wonach allein der Besitz einer Insiderinformation die entsprechende Kausalität bewirkt. Sprich: Jeder, der eine PrimärinsiderInformation hat, darf nicht handeln.

Damals sind ja zahlreiche andere Vorstände für Ruttenstorfer auf die Barrikaden gestiegen und meinten, die Insidergesetzgebung sei völlig unzureichend. Viel dürfte aus dieser Initiative nicht geworden sein? Ettl: Es kann gesetzlich nicht viel geändert werden, weil es sich um eine maximal-harmonisierte Richtlinie der EU handelt. Das ist kein österreichisches Spezifikum. Wir sind insofern dankbar für die Diskussion, als langsam durchdringt, dass wir hier in europäischem Gleichklang operieren. Egal, ob London, Paris, Frankfurt - es gelten die gleichen Regeln. Anscheinend war in Österreich aber dieses Problemverständnis, wonach Insiderhandel ein Verbrechen ist, lange Zeit nicht ausgeprägt. Es gibt in anderen Ländern umfangreiche Director’s Dealings, es gibt Mitarbeiterbeteiligungsprogramme – nirgendwo stellt das ein Problem dar. Wir haben in einer Studie auch aufgezeigt, dass 2009 in Wien im Durch-

„Anscheinend war in Österreich das Problemverständnis, wonach Insiderhandel ein Verbrechen ist, lange Zeit nicht ausgeprägt“ Helmut Ettl

schnitt an 132 Tagen ein Handelsverbot geherrscht hat. An allen anderen Tagen hätte uneingeschränkt jeder Mitarbeiter, jeder Vorstand handeln können. Pribil: Diese von ihnen angesprochene Initiative konnte gar nicht anders als im Sand verlaufen. Die Richtlinie ist nicht nur voll harmonisiert, die EU-Kommission wird sie zudem überarbeiten und in der zweiten Jahreshälfte als Verordnung veröffentlichen. Diese gilt unmittelbar und grenzüberschreitend mit Erlassung, ungeachtet ob sie in nationales Gesetz umgesetzt wird. Folglich ist es noch schärfer, noch strenger und noch klarer als bisher.

Eine der Ideen von Unternehmensseite war damals eine Vorabmeldung möglicher Transaktionen an die FMA. Ettl: Das wird nicht möglich sein, ist auch nicht im Sinne des Gesetzes. Das Gesetz ist relativ klar gefasst: Die meisten Handelsverbote sind die normalen quartalsmässigen Sperrfristen kurz vor der Veröffentlichung von Zahlen. Alles andere – etwa Verbote bei Übernahmen, etc. – kommt gar nicht so oft vor, wie man es sich vielleicht vorstellt. Die normalen Handelsverbote kann man doch auch bei Options-

programmen berücksichtigen. Wenn natürlich ausserhalb einer Sperrfrist eine Information auftaucht, nach der man nicht handeln darf, kann ein laufendes Optionsprogramm von diesem Verbot nicht befreien. Das sollte jedem klar sein. Wichtig ist, dass die Vorstände wissen, was eine Compliance Ordnung ist, sie sollten sich auch stärker mit ihrem Compliance Officer abstimmen. Die Probleme in den letzten Jahren rührten jedes Mal daher, dass der Compliance Officer schlussendlich nicht ausreichend eingebunden war. Somit hat die Kommunikation im Unternehmen nicht ausreichend funktioniert. Pribil: Von den Unternehmen kam auch immer wieder der Einwand, man wisse nicht, wann eine Insiderinformation als Adhoc-Meldung veröffentlicht werden muss. Es gibt von der neuen Wertpapieraufsichtsbehörde in Paris bzw. deren Vorgängerin drei Guidelines, wie die Marktmanipulationsrichtlinie und bestimmte Bestimmungen zu handhaben sind. Wir haben zudem bereits vor einigen Jahren ein Rundschreiben an alle Emittenten zu diesem Thema geschickt. Wenn es zur neuen Verordnung kommt, werden wir im nächsten Jahr voraussichtlich ein erweitertes Rundschreiben erstellen, damit die Industrie noch


BÖRSE EXPRESS CAFE BE besser informiert ist und niemand sagen kann, er wusste davon nichts. Ettl: Zusammenfassend kann man wohl sagen, die Diskussionen der letzten Monate haben dazu geführt, dass Meldungen zu diesem Thema auch bei den Vorständen ankommen und nicht nur in den spezialisierten Compliance-Abteilungen.

seriöse Analysen erstellen und rechtzeitig handeln. Oft hören wir auch die Meinung, Insidervergehen seien ja lächerlich, weil sich der Vermögensvorteil des Betreffenden vielleicht „nur“ auf ein paar zehntausend Euro beläuft. Zum einen ist auch das für die Mehrzahl der Österreicher ein erhebliches Vermögen, zum anderen ist ein Insidervergehen kein Kavaliersdelikt, weil auf der anderen Seite immer ein Investor steht, der

Haben Sie in Ihrer Arbeit nicht oft das Gefühl, sich oft vorhalten lassen zu müssen, zu langsam zu sein oder sich in „Kleinigkeiten“ zu versteigen, und wenn die FMA dann eine Aktion setzt, wird sie erst wieder bekrittelt bzw. in Zeitungsinseraten kritisiert? Ettl: Es wäre wohl ein Fehler, wenn sich die FMA von Tagesereignissen treiben lassen würde. Wir werden permanent mit Kommentaren eingedeckt, konzentrieren uns aber auf eine klare Strategie. Die Ergebnisse, die wir auch statistisch belegen können, zeigen, dass wir uns nicht nur um Kleinigkeiten kümmern, sondern auch um die grossen Geschichten und dass wir – unabhängig um wen es sich handelt – entsprechend vorgehen. Wenn es zu Gesetzesabweichungen kommt, dann stellen wir das ab. Und wenn es notwendig ist, eine Strafe auszusprechen, wird gestraft. Unsere Bescheide werden zudem zu rund 85 Prozent bestätigt. Österreich ist kein Willkürstaat, jeder Bescheid kann beeinsprucht werden. Wir haben es dabei mit einer sehr finanzkräftigen Klientel zu tun, es werden sogar Ermahnungen bis zum VwGH bekämpft, wo der Kosten-Nutzen eigentlich schon sehr zweifelhaft sein sollte. Wir haben aber eine sehr gute Quote.

ben wir - und das wollen wir auch - die strafrechtliche Komponente, wonach bei einem finanziellen Vorteil durch den Insiderhandel von unter 50.000 Euro der Primärinsider mit einer Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren bedroht wird. Bei über 50.000 Euro sind es bis zu fünf Jahre. Das reicht. Anders ist es bei den Verwaltungsstrafen. Hier fordern wir seit Jahren einen höheren Strafrahmen und werden jetzt auch bestätigt. Ettl: Die EU geht in die Richtung, bei allen Rechtsänderungen minimale Maximal-Strafen vorzuschreiben, sodass es hier zu einer europäischen Harmonisierung kommt. Wir denken, dies ist der richtige Schritt, weil Österreich bei den Verwaltungsstrafen im internationalen Vergleich im unteren Drittel liegt. Gerade bei einem offenen Kapitalmarkt sollte es auch im Sanktionsregime eine Angleichung geben.

In welche Bereiche könnte man dann vorstossen? Ettl: An einem Beispiel ausgedrückt, das ist der Vorschlag der CRD 4/Basel III (die Umsetzung von Basel III in der EU wird über Änderungen der Capital Requirements Directive, CRD, erfolgen, Anm.): Hier denkt die EU an eine minimale Maximalstrafe von 5 Mio. Euro für Personen und im Unternehmensverwaltungsstrafrecht, wo der Strafrahmen als Prozentsatz des Umsatzes definiert wird, an 10% des Umsatzes.

„Wenn wir nicht hart auftreten, bleiben die Investoren sicher aus“

Pribil: Es ist auch Teil unseres Jobs, uns vorwerfen zu lassen, dass wir bei Verletzung gewisser Meldepflichten strafen. Die Meldedisziplin ist allerdings sehr wichtig, weil sie auch eine präventive Massnahme ist. Nur auf Basis guter und verlässlicher Meldungen können die Notenbank und wir

Kurt Pribil

den Schaden tragen muss. Wenn wir nicht hart auftreten und Wien wieder als Insiderparty gilt, dann bleiben die Investoren sicher aus. Ettl: Dass viele Kleinanleger sehr skeptisch sind, hat schon auch mit Skandalen der Vergangenheit zu tun. Unsere Aufgabe ist die Herstellung der Glaubwürdigkeit. Egal um wen es geht, wenn wir Regelverletzungen entdecken, werden diese geahndet.

Sie wünschen sich aber schon auch höhere Strafen? Pribil: Beim Insiderhandel nicht. Hier ha-

Es braucht aber die EU dafür, um höhere Strafen durchzusetzen. Sie fordern das ja schon seit Jahren? Beide: Ja. Pribil: Es ist in der Vergangenheit auch von uns im Zusammenwirken mit anderen Aufsichtsbehörden an die Kommission herangetragen worden. Wir haben dazu Vergleichsstudien angestellt. Ein plakatives Beispiel: Für einen Marktmissbrauchsfall lag


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Hier ist eine weitaus grössere Gruppe konkreter Banken von Massnahmen betroffen, als die formal durchgefallenen Institute vermuten lassen. Drittens hat es durch den Stresstest eine unheimliche Transparenz gegeben. Gerade im Bereich des Staatsanleihen-Risikos wurden die Positionen im Detail offen gelegt. So eine weitgehende Transparenz hat es noch nie gegeben. Daher denke ich, der Stresstest war eine positive Übung, auch wenn er nicht einfach war – weder für die teilnehmenden Institute noch für die Aufsicht.

die Maximalstrafe in einem der neuen EUMitgliedsländer - Slowenien oder Slowakei - vor drei Jahren bei rund 2500 Euro. Genau dasselbe Vergehen wurde in England mit 2 Mio. Pfund bestraft. Wenn wir von einem einheitlichen europäischen Finanzraum sprechen, müssen auch diese Strafen harmonisiert werden, zumindest über die minimalen Maximalstrafen. Die Höchststrafe muss etwa zum Beispiel 5 Mio. Euro sein. Diese kommt natürlich nicht jedes Mal zur Anwendung. Ettl: Das geht auch gar nicht. Die 5 Mio. Euro sind nur im x-ten Wiederholungsfall anwendbar. Eine niedrige Erststrafe orientiert sich dennoch immer an der Maximalstrafe und wird bei ca. 20% des Maximalstrafrahmens liegen, wenn vorher nichts vorgefallen ist.

Auch für eine finanzkräftige Klientel klingt dies schon abschreckender. Ettl: Im Wesentlichen orientiert sich unser Verwaltungsstrafrecht in Österreich an Fällen wie der Strassenverkehrsordnung und ähnlichem. Das ist eben nur sehr bedingt auf den Finanzmarkt 1:1 übertragbar. Auch stossen wir im rein nationalen Spiel sehr rasch auf verfassungsrechtliche Beschränkungen. Und hier bedarf es durchaus Anregungen seitens der EU, dass man darüber hinausgehen darf. Pribil: Minimale Fortschritte haben wir schon erreicht: Unsere Maximalstrafe im Kampf gegen Marktmanipulationen betrug vor acht Jahren 25.000 Euro und ist mittlerweile in zwei Schritten auf 75.000 Euro gestiegen. Aber das liegt im europäischen Vergleich noch immer im untersten Drittel.

Zu den Banken: Nach den Turbulenzen der letzten Wochen gab es Anzeichen für ein gestiegenes Misstrauen der Banken untereinander. Sehen Sie als Aufsichtsbehörde Alarmsignale? Ettl: Wir haben eine Kumulierung von negativen Nachrichten gesehen, was sich in einer gewissen Anspannung in allen Märkten niedergeschlagen hat. Aber gerade im Kreditinstituts-Bereich sehen wir keine ver-

„Eine gute Bank braucht selbst im gestressten Szenario ein hartes Eigenkapital von sieben, acht Prozent“

Pribil: Der Stresstest an sich hat eine klare Antwort auf die Diskussion gegeben, ob Basel III notwendig ist oder nicht. State of the art ist jetzt, dass eine gute Bank selbst im gestressten Szenario ein hartes Eigenkapital von sieben, acht Prozent braucht. Das haben Erste Group und RBI. Der Markt fordert das. Für uns ist auch klar, dass der weitere Aufbau des harten Eigenkapitals durch nichts ersetzt werden kann.

Wie oft wird es diesen Stresstest geben?

Kurt Pribil

Ettl: Er wird laut Gesetz jährlich wiederholt, ob die Ergebnisse auch jedes Jahr veröffentlicht werden, ist eine andere Fragestellung.

gleichbare Situation zu 2008. Der Interbankenmarkt ist nicht ausgetrocknet.

Das wird wohl von der Verfassung der Märkte abhängen?

Die Ergebnisse der jüngsten Stresstests sind aber wieder ziemlich verpufft.

Ettl: Von der EBA und vom Verlangen des Ecofin.

Ettl: Ganz entscheidend bei den Stresstests war, dass es ab der Ankündigung zu einer substanziellen Verbesserung der Kapitalausstattung der europäischen Kreditinstitute gekommen ist. Im ersten Halbjahr 2011 haben die Institute 50 Mrd. Euro Kernkapital zusätzlich aufgenommen. Mit der ursprünglichen Kapitalausstattung hätten weit mehr Banken den Stresstest nicht geschafft. Allein die Abhaltung der Stresstests trug somit positiv zur Stabilität des europäischen Bankensektors bei. Weiters hat die Europäische Bankenaufsicht EBA ganz klar definiert, dass Institute mit einem hohen Engagement in einzelnen StaatsanleihenStressmärkten ein entsprechendes Szenario mit den Aufsichten zu vereinbaren haben.

Stichwort Verlangen des Marktes: Gerade mit Blick auf die börsenotierten Institute ist immer wieder die Rede von höheren Quoten bzw. von möglichen „Sifi“-Zuschlägen, also Kapitalaufschlägen für systemrelevante Banken. Sie haben in der Vergangenheit bereits erwähnt, dass die FMA flexible Lösungen bevorzugen würde. Wird der Markt nicht dennoch immer wieder höhere Zuschläge einfordern bzw. wie löst man diese Problematik? Ettl: Indem man glaubwürdige Regulierungen schafft. Wir haben derzeit ein Sonderproblem, das 2007/2008 eingetreten ist: Die geltende Regulierung ist nicht mehr glaubwürdig, die vorgeschriebenen Kapi-


BÖRSE EXPRESS CAFE BE talquoten werden vor dem Hintergrund der letzten Krise als zu gering angesehen. Jetzt müssen international glaubwürdige Kapitalregulierungen geschaffen werden, damit es nicht allein einer kurzfristig orientierten Marktmeinung überlassen wird, ob eine ausreichende Kapitalisierung einer Bank vorhanden ist oder nicht. Derzeit sind wir von den typisch manisch-depressiven Kräften getrieben. Einen Monat geht es aufwärts, dann glauben alle, die Welt ist heil. Dann geht es wieder nach unten, und jeder sieht die schwerste Krise überhaupt, folglich steigen die verlangten Kapitalquoten massiv. Davon muss man durch eine klare, begründbare und auch wissenschaftlich fundierte Regulierung wegkommen. Ich denke, mit Basel III und der CRD 4 in Europa bekommen wir das auch. Die Ziele sind durchaus ambitioniert, aber man darf nie vergessen, bisher hat man mit einer harten Kapitalquote von 2% das Auslangen gefunden. Ich merke das immer wieder bei Diskussionen, wenn Vertreter der Nicht-Finanz-Industrie über Basel III schimpfen und eine Verteuerung ihrer Kredite befürchten – ein für mich übrigens ökonomisch nicht haltbares Argument. Verweise ich dann darauf, dass die Banken bislang lediglich 2% Kapital benötigt haben – nämlich einbezahltes Aktienkapital –, dann fangen alle zum Überlegen an. 2% heisst nichts anderes, als dass ich mich 50 Mal leveragen kann, aber wenn mir 2% ausfallen, bin ich schon tot. Pribil: Eines noch zum Punkt glaubhafte Regulierungen: Wir sehen nach der Krise u.a. vier ganz wichtige Ansätze. Zum einen die neue Aufsichtsarchitektur in Europa, die drei neue Behörden umfasst, zum anderen Basel III und die klare Stärkung des Eigenkapitals. Der dritte Ansatz sind so genannte Resolution Schemes, also Austrittsmöglichkeiten für Banken. Dazu wird für Herbst ein Vorschlag der Kommission erwartet. Es muss möglich sein, dass grössere Banken den Markt verlassen ohne das System zu gefährden. Der vierte Punkt hängt mit den drei neuen Behörden zusammen, die Finanzinnovations-Gremien zu gründen haben. Diese müssen überlegen, ob zu bestimmten Zeiten und in bestimmten Situationen bestimmte Produkte gemeinschaftlich verboten oder eingeschränkt wer-

„Unser Kriterium ist die ausreichende Kapitalausstattung einer Bank, egal ob staatlich oder privat“ Helmut Ettl

den sollen. Das sind einige neue Ansätze, bei denen die EU grosse Schritte setzt.

Nochmals zurück zu den systemrelevanten Banken: Diesen Sifi-Zuschlag wird es in Österreich voraussichtlich nicht geben? Ettl: Wird die Regelung auf europäischer Ebene eingeführt, wird es auch in Österreich in irgendeiner Form eine Sifi-Berücksichtigung geben. Wir als österreichische Aufsicht bevorzugen, wenn diese nicht als reiner Kapitalaufschlag gerechnet wird, etwa mit der Bilanzsumme als Basis. Zum einen muss im Detail analysiert werden, wer systemrelevant ist, zum anderen sollten Anreiz- bzw. Abschreckungseffekte inkludiert sein, sodass die Banken zu einem nachhaltigeren Geschäftsmodell kommen. Schlussendlich wird es natürlich auf höhere Kapitalquoten hinauslaufen, allerdings sollte das nicht so mechanistisch funktionieren, wie es einige momentan andenken.

dings wollen wir als nationale Aufsicht eine erhöhte Flexibilität haben, wie man diesen Sifi-Aufschlag ausgestaltet.

Im Zusammenhang mit Basel III brauchen die österreichischen Banken laut FMARechnung bis 2019 rund 10 Mrd. Euro an hartem Kernkapital. Wie sieht dabei die Relation zwischen Kapitalaufnahme und Gewinnthesaurierung aus? Ettl: Wir wissen nur aus der Vergangenheit, dass der grösste Teil der Kapitalzufuhr über die Gewinnthesaurierung erfolgt ist. In den letzten zehn Jahren wurden über 40 Mrd. Euro an hartem Eigenkapital aufgebaut. Davon waren sicher mehr als 30 Mrd. Euro Gewinnthesaurierung.

Erste Group Chef Andreas Treichl zeigte sich zuletzt optimistisch, noch im dritten Quartal die Genehmigung von FMA und OeNB zur Rückzahlung des staatlichen PSKapitals zu erhalten. Wie beurteilen Sie das?

Zum Verständnis: Es gibt zum einen die weltweit systemrelevanten Banken, die ohnehin Aufschläge vorgeschrieben erhalten. Dann gibt es national systemrelevante Banken, für die höhere Quoten in der Verantwortung der jeweiligen Behörden liegen?

Ettl: Die OeNB arbeitet an einem Gutachten, wir schauen uns das dann unter aufsichtsrechtlichen Gesichtspunkten an. Basis ist das Gutachten, und das müssen wir zuerst sehen.

Ettl: Es wird nicht allein in der Verantwortung der nationalen Aufsicht liegen, sondern auch hier zu einer Harmonisierung auf europäischer Ebene kommen. Aller-

Die OECD meinte, die österreichischen Banken sollten eher früher als später einen Zeitplan für die Rückführung des staatlichen Kapitals aufstellen. Wie sehen Sie das?


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Ettl: Wir stehen dem als Aufsicht relativ neutral gegenüber. Die Zufuhr von staatlichem PS-Kapital ist von unserer Warte aus wie ein privatrechtlicher Vertrag zu werten. Unser Hauptkriterium ist die ausreichende Kapitalausstattung der Bank, egal ob staatlich oder privat.

Beim jüngsten europaweiten Stresstest wurden das staatliche und das private PS-Kapital aber nicht gleich behandelt. Ettl: Das war eine politische Einigung auf europäischer Ebene.

International sind Pflichtwandelanleihen ein Thema, wie steht die FMA dazu?

rig. Auch wenn in den Verträgen eine Konvertierung ab gewissen Kursen festgeschrieben ist, kann das in der Realverfassung nicht entsprechend durchgesetzt werden, weil es eben um so viele Konsumenten geht. In Osteuropa kommt noch die staatliche Ebene hinzu: Wir wissen, dass in Ungarn eine Spezial-Gesetzgebung erfolgt, in Kroatien ebenso, was sich sicherlich belastend auf die dort tätigen Banken auswirkt. Pribil: In Österreich haben wir de facto seit 2008 ein Verbot für Fremdwährungs-Kredite an private Haushalte. Daran halten sich die österreichischen Banken auch. Seit Oktober 2008 hat sich das FremdwährungsVolumen an die privaten Haushalte währungsbereinigt um 15% oder mehr als 6 Mrd. Euro reduziert. Währungsbereinigt heisst aber eben unberücksichtigt des Anstiegs des CHF.

Ettl: Vom technischen Ansatz her sind CoCo-Bonds (Contingent Convertible Bonds, Anm.) eine spannende Idee. Nach dem jetzt vorliegenden CRD4 RegulieDie Banken rungsentwurf werhaben für den sie in Europa die FremdHelmut Ettl aber keine grosse währungsBedeutung erlankreditnehgen. In der Schweiz war das anders, weil mer Task Forces eingerichtet. Sind Sie mit die Banken über CoCos eine geringere Kern- diesen in Kontakt? kapitalquote halten konnten und daher diese Anleihen emittiert wurden. Ettl: Wir beobachten sie, geben aber sicher keine Empfehlungen ab. Denn jeder KreStichwort Schweiz: Ich möchte noch kurz dit muss in Verbindung mit Tilgungsträger, auf den Franken eingehen. In Österreich Fristigkeiten etc. gesehen werden. Es komwerden CHF-Kredite an Private nicht mehr men wahrscheinlich auf tausende Östervergeben, die Banken sitzen aber auch in reicher hohe Belastungen zu. Das kann Osteuropa auf hohen Beständen. Sehen Sie man nicht wegdiskutieren. angesichts der jüngsten Währungsentwicklung hier ein neues Risikopotenzial für Dieses Neuvergabe-Verbot bezieht sich ja die österreichischen Banken? nur auf Private, aber nicht auf Kommunen bzw. den öffentlichen Bereich. Überlegen Sie hier eine Empfehlung? Ettl: Wir haben auch für Osteuropa mit den österreichischen Banken vor zwei Jahren vereinbart, dass keine neuen CHF-Kre- Ettl: Das muss staatlich geregelt werden. dite mehr vergeben werden. Generell materialisiert sich nun das, wovor wir immer Pribil: Unsere Adressaten bei den Empgewarnt haben: CHF-Kredite tragen nicht fehlungen sind die Banken, nicht die Konnur ein unmittelbar ökonomisches Risiko sumenten. Hier haben wir durch die Krise in sich, sondern auch ein riesiges Rechts- gesehen, dass es zu einer systematischen risiko, wenn sie flächendeckend vergeben Gefährdung des Risikomanagements der werden. Das sieht man auch in Österreich: Banken kommt, daher ein klares Stopp. Die Durchsetzung von abgeschlossenen Aber wir können das nicht auf die GeVerträgen gestaltet sich de facto sehr schwie- meinden ausweiten.

„Wir hatten es mit einem systemgefährdenden Herdentrieb zu tun, der nach Osteuropa exportiert wurde“

Montag, 7. März 2011

Ettl: Wir hatten es mit einem systemgefährdenden Herdentrieb zu tun, der nach Osteuropa exportiert wurde. Im Wesentlichen wurden hunderttausende Mini-Hedgefonds produziert. Pribil: Beim Ersparten geht der Österreicher im Schnitt mit dem Geld eigentlich sehr sorgsam um. Bei der Kreditaufnahme hat sich dieses Risikobewusstsein aber trotz aller Warnungen nicht so herumgesprochen.

Noch einmal kurz zu CEE und dem gestiegenen Frankenkurs: Droht den Banken ein neues Risiko? Ettl: Es gibt keine Neuvergabe mehr, das sind alles Altlasten. Diese werden aber noch lange Zeit in den Bilanzen nachwirken, weil die Fristigkeiten so lange sind.

Eine Schlussfrage noch: Was tut sich mit dem leidigen Thema der Enforcement-Stelle bzw. Bilanzpolizei? Pribil: Diese Forderung von uns ist schon drei, vier Jahre alt. Wir sind nach wie vor bereit, diese Enforcement-Stelle auf Basis der Transparenz-Richtlinie zu übernehmen. Es gibt kein Land, welches dies noch nicht umgesetzt hat. Wir glauben auch, dass es Sinn macht, diese bei uns anzusiedeln und sind dazu bereit.

Wie realistisch ist es, dass sich hier heuer oder nächstes Jahr etwas tut? Pribil: Wir sind wie immer zuversichtlich…. Ettl: …historischer Optimismus. Pribil: Wir sind auch deshalb zuversichtlich, weil gerade im Finanzbereich in der Aufsichtskultur durch den neuen Kommissar Barnier einige Dinge in Bewegung gekommen sind. Natürlich muss man das auch leben, aber verglichen mit anderen Bereichen bewegt sich hier sehr viel.

Durch das Gespräch führte: Bettina Schragl

Bilder: Katharina Schiffl http:www.boerse-express.com/cafebe


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Cafe BE: Ein würdevolles Leben im Alter - Nadelöhr ist die Finanzierung

Pensionen quo vadis? Private und staatliche Pensionssysteme in der Kritik

Im Cafe BE (v. li.): Manfred Rapf (s Versicherung), Manfred Baumgartl (Allianz), Michael Wiltsch (Skandia), Karl Blecha (Seniorenrat), Robert Gillinger (Börse Express)

Zu wenig Geld, zu wenig Rendite - sowohl die private wie auch die staatliche und die betriebliche Pension stehen in der Kritik. Doch können wir ohne eines der drei Standbeine überhaupt? Teil 1 Cafe BE: Die private prämiengeförderte Zukunftsvorsorge ist in die Kritik gekommen. Halten Sie eine Diskussion darüber aber angesichts eines nur noch mit staatlichen Zuschüssen zu finanzierenden Pensionssystems überhaupt für sinnvoll? Karl Blecha: Ich halte die Diskussion für sehr sinnvoll, eben da wir diese Ergänzungsmöglichkeit privater Vorsorge neben der gesetzlichen Pensionsversicherung brauchen. Wir haben ein sehr starkes gesetzliches System, das besser als in in vielen anderen Ländern ein würdevolles Leben im

Alter ermöglicht. Das ist eine Basis. Darüber hinaus gibt es aber Bedürfnisse, die über die nach oben beschränkte gesetzliche Rentenversicherung nicht gedeckt werden können. Daher ist es sinnvoll, sich darüber Gedanken zu machen, jene Lücke zu dem zu schliessen, was man vor der Pension gewohnt war zu haben und dem was die gesetzliche Versicherung bringt. Jetzt sind eben zwei der zusätzlichen Säulen, Stäbchen wie ich angesichts deren Grösse gern sage, in die Kritik geraten. Betriebspensionen, die für die Betroffenen ein Desaster sind, für das die Politik verantwortlich ist und die sich jetzt vor der Verantwortung drückt. Es ist nicht zumutbar, dass jemand 45 Prozent seiner gedachten Zusatzpension verliert. Cafe BE: Wie viele Österreicher sind von solchen Kürzungen betroffen? Blecha: Direkt betroffen sind derzeit 67.000 Menschen. In der Zukunft sind es durch

die neuen Gesetze aber 700.000. Aber weiter zur Diskussion über die Sinnhaftigkeit: Betriebliche wie auch private Vorsorge wurden vom Gesetz her gezwungen in Aktien zu veranlagen, bei der Prämiengeförderten mit ursprünglich 40 Prozent, auch wenn wir jetzt bei 30 stehen. Das geschah mit dem Blick auf hohe Renditen und mit dem Blick auf den Börseplatz Wien. Der grosse Zweck war, die Wiener Börse zu pushen. Mit dem Effekt, dass im Zuge der Finanzkrise dieses Desaster gekommen ist. Jetzt sitzen wir da und müssen darüber reden, was man jetzt tun kann. Denn 1,5 Millionen Anleger in privaten Vorsorgeprodukten hatten andere Vorstellungen von dem gehabt, was sie jetzt haben. Baumgartl: Mich schmerzt, dass in einer Zeit wie jetzt die Provokation vernünftige Diskussion vorherrscht. Beispiel: Man sagt private Vorsorge und meint prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge, als ob das al-


BÖRSE EXPRESS CAFE BE les wäre. Wir haben in Österreich 65 Milliarden Euro Deckungskapital in der Lebensversicherung, davon 5 in der geförderten Zukunftsvorsorge, die ein sehr stark politisches Konstrukt ist. Es ist ein Produkt, dass heute keiner mehr so konstruieren würde: Mit einer Garantie bei einer geforderten Aktienquote von 30 Prozent. Und ich habe einen Staatssekretär der sagt, er sieht keine Notwendigkeit etwas zu tun. Dabei muss man eigentlich sagen: Versicherer managen dieses Produkt exzellent. Denn bei einer Rendite von Staatsanleihen zwischen zwei und drei Prozent, Aktien, die wie im Aufzug so schnell rauf und runter fahren, dass man gar nicht mehr mitkommt, dabei eine staatlich verordneten Aktienquote von 30 Prozent zu fahren und noch eine Garantie zu managen - das ist eine harte Aufgabe. Man sagt auch die zweite Säule und meint Pensionskassen. Die zweite Säule ist aber ebenfalls mehr. Es gibt eine grosse Zahl an rückgedeckten Verpflichtungen betrieblicher Pensionszusagen. Das sind alles Lebensversicherungen, die haben auch in der Krise keine Probleme gemacht. Manfred Rapf: Richtig, für Betriebspensionen gibt es das völlig spiegelbildliche Modell aus dem Bereich der Lebensversicherung bereits - nennt sich betriebliche Kollektivversicherung – seit 2005. Die Politik hat es nur nicht geschafft, gleiche Spielregeln herzustellen. Es gäbe für jeden Betrieb die Möglichkeit in eine betriebliche Kollektivversicherung zu gehen und nicht in eine Pensionskasse, weil die sich nicht als Allheilmittel herausgestellt hat. Aber selbst der Wechsel ist nicht ohne Probleme möglich. Das ist nicht nachvollziehbar, da man die Vorteile der klassischen Lebensversicherung bereits nützen könnte: Dort gibt es einen garantierten Rechnungszins, der genau den Pensionskassen heute Probleme macht. Die Kürzungen von bis zu 40 Prozent kommen ja nur daher, da es die Garantie bei Pensionskassen eben nicht gibt. Cafe BE: Was sind Ihre konkreten Kritikpunkte an der prämiengeförderten Zukunftsvorsorge? Blecha: Sie ist teuer, nicht transparent, kompliziert und hat weitere Nachteile, die beseitigt werden müssen. Es ist ein un-

„Wir müssen das effektive an das gesetzliche Rentenalter heranführen“ Karl Blecha (Präsident Seniorenrat)

möglicher Umstand, dass die Administration, Verwaltungskosten etc. im Schnitt der Produkte die gesamte staatliche Prämie auffressen, das stand zumindest unwidersprochen in den Medien. Dieser Zustand ist nicht zu akzeptieren. Baumgartl: Das sind nicht die Verwaltungs, sondern die Garantiekosten für 30 Prozent Aktienquote. Und weil immer die Verwaltungskosten angeprangert werden. Das sind ja nicht irgendwelche Kosten, damit zahlen wir Mitarbeiter. Und wir haben in den Kollektivverträgen keine Variable drinnen wie, wenn ich auf den Deckungsstock von 3,5 Milliarden nur noch vier statt acht Prozent verdiene, bekommt auch der Mitarbeiter nur noch die Hälfte. Das will man ja auch nicht. Rapf: Zu Medien noch: Da stand auch, dass 700.000 der 1,5 Millionen Verträge unterdurchschnittlich performen. Kein Wunder, das ist statistisch gesehen immer so. Cafe BE: Sind Sie für die Abschaffung der Kapitalgarantie? Rapf: Nicht grundsätzlich. Ich glaube, dass sie einen Wert hat. Blecha: Von den 1,5 Millionen Verträgen hätte sonst wahrscheinlich eine Million keinen Vertrag abgeschlossen. Rapf: Das mag durchaus sein.

Wiltsch: Wir sind hier in der Diskussion sehr auf der Produktebene. Wir müssen aber einen Schritt zurück gehen, das Produkt ist nur ein Teil der Dienstleistungskette. Wir müssen das Bewusstsein schaffen, was Pensionsvorsorge überhaupt bedeutet. Wie sehen die Säulen wirklich aus und wie sieht die Differenz zwischen Rente und Einkommen wirklich aus? Und was kann ich gegen diese Differenz tun. Wenn man sich die Situation derzeit ansieht: Bei Laufzeiten von 20 Jahren kommen nur zehn Prozent der Produkte an das erwartete Ziel heran. Die Frage ist daher, wie können wir es Kunden ermöglichen, bei ihren Ertragszielen auch wirklich anzukommen? Blecha: Auch daher meinen wir als Interessenvertreter, dass die staatliche Prämie, immerhin 90 Millionen Euro pro Jahr, für bessere Produkte als die prämiengeförderte Zukunftsvorsorge verwendet werden müsste. Denn 90 Millionen sind für uns viel Geld. Die Streichung des Alleinverdienerabsetzbetrages bei Pensionisten, zur Rettung des Pensionssystems wie es hiess, bringt nur 50 Millionen im Jahr. Dass es das bessere Produkt gibt, ist mir aufgefallen. Die sind nicht prämiengefördert, aber unterm Strich bringen sie mehr als die staatlich geförderte Zukunftsvorsorge in der Regel. Die klassische Pensions- und


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Lebensversicherung ist ein Produkt, das man nur unterschreiben kann. Rapf: Der wesentliche Gedanke bei der Förderung ist, dass der Staat anerkennt, dass wir ergänzende Vorsorge brauchen. Dass überhaupt 1,5 Millionen Verträge abgeschlossen wurden, das ist das Wesentliche. Und wenn Sie Herr Blecha provokant in der Öffentlichkeit sagen, dass jeder investierte Euro ein vergeudeter ist, dann zieht man jenen rund 40 Prozent der Österreicher, die dieses Produkt als das Produkt der ergänzenden Altersvorsoge ansehen, eigentlich den Boden unter den Füssen weg. Mit einer Aussage, die auch nur teilweise richtig sind: Da werden alle Anbieter über einen Kamm geschoren. Ich muss etwa meinen Kunden nicht erklären, ob es rausgeschmissenes Geld ist. Weil sie jährlich eine Performance sehen, die sich sehen lassen kann und die über dem Niveau von Sparbüchern liegt und dem Zweck auch gerecht wird. Baumgartl: Provokant könnte man auch sagen, dass Sie Herr Blecha natürlich ihr Klientel finanzieren müssen. Und wenn ich jetzt mehr Geld fürs Umlagesystem aufbringe, tue ich meinen Pensionisten etwas Gutes. Jene, die das jetzt aber durch höhere Steuern zahlen und ins Umlagesystem geben, haben später nichts davon. In der geförderten Zukunftsvorsorge hätten sie etwas davon, denn da sparen sie für sich selbst an. Blecha: Was uns auf die Palme gebracht hat, ist, dass es nicht zuletzt aufgrund der Anbieter privater Vorsorgen eine Hetze gegen die gesetzliche Pensionsversicherung gegeben hat. Baumgartl: Das gibt es aber schon sehr lange nicht mehr. Blecha: Aber wir sehen das Resultat. Heute sind 7 Prozent der 25- bis 30-jährigen Österreicher laut einer Studie der Meinung, dass es für sie keine staatliche Pension mehr geben wird, die fällt eh ins Wasser. Daher muss man privat vorsorgen. Wilschnigg: Ich hoffe, dass die Politik einmal den Mut hat und nicht nur in Legislaturperioden denkt und sich einmal offen hinstellt und sagt, wie es für uns jetzige Arbeitnehmer und künftige Pensionisten in der Zukunft aussehen wird. Denn es wird nicht einfacher. 2050 sind 40 Pro-

„Ich rechne seit 30 Jahren Pensionslücken und alle waren falsch. Immer wenn der Pensionsantritt kam, war sie grösser als errechnet“ Manfred Baumgartl (Vorstand Allianz)

zent der Bevölkerung in Pension, das wird nicht so ganz funktionieren. Oder es gibt eine Pension, fraglich ist aber die Höhe. Baumgartl: Ich glaube nicht, dass die 7 Prozent ausschliesslich Resultat einer Kampagne sind. Sondern dass wir junge Menschen haben, die sich Gedanken machen, die echt einen Horror davor haben, dass sie in einer Demokratie leben, wo sie eine Minderheit sind. Denn die Mehrheit sind die leistungsempfangenden Pensionisten. Mit meiner Vorsorge und meiner Arbeit zu finanzieren, was die Mehrheit entscheidet. Und die wird logischerweise eher für sich als für ihn entscheiden. Junge die privat vorsorgen wollen, weil sie erwarten, dass ihr Geld im Umlagesystem weg ist. Wir haben jetzt die Situation, dass wir in etwa ab Mitte August für uns arbeiten. Bis dahin zahlen wir Steuern und sonstige Abgaben. Die Frage ist, wie weit sich dieses System ausdehnen lässt. Am Ende haben wir einen Verteilungskrieg. Blecha: Der Faktor Arbeit darf nicht weiter belastet werden, der ist in Österreich ohnehin schon überbelastet, während Vermögen etwa unterdurchschnittlich belastet wird. Cafe BE: Es herrscht so etwas wie Einigkeit zwischen den Parteien ...

Baumgartl: Was mich irritiert ist, wenn wir mit Pensionisten reden, sehen wir in den meisten Fragen Konsens. Den sehe ich bei der Politik überhaupt nicht. Das mag daran liegen, dass ich alle fünf Jahre wiedergewählt werden möchte und jetzt keine Entscheidung treffe, die vielleicht ein bisserl unpopulär ist, und wo sich erst in 15 Jahren herausstellt, dass es die richtige Entscheidung war, so etwas hat keine hohe Priorität. Blecha: Ich sehe durchaus die Notwendigkeit der privaten Vorsorge, aber nicht für alle. Es gibt jedoch eine Zahl von Menschen, die die sogenannte Ersatzrate – Letztbezug zu Pensionshöhe - zur Überlegung führen muss, privat für diese Lücke vorzusorgen. Vornehmlich werden das jene sein, die mehr als die Höchstbemessungsgrundlage verdienen. Rapf: Es freut mich zwar, dass Sie auch die Notwendigkeit privater Vorsorge anerkennen. Die Meinung teile ich jedoch nicht, dass es beim Ergänzungskapital für die Pension nur um Einkommensbezieher über der Höchstbemessungsgrundlage geht. Zur Performancekritik möchte ich noch etwas sagen: Ich habe einmal für mich nachgerechnet, was ich an ASVG-Pension heute und vor 30 Jahren bekommen hätte. Das sind mehr als 50 Prozent we-


BÖRSE EXPRESS CAFE BE niger! Da kann ich ganz schlecht sagen, dass es in der privaten Vorsorge so kracht. Mir gefällt auch nicht, was in der privaten Zukunftsvorsorge teilweise passiert ist, aber ich möchte vermeiden, dass den Menschen Sand in die Augen gestreut wird und man sagt, ihr braucht nichts tun. Ich glaube, dass auch niedrigere Einkommensbereiche etwas tun müssen. BE Cafe: Was sind Lösungsvorschläge der Versicherungsbranche in Bezug auf die 'Problem-Produkte'? Baumgartl: Die Lösung des Problems ist relativ einfach und schnell umzusetzen. Die geförderte Zukunftsvorsorge muss schlussendlich in die sogenannte Pensionszusatzversicherung wechseln, wenn sie in einer steuerfreien Zusatzrente münden soll, was ja eigentlich Sinn ist. Das ist eine herkömmliche Rentenversicherung. Man könnte mit einem Federstrich sagen, der Teil des Produktes, in den es ohnedies gehen muss, den lassen wir in der Ansparphase auch zur Förderung zu. Und wir verzichten auf die horrende Verpflichtung zur Aktienquote. Und für den anderen Teil des Produktes streichen wir

die Garantie. Denn es gibt genug Kunden, die eine hohe Aktienquote wollen. Dann können es sich die Leute aussuchen. Mich ärgert als Steuerzahler jede Sekunde, die eine hochbezahlte Beamtenschaft mit der Reform verbringt, wenn die Lösung ein Federstrich ist. Wir haben derzeit aber ein Gesetzesumfeld entwickelt, das extrem komplex ist. Wir haben drei Töpfe in der Landschaft herumstehen. Der eine Topf, die Lebensversicherung, ist mit 65 Milliarden Euro sehr massiv gefüllt und funktioniert recht gut. Die zwei anderen sind relativ junge, kleine Töpfe – Pensionskassen mit 14 Milliarden, Vorsorgekassen mit 3,5 Milliarden - und äusserst komplex in der Abwicklung. Man sollte die Systeme so reformieren, dass es ein vernünftiges Ganzes ergibt, sich die Systeme gegenseitig helfen. Der Österreicher will möglichst früh in Pension gehen, was das Umlagesystem belastet. Warum verwendet man das Kapitaldekkungssystem nicht ganz bewusst dafür, den früheren Eintritt mittels einer Bridging-Regelung zu ermöglichen. Dafür geht jeder erst mit 65 in die staatliche Pensi-

„Ich bekomme heute in der ASVG-Pension 50 Prozent weniger als vor 30 Jahren. Da kann man ganz schlecht sagen, dass es in der privaten Vorsorge so kracht“ Manfred Rapf (Vorstand s Versicherung)

on, ohne Wenn und Aber. Warum schmeisst man nicht alles was Kapitaldeckung ist, in einen Topf und sagt: Du kannst bis zu einer gewissen Grenze machen was du willst, und das steuerfrei? BE Cafe: Und Reformvorschläge bei der Betriebspension? Baumgartl: Eine notwendige Reform wäre sehr schnell erledigt, wenn man den Wechsel von Pensionskassen in die Betriebliche Kollektivversicherung einfach und jederzeit zulassen würde. Und warum passiert es nicht? Wir wissen wie Gesetze in Österreich entstehen: Es gibt Beamte in den Ministerien, die haben ihre Einbahnstrasse - und die heisst Pensionskasse. Blecha: Die Betriebspensionskassen waren eine Missgeburt, die im rauen Wind der Finanzkrise ganz ordentlich gebogen wurden. Jetzt müssen wir die Politik fordern, die sie in die Welt gesetzt hat. Baumgartl: Hätte man sich bei der Einführung der Pensionskassen Ende der 80er Jahre für das Modell Lebensversicherung entschieden, hätten wir die ganze Diskussion heute nicht. Und warum kam es nicht dazu? Weil sonst die Verstaatlichte bankrott gewesen wäre. Die Urmutter der Pensionskassen war der Versuch die Verstaatlichte zu privatisieren. Die wäre an ihren Pensionsverpflichtungen sonst zugrunde gegangen. Daher hat man diese ausgelagert und hat mit hohen Zinssätzen gerechnet, damit der Betrag für die Unternehmen ein leistbarer wird. Denn je höher der angesetzte Zinssatz, desto weniger Cash musste in die Hand genommen werden. Damals waren fünf, sechs, sieben Prozent am Kapitalmarkt darstellbar. Unsere Industrie hat aber bereits damals darauf hingewiesen, dass man langfristig nicht mehr als drei Prozent garantieren kann. Das bewahrheitet sich jetzt. BE Cafe: Es wurde die Skepsis bei Jungen dem staatlichen Pensionssystem gegenüber erwähnt. Ich bin ein 69er Geburtsjahr und falle damit in die neue Regelung, bekomme weniger als vor der letzten Reform – im rein theoretischen Höchstfall 80 Prozent des Letztgehalts. Ausserdem gibt es in der EU derzeit 4 Erwerbstätige pro Pensionisten und die EU selbst schätzt,


Montag, 7. März 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE NEWSBE dass es 2050 nur noch 2 sind. Sind da Gedanken über die Finanzierbarkeit nicht zulässig? Wiltsch: Die 80 Prozent sind aber wirklich nur theoretisch. In der Realität ist es einiges darunter. Blecha: Die Reduzierung ist leicht zu erklären: Durch die wesentlich höheren Einkommen der heute Jugendlichen, haben sie eine niedrigere Ersatzrate als jene, die vor 30 Jahren in Pension gegangen sind. Daher kämpfen wir auch für die jährliche Wertsicherung. Und damit auch für die Jungen. Weiteres Beispiel, das Jungen zugute kommen würde: Wir nehmen derzeit 23 Jahre der Erwerbstätigkeit und berechnen für die Pensionshöhe den Durchschnitt. Künftig nehmen wir die gesamte Lebenserwerbszeit als Durchrechnung. Bei den vielen neuen Arbeitsformen, geringfügig Beschäftige, Zeitarbeit etc. - warum schaffen wir nicht den Ausgleich, und streichen die zehn schlechtesten Jahre? Alt und Jung muss sich verbünden, um das System sicher zu machen. Baumgartl: Die garantierte staatliche Pen-

sion ist eine Illusion, das kann ein Umlagesystem schon rein systemisch nie garantieren. Das Umlageverfahren hat den grossen Vorteil, das es sich in einem stark inflationären Umfeld schnell bewegen kann, was ein Kapitaldeckungssystem nicht hat. Sie sind ein 69er. Gratuliere, Sie sind noch ein Privilegierter. Ich bin ein noch Privilegierterer, etwas älter. Bei der Diskussion Jung und Alt muss man sich auch die Situation der derzeit Jungen ansehen: Ich möchte mir heute nicht als 20- bis 30jähriger meinen Platz am Arbeitsmarkt suchen müssen. Wenn man sich das Durchschnittseinkommen ansieht, und sich dann vorstellt, wie die Diskussion von ein paar Luxuspensionisten auf einen 27jährigen mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 1200 Euro wirkt, dessen Frau keine Arbeit findet, die gerne eine Familie hätten, es sich aber nicht leisten können. Da wird es schwierig sein, eine Brücke zwischen Alt und Jung zu schlagen. Blecha: Was bei der Pensionsdebatte gern vergessen wird, zu erwähnen: Die derzeitige Durchschnittspension liegt bei knapp

„Vor 10 bis 15 Jahren hiess es Buy-and-Hold, die wunderbare Geldvermehrung, die Bäume wachsen in den Himmel. Die Zyklen nach oben und unten werden aber immer schneller und ausgeprägter“ Michael Witsch (Leiter Vertrieb Skandia)

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unter 1200 Euro, das ist weniger als ein Junger heute verdient. Das schüren von Neidgefühlen ist völlig ohne Ratio. Die Pensionen sind jetzt unter Anführungszeichen hoch, bei den Neupensionisten die unter Umständen auch Sonderformen der Pensionierung wie die Hacklerregelung nutzen können. BE Cafe: Österreich gilt als Land der Frühpensionisten ... Blecha: Ich bin der Meinung, dass wir in Österreich das effektive Pensionsalter an das gesetzliche möglichst heranführen müssen... Baumgartl: ... Damit könnte man sich im Wesentlichen die sieben bis acht Milliarden holen, die derzeit vom Staat zugeschossen werden müssen. Blecha: ... Mir ist aber klar, das man dafür sicher zehn Jahre braucht. Und ja, man sagt immer Österreich sei eine Oase der Frühpensionisten. Das stimmt so aber nicht. Denn in den internationalen Statistiken liegt Österreich mit dem Pensionsantrittsalter relativ weit hinten. Wi lts ch : Aber nur beim offiziellen Antrittsalter, nicht beim effektiven. Da liegen wir in der EU auf dem 3. Platz. Blecha: Das stimmt so wieder nicht. Denn etwa bei den Deutschen oder Skandinaviern wird die Invaliditätspension nicht eingerechnet, bei uns schon. Wir haben faktisch ein Alters-Pensionsantrittsalter bei Männern von 62,7 Jahren, das ist über dem europäischen Schnitt von 61 Jahren. Aber wir haben insgesamt einen Pensionsantritt mit 58,9 Jahren, da die Invaliditätspension eingerechnet wird. Und die ist in den vergangenen Jahren explosionsartig angestiegen. Da müssen wir ansetzen. Diskussionsleiter: Robert Gillinger Fotos: Katharina Schiffl Weitere Bilder unter http://www.boerseexpress.com/cat/diashow/slidepage/663752 Morgen in Teil 2 Wie legen Versicherer derzeit an? Wie sorgen die Diskutanten selbst vor? Gemeinsame Abhängigkeiten von kapitalgedecktem und dem Umlagesystem u.v.m


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Cafe BE: Versicherer haben Aktienquote gekappt - und setzen derzeit auf Minirenditen

Pensionssystem quo vadis? Teil II Die Bonitätsdiskussion trifft alle Systeme

Im Cafe BE (v. li.): Manfred Baumgartl (Allianz), Manfred Rapf (s Versicherung), Michael Wiltsch (Skandia), Karl Blecha (Seniorenrat)

Teil 2 beschäftigt sich unter anderem mit der Anlagepolitik der Anbieter und der persönlichen Vorsorge der BE Cafe-Teilnehmer. Teil 1 endete mit dem Thema Frühpension - zum leichteren Einstieg gibt es diesen Part nochmals. Cafe BE: Österreich gilt als Land der Frühpensionisten ... Blecha: Ich bin der Meinung, dass wir in Österreich das effektive Pensionsalter an das gesetzliche möglichst heranführen müssen ... Baumgartl: ... Damit könnte man sich im Wesentlichen die sieben bis acht Milliarden holen, die derzeit vom Staat zugeschossen werden müssen. Blecha: ... Mir ist aber klar, dass man dafür sicher zehn Jahre braucht. Und ja, man sagt immer Österreich sei ei-

ne Oase der Frühpensionisten. Das stimmt so aber nicht. Denn in den internationalen Statistiken liegt Österreich mit dem Pensionsantrittsalter relativ weit hinten. Wi lts ch: Aber nur beim offiziellen Antrittsalter, nicht beim effektiven. Da liegen wir in der EU auf dem 3. Platz. Blecha: Das stimmt so wieder nicht. Denn etwa bei den Deutschen oder Skandinaviern wird die Invaliditätspension nicht eingerechnet, bei uns schon. Wir haben faktisch ein Alters-Pensionsantrittsalter bei Männern von 62,7 Jahren, das ist über dem europäischen Schnitt von 61 Jahren. Aber wir haben insgesamt einen Pensionsantritt mit 58,9 Jahren, da die Invaliditätspension eingerechnet wird. Und die ist in den vergangenen Jahren explosionsartig angestiegen. Da müssen wir ansetzen. Cafe BE: Wie ansetzen? Blecha: Die Invaliditätspensionen sind so stark angestiegen, seit es Krankheitsfelder gibt, die nicht mehr so genau kontrollier-

bar sind wie etwa eine Schädigung des Stützapparats. Dazu zählen psychische Krankheiten, etwa Burn Out. Psychische Erkrankungen machen bereits 40 Prozent der Fälle aus, die hat es früher ja nicht gegeben, und die werden immer mehr. Da müssen wir ansetzen, müssen alles tun, diese Zahlen zu senken. Denn die Leute sind wirklich krank. Natürlich gibt es immer ein paar Leute, die ein System ausnutzen. An sich geht aber niemand aus Jux und Tollerei in die Invaliditätspension, die ist ja viel niedriger als die Alterspension. Und zusätzlich arbeiten darf man auch nicht. Tatsache ist, dass wir zuwenig für die Gesundheitsvorsorge tun. Vorbildlich sind da die Skandinavier. Baumgartl: Darum bin ich auch dafür, dass man das kapitalgedeckte System prinzipiell verwenden kann, wie und wofür man will – mit steuerlicher Förderung. Dafür gibt es keinen Firlefanz und das Pensionsantrittsalter liegt bei 65 Jahren und das Umlagesystem wird entlastet.


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Cafe BE: Wie hoch ist meine Pensionslücke später wirklich? Baumgartl: Ich habe es aufgegeben. Ich rechne seit 30 Jahren Pensionslücken und alle waren falsch. Immer wenn der Pensionsantritt kam, war sie grösser als errechnet. Ich möchte aber auf etwas anderes hinaus. Man kann sagen, das staatliche und das kapitalgedeckte System hatten über einen sehr langen Zeitraum ja ihre Krisen, haben aber am Ende ganz gut funktioniert. Fakt ist: Beide Systeme haben, das eine ausgeliefert dem Kapitalmarkt, das andere ausgeliefert der Demografie, dem Budget und der politischen Entscheidung, einen Gutteil ihrer Versprechungen gehalten. Man kann sich nicht 40 Jahre lang auf einen Betrag verlassen. Insofern ist eine Hochrechnung der Lücken auch ein Blödsinn. Ich brauche dem Kunden nicht zu sagen, dass ihm in 40 Jahren 2000 Euro fehlen werden. Er braucht nur zum Pepi-Onkel blicken der gerade in Pension gegangen ist. Der bekommt jetzt 1250 Euro und sagen wir, der Kunde verdient jetzt genau soviel. Reicht ihm das dann später auch? Oder will er seinen Lebensstandard verbessern, vielleicht vor 65 in Pension gehen? Dafür muss er ansparen.

Cafe BE: Was sind derzeit die Herausforderungen der Veranlagung einer Versicherung und wie wird derzeit angelegt? Rapf: Wenn man sich heute die Aktienmärkte ansieht, mit Bewegungen von zehn Prozent rauf und runter in kürzester Zeit - wir haben in der strategischen Asset Allokation die Aktienquote derzeit praktisch auf Null reduziert, da es keinen Sinn macht, sich in derart volatilen Märkten dem Risiko auszusetzen. Wir bewegen uns in einem Umfeld, in dem wir als Lebensversicherer so konservativ als möglich veranlagen, da wir kein Risiko eingehen wollen, das Manfred Baumgartl (Vorstand Allianz) Geld unserer Kunden aufs Spiel zu setzen, das wir letztendlich ser Geld, wir verwalten die Gewinnbeteitreuhänderisch verwalten. Möglicherweise ligung der Kunden. Und die wollen wir abbeschneide ich den Kunden damit mit ei- sichern. nem Prozentpunkt bei der Rendite, aber Baumgartl: Was wir jetzt haben, hatten wir zugunsten der Sicherheit. Wir noch in keiner der letzten Krise – das Inempfehlen daher heute in frage stellen der staatlichen Bonität. Es ist hochqualitative Staatsanlei- aber eine reine Vertrauenskrise, denn es hen, vielleicht noch ein paar ist nichts Neues. Die Staaten sind seit Jahhochqualitative Unterneh- ren verschuldet, nur jetzt schreit jemand, mensanleihen und Suprana- dass wir krank sind. Wie jede Hysterie ist tionals wie die Europäische das eine rein emotionale Geschichte. Investitionsbank etc. zu inve- Bei der staatlichen Bonität treffen sich die stieren. Irgendetwas, wo man zwei Systeme sofort. Die eine Säule wird so etwas wie eine Staatsga- vom Staat getragen und ist mit mehr als rantie im Hintergrund hat. sieben Milliarden zu stützen, da das Geld nicht da ist. Wo macht der Staat die SchulCafe BE : Damit kann man den? Bei den kapitalgedeckten Produkten, aber kaum die Inflationsrate da diese Staatsanleihen kaufen. Wenn jetzt das Vertrauen in Staaten zur Diskussion abdecken ... Rapf: Da geht es um das Neu- steht, ist das brandgefährlich. Denn es trifft veranlagungsvolumen. Wir ha- die Säule links wie rechts. Das Umlagesyben einen Deckungsstock von stem wird in so einer Situation durch mas7,5 Milliarden, der ist teils ganz sive Sparpakete belastet und die private, anders strukturiert. Aber in Zei- weil sie vielleicht irgendwo ein Ausfallsriten wie diesen muss man sich siko drinnen hat. Die zwei Systeme hännach der Decke strecken. Im gen zusammen. Daher ist es wichtig die Vordergrund steht jetzt die Si- Systeme entsprechend zu adaptieren, dacherheit der Beträge. Alles an- mit der Tempel stehen bleiben kann. dere finde ich derzeit als nicht Rapf: Die klassische wie auch die PrämiKarl Blecha (Präsident Seniorenrat) vertretbar. Es ist ja nicht un- engeförderte Lebensversicherung investie-

„Invaliditätspensionen sind so stark gestiegen, seit es Krankheitsfelder gibt, die nicht mehr so genau kontrollierbar sind“

„Wenn jetzt das Vertrauen in Staaten zur Diskussion steht, ist das brandgefährlich. Denn es trifft die Säule links wie rechts“


BÖRSE EXPRESS CAFE BE wollen. Denn ohne hätten wir für die Verstaatlichte bei der Privatisierung nicht so hohe Erlöse bekommen. Das war wie erwähnt der Beginn der Pensionskassen in Österreich. Erst nachdem es bei der Verstaatlichten gelaufen war, sind alle grossen Unternehmen nachgezogen. Cafe BE: Wie sorgen Sie persönlich vor? Rapf: Ich habe die prämiengeförderte Zukunftsvorsorge, da es eines der besten Produkte unseres Hauses ist, das für die ganze Familie. Und darüber hinaus schliesse ich immer wieder klassische Rentenversicherungen ab - wenn man es sich leisten kann. Jedenfalls ist es der Versuch eines Konsumverzichts, da ich weiss, dass ich eine Lücke haben werde und etwas tun muss. Das empfehle ich auch allen in meinem Bekanntenkreis. Baumgartl: Geförderte Zukunftsvorsorge, Rentenversicherung, Investmentfonds, Immobilien, Gold - also die volle Palette. Durchaus im Bewusstsein, breitest diversifizieren zu müssen Wiltsch: Ich teile das verfügbare Einkommen kurz- mittel- und langfristig ein. Denn fürs tägliche Leben muss ein Polster da sein, um nicht die langfristige Veranlagung in Gefahr zu bringen, das ist wesentlich. Daher sind alle Produkte sinnvoll, die es gibt, beim Sparbuch angefangen. Langfristig investiere ich in Investmentfonds und fondsgebundene Lebensversicherungen. Blecha: Da ich bereits in der Pension bin, stellt sich das Thema so nicht. Ich habe aber Kinder, Enkel und Urenkel, primär gilt für mich somit der Kampf um die Sicherheit des Pensionsystems, da habe ich eine bestimmte Verantwortung. Cafe BE: Kurzer Nachschlag. Gibt es für Sie eigentlich eine wesentliche Gemeinsamkeit von kapitalgedeckten Systemen und dem Umlageverfahren? Blecha: Es muss Wachstum und Beschäftigung geben. Massen-Arbeitslosigkeit würde ein Loch reissen, in dem alle Systeme fällig wären. Wir haben also alles zu tun, um Wirtschaftswachstum zu fördern und zu ermöglichen, es muss aber auch Beschäftigungswachstum geben. Jetzt kommt dazu, dass zu dieser notwendigen Grundlage bei den kapitalgedeckten noch die Kapriolen des Kapitalmarktes kommen. Wo

kurzfristig sehr negative Änderungen möglich sind. Daher brauchen wir die erste Säule, die staatlich garantiert ist. Wobei diese Garantie natürlich von der Lage der Wirtschaft und der Beschäftigungslage abhängig ist. Die soll ergänzt werden durch andere Formen. Wenn wir eine Wirtschaft haben, die wächst, dann gibt es Produktivitätsgewinne. Dann müssen wir davon abkommen, den ganzen Sozialstaat ausschliesslich durch den Faktor Erwerbseinkommen zu Manfred Rapf (Vorstand s Versicherung) finanzieren. Dass Vermögen in Österreich unterdurchschnittlich besteuert wird, ha- Zielgruppe für Pensionsvorsorge sagen: Ich be ich bereits erwähnt. Das soll eine offe- habe eine unserer Pensionistinnen herne Diskussion und keine ideologisch ver- ausgesucht, die vor kurzem in Pension ging. bohrte sein: Wie können wir in einer soli- Die hatte am Ende ein Einkommen von darischen Gesellschaft gewisse 2250 Euro netto und bekommt jetzt in der Solidarrisken finanzieren. Darüber müs- Pension 1593 Euro das sind beinahe 30 sen wir uns jetzt den Kopf zerbrechen, in Prozent weniger. Ich möchte die Systeme nicht gegeneinzehn Jahren ist es zu spät. ander aufwiegen, die haben sich so entBaumgartl: Dann möchte ich auch noch wickelt wie sie sind. Aber die Frage, die auf etwas hinweisen: Sagen wir der Gene- sich die Pensionistin jetzt stellen muss, ist, rationenvertrag ist Ende der 50er Jahre er- reicht mir das oder nicht? Dann kommt funden worden und soll die Lebensquali- man auch drauf', dass man für den Kontät im Alter sichern. In den 70er Jahren gab sumverzicht von ein paar Packerln Zigaes in Österreich je 1000 Einwohner 172 retten schnell eine Zusatzrente von 300 bis PKW, 173 TV-Apparate und 180 Telefon- 400 Euro im Monat zusammen bekommt. apparate, in die Pension gingen die Män- Das ist bei 1600 Euro staatlichem Pensiner mit über 60. Der Zeitraum, den man in onsgeld in Relation nicht wenig. der Pension verbracht hat war halb so lange wie heute. Damals war das System in Diskussionsleiter: Robert Gillinger Balance. Jetzt hat sich aber die Welt entFotos: Katharina Schiffl wickelt. Wir leben länger. Die Menschheit hat Jahrtausende das ewige Leben gesucht, jetzt haben wir nur Probleme damit – wir Weitere Bilder unter http://www.boersehängen das längere Leben ausschliesslich express.com/cat/diashow/slidepader Pensionszeit um. Man kann schon die ge/663752 Frage stellen, welchen Standard das Umlagesystem gewährleisten soll - zwei HandMehr Cafe BE unter www.boerse-exys, zwei Autos? press.com/cafebe Und ich möchte auch noch etwas zur

Wir haben in der strategischen Asset Allokation die Aktienquote praktisch auf Null gesenkt“


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Ziel: Grundfunktionen der Börse aufzeigen; dazwischen Warten auf nächste KESt-Novelle

„Es gilt, begründetes Vertrauen in den Kapitalmarkt wieder zu erarbeiten“ Per 1. September übernimmt Ulrike Haidenthaller das Aktienforum von Peter Schiefer. Den launigen Aus-/ Rückblick gabs im Cafe BE. Cafe BE: Frau Haidenthaller, am 16. August ist die Aussendung zu Ihrer Bestellung gekommen; in wenigen Tagen, per 1.9., treten Sie bereits die Geschäftsführung des Aktienforums an. Hand aufs Herz: Haben Sie lange überlegt oder gabs von Ihrer Seite ein spontanes „Ja“ dazu? Ulrike Haidenthaller: Selbstverständlich habe ich mich gefreut, als mit der Möglichkeit an mich herangetreten wurde. Allerdings nimmt man keinen Job der Geschäftsführung „einfach so“ und spontan an – diese Funktion bringt gerade in Zeiten wie diesen eine nicht zu unterschätzende Verantwortung mit sich und birgt grosse Herausforderungen. Leichtherziges Zusagen liegt mir fern: ich bin sicherlich nicht unreflektiert auf das Angebot eingegangen. Umso mehr hat es mich gefreut, dass der Vorstand des Aktienforums danach mit seiner Entscheidung zu demselben Schluss kam. Ich freue mich auf diese spannende Aufgabe, die ich gerne und mit Begeisterung annehme. Also, Hand aufs Herz, es waren einige Tage, die ich mir selbst für die Interessensbekundung gegeben habe. Cafe BE: Und was fasziniert Sie am Aktienmarkt? Haidenthaller: Was mich am Aktienmarkt und am Kapitalmarkt fasziniert, ist klar die Funktion, die er erfüllt: er ist das Öl in den Maschinen der Industrie Österreichs, er bringt frisches Kapital, stärkt die Betriebe und ist eine treibende Kraft für den Fortschritt unserer Volkswirtschaft. Vor allem zukunftsorientierte Unternehmungen in den Bereichen Forschung und Entwicklung werden vom Kapitalmarkt getragen. Die Möglichkeiten zur sicheren Finanzie-

boerse-express.com/cafebe (v. li.): Peter Schiefer und Ulrike Haidenthaller beantworten die Frage, ob sie privat österreichische Aktien besitzen, beide mit „Ja“

rung von innovativen Projekten und Research sind meiner Meinung nach nicht ausgeschöpft. Ich bin der Ansicht, dass der Kapitalmarkt in seiner Funktion in Österreich weit unterschätzt und zu leichtfertig mit reiner Spekulation gleichgesetzt wird. Gleichzeitig haben uns die vergangenen Jahre global einiges an Verbesserungsnotwendigkeit aufgezeigt. Der Kapitalmarkt braucht Parameter, auf die sich Marktteilnehmer und Anleger verlassen können. Jetzt gilt es, begründetes Vertrauen wieder zu erarbeiten: und zwar das Vertrauen der Emittenten als auch der Investoren. Cafe BE: Sie waren zuletzt als parlamentarische Mitarbeitern im EU-Parlament tätigt und davor für die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) für wirtschafts- und umweltpolitische Aktivitäten zuständig. In Brüssel waren Sie insbesondere mit Fragen der Regulierung des Finanzmarktes betraut. Gibt es da besondere Anliegen, die Sie in Ihre Aktienforum-Arbeit einbauen wollen? Haben Sie vielleicht sogar eine Zauberformel

zur Belebung im Kopf? Haidenthaller: Etwas, das ich eindeutig gelernt habe, ist, dass es keine Zauberformeln gibt. Es geht darum, dass man durch konsequente Arbeit und Weitblick strategisch an Verbesserungen herangeht. Gerade bei einem so sensiblen Markt wie dem Kapitalmarkt ist es unzulässig, nur von einer Hau-Ruck- und Feuerlösch-Aktion in die nächste zu stolpern. Es ist mir wichtig, die Grundfunktion des Kapitalmarktes aufzuzeigen: es ist die Finanzierung eines wesentlichen Teils unserer Realwirtschaft durch direkte oder indirekte Anteile an Unternehmen. Insofern muss tatsächliche Kapitalmarkt-’politik’ betrieben werden, um diese Funktion aufrechtzuerhalten und zu verbessern. Und ja, Sie haben Recht, auch um den österreichischen Kapitalmarkt zu beleben. Cafe BE: Herr Schiefer, in Vorbereitung auf den Talk habe ich die AktienforumWebsite, die Sie ja einem Relaunch unterzogen haben, besucht und bin dort auf die Zusammensetzung des Aktienforum-


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Vorstands gestossen: Dass Robert Ottel den Vorsitz hat und Heinrich Schaller und Martin Grüll im Präsidium sitzen, wusste ich. Unter den weiteren Vorständen findet sich Ihr Name. Von der Geschäftsführung in den Vorstand? Peter Schiefer: Der Geschäftsführer des Aktienforums war immer schon automatisch Mitglied des Vorstandes, hat aber primär die Aufgabe, den Verein operativ zu führen, während die anderen Vorstandsmitglieder, die diese Aufgabe ja ehrenamtlich machen, sich um die strategischen Fragen und wesentlichen Schwerpunktsetzungen kümmern.

Denn es kann nicht sein, dass wie vor einigen Tagen ein Unternehmen in Österreich brillante Entwicklungszahlen berichtet, am gleichen Tag aber vom allgemeinen Trend geleitet auf der Börse tiefrote Zahlen schreibt. Diese beinahe schon skurrilen Situationen haben nichts mehr mit der tatsächlichen Bewertung eines Unternehmensanteils zu tun.

Cafe BE: Ach so, verstehe, d.h. Frau Haidenthaller ist ab September dann auch Vorstand ... Schiefer: Genau. Cafe BE: Und haben Sie dann in Ihrer Jobdescription als Sprecher der IV auch gewisse Kapitalmarktaufgaben dabei? Schiefer: Ich bleibe dem Kapitalmarkt sicher auf die eine oder andere Weise verbunden, die IV tritt ja etwa für weitere Privatisierungen und eine Stärkung des Kapitalmarktes ein und hier haben wir heuer im Frühjahr auch medial einige Akzente gesetzt. Cafe BE: Gleich weiter im Rückblick: Sie waren jetzt exakt ein Jahr lang der Geschäftsführer des Aktienforums, haben sich wahrlich kein leichtes Jahr ausgesucht. Auf was sind Sie stolz, was hätten Sie rückwirkend betrachtet besser machen können? S chi efer: Der Start war wirklich etwas schwierig, da ich unmittelbar mit der Wertpapier-KESt konfrontiert war und es nicht gelungen ist, die erheblichen Fehler dieser Besteuerung – Stichwort Verlustverrechnung und Fehlen eines Anreizes für langfristige Aktienvorsorge – zu beheben. Gut gelungen ist die Neugestaltung des optischen Auftrittes des Aktienforums und positiv überrascht war ich vom grossen Medienecho auf unsere Erhebung zu den Aktionärszahlen in Österreich. Wir haben hier gezeigt, dass es nur 345.000 Aktionäre in Österreich gibt und hier grosser Nachholbedarf besteht.

Cafe BE: Sie kommen ja direkt aus Brüssel: Was sind die drohenden Trends in puncto „länderübergreifende Besteuerung“? Die Finanztransaktionssteuer ist ein Dauerbrenner in den Medien, weiters hört man auch von der Finanzaktivitätssteuer ... Hai dent hall er: Trend ist ein nettes Wort dafür, das klingt nach kurzlebiger Fashion. Im Europäischen Parlament wird die Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer allerdings ständig wiederholt. Allein im vergangenen halben Jahr wurden zwei Berichte in von der Europäischen Kommission unabhängigen Initiativen von dem gesamten Plenum des Parlaments in breiter Mehrheit abgesegnet. Das ist als eindeutige politische Botschaft und Forderung zu verstehen. Auf die Finanztransaktionssteuer, die FTT, wird bei diesen Diskussionen vor allem als Finanzierungsmittel für europäische Projekte oder auch der Reduzierung der EU-Mitgliedsbeiträge gesetzt. Andere Stimmen vertreten die Meinung, dass eine FTT insbesondere für den Kampf gegen ausufernde Spekulation an Finanzmärkten eingesetzt werden soll. In Punkto Notwendigkeit gibt es demnach einen breiten Konsens im Europäischen Parlament. Die Meinungen gehen in den unterschiedlichen Fraktionen bei der Frage

„Der Kapitalmarkt wird in seiner Funktion in Österreich weit unterschätzt und zu leichtfertig mit reiner Spekulation gleichgesetzt“ Ulrike Haidenthaller

Cafe BE: Was sind die grossen Aufgaben, die grossen Themen für das Aktienforum in diesen Tagen? Schiefer: Das Image der Aktienanlage leidet stark unter der ständigen Kritik an Spekulanten und einem entarteten Finanzkapitalismus. Aktienbörsen haben jedoch eine für die Wirtschaft sehr wichtige Funktion als Eigenkapitalmarkt für Unternehmen und die Wiener Börse schafft so zusätzliches Wachstum und Beschäftigung in Österreich. Dies gilt es wieder stärker in den Vordergrund zu rücken. Haidenthaller: Ich denke, die Aufgabe, die alle kapitalmarktorientierten Unternehmen und Verbände nun zu lösen haben, ist, die Verunsicherung aus dem Markt zu schaffen und Aufklärungsarbeit zu leisten.


BÖRSE EXPRESS CAFE BE des Anwendungsgebiet auseinander: einige wollen mit der Einführung einer FTT auf eine globale Verpflichtungserklärung warten, während andere der Meinung sind, dass die EU bei diesem Thema eine Vorreiterrolle einnehmen sollte. Auf eine genaue Höhe und praktische Abwicklungsmöglichkeiten wird im Europäischen Parlament bis dato nicht eingegangen. Die Europäische Kommission beendete im April dieses Jahres ihre Konsultation um genau diese Fragen zu klären. Der Präsident der Europäischen Kommission José Manuel Barroso spricht sich genauso wie Algirdas Semeta, der EU-Kommissar für Steuern, für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer aus. Erste Legislativvorschläge sind mit Herbst zu erwarten, wobei die Kommission voraussichtlich zwei von Grund auf verschiedene Modelle vorstellen wird: eine „klassische“ Finanztransaktionssteuer, die auf jede Transaktion von Finanzmarktteilnehmer aufgeschlagen wird; und eine „Finanzaktivitätssteuer“, die auf Grundlage von Bankbilanzen errechnet wird. Cafe BE: Die wichtigsten Bestimmungen des amerikanischen „Foreign Account Tax Compliance Act“ (FATCA) sollen auch bereits 2013 in Europa in Kraft treten. Ist das schon ein Thema in Brüssel gewesen? Die Banken raufen sich die Haare, dass nach Basel III und der WP-KESt der nächste Hammer kommt ... Haidenthaller: Ich selbst bin in meiner Arbeit im Europäischen Parlament nicht über dieses Thema gestossen, da es diesbezüglich weder einen aktiven Legislativvorschlag der Europäischen Kommission noch einen Initiativbericht des Parlaments gab. Aber ja, die Stimmen seitens international agierenden Banken wurden laut, ich kann mir vorstellen, dass hier bald einiges passieren wird. Im April dieses Jahres trat die ungarische Ratspräsidentschaft gemeinsam mit Steuerkommissar Semeta an den US-Finanzminister Timothy Geithner und den Leiter der US-Bundessteuerbehörde Douglas Shulman heran. Ziel der Diskussion war FATCA mit der EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie zu koordinieren, um ausufernde Compliance Kosten zu vermeiden. Beide Gesetzestexte erlegen Finanzdienstleistern Verpflichtun-

gen zum Informationsaustausch mit Steuerbehörden über Zinszahlungen an private Investoren auf. Nachdem es bereits Informationsaustausch zwischen unseren Steuerbehörden gibt, versucht die Europäische Kommission nun, den Geltungsbereich der EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie zu erweitern und kein vollständig neues Gesetz zu schaffen. Caf e BE: Arbeitet das Aktienforum mit Interessensvertretungen in anderen Ländern zusammen? Haidenthaller: Ja. Wir arbeiten auf unterschiedlicher Ebene mit anderen Ländern zusammen. Primär sind die europäischen Emittentenverbände in den europäischen Verbänden „European Issuers“ und „European Association for Shareholder Promotion“ eingebunden. Hier herrscht ein reger Informations- und Erfahrungsaustausch unter den verschiedenen Nationen. Gerade bei Themen wie der Förderung vom Zugang zu Eigenkapital von KMUs ist dieser Verband für Österreich sehr interessant und wir bringen uns aktiv ein. Kommendes Monat etwa findet der dafür spezialisierte Ausschuss SMILE (Smaller and Medium Issuers Listed in Europe) bei uns im Haus in Wien statt. Abseits der European Issuers gibt es eine enge Zusammenarbeit vor allem mit unterschiedlichen Verbänden in Deutschland, Frankreich, Italien und immer stärker mit den Ostländern.

„Die KESt ist misslungen. Eine derart grosse Umstellung kann man auch nicht über Nacht machen. Das wollte niemand hören. Nun haben wir den Schaden“

Cafe BE: Zu den Steuerthemen in Österreich. Die WP-KESt hat die inländischen Privaten von der Börse weitgehend ver-

Peter Schiefer

trieben. Das sage ich, das sagen die grossen Österreich-Broker direktanlage.at und brokerjet, das belegt auch die Handelsstatistik der Wiener Börse. Weniger Volumen und dazu ein Rückfall des Österreicher-Percentages vom bereits kleineren Kuchen. Sie sprachen zuerst auch von den Fehlern bei der KESt, Herr Schiefer. Wie sieht Ihre Idee einer fairen Besteuerung für Privatanleger und Aktiensparer aus? Schiefer: Wie schon vorher erwähnt, haben schon im Rahmen der Begutachtung des Gesetzes gesagt, dass das Gesetz misslungen ist und man eine derart grosse Umstellung nicht über Nacht machen kann ohne einen massiven Vertrauensschaden zu verursachen. Das wollte niemand hö-


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Haidenthaller: Die Zusammenarbeit mit der Wiener Börse und der AVCO läuft sehr gut. Es ist gerade für einen so kleinen Kapitalmarkt wie Österreich wichtig, die Kräfte zu bündeln. Das gilt für vorbörsliche Verbände genauso wie Emittenten- und IR-Vertreter oder dem Handelsplatz selbst. Ich habe grösstes Interesse daran, die Zusammenarbeit weiterzuführen und zu stärken, das ist eine klare Zielsetzung in meinem Job.

ren. Nun haben wir den Schaden. Wir haben grundsätzlich kein Problem mit einer Art „KESt“ für Wertpapiergewinne. Aber wenn schon, dann müssen alle Spesen für Kauf und Verkauf sowie Depot abzugsfähig sein, Verluste automatisch zu einer Steuergutschrift am Depot führen und Langfrist-Aktionäre ab fünf Jahre Behaltedauer überhaupt von der Steuer befreit werden. Das alles zu programmieren wäre technisch kein Problem und wir werden uns weiter dafür einsetzen, dass diese Änderungen kommen. Das Gesetz wurde bereits einmal novelliert, die nächste Novelle kommt mit Sicherheit. Cafe BE: Zu den Aktienforum Events. Über unsere gemeinsame Roadshow- Reihe rede ich hier nicht, das ist den Lesern bekannt, ich freu mich jedenfalls auf die bisher grösste Roadshow am 19.9. im Haus der Industrie. Da werden wir ja fünf der zehn grössten ATX-Unternehmen dabeihaben. Aber auch bei Ihrem Austrian Equity Day, kurz AED, gibt es ja einiges Neues heuer. Aber besser gleich in Ihren Worten ... Schiefer: Der Austrian Equity Day ist unsere Jahreskonferenz und damit unsere grösste Veranstaltung und findet am 12. Oktober im Haus der Industrie statt. Die Grundfunktion des Kapitalmarktes als

„Motor für Innovation, Wachstum und Wohlstand“ steht in den Mittelpunkt der Diskussionen. Besonders freut es mich, dass wir heuer Finanzministerin Maria Fekter als Hauptrednerin gewinnen konnten. Neu ist zudem, dass der AED erstmals kostenpflichtig ist, der bislang gute Vorverkauf gibt uns Recht, dass diese Veranstaltung auch bei einem kleinen Kostenbeitrag für die Branche von grossem Interesse ist.

Cafe BE: Abschliessend bitte ich um eine Kurzbeschreibung des Aktienforums 2011. Generelles, Mitglieder, etc. ... gegründet 1989, ist das Aktienforum die Interessenvertretung der österreichischen börsennotierten Unternehmen und die Plattform zur Förderung des österreichischen Kapitalmarktes. Drei Viertel der gegenwärtigen Marktkapitalisierung der Wiener Börse entfällt auf unsere Mitgliedsfirmen. Derzeit sind 74 Unternehmen und Organisationen und damit praktisch alle wesentlichen Stakeholder der Wiener Börse Mitglied des Aktienforums. Das Aktienforum betreibt aktives Lobbying für seine Mitglieder auf österreichischer und internationaler Ebene. Der Vorstand setzt sich ab 1.9. zusammen aus: Robert Ottel (Präsident), Heinrich Schaller, Martin Grüll (Vizepräsidenten), Karl Grabner, Friedrich Huemer, Christian Jauk, Eduard Zehetner und Ulrike Haidenthaller.

Cafe BE: Und wie reihen sich die Financial Community Clubs ein, das ist ja rein B2B. Auch hier ein paar Worte dazu bitte ... Haidenthaller: Die FCC sind regelmässig stattfindende Treffen unserer Kapitalmarktexperten mit wesentlichen Playern am Markt. Die Veranstaltungen finden meist abends statt, sie bieten unseren Mitgliedern und Experten nach einer moderierten Diskussionsrunde mit geladenen Gästen eine informelle und gemütliche Möglichkeit sich auszutauschen. Anders als die Roadshows mit dem Börse Express, die sich ja an die Anleger richten, ist der FCC ein geschlossener „Club“ für die Finanzcommunity.

Cafe BE: Schlussfrage: Besitzen Sie selbst österreichische Aktien? Haidenthaller: Ja. Schiefer: J a, ich bin schon seit über 15 Jahren in Österreich investiert und bleibe dem Kapitalmarkt als Aktionär natürlich weiter verbunden.

Cafe BE: Wie läuft die Zusammenarbeit mit der Wiener Börse bzw. der AVCO?

Diskussionsleitung: Christian Drastil Fotos: Martina Draper


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BÖRSE EXPRESS CAFE BE

ren sehr stark in österreichische Staatsanleihen. Blecha: Aber wenn ein Privater direkt in die Anleihen investiert, kassiert er mehr, als über die private Pensionsvorsorge. Rapf: Da muss ich widersprechen. In Medien publizierte Hochrechnungen gehen normalerweise vom Garantiezins aus, man darf aber schon mehr verdienen. Baumgartl: Wir führen die ganze Diskussion jetzt, weil es der Kapitalmarkt zulässt, es ganz schlecht aussieht. Ich habe die Diskussion 2003, 04, 05 oder 06 nicht gehört, als es an der Wiener Börse sehr gut lief. Vielleicht drehen wir uns 2015/16 um und sagen, ein Ausstieg wäre ein Blödsinn gewesen. Ich weiss es nicht. Alles wovon wir derzeit reden, ist eine buchmässige Situation. Der Wert ist vielleicht nicht dort wo er gewünscht ist. Aber die Garantie hat gehalten und vielleicht gibt es am Ende der Laufzeit ein Plus. Cafe BE: Skandia bietet die prämiengeförderte Zukunftsvorsorge nicht an. Sind Ihre Kunden trotzdem genauso verunsichert? Und mit dem Fokus auf fondsgebundene Lebensversicherungen gilt das Unternehmen als ein anlagetechnisch aggressiverer Anbieter – wie sehen Sie die Märkte? Wi lts ch: Natürlich sind durch die Medienberichte auch unsere Kunden teils verunsichert, da hilft dann nur Aufklärung. Was wir sehen müssen, ist, dass sich das Kundenverhalten und der Markt verändert haben. Vor zehn bis 15 Jahren hiess es Buy-and-Hold, die wundersame Geldvermehrung, die Bäume wachsen in den Himmel. Die Zyklen nach oben und unten werden aber immer schneller. Wir müssen daher Produkte anbieten, die darauf eingehen. Finanzprodukte sollen so flexibel sein, dass sie sich Veränderungen am Kapitalmarkt, aber auch bei persönlichen Lebensumständen, schnell anpassen können. Auch darum bieten wir die Prämiengeförderte nicht an – ich muss theoretisch, wenn der Markt es verlangt, etwa den Aktienanteil auf Null fahren können – um dann genauso schnell wieder voll investiert zu sein, diese Flexibilität fehlt. Zur aktuellen Phase: Gehen Sie jetzt oder im Winter in den Supermarkt, um Tomaten zu kaufen - dann wenn sie teuer sind

und nicht gut schmecken. Genauso ist es jetzt. Man kann volatile Märkte ausnützen und wenn man langfristig investiert, sind diese Phasen sehr gut um langfristig auch günstig kaufen zu können. Das Thema ist aber, der Kunde hat ein Ziel wenn er etwas abschliesst. Wir müssen weggehen von einem Produkt, hin zu einem Konzept. Wir müssen dem Kunden seine langfristigen Ziele ermöglichen, was zumeist nicht erreicht wird. Cafe BE: Die Hauptanliegen der Kunden sind ... Wiltsch: Wir haben dazu eine Kundenumfrage gemacht: Es ist Ansprache und Michael Witsch (Leiter Vertrieb Skandia) Information. Denn wann ist ein Kunde unzufrieden. Wenn er lagerung. Da halte ich den Risikotransfer heute sieht, dass er nach 5 Jahren 6000 für viel prägnanter – die Auslagerung der Euro eingezahlt hat und jetzt 4500 am Kon- Betriebspensionen in Pensionskassen. Vorto hat. Das zeigt aber auch, wo er auf sei- her trug das Unternehmen das Langlebigner 20jährigen Reise eigentlich steht, wie keitsrisiko, dann der Arbeitnehmer - das weit er vom Weg abgekommen ist. Da darf war ein massiver Risikotransfer. Gott sei Dank hat das System in Österder Kunde dann nicht allein gelassen werden, was manche Anbieter dann gern tun. reich recht gut funktioniert. Leider gibt es eine relativ kleine Gruppe von PensioniCafe BE: Wurde mit Produkten wie Fonds- sten, die so ein bisserl zwischen die Stühgebundener Lebensversicherung nicht ein- le geraten sind, deren Ansprüche mit hofach das Langlebigkeitsrisiko an den Pri- hen Zusagen knapp vor Pensionsantritt ausgelagert wurden; Die sterben jetzt am vaten abgegeben? Baumgartl: Nur wenn ich unterstelle, dass Kapitalmarkt dahin. Rein systemisch hat er sonst eine Rentenversicherung gekauft das System aber funktioniert. Das Langlehätte und nicht einen Investmentfonds oder bigkeitsrisiko ist für kein Industrieunterauch das Geld einfach nach Bali hätte tra- nehmen heute mehr managebar, da braucht gen können. Mit der Fondsgebundenen ist man einen vernünftigen Versicherer im Hinkein Langlebigkeitsrisiko an den Privaten tergrund. Das kann auch keine Pensionsgegangen, das wir vorher hatten. Sie ist ein- kasse, die gibt es an ihre Kunden weiter. fach ein zusätzliches Produkt im Anspar- Blecha: Nutzniesser waren also die Unprozess. ternehmen. Gegeben hat es eine ganz andere Aus- Baumgartl: Oder der Staat, wenn wir so

„Wenn man langfristig investiert, sind diese Phasen sehr gut, um langfristig auch günstig kaufen zu können“


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Cafe BE: Rohstoffe erfreuen sich steigender Beliebtheit unter Anlegern - zu Recht?

Rohstoffe: Langfristig top, kurzfristig ist aber ein wenig Vorsicht angebracht

Im Cafe BE (v. li.): Andreas Böger (Portfoliomanager APM), Andreas Bichl (Fondsmanager Rohstoffe Bawag PSK Invest), Christoph Rohrmoser (BE), Robert Gillinger (BE), Paul Severin (Investmentstratege Erste Sparinvest), Bernhard Greifeneder (Head of Quantitative Research Bawag PSK Invest)

Die Auswahl an Anlageprodukten im Bereich Rohstoffe ist für Österreicher endlich. Die Expertenrunde erklärt das Warum - und wie sie damit umgeht. Cafe BE: Beobachten Sie in der Praxis eigentlich steigendes Interesse an Rohstoffen als Anlage, oder ist das ein Trend, der an Österreich vorbei geht? Paul Severin: Es ist durchaus ein Thema. Commodities spielen etwa in der AssetAllokation eine Rolle, wo wir eine Gesamt-Lösung für unsere Kunden anbieten. Wir sind auch immer wieder dabei nachzudenken, ob es Sinn macht, für den Privatanleger aktiv gemanagte Commodity-Produkte aufzulegen. Da sind wir noch in der Analysephase, orten aber durchaus Bedarf. Von Berater- und Kundenseite werden Real Assets wegen der

nach wie vor schwellenden Finanzkrise stark nachgefragt. Bisher haben wir in der Sparinvest das Thema Commodities als Aktienprodukte aufgelegt, haben einen CommodityAktienfonds und einen Agriculture-Aktienfonds. Bernhard Greifeneder: Bei uns in der Bawag PSK Invest haben alle Fonds einen quantitativen Ansatz, auch Commodities. Das heisst es gibt kein diskretionäres Overlay. Rohstoffprodukte haben wir zwei: Den Energie Capital Garant, der Energierohstoffe drinnen hat, die über rohstofflastige Aktien-ETFs, aber auch wirkliche Rohstoff-ETFs dargestellt werden. Das zweite Produkt ist der Rohstoff Trend. Cafe BE: Herr Bichl, Sie managen den Fonds. Was heisst denn der angesprochene 'quantitative Ansatz' in der Praxis? Andreas Bichl: Wir haben Algorithmen und Computermodelle, nach denen ge-

handelt wird. Wir haben rein hausintern entwickelte Systeme. Das Thema Commodities haben wir vor 2 bis 3 Jahren entdeckt. Unser Rohstoff-Trend Fonds unterscheidet sich von den meisten „Rohstoff-Fonds“, weil er nicht in Aktien, sondern wirklich in Rohstoffe investiert. Das ist ein UCITS-konformer Fonds, weil wir über Rohstoff-ETFs investieren. Direkt in Rohstoffe/Futures dürfen wir nicht. Wir haben aber auch die Möglichkeit, bei fallendem Markt bis zu 49 Prozent Anleihen zu nehmen. Andreas Böger: Wir bei Absolute Portfolio Management sind darauf spezialisiert, Produkte anzubieten, die nicht mit den Märkten korreliert sind, dazu zählen Rohstoffe, wobei wir hier ein Risiko-Overlay haben möchten. Daher haben wir uns anfänglich auf Gold spezialisiert. Wir haben einen Goldaktienfonds. Wir decken alles über Aktien ab und nützen auch die Mög-


BÖRSE EXPRESS CAFE BE lichkeiten, die man im UCITS-Bereich bei Rohstoffen hat. Für die Kunden ist dies wegen der Diversifizierung interessant. Cafe BE: Welche Rohstoff-Gewichtung empfehlen Sie? Severin: Das ist nicht so einfach, weil Rohstoffe in sich schon inhomogen sind. Das fängt damit an, ob Gold etwa ein Rohstoff ist, ist es eine Währung? Jeder Konsument hängt über die Inflation von den Rohstoffpreisen ab, man denke nur an Energie. Um sich gegen diese Risiken abzusichern, machen Commodities durchaus als Investment Sinn. In unseren gemischten Fonds haben wir Commodities unter Alternativen Investment eingeordnet und je nach Risikobereitschaft schwankt der Anteil. Cafe BE: Anders gefragt, würden Sie Rohstoffe derzeit übergewichten? Severin: Commodities sind sicher ein Megatrend, auch wegen der Schwellenländer. Die Nachfrage sollte weiter positiv sein, was aber nicht unbedingt zu steigenden Preisen führen muss. Der Preis ist stark konjunkturabhängig. Wir sind derzeit eher vorsichtig untergewichtet, langfristig sind wir aber von Rohstoffen als Anlage überzeugt. Bichl: Aus rein quantitativer Sicht würde ich sagen, wenn man den DAX, S&P 500, einen Rentenindex und Rohstoffindex betrachtet, dann ist die Antwort: In den letzten 10 bis 15 Jahren hätte man 20 bis 30 Prozent Rohstoffe haben müssen, um ein optimal diversifiziertes Portfolio zu haben. Realistisch sind bei Kundenportfolios eher 10 Prozent. Cafe BE: Die Performance hängt aber von der Heimatwährung ab, Rohstoffe notieren zumeist in US-Dollar … Bichl: Kurzfristig ja, langfristig ist es aber egal gewesen, ob man dabei in Euro oder

„Anleger fürchten die Geldentwertung, den Vertrauensverlust in den Geldschein. Die vagabundierende Geldmenge wird beargwöhnt. Und Gold scheint genau dieses Risiko abzusichern.“ Paul Severin

Dollar investiert. Wir haben ein Euro-Produkt mit offenen Dollar-Euro-Risiko. Wenn wir wirklich Short-Signale am USDollar sehen, dann würden wir den Dollar raushedgen. G rei fe ne der: Wir sind momentan sehr konservativ aufgestellt und haben die Commodity-Quote fast aufs Minimum reduziert - nicht ganz, weil die Metalle ganz gut gelaufen sind. Bög er: Im Vermögensverwaltungsfonds haben wir eine neutrale Allokation von 10 Prozent. Wer mehr Rohstoff-Exposure haben will, kann noch spezielle Produkte dazukaufen. Cafe BE: Wieso sind Rohstoffe überhaupt interessant?

„Jeder Konsument hängt über die Inflation von den Rohstoffpreisen ab, man denke nur an Energie. Um sich gegen diese Risiken abzusichern, machen Commodities durchaus als Investment Sinn.“ Paul Severin

Böger: Hier muss man zwischen zwei grossen Stories entscheiden: Der China-Story. Das heisst Rohstoffnachfrage wegen der Industrialisierung. Rohstoffe werden daher knapp, aber das alles hängt sehr stark von der Weltkonjunktur ab. Die andere Story ist die WährungsersatzGeschichte. Rohstoffe sind nicht vermehrbar - Real Assets als Alternative zu den Assets wie Anleihen, die in den letzten Jahren stark vermehrt wurden. Rohstoffe als Währungsersatz, das ist von der Wirtschaftsentwicklung unabhängig. Beispiel dafür sind die Edelmetalle. Tendenziell gehen die Rohstoffe aber wegen des technischen Fortschrittes langfristig nach unten. Ganz langfristig sind Rohstoffe auf dem Weg nach unten. Cafe BE: Stimmt das oft gehörte Argument eigentlich, dass Rohstoffe zur Inflationssicherung taugen? Ausser mit Öl wäre man seit den 70er Jahren nicht reich geworden. Böger: Das ist auch eine Definitionssache - wie berechnet man Inflation? Über die Preisindizes betrachtet hätte man nur mit Öl halbwegs Performance gemacht.


BÖRSE EXPRESS CAFE BE „In den letzten 10 bis 15 Jahren hätte man 20 bis 30 Prozent Rohstoffe haben müssen, um ein optimal diversifiziertes Portfolio zu haben.“ Andreas Bichl

Rohstoffe sind immer nur dann gut, wenn es wirklich auch eine Frage der Währung mit einer Real-Asset-Diskussion ist. In den 20er Jahren sind Rohstoffe in Deutschland super gelaufen, in den 30ern schlecht, weil die Wirtschaftsnachfrage wegfiel und die Leute lieber Gold kauften. In den 80/90ern haben Rohstoffe wegen der hohen Anleihezinsen niemanden interessiert, obwohl die Wirtschaft gut war. Severin: Die Inflationsraten sind nach wie vor moderat, aber die Anleger fürchten die Geldentwertung, den Vertrauensverlust in den Geldschein. Die vagabundierende Geldmenge wird beargwöhnt, aber das ist eher ein Vertrauensthema, und Gold scheint genau dieses Risiko abzusichern. Mit dem Commodity-Thema kann man sich gegen einen Teil der Ängste absichern. Greifeneder: Wir haben Rohstoffe im Vergleich zu Zinsbewegungen analysiert und herausgefunden, dass Rohstoffe ein gutes Ergebnis bei steigenden Zinsbewegungen liefern. Daher haben wir auch den Fonds aufgelegt, als Schutz vor steigenden Zinsen. Böger: Wir erklären den Kunden Inflation eher über die Geldmenge, denn was bedeuten die Preisindizes heute schon noch? Ich glaube, die Leute trauen den Preisindizes auch nicht mehr. Severin: Weil die gefühlte Inflation stark von den Preisindizes abweicht. Böger: Wenn man mit Rohstoffen einen Hedge gegen das Systemrisiko will, dann muss man auch über die Anlageinstrumente reden, denn wenn man sich mit einem Zertifikat absichert, gelingt das ja unter Umständen nicht, siehe Lehman. Cafe BE: Und wie sieht es mit Rohstof-

fen bei negativen Realzinsen aus? Böger: Negative Realzinsen plus vermindertes Vertrauen in Gegenparteien, wie Staat und Banken. Dazu hatten wir in den letzten Jahren noch die übergelagerte Nachfrage aus den Emerging Markets, was die Rohstoffe stark ins Schwanken brachte. Aber die Grundnachfrage kommt unserer Meinung aus dem Währungsbereich als Real Asset. Das sollte man den Kunden erklären. Cafe BE: Stichwort Produktvielfalt. Warum gibt es in Österreich fast keine echten Rohstofffonds? International gibt es inzwischen auch besicherte Zertifikate auf Kupfer, Nickel etc. Warum macht man in Österreich hier nichts, verschläft man den Trend? Severin: Das österreichische Investmentfondsgesetz erlaubt nur einen bestimmten Spielraum bei Commodities. Ein reiner Goldfonds etwa wäre unzulässig, weil der Diversifikationsgedanke im Vordergrund steht. Im Ausland geht dies teilweise, etwa in der Schweiz und Irland. Auch Futures können bei uns nicht verwendet werden, man kann nur mit ETFs auf Commodities agieren. Wir müssten also auf eine andere Judikatur ausweichen. Im Private Banking bieten wir natürlich auch Nicht-UCITS-konforme Produkte an. Böger: Es wäre wirklich wünschenswert, dass beim Investmentfondgesetz ein Umdenken erfolgt. Die Ablehnung physisch

„Man soll bedenken, dass man bei Rohstoff-Aktien das Unternehmensrisiko trägt. Viele Kunden wissen das zuwenig und meinen am Rohstoffpreis zu partizipieren. Andreas Bichl

hinterlegter Produkte erfolgt aus Risikogesichtspunkten und als Ersatz muss man risikobehaftete Zertifikate nehmen. Das ist kein Dienst am Verbraucher, wenn man einer physischen Hinterlegung eine Verbriefung vorzieht. In Deutschland müsste man zB einen Geschlossenen Fonds nehmen. In Kanada gibt es dagegen physisch hinterlegte Produkte im Sondervermögen. Severin: Mit UCITS IV wird der traditionelle Investmentfonds-Markt klar geregelt. Mit der Alternative Investment Fund Manager Directive (AIFM), die bald verabschiedet wird, findet dann eine klarere Trennung zum traditionellen Markt statt und es gibt mehr Flexibilität. Greifeneder: Über ETCs kann ein Fonds


BÖRSE EXPRESS CAFE BE aber heute schon in Rohstoffe investieren. Böger: Allerdings hat man dabei nur das Eigentum an einer Nullkuponanleihe und nicht am Rohstoff, was ein entscheidender Unterschied ist, da kein Sondervermögen am Rohstoff besteht. BE Cafe: Sie erwähnten zuvor, dass der Fonds viel über ETFs abdeckt. Machen Sie da einen Unterschied in der Replikationsart? Bichl: Wir dürfen weder direkt in Rohstoffe noch Futures investieren. ETFs stellen das vor allem über Swaps dar. Wir kommen also um diese gar nicht aus. Die zweite Möglichkeit ist nun, dass es inzwischen Futures auf die wichtigen Roh-

stoffindizes gibt, die wir handeln können. Aber über Swap-ETFs geht es derzeit am einfachsten. Im Rohstoffbereich gibt es aber viele Anbieter und wir diversifizieren zusätzlich über die Anbieter. Und das CounterpartRisiko darf laut UCITS nur 10 Prozent betragen. Greifeneder: Wir hatten schon mal einen Swap-Ausfall. Der Fonds war zwei Wochen nicht handelbar und ging dann normal mit der Indexperformance weiter. Wenn nun aber etwa die Deutsche Bank ausfiele, wissen wir nicht, was passieren würde. Der Worst-Case von 10 Prozent Verlust aus dem Swap sollte aber in der Regel nicht eintreten, da die Partner schon vorher ausgetauscht werden. C af e BE: Dürfen Sie Short gehen? B ic hl: Das Produkt heisst Rohstoff Trend. Daher wurde uns bei der Produktauflage von der FMA auferlegt, dass wir nicht Short gehen dürfen und müssen auch immer mehr als 50% Rohstoffe haben.

„Aber man hat wirklich Eigentum am Unternehmen und das Unternehmen besitzt die Rohstoffe im Boden. Das ist immerhin schon besser als ein ETC, wo man eine Anleihe besitzt.“ Andreas Böder

Cafe BE: Sie spielen das Thema über Aktien, warum das? B öge r: Es gibt ETCs, Swaps, ETFs. Die andere Alternative ist, Rohstoffproduzenten als Aktien zu kaufen. Wir haben diesen Weg gewählt, auch wenn die Korrelation zwischen Rohstoff- und Aktienpreis nicht immer 1:1 ist. Aber man hat wirklich Eigentum am Unternehmen

„Normalerweise korrelieren Goldaktien mit dem Goldpreis. Die jetzige Situation eröffnet enorme Chancen, wir betrachten diese Entwicklung als falsche Markteinschätzung, die sich korrigieren wird.“ Andreas Böder

und das Unternehmen besitzt die Rohstoffe im Boden. Das ist immerhin schon besser als ein ETC, wo man eine Anleihe besitzt. Wenn wir von den Ausfällen einzelner Swap-Partner reden, ist das kein Problem, aber bei einer Systemkrise kann das ganz anders aussehen. Sind solche Produkte dann wirklich sicher? Ein Unternehmen ist dann vielleicht ein paar Wochen nicht gelistet, aber man besitzt es weiter und indirekt die Rohstoffe. Severin: ETFs spielen bei uns auch eine gewisse Rolle. Ideal wäre eine Unterlegung mit physischen Assets, aber oft gibt es nur Derivate. Dadurch entsteht ein Emittentenrisiko. Das war auch bei uns ein Grund, Aktien zu nehmen. Aktien sind sehr liquide und man kann sie gut hedgen. Bichl: Man soll aber bedenken, dass man bei Rohstoff-Aktien das Unternehmensrisiko trägt. Viele Kunden wissen das zuwenig und meinen am Rohstoffpreis zu partizipieren. Das muss man dem Kunden vermitteln, was zu wenig gemacht wird. Cafe BE: Soll man jetzt in alle Rohstoffe investieren, oder braucht es Sektorprodukte? Bichl: Ich würde eher breit diversifiziert Rohstoffe empfehlen, nicht nur einen Sektor. Wir haben auch kein long only Produkt, sondern können durch die Anleihen das Beta reduzieren, und unser quantitatives Know-How ins Spiel bringen. Es kann auch enorme Rückschläge bei Rohstoffen geben.


Montag, 7. März 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE NEWSBE

„Wir sind momentan sehr konservativ aufgestellt und haben die Commodity-Quote fast aufs Minimum reduziert“ Bernhard Greifeneder

Severin: Für professionelle Anleger kann es natürlich schon Sinn machen, sich genau das Exposure eines speziellen Rohstoffsektors zu holen. Insoferne ist es sinnvoll, auch solche Fonds aufzulegen. Cafe BE: Bei Agrar hat man dann teils aber auch Traktor- und Düngemittelhersteller drinnen … Severin: Es macht durchaus Sinn, das ganze Thema Landwirtschaft abzudecken und nicht nur Agrarrohstoffe. Daher haben wir etwa dieses Thema mit dem Espa Stock Agriculture auch breiter aufgestellt. Cafe BE: Auch die Namensgebung der Fonds ist oft irreführend … Bichl: Inzwischen ist die FMA da strenger geworden, vor zwei Jahren war das noch nicht so. Cafe BE: Zurückkommend zu Goldaktien und Gold. Glauben Sie, dass die Underperformance von Dauer ist?

Böger: In den letzten 20 Jahren gab es das eigentlich fast nie, dass der Goldpreis steigt, aber Goldaktien nicht. Zuletzt gab es das im Jahr 2000, als man glaubte, Goldminen würden wegen des tiefen Goldpreises pleite gehen. Vielleicht herrscht noch die Angst von 2008, wo Goldaktien stark gefallen sind. Normalerweise korrelieren Goldaktien mit dem Goldpreis. Die jetzige Situation eröffnet enorme Chancen, wir betrachten diese Entwicklung als falsche Markteinschätzung, die sich korrigieren wird. Goldaktien sind eine interessante Diversifizierung zum Gold. Ich denke, es wird ein historische Re-Rating geben, was man am einfachsten mit der Dow/Gold-Ratio darstellen kann, d.h. der Gold und DowJones-Preis sollten sich wieder annähern. Ich denke, dass der Anteil von Gold am Gesamtwirtschaftsvermögen stark zunimmt.

Cafe BE: Sind Rohstoff-Aktien eigentlich dem Aktien- oder Rohstoff-Teil im Depot zuzuordnen? Severin: Wir zählen Commodity-Aktien zur Aktienquote und unterscheiden davon reine Commodity-Produkte wie Rohstoff-ETFs und Managed Futures. Allerdings ist die Abhängigkeit nicht so eindeutig erkennbar, weil man bei Commodity-Aktien auch vom Rohstofftrend profitiert. Allerdings sieht man in Problemphasen eine hohe Korrelation zu den Aktienbörsen. Cafe BE: Ein kurzes Resümee, eine Empfehlung für Anleger zum Schluss ... Severin: Das Commodity-Thema hat sich als Bestandteil des Anlagebereichs etabliert. Für den Privatanleger gibt es sehr unterschiedliche Produkte. Er sollte aber zuerst im Wertpapierbereich starten und eine Komplettlösung suchen. Wir raten davon ab, Rohstoff-Zertifikate als CasinoInvestments zu tätigen. Wegen der hohen

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„Wir hatten schon mal einen Swap-Ausfall. Der Fonds war zwei Wochen nicht handelbar und ging dann normal mit der Indexperformance weiter.“ Bernhard Greifeneder

Volatilität machen auch gemanagte Commodity-Produkte Sinn oder eine Annäherung über Aktien. Langfristig sollte man sich in Rohstoffen jedenfalls exponieren, kurzfristig ist etwas Vorsicht geboten. Greifeneder: Commodity-Investment ist kein einfaches Investment, man muss sie laufend beobachten. Solange die Unkorreliertheit zum Restmarkt besteht, kann man Commodities in jedes Portfolio nehmen. Böger: Der Anleger muss sich bewusst machen, worin er investiert. In Rohstoffe oder in Unternehmen. Bei den Rohstoffen muss er zwischen solchen aus der China-Story oder aus der Finanzmarktstabilitäts-Story entscheiden. Dann muss er sich anschauen, in welche Konstrukte er genau investiert. Wir empfehlen derzeit, sich auf das Thema Finanzmarktstabilität zu konzentrieren und da auf die Edelmetalle. Und hier wiederum eine gute Mischung aus Aktien und Edelmetallen zu haben. Bichl: Natürlich sehe ich Rohstoffe als interessantes Investment. Unsere Anlageberater sind sehr froh, dass sie mit unserem Produkt nun einen direkten Zugang zu Rohstoffen bieten können. In ein schön diversifizierte Portfolio gehören Rohstoffe hinein. Zwar gibt es immer mehr Spekulanten am Rohstoffmarkt, aber umsatzmäßig sind sie unter 10 Prozent, was noch ein gesundes Niveau ist. Kurzfristig sind wir eher negativ eingestellt, aber auf Sicht von einem Jahr und mehr sehr positiv. Dis kussionsleiter: Christoph Rohrmoser, Robert Gillinger Fotos: Martina Draper Weitere Bilder unter http://www.be24.at/blog/entry/664353/


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Oppositions-Talk zum Kapitalmarkt Wien und der Situation an den internationalen Börsen

Worin sich FPÖ/BZÖ/LIF einig sind: „ÖIAG ja, Vermögenssteuern nein!“ Eine gut gelaunte politische Runde sprach sich am 8.9. im Cafe BE klar für weitere Privatisierungen und ein Steuerumdenken aus. Cafe BE: Der Kapitalmarkt läuft nicht, die Rahmenbedingungen haben sich insbesondere in Österreich verschlechtert. Alles ist rückläufig: Die Transaktionen, die Volumina, die Indexstände. Die Einstellung der Regierung - vor allem der Kanzlerpartei - zum Kapitalmarkt kennt man. Von der Opposition hört man wenig bis gar nichts zu diesem Thema, findet auch auf den Homepages nichts. Ist der Kapitalmarkt eine Sache, die einfach „egal“ ist oder vielleicht eher eine Sache, mit der man keinen Blumentopf beim Wähler gewinnen kann? Barbara Kappel: Programme von Parteien sollen eher allgemein gehalten sein, wie auch Verfassungen allgemein gehalten sind. Ich glaube, die amerikanische Verfassung ist auf nur etwas mehr als 20 Seiten zusammengefasst. Es hat keinen Sinn, alles bis in letzte Detail zu definieren. Man muss einen Rahmen abstecken und innerhalb dieses Rahmens muss man im Prinzip arbeiten können. Der Kapitalmarkt sollte für Österreich und Kontinentaleuropa aber trotzdem ein viel wichtigeres Thema werden. Ich hatte diese Woche ein sehr interessantes Gespräch mit einem der Top-Banker in Österreich, der mir sagte, das wahre Problem mit Basel III sei, dass es in Österreich und Europa so wenige Kapitalmarktfinanzierungen gibt. Die grossen Unternehmen gehen zu 90 Prozent zur Bank, wenn sie Geld brauchen, maximal zehn Prozent gehen über den Kapitalmarkt. In den USA ist das umgekehrt, 90 Prozent Kapitalmarkt. Das zeigt, dass das Thema Kapitalmarkt in Kontinentaleuropa erstens nicht die Tradition hat, weiters nicht in der entsprechenden Form gefördert wird. Ich würde mich sehr dafür

boerse-express.com/cafebe (v. li.): Angelika Mlinar (Bundessprecherin LIF), Christian Ebner (Generalsekretär BZÖ), Barbara Kappel (Wirtschaftssprecherin FPÖ)

einsetzen, dass sich das ändert. Da müssen Initiativen erarbeitet werden. Cafe BE: Sie haben vor zwei Monaten in einem Interview sehr klare Kontra-Argumente, was die Wertpapier-KESt betrifft, gebracht. Werden Sie sich da noch stärker engagieren? Kappel: Ich werde mich da sicher noch stärker engagieren, weil ich einen sehr einfachen Zugang zu diesen Dingen habe. Wenn Sie heute Wachstum aufhalten oder hemmen, das passiert mit der WP-KESt, dann schädigen Sie den Kapitalmarkt und die Unternehmen. Es ist kontraproduktiv, wenn das Wertpapiergeschäft zusammenbricht. Aber es geht da nicht nur um die Wertpapier-KESt, es ist eine allgemeine Problematik, dazu gehört auch die Finanzkrise in Europa. Wir haben eine Vertrauenskrise. Die Politiker müssen schauen, dass die Menschen und die Märkte wieder Vertrauen in die politischen Entscheidungen gewinnen. Cafe BE: Frau Mlinar, das LIF wettert auf

der Homepage gegen die Vermögenssteuer. Zum Kapitalmarkt findet man aber auch bei Ihnen keine Statements. Wie sehen Sie die aktuelle Situation? Angelika Mlinar: Grundsätzlich möchte ich meiner Vorrednerin zustimmen, Parteiprogramme sollten allgemein gehalten sein. Aber ich gebe Ihnen schon recht: Das Thema ist aktuell negativ besetzt, als Liberale bin ich sowieso immer die „Neoliberale“ und werde abgewatscht, wir sind ja - der Theorie nach - schuld an der Krise, was ich natürlich nicht unterstütze. Ich meine, wir befinden uns in einer Übergangszeit – und ich habe dazu viele führende europäische Medien konsumiert in den vergangenen Monaten - mit einem Spannungsverhältnis zwischen Politik und Kapitalmarkt, da ist eine Schieflage entstanden. Und niemand weiss so recht, wie man da wieder herauskommt. Es ist auch eine Demokratiekrise, die Situation ist verfahren, Bretton Woods gibt es nicht mehr, die Konstellation zwischen Politik, Demokratie, Kapital und Geld ist auch nach Jahrzehnten noch nicht schlüssig geklärt.


BÖRSE EXPRESS CAFE BE haben die Vertrauens- und Demokratiekrise. Der Staat muss konsolidieren, einen ausgeglichenen Haushalt schaffen, das Schuldenthema in den Griff bekommen. Damit bin ich genau beim Thema: Zusätzlich zu allen Reformschritten, zu einer Verwaltungsreform, zu einer Gesundheitsreform, braucht es Gelder aus Privatisierungen, da wird man nicht daran vorbeikommen.

Die KESt spricht nur einen Detailbereich an. Wie will man als Gesellschaft in 30 Jahren funktionieren? Das ist für mich eine Frage, in die alles hineinspielt. Cafe BE: Und wie sieht das BZÖ den Kapitalmarkt? Christian Ebner: Der Kapitalmarkt ist doppelt wichtig. Für die Unternehmen als Finanzierungsquelle für die Expansion und um Arbeitsplätze zu schaffen. Und andererseits für die Privaten zum Vermögensaufbau und zur Vorsorge. Der zweite Bereich wird immer wichtiger, weil das staatliche Pensionssystem der Umlage nicht mehr greift - aufgrund der dramatischen demografischen Entwicklung, dass die Österreicher im Wesentlichen pro Generation um ein Drittel schrumpfen. D.h. wir brauchen unbedingt eine private Vorsorge. Das BZÖ hat diesbezüglich ein sehr detailliertes Wirtschafts- und Steuerprogramm vorgelegt, wo wir sagen, dass grundsätzlich Kapitalerträge pauschal mit 25 Prozent besteuert werden sollten und auch nichts mehr vom Staat gefördert werden soll. Derzeit ist es ja so, dass, wenn ich mein Geld auf die Bank lege oder Anleihen kaufe, meine Erträge mit 25 Prozent besteuert werden. Wenn ich aber sage, ich investiere in ein tolles Unternehmen, dann zahle ich Gesellschaftssteuer, wenn das Unternehmen dann hoffentlich Gewinne macht, dann zahlt das Unternehmen 25 Prozent KÖSt und wenn die Gewinne dann an die Anleger weitergeleitet werden, dann fallen bei Dividenden noch einmal 25 Prozent KESt an und auch der Wertzuwachs wird besteuert. Das heisst, Investitionen in Unternehmen werden dreifach besteuert, das ist absurd. Für Private ist es steuerlich viel interessanter, in irgendwelche schwindlige Staatsanleihen zu investieren, das ist das Grundproblem. Daher haben wir auch gesagt: Wir kopieren die Slowaken und befreien die Ausschüttungen der Unternehmen von den Steuern und besteuern nur einmal, und das ist die KÖSt. Cafe BE: D.h. eine Dividende sehen Sie steuerfrei? Ebner: Genau, nach slowakischem Vorbild. Das würde einen Turbo für den Wirtschaftsstandort Österreich bedeuten, die Unternehmen würden profitieren, die In-

Cafe BE: Gibt es Wunschkandidaten? Kappel: Es gibt insbesondere auf der Ebene der Gemeinde Wien eine ganze Liste von Privatisierungs-Wunschkandidaten, aber die werde ich zu einem geeigneten Zeitpunkt präsentieren.

„Die KESt sorgt dafür, dass das Wertpapiergeschäft zusammenbricht. Das ist kontraproduktiv“ Barbara Kappel, FPÖ

Cafe BE: Wie sieht das LIF dieses Thema? Mli nar: Meine Wunschkandidaten sind eher Zukunftsmusik, auch mit Wunschdenken in Richtung Alternative Energien. Wir haben nicht viel Tradition in Aktienfragen. Im Rahmen einer Veranstaltung vor zwei Monaten hat ein deutscher Börsenguru erneut den Rat gegeben, dass sich Wien doch wieder geografisch spezialisieren solle.

vestion würde wieder interessant werden. Und die Steuerentlastung würde sich auch selbst finanzieren, denn das Steueraufkommen bei der KÖSt liegt derzeit bei 5 Mrd. Euro pro Jahr, wegfallen würden nur rund 800 Mio. pro Jahr. D.h., ich brauche nur bei der KÖSt eine Aufkommenserhöhung von 16 Prozent. Sieht man sich die Historie an mit der KÖSt-Senkung von 34 auf 25 Prozent, da ist das Aufkommen gestiegen, auch in der Slowakei ist das Aufkommen gestiegen, es würde sich selbst finanzieren. Steuersenkung wirkt.

Cafe BE: Die Börse Wien ist ja via CEESEG bei etlichen Ostbörsen dabei, insgesamt ist Polen ein mehr als starker Konkurrent geworden ... Mlinar: Polen ist aus der Krise sehr positiv ausgestiegen, auch im Vergleich. Dort gibt es auch eine starke Subkultur, Polen sind nach London gegangen, wieder zurückgekehrt. In Summe ist auch Migration wichtig, überall dort, wo Migration passiert, bewegt sich etwas. Das ist etwas, das wir wollen.

Cafe BE: In der zweiten Runde möchte ich Privatisierungen, Potenziale und persönliche Wunschkandidaten für ein Börselisting hinterfragen. Wie stehen Sie zu diesen Themen? Kappel: Ich stehe dem Thema Börsegang sehr positiv gegenüber. Energie-Landesversorger wären zB klassische Volksaktien. Ich glaube auch nicht, dass es noch nötig ist, dass am Verbund auf Bundesebene Mehrheiten gehalten werden. Nur ist leider das Klima nicht gut und das Vertrauen in den Kapitalmarkt nicht gegeben. Wir

Cafe BE: Sie haben Alternative Energien genannt. Weitere Wunschkandidaten, im Alternativen Bereich gibt es im Staatsbesitz ja nicht viel ... Kappel: Gott sei Dank (alle lachen). Mlinar: Der Staat hat drei Aufgaben, Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und Chancengerechtigkeit in Bezug auf Bildung. Den Rest sollte man bitte nach Möglichkeit den Privaten überlassen. Das geht jetzt in Richtung Hayek, das ist klar, aber ich gehöre sicher zu den Staatsskeptikern von der Geschichte her. Ich bin Menschenrechtlerin,


BÖRSE EXPRESS CAFE BE mann muss immer das Individuum vor der Übermacht des Staates schützen, in jeder Hinsicht. Also auch wirklich nichts gegen Börsegänge. Ebner: Als rechtsliberale Partei sind wir der Ansicht, dass der Staat in der Wirtschaft ein gestrenger Schiedrichter sein sollte, aber kein Spieler. Immer, wenn jemand Spieler und Schiedsrichter gleichzeitig ist, produziert das Interessenskonflikte. Das passiert zum Beispiel jetzt beim Flughafen Wien, bei dem das Land Niederösterreich Umweltverträglichkeitsprüfungen locker abhandelt und gleichzeitig Grossaktionär ist. Ein sehr inkompetenter Aktionär, Skylink war ein Desaster, Schätzungen für die dritte Piste gehen weit auseinander und in München geht das zudem offenbar viel billiger. Wir sagen, es soll privatisiert werden und das privatisierte Unternehmen soll die Aktionäre von den Plänen überzeugen und eine Kapitalerhöhung machen. Ich sehe nicht ein, warum der Wiener oder niederösterreichische Steuerzahler das finanzieren soll, noch dazu, wo das Konzept ja an mehreren Punkten Schwachstellen halt. Also Privatisierung und der Staat dann aber als strenger Schiedsrichter in Umweltverträglichkeitsfragen. Da geht es um die Anrainer, eine klassische Trennung von Funktionen. Auch die Energieversorger sind für mich Privatisierungskandidaten. Es gibt keinen Grund, warum die Energieproduktionen in öffentlicher Hand sein sollte. Mlinar: Noch dazu, wo wir ja keinen Markt haben. Ebner: Richtig, das kommt ja noch dazu. Die Österreicher zahlen mehr für Energie, weil es ein Kartell von rot/schwarzen öffentlichen Betreibern gibt. Und zwar Versorger in doppeltem Sinne: Energieversorger und Versorger von minderqualifiziertem schwarz/rotem Personal. Wir wollen, dass die Produktion privatisiert wird, die Netze hingegen sollten in öffentlichem Eigentum sein. Die öffentliche Hand sollte hier Wettbewerb fördern, damit die Preise sinken. Das gilt für Energie genauso wie für die Bahn. Beispiele in Schweden und Grossbritannien zeigen, dass es äusserst effizient ist, wenn das Bahnnetz in öffentlichem Eigentum ist, aber der Güter- und Personenverkehr von

effizienteren privaten Dienstleistern betrieben wird. Zusätzlich wären auch noch weitere Privatisierungsschritte bei Post und Telekom gut. Dazu die Research Center, der Staat fördert und ist Gesellschafter, ein klarer Vorteil gegenüber privaten Forschungsinstituten. Kappel: Ich habe im April dieses Jahres gefordert, dass der Flughafen Wien privatisiert werden soll. Ich musste mich da-

„Profitierten stärker als andere Länder von der EU-Osterweiterung“ Angelika Mlinar, LIF

mals von der Sozialdemokratie wüst beschimpfen lassen müssen, in Richtung „Verschleudern von Familiensilber“. Ebner: Das „Verschleudern von Familiensilber“ kommt immer als Killerargument von den Linken. Dabei ist es ja nichts Statisches, sondern ein Organismus, der lebt. Das beste Beispiel ist die voestalpine, die hat massiv an Wert gewonnen ohne Staat. Zweitens soll man das Geld aus Privatisierungen ja auch nicht verjubeln, sondern damit die Schulden reduzieren. Eine Transformation von Assets in Schuldenreduktion. Kappel: Das war ja auch genau der Ansatz mit dem Flughafen und dem Stadt Wien-Anteil. Das Thema war, dass die Gemeinde Wien eine Schuldenexplosion hat. Das haben die wenigsten Leute zur Kenntnis genommen, dass die Schulden der Ge-

meinde Wien innerhalb eines Jahres um 50 Prozent angestiegen sind. Ich meinte, es wäre gut, wenn man die extrem schlecht gemanagte Flughafen-Beteilung veräussern würde. Also privatisieren und zur Schuldenreduktion zweckwidmen. Das ist auch für den Bund das grosse Thema. Mlinar: Wir sollten uns überlegen, welche Rolle und welche Aufgaben hat der Staat? Wo ist der Staat als Eigentümer gerechtfertigt und wo nicht? voestalpine ist ein gutes Bespiel und wie schmerzhaft war es gerade für die Sozialdemokratie, das aufzugeben ... Cafe BE: Und gerade die voestalpine hat ja eine ganz besondere Geschichte. Ich möchte da auch einhaken, die ÖIAG hat ja insgesamt einen guten Track Record, der ÖIAG-Index der börsenotierten Beteilungen der ÖIAG ist markant über dem ATX. Da sind natürlich auch Unternehmen wie Austria Tabak oder Böhler-Uddeholm historisch eingeflossen. Als Asset Manager der Republik hat die ÖIAG funktioniert. Manche wollen die ÖIAG abschaffen. Was meinen Sie: Brauchen wir die ÖIAG noch? Wenn ja, was soll sie machen? Kappel: Das wird immer schlechtgeredet, aber das Gegenteil ist der Fall. Die ÖIAG ist eine Success Story und gehört aufgewertet, die ÖIAG sollte eine Reihe weiterer Unternehmen auf Börsegänge vorbereiten. Aber dazu wird es bedauerlicherweise in dieser Legislaturperiode nicht kommen, weil wir einen völligen Politikstillstand haben. Mlinar: Ich sehe das ähnlich, die ÖIAG ist ihren Aufgaben gut nachgekommen und hat sich markttechnisch richtig verhalten. Ebne r: Die ÖIAG sollte als Privatisierungsholding fungieren, das sehe auch ich so. Dort, wo man ein Mandat hatte, hat man meist richtig agiert. Die AUA hat man leider verschlafen, die hätte man früher über die Börse verkaufen sollen. Das war ein politischer Fehler und vor allem im letzten Schritt der Privatisierung hat man alles falsch gemacht, was man nur falsch machen kann. Ein Bieterverfahren, bei dem es den Anschein hatte, dass fast alle aufgrund irgendwelcher seltsamer Formalien ausscheiden sollen, damit dann ein


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Wunsch-Interessent überbleibt, der dann auch noch die Bedingungen diktieren darf. Mlinar: Das Gefühl ist in der österreichischen Gesellschaft schon sehr tief verwurzelt, dass man sich als Arbeitnehmer bei einem Staatsbetrieb gut fühlt und in der Privatwirtschaft den Löwen zum Frass vorgeworfen wird. Das ist das Thema der Gewerkschaften. Wir haben zuvor von der Reichensteuer kurz gesprochen. Wir haben in Österreich Transferleistungen auf ein Haushaltsbudget gerechnet von 37 Prozent. Das ist nach Nordkorea und Kuba der höchste Wert. Das müsste eigentlich reichen, aber es gibt eine ganz tiefgreifende Angst vor Markt und Bedrohung. Ich nehme dann immer das Beispiel der Telefoniekosten, als es nur einen Anbieter gab. Kappel: Dieses Phänomen ist für mich ganz klar feststellbar – es spalten sich inhaltlich die Geister, ich sehe das insbesondere auf der Ebene der Gemeinde Wien. Es gibt eine Gruppe, die glaubt an den Markt - wie ich - und es gibt eine Gruppe, die glaubt an den Staat. Die Mitte ist weggebrochen. Dazwischen ist nichts mehr. Es geht nach rechts oder links. Vielleicht ist es auch ehrlicher, das so zu sagen. Also „Staat oder privat“, das kann man auf Parteienebene nachlesen, ich glaube, dass der Markt siegen wird. Es kann nur so sein. Cafe BE: Hoffen wir es. Zurück zu den Steuern für Privatanleger. Lange Jahre gab es eine im internationalen Vergleich sehr angenehme Wertpapier-Besteuerung, jetzt haben wir „Worst in Europe“ mit unserer KESt. Wie sehen Sie eine faire Besteuerung von Gewinn/Verlust unabhängig von der Dividende? Ebner: Wie zuerst gesagt, 25 Prozent auf Unternehmensebene ist ausreichend. Cafe BE: Nochmal präzisierend: Wertzuwachs und Dividende steuerfrei? Ebner: Richtig. Ich habe als Unternehmer zwei Möglichkeiten, ich schütte aus oder belasse die Gewinne im Unternehmen und setze stärker auf Wertsteigerung. Die KÖSt ist bereits bezahlt, weitere Steuern sehe ich nicht. Das wäre dann schon doppelt. Mlinar: Ich muss ehrlich sagen, dass ich

mich da nicht im Detail mit einer fairen Kapitalmarktbesteuerung beschäftigt habe. Insgesamt glaube ich, dass der Faktor Arbeit zu stark besteuert wird. Kappel: Ich glaube, dass man Unternehmen unabhängig von ihrer Rechtsform mit einem einheitlichen Satz besteuern sollte. Kapitalgesellschaften zahlen 25 Prozent und Personengesellschaften bis zu 50 Prozent. Das finde ich nicht richtig. Eine rechtsformunabhängige einheitliche Besteuerung auf Unternehmensebene bei gleichzeitiger Steuerfreistellung von nicht entnommenen Gewinnen muss das Ziel sein. Die Eigenkapitalausstattung der österreichischen Unternehmen ist ein grosses Problem, Basel II und Basel III verstärkten das. Die Retailbanken haben leider extrem schlecht verhandelt, was Basel III betrifft, die Investmentbanken haben sich durchgesetzt, das bestätigen mir befreundete Banker. Ich erinnere auch nur an die Aussagen von Andreas Treichl in diesem viel gescholtenen Interview. Ein jahrelanger Unternehmenskunde einer Bank mit

„Absurd: Investitionen in Unternehmen werden dreifach besteuert“ Christian Ebner, BZÖ

guter Bonität hat es viel schwieriger an Geld zu kommen wie Schuldenstaaten. Auch daher gehört der Kapitalmarkt gestärkt. Osteuropa ist eine riesige Chance,

aber ich fürchte, Österreich verschläft das. Gute Lebensqualität und ein gutes Rating gibt es auch in Prag oder Warschau. Niemand hat ein Problem, nach Moskau zu gehen. Wir müssen den Standort attraktivieren, wir brauchen eine Vision für 2020. Unsere Wettbewerber sind global und insbesondere in Zentral- und Osteuropa. Mlinar: Ich freue mich, das zu hören, ich habe sehr lange in Slowenien gelebt. Österreich hat extrem profitiert von der EUOsterweiterung, mehr als alle anderen Länder. Es geht um eine politische Haltung diesbezüglich. Das ist unsere Zukunft. Mit dem Eisernen Vorhang war Wien eine Provinzstadt. Ebner: Bezüglich Basel II und III möchte ich noch anmerken, dass da nicht nur die Banken schlecht verhandelt haben, auch Wirtschaftsminister Mitterlehner schläft wohl in der Pendeluhr. Basel III kommt über eine EU-Richtlinie, es liegt an Mitterlehner zu sagen, „ nein, das ist ein Wahnsinn, das machen wir nicht“. Er könnte das blockieren, aber er tut es nicht. Mli nar: Brüssel ist ein anderes Pflaster, man muss dort Verbündete suchen. Ebner: Die Bewertungen für Unternehmen und vor allem Staaten müssen realistisch sein, da könnte man eine Mischung von Ratings und CDS heranziehen. Cafe BE: Stichwort Griechenland und der Euro ... (Anm.: Talk war am 8.9.) Mlinar: Das ist eine Diskussion, die im Moment entschieden scheint. Es gibt im Moment kein Szenario, das es zulassen könnte, dass Griechenland aus dem Euro ausscheidet. Es ist meines Erachtens ja keine Euro-Krise, sondern eine EU-Krise. Und jede Krise ist auch eine Chance, wir haben aktuell leider ein Vertragsverhältnis, das nicht eingehalten wird. Bis jetzt ist es gutgegangen, aber es gibt nun Probleme, die man lösen muss. Es sind hausgemachte Probleme, Länder, in denen man überbordernden Staat hat und keine Fähigkeit, Steuern einzutreiben, weil man dem eigenen Staat auch nicht vertraut. Ebner: Ich muss widersprechen, weil ich die Verknüpfung zwischen EU und Euro so nicht mag. Ich sage, der EU-Binnenmarkt ist eine Erfolgsstory, das funktioniert. Der Euro hingegen ist eine Schönwetterkonstruktion, das funktioniert nicht.


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Griechenland war nie Euro-fit und seitdem Griechenland beim Euro dabei ist, wurde es schlimmer. Das Land hat sich mit dem Euro überhoben, während man sich früher mit periodischen Abwertungen der Währung über Wasser halten konnte. Es ist zwar in den Verträgen kein Ausstiegsszenario vorgesehen, man sollte die Griechen aber zu einem Austritt zwingen. Jedes Land muss für seine eigenen Schulden geradestehen, es darf keine Finanztransfers geben. Fängt man Griechenland nicht auf, so wäre Griechenland wie zB Argentinien 2001 zahlungsunfähig. Dann darf die EZB griechische Banken nicht mehr refinanzieren. In diesem Moment wären die Griechen gezwungen, wieder eine eigene Währung einzuführen. Cafe BE: Unentschieden, was meint die FPÖ? Kappel: Ich habe dazu einen fürchterlich pragmatischen Ansatz. Vor einem Jahr wäre ein geeigneter Zeitpunkt gewesen, um zu verhandeln - in vielen Runden mit Neubewertung der griechischen Schulden. Das hat man versäumt. Nun sind wir – was mir missfällt – in der Transferunion angekommen, das ist eine Umverteilung, ein sozialistischer Ansatz, ein Feldexperiment. Niemand kann beantworten, wie lange man sich das leisten können wird. Und das ist die Verunsicherung, die Leute in Gold oder Immobilien führt. Das Nichtagieren der EU – und ich bin ein Freund der EU - stört mich. Nehmen sie die Schweizerische Nationalbank in dieser Woche – dieses Vorgehen habe ich als Leadership empfunden, dass die den Franken stabilisieren bei 1,20. Das war super. So ein Leadership würde ich mir auch bei der EU wünschen. Es fehlt an Leadership und Profil in den Institutionen und der Politik, eine Wirtschaftsregierung mit van Rompuy. Also bitte, das ist erschreckend. Mlinar: Grundsätzlich sind wir nicht so weit auseinander. Aber ich persönlich habe den Wunsch nach einem grossen Leader nicht .... Kappel: Leadership. Mlinar: Es gibt andere Voraussetzungen, letztlich ist die Konsensfindung, so frustrierend und aufwändig sie auch sein mag, zielführend. Ebner: Wie grosse Koalition forever? Kappel: Leadership, das möchte ich klar-

stellen, hat nichts mit einer Diktatur zu tun. Ebn er: Wie lange können wir uns die Transferunion noch leisten? Ich denke, wir können sie uns schon jetzt nicht mehr leisten. Wir haben eine Rekordsteuerquote in Österreich von 45 Prozent vom BIP, damit sind wir bald Europameister im negativen Sinn. Wir überholen die Schweden, bei denen die Quote sinkt. Kappel: Die Schweden sind auf einem super Weg. Ebner: Wir haben Rekordsteuerquote und eine hohe Schuldenquote von 80 Prozent vom BIP, wenn man alles reinrechnet. Wenn man das vergleicht mit zwei Nachbarländern, der Schweiz und der Slowakei, die ja völlig unterschiedliche Voraussetzungen und völlig unterschiedliche Historie haben: Beide Länder kommen mit einer Steuerquote von 30 Prozent vom BIP aus. Die Leute der Schweiz und der Slowakei zahlen um ein Drittel weniger Steuern als in Österreich, trotzdem haben bei-

de Länder eine Staatsverschuldung, die bei der Hälfte jener Österreichs liegt. Also Steuern werden bei uns wirklich genug gezahlt, das Geld wird nur leider versemmelt. Mlinar: Es gibt zB in der Schweiz auch ein anderes Selbstverständnis von Staat. Dort ist er nicht so sehr der „Vater Staat“. Cafe BE: Private Frage. Besitzen Sie österreichische Aktien? Kappel: Nein, die habe ich alle verkauft, zu einem besseren Zeitpunkt. Mlinar: Nein, auch kein Gold leider. Ebner: Ich habe jetzt, bei den Tiefstständen der jüngeren Vergangenheit, wieder österreichische Aktien gekauft. Cafe BE: Schlussfrage – gibt es Anliegen, die Sie noch loswerden möchten? Kappel: Mein Hauptanliegen ist und bleibt, dass wir die Wettbewerbsfähigkeit des

Standorts steigern. Nicht nur im Vergleich zu den Nachbarländern, sondern auch darüber hinaus. Es müssen Anreize geschaffen, der Kapitalmarkt muss belebt werden und die Steuern müssen gesenkt werden. Ich habe mich in Alpbach mit Lars Feld, einem der deutschen Wirtschaftsweisen, unterhalten. Auch in Deutschland soll es nur noch Programme zur Steuersenkung geben, um Wachstum zu generieren. In Österreich liegt die Steuersituation im Argen mit mehr als 44 Prozent Abgabenquote. Es bringt nichts, dass man sich selber belügt, wir sehen in der Gemeinde Wien im Sinne der Maastrichtkritierien das Land und die Gemeinde abgerechnet. Ich bin auch kein Freund der Kammeralistik, das bringt uns als Standort nicht weiter. Mlinar: Mir geht es vor allem darum, dass man erkennt, in welcher Zeit wir leben und was die Szenarien für die Zukunft sind. Die Welt ist globalisiert, unsere Konkurrenten sind auch hungrige Länder wie China oder Brasilien. Unsere Saturierung ist unser Problem. Wie schaffe ich es jetzt als Regierung, dass meine Bevölkerung fit ist für eine Welt, die andere Spielregeln hat als jene vor 20 Jahren? Welche Steuerlast erträgt ein Markt, der sich bewähren muss? Ebner: Eine Vermögenssteuer würde bedeuten, etwas, das schon 2x besteuert wurde, noch einmal zu besteuern. Beim Einkommen, bei der Veranlagung, dann noch einmal bei der Substanz? Nein. Das ist Problem ist vielmehr, dass das Geld mit beiden Händen aus dem Fenster geworfen wird. Und Kammeralistik, da haben Sie recht, es gibt nichts Intrasparenteres. Bund, Länder und Gemeinden sollten so wie Unternehmen auch nach dem Prinzip der doppelten Buchhaltung geführt werden. Öffentliche Körperschaften sollen ihre Bilanzen ins Internet stellen und das auch für jedermann einsehbar machen. Wir als Stakeholder haben das Recht auf diese Informationen. Kappel: Als nächstes sollte der BE unbedingt eine Runde zur Vermögenssteuer machen. Da kann man nur dagegen sein. Mlinar/Ebner: Richtig. Diskussionsleitung: Christian Drastil Fotos: Martina Draper * http://www.boerse-express.com/cafebe


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Sinnvolle Tipps von Spitzensportlern an „uns Börsianer“ für Marktphasen wie diese

Sport/Börse: Wo die Siegerschecks aus dem Tennis landen und vieles mehr ... Am 15.9. ging es im Cafe BE um (sportliche) Tugenden, die auch im Beruf und bei der Geldanlage nicht schaden. Interview: Christian Drastil Fotos: Martina Draper Cafe BE: Herr Antonitsch, was fällt Ihnen zu Seoul 1990 ein? Alexander Antonitsch (lacht): Wenn man nur ein ATP-Turnier gewonnen hat, dann kann man sich natürlich daran erinnern. Cafe BE: Und was war in Wien 1999? Antonitsch (überlegt): Ich glaub, das war das Jahr, in dem wir beide beim Stadthallenturnier auf dem Centercourt ... C afe BE: Genau. Ein Doppel Antonitsch/Erich Hampel, der ja in Wien früher einiges gewonnen hat, gegen Peter Feigl und mich. Hat viel Spass gemacht. Worauf ich hinaus möchte: Das war damals die CA-Trophy in Wien und die Finanzbranche ist im Tennis omnipräsent – BlackRock, dann die schon 38-jährige Partnerschaft der BNP Paribas mit den French Open oder vor wenigen Tagen JP Morgan Chase als Sponsor der US Open. Sie, Herr Antonitsch, haben ja in Bezug auf Banken und Tennis eine recht spannende Story zu erzählen ... Antonitsch: Ich habe mir wie die meisten Sportler eher eine blutige Nase geholt. Natürlich hat man im Börseboom von den grossen Gewinnen an den Märkten gehört und darüber untereinander gesprochen. Und die Sportler neigen ja dazu, gleich mutig zu riskieren. Und dann gab es von den Banken eine recht vernünftige Idee, denn es ist ja wie bei allen Sponsorings nicht ganz uneigennützig, warum man sich engagiert. Seinerzeit, als ich gerade das letzte Jahr auf der Tour war, hat Merrill Lynch beschlossen, etwas für die Bequemlichkeit der Tennisspieler zu machen. Ich war meistens Hartplatzspieler und

boerse-express.com/cafebe (v. li.): Toni Schutti (Ski), Peter Bösenberg (Eisschnelllauf), Franz Gschiegl (Laufen), Thomas Lenzinger (Fussball), Alex Antonitsch (Tennis)

wenn ich einmal vier Wochen in Asien unterwegs war und in Seoul sogar ein Turnier gewonnen hab, dann hat man einen Scheck über 15.000 Dollar bekommen. Den hat man irgendwo eingesteckt und war dann noch immer drei Wochen unterwegs. Dann hat man vielleicht im Doppel was gewonnen, neuer Scheck und irgendwann hat man nicht mehr so gut geschlafen mit den ganzen Schecks unter dem Polster. Da ist Merrill auf die Idee gekommen, dass man für Sportler Gratiskonten machen kann, und der Scheck geht gleich auf das Konto. Die haben damals bis zu 80 Prozent der Gelder, die im Tennis ausbezahlt wurden, für sich gewonnen, dafür auch Tennis gesponsert. Die Frage war dann: Wie legt man das an? Die Merrill-Banker haben das gut gemacht, da sind sehr persönliche Beziehungen entstanden, aber später hat die Bank dann intern reorganisiert und die persönlichen Betreuer waren plötzlich nicht mehr verfügbar. Dann war auf einmal die Volksbank zuständig, viele Wechsel in kurzer Zeit. Da dachte ich mir, das muss anders gehen.

Als Sponsoring Partner hatte ich damals die Creditanstalt. Ich habe mit denen gut können und so ist auch eine Beziehung über den Sport hinaus mit der CA entstanden, ich habe von der Merrill-Sache erzählt. Gerhard Reidlinger, ein engagierter junger Mitarbeiter, der später leider bei einem Autounfall verstorben ist, hat sich der Idee angenommen und die CA-Privatbank Schöllerbank ins Spiel gebracht. Cafe BE: Ja, der Unfall war für die ganze Branche ein Schock. Gerhard Reidlinger war erst 37, vor der Zeit bei der Bank lange Jahre als Presseprecher der Wiener Börse tätig. Ich kannte ihn gut. Dass er es war, der die Schöllerbank, wusste ich nicht ... Antonitsch: Ja, seither kümmert sich die Schöllerbank mit Vorstand Reinhard Zechner um viele Sportler, hilft nicht nur bei der Vorsorge, sondern kennt auch gute Steuerberater und vieles mehr. Es ist wie im Sport bei den Kindern, die sollte man ja auch besser nicht selbst trainieren. Bei der Geldanlage ist das genauso. Das ist mein Weg. Aktuell ist die BNP Paribas der


BÖRSE EXPRESS CAFE BE offizielle weltweite Partner, wenn sich die um die Sportler kümmern, dann ist das eine gute Sache. Es geht um die persönlichen Beziehungen. Das habe ich in meinem anderen Business mit den Seminaren und mit meinem Hirnforscher gesehen, welche Rolle die Psyche spielt. Für mich ist die Börse zu viel Psychologie, auch diese Panikmache ... Die Leute kriegen – und das sieht man bei jeder Messung des Gehirns – Angstzustände, weil sich bei Geld der Spass aufhört. Selbst, wenn der Bankomat das Geld nicht gleich ausspuckt, ist das ganze Rationale gleich weg und die Emotion übernimmt. An der Börse hat man diese Emotionen dauernd. Wir haben eine Untersuchung an Migräne-Leidenden gemacht und gesehen, dass, wenn im Ö3-Wecker gesagt wird, dass MigräneWetter kommt, die Leute das gleich kriegen. Unterschwellig ist das an der Börse genauso. Die Unternehmen sind ja gesund, aber der Sog der Emotionen ist für mich nicht mehr nachvollziehbar, das würde mich fertigmachen. Ich bin froh, dass ich in der Krise von meiner persönlichen Betreuerin angerufen wurde und nicht einen Brief vom Vorstand in der Post hatte. Man setzt sich mit mir auseinander, auch wenn es nicht so gut geht. Es muss wieder mehr mit den Menschen gearbeitet werden. Cafe BE: Und bitte noch ein paar kurze Worte zur Website und den Tennisaktivitäten aktuell ... Antonitsch: Sehr zum Leidwesen meiner Frau mache ich sehr viel. Ich hatte viel im Seminarwesen getan, auch zwei Bücher geschrieben, es hat mir dann aber nicht mehr so viel Spass gemacht. Jetzt mache ich nur noch im Schulbereich etwas. Das ist ein spannendes Thema, das mir Spass macht, in Kooperation mit der Med-Uni und dem Institut für Leistungsmanagement. Zusätzlich bin ich wieder neben dem Kommentieren mehr im Tennis gelandet, zB als Turnierdirektor in Kitzbühel. Alle meinten: „Der redet als Kommentator immer so viel, jetzt soll er mal selbst machen“. Dachte ich mir, dass ich jetzt halt mal reinbeissen muss, das Feedback war gut und jetzt geht es erst los zum Arbeiten dort. Mit zwei Investoren haben wir weiters die Tennisplattform tennisnet.com

gegründet. Die Nachfrage war da, weil es ja nichts mehr im deutschsprachigen Raum gegeben hat. Die Site wird von relevant.at gemanagt, das sind gute Leute, wir gehen jetzt auch in andere Länder, weil Printprodukte im Tennis nicht mehr finanzierbar sind. Wir kooperieren auch mit Eurosport. Mir liegt das am Herzen, ob im Tennis oder Eishockey mit dem St. Pölten-Projekt: Sport und Bildung zu verbinden ist wichtig, aber man läuft gegen Windmühlen. Ein Präsident sagte mir, dass ich nicht bequem sei, weil ich Erfolg will. Der Erfolg von meinem Team lasse andere schlecht ausschauen, das kommt nicht gut. Cafe BE: Kennt man. Antonitsch: Der grösste Spass ist die Eishockey-Akademie, die in Österreich ja noch keiner mitkriegt. Da haben wir eine Auszeichnung von der kanadischen Botschaft bekommen. Das Potenzial ist gross, aber Gegner hat man vor allem, wenn was Gutes entsteht. Alle lieben Stillstand. ... Cafe BE: Herr Gschiegl, 28x hat es den Vienna City Marathon bisher gegeben, Sie waren immer dabei und sind meines Wissens nach der Schnellste aller 28fach-Finisher. Wie kann man Kapitalmarktexperte und Sportler in trainingsintensiven Sportarten - es geht ja nicht nur ums Laufen bei Ihnen - gleichzeitig sein? Franz Gschiegl: Das Zeitthema beschäftigt uns ja alle. Jeder hat 24 Stunden, wie er die Zeit nützt, und was er damit macht, ist seine Sache. Ich glaube nicht, dass ich weniger arbeite als der Durchschnitt in der Finanzbranche. Aber dann gehe ich halt in der Früh laufen oder in der Mittagspause. Cafe BE: Kann man beim Laufen arbeiten? Gschiegl: Ja, gerade beim Laufen geht das. Beim Radfahren und beim Klettern eher nicht. Ich laufe jetzt seit ca. 40 Jahren und seit 30 Jahren als Leistungssportler. Die erste halbe Stunde ist der Übergang nach dem Büro oder vor dem Büro, wo man sich noch mit dem Büroalltag beschäftigt, dann löst sich alles rasch auf. Durch die

„Schlug Idee, dass sich Banken um Siegerschecks kümmern sollen, in Österreich vor“ Alex Antonitsch, tennisnet.com

Natur, ich laufe viel im Wienerwald, merke ich, dass alles gar nicht so schlimm ist. Die meisten haben ohnedies keine Aktien und Griechenland gibt es auch noch. Es ist ja nachgewiesen, dass durch die stärkere Durchblutung des Gehirnes die Gedanken frei werden. Ich habe viele gute Ideen dem Laufen zu verdanken. Ich habe drei Kinder, meine Frau sagt oft, wenn ich angespannt nach Hause komme: „Geh einmal laufen und wir besprechen nachher, was wir machen“. Wenn ich mehr Zeit habe, gehe ich gerne Bergsteigen oder Berglaufen. Ich sehe eine enge Beziehung zwischen Beruf, Zielstrebigkeit, Ausdauer, Geduld und dann – wie Sie richtig gesagt haben, Herr Antonitsch – Durchschnitt ist gut, aber wenn ich eine Startnummer habe, will ich Erster werden. Mir ist es wichtig, dass wir als Fondsgesellschaft nicht nur das Beste geben, sondern auch die Nr.1 sind. Im manchen Bereichen sind wir es, in manchen die Nr. 2. Dort wollen wir die Nr. 1 werden. Im Sport habe ich, ich bin ja Amateursportler, nicht viel gewonnen: Ein Radrennen, einen Cross-Marathon.


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Cafe BE: Und Ihr schnellster Marathon? Gschiegl: In Wien bin ich einmal 2:50 gelaufen. Und das Schöne bei den 28 WienMarathons war ja, dass man immer fit sein muss und halbwegs in Form. Insgesamt habe ich schon mehr als 90 Marathons in den Beinen. Antonitsch: Ist man beim Marathon auch kreativ? G s chi egl: Beim Wettbewerb bleibt die Kreativität ein bisschen im Hintergrund, im Training lasse ich aber mittlerweile Dinge zu, die ich früher mit 300 OutdoorSport-Tagen im Jahr in einem gewissen Suchtverhalten nicht an mich herangelassen habe. Ich war auch auf allen Dienstreisen laufen. Beim Wettbewerb konzentriere ich mich voll auf den Wettbewerb.

nen Vertrauensverlust gegenüber der Finanzbranche, das ist eine Herausforderung, wir müssen Guidance geben, da ist viel Psychologie dahinter, aber man kann aus Panikreaktionen ja auch Nutzen ziehen. Antonitsch: Glaube ich auch, wer jetzt „gut betreut“, der wird gewinnen.

Cafe BE: Die Erste Sparinvest ist auch Sponsor im Extremsportbereich ... Gschiegl: Ja, beim Ötscher-Bergmarathon, den bin ich auch 12 Mal gelaufen, einmal Gesamtfünfter. Cafe BE: Haben Sie den konzipiert? Gschiegl: Nein, ich hatte gelesen, dass es den gibt, ab dem zweiten Mal war ich selbst dabei, ab dem fünften Mal waren wir als Hauptsponsor dabei. Auch Red Bull/Servus TV - gute Breitenwirkung, obwohl die Veranstaltung nur 150 Starter hat.

„Wenn ich eine Startnummer habe, will ich Erster werden“

Cafe BE: Wie ist da die Siegerzeit? Gschiegl: In den letzten Jahren hat ein Jordanier gewonnen, der weltweit die Nr. 2 ist. Der braucht 3:50 für 50km und 1900m Höhenmeter am Tag 1, Tag 2 ist mehr Kletterei über den Ötscher-Kamm.

Cafe BE: Und laufen Sie auch in die Firma, Herr Gschiegl? Gschiegl: Nein, mit dem Rad schon, aber laufen nicht. In der Mittagspause gehe ich aber gerne laufen, Duschen sind im Office und ich bin nachher ein neuer Mensch.

Cafe BE: Und im Winter? Gschiegl: Das Pendant ist der SkitourenRennsport, da waren wir sogar bei der WM 2002 dabei. Freies Skifahren, oft mit der Stirnlampe. Was ich machen will, das kann ich machen, es ist eine Kopfsache. Marathon? Jeder, der halbwegs sportlich ist, kann, wenn er sich ein Jahr lang vorbereitet, unter vier Stunden laufen, das ist keine Hexerei. Einen wichtigen Satz, den ich aus einem Shaolin-Seminar mitgenommen habe, möchte ich noch sagen: „Es gibt solche, die gewinnen und solche, die lernen dürfen.“ Das hab ich mir auch für den Job mitgenommen. Wir sehen ei-

Cafe BE: Ich glaube, Sie haben auch einige Erste-Kollegen inspiriert ... Gschiegl (lacht): Ja, die Erste macht viel. Es wird mir unterstellt, dass ich bei Aufnahmegesprächen nach dem Sport im CV schaue, das ist aber übertrieben. Generell suche ich nach Leuten, die für irgendetwas Begeisterung aufbringen können.

Franz Gschiegl, ESPA

... Cafe BE: Herr Schutti, wir beide haben von 2002 bis 2007 den „Business Athlete Award“ - www.boerse-express.com/baa - gestaltet, hatten tolle Sieger. Sie machen

u.a. den Sport/Business-Circle, wie sieht es aktuell in der Kooperation mit der Wirtschaft aus? Wie läufts? Anton Schutti: „Wie läufts?“ ... ist ein gutes Schlagwort. Ich kann nur bestätigen: Die Hormonausstösse, die man beim Laufen bekommt und den positiven Effekt daraus, das kann man nur hervorheben. Gerade jetzt: Viele Börsianer sollten laufen gehen (alle lachen). Wir entwickeln auch eine Serie von „Sportler für Sportler“-Läufen. Weiters machen wir auch Sport- & Wirtschaftsgipfel, heuer im Gesäuse, wir sind dort auf den höchsten Berg gestiegen, das war eine schöne Netzwerksache mit guter Athmosphäre, dabei waren auch Vorträge, u.a. von Dagmar Rabensteiner, die ja Manager betreut. Auch Ernährung war ein Thema. Dann der angesprochene Sport & Business-Circle, das ist für uns ein grosses Thema, weil wir ja keine öffentlichen Mittel bekommen. Wir haben einen Basisvertrag mit den Österreichischen Lotterien, dieser besteht seit 1986 in gleicher Höhe, man hat keine Anpassung an die Inflation gemacht, das ist mittlerweile 70 Prozent weniger wert, trotzdem sind die Lotterien nach wie vor die starke Basis für unsere Finanzierung. Darüber hinaus arbeiten wir mit der Wirtschaft zusammen, um unsere Sportler zu fördern. Wir werden ab dem kommenden Jahr die Behindertensportler zu uns bekommen, die wurden bisher von einem Fonds unterstützt. Wir werden der Wirtschaft Konzepte vorschlagen, wo es darum geht, mit Nachhaltigkeit und gesellschaftlichem Engagement zu agieren. Da gibt es bereits sehr positive Signale. Ich selbst war 25 Jahre im Skiweltcup zu Hause, ich hatte mir damals vorgenommen, in jedem Ort, an dem ich zu tun hatte, laufen zu gehen. Das war wichtiger Bestandteil des Fitnessprogramms. Heute ist es so wie in der Erste Sparinvest – wir haben eine Dusche im Büro. Man kann jederzeit Laufen gehen, um Dinge aufzuarbeiten. Antonitsch: Eine Reform des Förderwesens ist dringend nötig. Im Tennisverband entscheiden beispielsweise blutige Amateure und Herzchirurgen, wer die Mittel bekommt. Schutti: Die Fachverbände sind natürlich ein eigenes Thema. Durch das System kann man die Förderung steuern, gar kei-


BÖRSE EXPRESS CAFE BE haltige Konzepte anzubieten. Caf e BE: Wieviele Athleten fördert die Sporthilfe? Schutti: Momentan sind wir bei 460. Antonitsch: Es werden auch zu viele Randsportarten gefördert. Wenn wir beide heute eine Curlingmannschaft machen, sind wir in zwei Jahren bei den Olympischen Spielen ...

„Tipp für Börsianer: Geht laufen“ Toni Schutti, Sporthilfe

ne Frage. Ant oni ts ch: Ich fürchte, dass Mannschaftssportarten aussterben werden, weil die Eltern ihre Kinder oft 50 km mit dem Auto zu den Sportstätten führen müssen. Gschiegl: Oder Schulschikurse, das wird auch immer weniger. Ein Manager einer Skifirma sagte mir, dass pro Schikurswoche nur noch 40 Minuten wirklich Ski gefahren wird. Antonitsch: Ich weiss nicht, ob es politisch korrekt ist, das zu sagen: Aber Jugendliche, die rauchen oder kaputt sind, werden später oft krank sein. Die Kinder gehören vor den Eltern geschützt. Das geht nur in der Volksschule. Schutti: Spitzensportler sollen als Vorbilder agieren, das ist mir ein grosses Anliegen. Bei Galas oder sonstigen Events können sich die Sportler selbst präsentieren, natürlich auch ihre Sponsoren. Wir haben eine Legendenarmbänder-Aktion laufen mit BP; da haben wir eine sympathische Sache und BP hat uns eine Garantiesumme zugestanden. Cafe BE: Lotterien, BP, auch Ströck sieht man immer wieder. Und wie brav fördert die Finanzbranche? Schutti: Wir haben stabile Partnerverhältnisse, vieles wird aber schwieriger. Die Goodies, die es vor der Krise gab, die sind weg. Ich versuche, mit der Sporthilfe nach-

Cafe BE: Das schaun wir uns aber an ... Vielleicht kriegen wir auch unseren Award im nächsten Jahr wieder zusammen. Schutti: Das war und ist eine gute Sache. ... Cafe BE: Herr Bösenberg, wir hatten ja eigentlich in ganz anderem Zusammenhang telefoniert, es ging da um eine Zertifikateserie, die wir aktuell gerade im BE mit Euch machen. Beim Gespräch gab es dann den zufälligen Schwenk zum heutigen Cafe BE und Sie erzählten mir die Geschichte mit dem Eisschnelllauf ... Peter Bösenberg: Ich habe fast zehn Jahre Leistungssport gemacht, bis zu meinem 19. Lebensjahr. Ich muss dazusagen, ich komme aus Dresden aus der ehemaligen DDR. Da haben wir vom System profitiert, Schule und Sport boten uns damals fantastische Möglichkeiten und gleichzeitig konnte man Abitur machen. Ich war im Bundeskader, aber letztendlich dann einfach nicht gut genug, um das professionell als Beruf zu betreiben. Mitgenommen habe ich definitiv das Thema Selbstmotiviation, man sieht ja jetzt in den Handelsräumen, wie viele Leute demotiviert sind. Das hatte man als Sportler in meiner Disziplin auch, wenn man bei minus 20 Grad auf dem Eis gestanden ist. Da habe ich heute Vorteile, auch Disziplin und Zeitmanagement sind wichtige Punkte. Man kann fast alles erreichen, wenn man nur will. „Keine Zeit“ sehe ich als Ausrede, man kann sich – wie wir schon gehört haben – die 24 Stunden des Tages selbst einteilen. Cafe BE: Was ist heute „Ihr Sport“ neben dem Job? Bösenberg: Ich habe ein wenig abtrainiert, aber zum Beispiel Eishockey macht schon

Spass. Als ich vor acht Jahren zu arbeiten begonnen habe, habe ich kaum Sport gemacht, seit ein paar Jahren tue ich aber wieder bedeutend mehr. Cafe BE: Auch die Societe Generale ist im Sportsponsoring sehr aktiv, Ihr habt früh auf Magdalena Neuner gesetzt, die Werbemittel sind auch eng mit der Zertifikate-Unit verknüpft. Warum ist die Wahl auf Biathlon gefallen? Bösenberg: Wir haben 2003 Deutschland wieder stärker in den Fokus genommen, unser damaliger Manager hatte private Kontakte zu Uschi Disl, das hat exzellent gepasst: Turbo-Disl, Turbo-Zertifikate, da gab es eine ganze Menge Assoziationen, auch beim Schiessen mit dem „ins Schwarze treffen“. Wir hatten auch eine Blindenbiathletin unterstützt, dazu Magdalena Neuner schon als Juniorensportlerin als Uschi Disl abgetreten ist. Da hatten wir Glück. Cafe BE: Wird das auch in der Saison 2011/12 weitergehen? Bösenberg: Ja, wir sind bis März 2012 dabei. Cafe BE: Wir haben viel über Sportförderungen in Österreich gesprochen, wie sieht das in Deutschland aus? Wie ist es bei Ihnen gelaufen? Bösenberg: Meiner Meinung nach hängt

„Kann mich auch in schlechten Börsephasen gut motivieren“ Peter Bösenberg, SocGen


BÖRSE EXPRESS CAFE BE es stark davon ab, wie populär die Sportart ist. Als Eissschnellläufer stelle ich heute fest, dass der Sport im Juniorenbereich nur noch von engagierten Eltern gefördert wird. Sonst wäre es unmöglich, das fortzuführen. Im Fussball geht viel mehr, das ist vielleicht ein wenig ungerecht. Antonitsch: Wie bei uns. Fussball bekommt alles. Das ist halt ein normaler Markt, weil wir, selbst, wenn wir schlecht spielen, volle Stadien haben. Aber es kann nicht sein, dass man wegen des Geldes nur Fussball spielen will. Kinder tun das ja nicht wegen des Geldes, da stecken vielmehr die Eltern dahinter. In Osteuropa werden Tennis-Töchter im Alter von 12 Jahren als Altersvorsorge für die Eltern gesehen. Bösenberg: In der DDR wurden wir an viele Sportarten gleichzeitig herangeführt. Wir haben Eisschnelllaufen, Fussball, Handball, Schwimmen gemacht und irgendwann wurde selektiert, wenn sich Talente herauskristallisierten. Das ist prinzipiell ein Ansatz, der gut ist, wenn mit Spassgefühl an Sportarten herangeführt wird. Antonitsch: Mittlerweile gibt es auch in Osteuropa schon das Motivationsproblem, es geht allen schon recht gut.

hat sich gleich zu Beginn das Knie und die Karriere kaputtgemacht. Meine Mutter hat daher zu verhindern versucht, dass ich Spitzensportler werde. Gegen den Willen meines Vaters. In Simmering hat man mir – damals Trainer Dokupil und Mitspieler Polster – als 17jähriger einen Dreijahresvertrag angeboten. Ich sollte nur noch unterschreiben, habe aber die Karriere beendet, weil ich es nicht seriös fand. Machte dann in der Südstadt die TennistrainerAusbildung, finanzierte mein Studium als Trainer in Kroatien und Las Vegas. Aus privaten Gründen bin ich dann in Wien geblieben, landete in einer österreichischen

... Cafe BE: Herr Lenzinger, Sie kommen als Mit-Gastgeber sogar sportgerecht mit Krükken – ich weiss, das Knie, gute Besserung - Sie haben viel gemacht, Motto „Riesentalent in Fussball und Tennis“ ... Thomas Lenzinger: Also ich bin ein interessanter Fall, weil ich bis heute an meiner sportlichen Karriere arbeite, weil ich die eigentliche sportliche Karriere aus mehreren Gründen zurückgestellt habe. Etwas ausgeholt: Ich bin als Kind zweier internationaler Sportler auf die Welt gekommen. Meine Mutter war Handball-Internationale, mein Vater Lambert Lenzinger hat in der berühmten Rapid-Mannschaft mit Happel und Hanappi gespielt. Zwei ganz wichtige Stichworte hab ich hier jetzt in der letzten Stunde gehört, die auch zu mir passen: Sucht und Psychologie. Ich habe immer Fussball und Tennis gleichzeitig gespielt, im Endeffekt nie wirklich richtig. Man sagt, dass ich zumindest im Fussball das Talent für eine ganz grosse Karriere gehabt hätte. Mein Vater ist mit 21 ins Nationalteam berufen worden und

„Das Talent war grösser als der Ehrgeiz. Ich will jetzt etwas Berufliches zu Weltklasse führen“ Thomas Lenzinger, Griffner

Investmentbank. Das war nicht so meins, weil ich die Sache immer international gesehen habe. Ein Schlüsselerlebnis kam dann Anfang der Neunziger, als in Wien der 1. Venture Capital-Kongress stattgefunden hat. Einer der Key Note Speaker, Manfred Kets de Vries, hat ein Referat über den Human Factor im Venture Capital gehalten. Da wurden zehn Typen wie Bill Gates oder Jack Welch thematisiert. Die Untersuchung hatte als Fazit, dass das komplett unterschiedliche Charaktäre sind. Aber: Acht von den zehn hatten einen

schweren Autoritätskonflikt mit dem Vater und wollten ihren Vätern ein Leben lang beweisen, wie gut sie sind. Das hat mich beeindruckt, kannte ich auch bei mir. Das zweite Schlüsselerlebnis kam im Jänner 1993: Ich hatte gekündigt und mich selbstständig gemacht. Das Ziel war, mit meiner Go Equity als erster „Bankunabhängiger“ Private Equity in Österreich aufzubauen. Das ist dann auch gut gelungen. Auf der Suche nach einem Büro habe ich einen herausragenden Österreicher kennengelernt: Josef Taus. Er sagte mir im Kennenlerngespräch: „Junger Mann, was haben Sie so gemacht in Ihrem Leben?“ Sagte ich: Betriebswirtschaft studiert, in Simmering Fussball gespielt und ich bin Tennislehrer. Daraufhin hat er mir zwei Stunden lang einen Vortrag gehalten: Nicht über Politik oder Wirtschaft, sondern über seine Karriere als Badewaschl und Wasserballer. Es hat ihm gefallen, was ich mit Go Equity machte und er wollte sich beteiligen. Aus mehreren Gründen habe ich den Sport nie wirklich professionell betrieben, das Talent war sicher grösser als der Ehrgeiz und es gab auch familiäre Aspekte. Jetzt will ich aber etwas Berufliches aufbauen, das ich zu Weltklasse führen möchte. Sport und Sucht ist ein spannendes Thema. Gerade Marathonlaufen ist eine super Therapie, auch wenn es um Entzug geht. Cafe BE: Vor sechs Monaten sagten Sie, Sie gehen mit Griffner an die Börse. Bleibts dabei? Lenzinger: Natürlich. Die Story ist gut. Und ich will beweisen, dass ich es schaffen kann, etwas Besonderes auf die Beine zu stellen. Und abschliessend - ich hatte jetzt zwei Sponsoring-Anfragen: Erstens der VSV, was ja für ein Kärntner Unternehmen Sinn machen würde. Aber wenn 3/4 der Mitarbeiter KAC-Fans sind? Geht nicht. Was ich gemacht habe, ist den neuaufgestellten Fussballverein von Griffen zu unterstützen. Aber erst, nachdem ich den Trainer der U8 gesprochen hatte. Weil es kann nicht sein, dass der, der im Klubhaus gerade am elegantesten an der Bar lehnt, dann halt die Nachwuchsmannschaften trainiert. Das ist in Griffen nicht so. * http://www.boerse-express.com/cafebe, siehe auch www.boerse-express.com/baa


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Safe Haven und Hard Assets gesucht, so die RS-Speaker. Für die Zukunft ist man optimistisch

Neu: Vor der Roadshow ins Cafe BE zum Tagesthemen-Roundtable ... Österreich als guter Boden für die Geldanlageszene: Unter anderem wegen starker Broker und der Nähe zu den zockenden Osteuropäern. Cafe BE: Bei der Roadshow haben wir traditionell alphabetische Reihenfolge nach dem Unternehmensnamen. Beim heute erstmals stattfindenden Cafe BE-Talk davor möchte ich die Reihenfolge stürzen und die - an alle gleichlautende - Einstiegsfrage zuerst an Vontobel richten. Herr Geiger, das Jahr 2011 wird bereits immer stärker mit 2008 verglichen. Wie nimmt Vontobel die aktuelle Situation wahr? Heiko Geiger: Ich glaube nicht, dass sich 2008 wiederholt, weil die Situation doch eine ganz andere ist. 2008 gab es den Emittentenausfall mit einer globalen Kettenreaktion, die man sowohl auf der Immobilienseite und den daran angehängten Derivaten als auch mit dem Ausfall von Lehman und den verketteten Geschäften bemerkt hat. 2011 haben wir es mit einer Krise der Staatsfinanzen zu tun; nicht global, sondern vor allem USA und Europa. Wir haben eine hohe Volatilität, das ist vergleichbar mit 2008. Der Anleger reagiert aber nicht ganz so panisch wie 2008, als er danach lange Zeit dem Markt fern geblieben ist. Meines Erachtens nach nutzen viele Anleger aktuell sogar die hohe Volatilität im Markt und sind viel weniger verschreckt, sondern viel professioneller als damals. Cafe BE: Merken Sie noch weitere Unterschiede im Verhalten der Kunden? Geiger: Das Volumen ist 2011 schon etwas zurückgegangen, wir alle (Emittenten) haben viel zurückgekauft in den vergangenen Wochen. Wir haben aber auch gesehen, dass die Anleger schon versucht haben, den Boden immer wieder zu erwischen. Und das gilt sowohl für Private als auch für Institutionelle.

Im Cafe BE (v. li.): Christian-Hendrik Knappe (db-X markets), Stefan Hänel (Jaxx), Heiko Geiger (Vontobel), Holger Schmidtmayr (S Immo), Johannes Rogy (Nordea)

Cafe BE: Herr Schmidtmayr, bei den Immobilien gab es ja 2008 den totalen Kurseinbruch, die Erholung erfolgte auf niedrigem Niveau, heuer geht es wieder nach unten. Wie sehen Sie 2008 vs. 2011? Holg er S chmidtmayr: Das ist eine ganz andere Situation. Wir sind 2008 am Ende eines Booms gestanden und das, was passiert ist, hat den Markt vollkommen auf dem falschen Fuss erwischt. Das war vulkanausbruchsartig. Es war eine Finanzkrise aus einer Art, Dinge zu strukturieren. Was wir jetzt haben, ist eine Folge davon – wenn ich Banken stütze, steigt die Staatsverschuldung. Ich glaube, wir haben 2011 keine Finanzkrise, sondern wir haben im Euro schlicht und einfach die Problematik, dass wir nicht über den Framework verfügen, den eigentlich eine Währung braucht. Das Problem ist, dass der Finanzmarkt ganz klare Botschaften will, die Investoren wollen Bottom Line. Beispiel S Immo: Die wollen nicht wissen, wie mein Haus in der Neutorgasse funktioniert, die wollen Bottom Lines, die wollen EBITDA-Guidance, die fragen, wie

wird sich der Cash Flow entwickeln? Wir haben ein kommunikatives oder sogar soziales Phänomen: Es trifft eine Gruppe von Akteuren, die es gewohnt ist, sehr einfache Messages zu „digesten“, geistig zu verarbeiten: A, B, C. Wenn es nicht klappt, macht man eine Gewinnwarnung. Jetzt treffen diese Menschen auf Menschen, die ganz anders agieren, z.B. Interessenskonflikte in Staaten ausgleichen müssen. Da prallen Welten aufeinander. Ich habe Merkel bei Jauch gehört und es war ja auch durchaus gescheit, was sie gesagt hat, aber man will es nicht hören, man braucht A, B und C. Der Lernprozess muss hin zu einfachen Botschaften gehen. Das Problem ist vielleicht gar nicht so schwierig zu lösen, man braucht nur die richtige Strategie. Ich halte das jetzt für weniger ernst als 2008. 2008 hat es wirklich die Chance gegeben, dass kein Geld mehr aus dem Bankomat kommt. Cafe BE: Herr Rogy, Sie sind ja einerseits mit Nordea nahe am Vertrieb dran, andererseits in Märkten tätig, die jetzt sogar


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Cafe BE: Da waren sicher auch Neukunden dabei ... Rogy: Richtig, viele Anleger haben sich das angesehen, weniger aus Renditerwartungen, sondern vielmehr aus Fluchtüberlegungen. Vor zwei Jahren waren es die Privatkunden, die begonnen haben, aus diesen Fluchtüberlegungen in Skandinavien einzusteigen. Jetzt natürlich vor allem die Profis wie Versicherungen, die einfach raus aus dem Euro wollen. Cafe BE: Ziehen jetzt die nordischen Aktienfonds nach? Rogy: Es gibt kleinere Portfoliojustierungen, aber den grossen Effekt sehe ich jetzt noch nicht. Aber vielleicht kann man sich ja gegen Jahresende schön auf niedrigem Niveau eindecken.

„Anleger reagieren nicht so panisch wie 2008, viele freuen sich sogar über die Volatilität“ Heiko Geiger, Vontobel

als Safe Havens gelten. Wie haben Sie die vergangenen Jahre erlebt? Johannes Rogy: Ich glaube, dass der Verlauf an den Finanzmärkten jetzt ähnlich wie nach 2008 sein wird, nach dem Kursverfall wird der Anstieg kommen. Hoffentlich verändert sich im Hintergrund einiges. Grundsätzlich braucht man sich ja nur anschauen, dass es auch Länder gibt, in denen die Dinge funktionieren. Norwegen produziert einen Überschuss, Schweden hat eine Gesamtverschuldung von 40 Prozent, man will auf 25 Prozent runterkommen, Österreich ist im Bereich von 80. Wenn man politischen Willen zeigt, dann geht es auch. Im Produktabsatz ist der Unterschied ein Grosser zwischen 2008 und aktuell. 2008/2009 gab es den Sell Off, die Produkte wurden massiv verkauft. Was wir jetzt hingegen gesehen haben im August 2011 waren massive Währungskaufe über Bonds von Norwegen, Schweden und Dänemark. Das, was wir auf der Aktienseite verloren haben, haben wir auf der Bondseite gewonnen. Diesen Effekt hatten wir vorher noch nie gesehen.

Cafe BE: Es ist schon interessant, den Brokern hat der August mit seinen Shake OutBewegungen das Jahr gerettet, die beiden Derivate-Experten nicken jetzt auch zustimmend und bei Nordea war es der Safe Haven-Effekt ... Und gleich weiter in der Runde: Herr Hänel, die Sportwettenbranche hat noch viele andere Einflussfaktoren wie zB regulatorische Aspekte. Wie haben Sie die vergangenen Jahre zwischen Krise, sportlichen Grossereignissen und Rechtlichem miterlebt? Stefan Hänel: Das Unternehmen insbesondere und auch die Branche in Deutschland hat stark unter der Regulierung in Deutschland gelitten. Wir sehen das grundsätzlich europarechtswidrig, das war das Prägende in den vergangenen Jahren. Es ist natürlich relativ schwer festzustellen, in einem Markt, in dem man wächst, das Parallelszenario aufzustellen, wie ich denn ohne Finanzkrise gewachsen wäre. Man kann hier Annahmen tätigen, aber das sind halt nur Annahmen. Es gibt Leute, die behaupten, dass in Krisenzeiten mehr gespielt wird: Mehr Lotto, mehr Casino. Dem muss man aber eine klare Absage erteilen. Wir arbeiten sehr eng mit Kundenclustern und Statistiken. Man sieht etwa in Spanien, wo die Krise ja stark zugeschlagen hat mit hoher Arbeitslosigkeit: Der Kundenaufbau passt, aber der einzelne Kunde gibt nur noch ein Viertel bis ein Fünftel seiner alten Umsätze aus. Das sehe ich nicht so negativ, denn es kann

für die Zukunft ein guter Hebel sein. Man hofft vielleicht auf den Lottogewinn, aber der Konsum stimmt nicht und damit auch die Budgets für das Glückspiel, die Kunden machen weniger. Das Glückspiel funktioniert also nicht gegenläufig zur Konjunktur, die Branche ist aber nach wie vor ein Wachstumsmarkt, was vieles kaschiert. Sicher wäre das ohne Krise besser gewesen. Die Finanzkrise führt andererseits dazu, dass man in Griechenland und auch Spanien darüber nachdenkt, die Privatisierung voranzutreiben, also Monopolisten teilweise an Private abgeben will. Auch das ist eine Chance. Cafe BE: Wie „alternativ“, rein von der Korrelation her, ist ein Investment in die Glücksspielindustrie mittlerweile? Ist das ein Punkt, den Sie bei Präsentationen anführen, um in Portfolios zu kommen? Hänel: Man muss in der Tat sehen, dass Fondsgesellschaften Interesse an der günstigen Bewertung der Branche bekommen. DWS ist bei uns jetzt mit mehr als fünf Prozent beteiligt. Das zeigt, dass Fonds verstärkt auf das Thema setzen. Man ist immer auf der Suche nach Chancen, Gold

„2008 hat es die Chance gegeben, dass kein Geld mehr aus dem Bankomat kommt“ Holger Schmidtmayr, S Immo


BÖRSE EXPRESS CAFE BE ist ja auch nicht so sicher, wie es scheint. Generell haben wir das Problem, dass aufgrund der expansiven Geldmengenpolitik die volkswirtschaftlichen Rahmendaten nicht mehr zusammenpassen. Cafe BE: Herr Knappe, Sie sind mit db-X markets in einer Branche unterwegs, die

„Die Bondseite macht das wett, was wir auf der Aktienseite verlieren. Das gab es vorher nie“ Johannes Rogy, Nordea

den Investoren Produkte zur Verfügung stellt, mit denen Gewinne in jeder Marktphase möglich sind. Wie läufts? Chris tian-Hendrik Knappe: Ich kann da Vontobel nur beipflichten, es läuft gut, Volatilität ist gut für unser Geschäft, wir können uns da nicht beschweren. Auf der anderen Seite muss ich zugeben, dass ich mich, was unsere eigene Branche betrifft, schon geirrt habe. Die Konsolidierung, die ich für die Zertifikate-Branche erwartet hatte, ist vollkommen ausgeblieben, hat sich sogar eher ins Gegenteil verkehrt. Das ist für mich unverständlich. Die einhellige Meinung in der Branche ist schon seit Jahren, dass wir auf Konsolidierung herauslaufen, aber es passiert nichts. Genauso verhält es sich mit den Märkten: Wir haben die kurzfristigen Geschichten, hier glaube ich, dass der Markt auch wieder

nach oben gehen kann, wenn er sich – auf deutsch – mal ausgekotzt hat. Das vorher genannte A, B, C sehe ich nicht. Es fehlen ja die Botschaften. Während des Oktoberfests sprachen wir über Politiker, die sind ja von Haus aus unterbezahlt. Wer geht in die Politik? Einer, der zweite Wahl ist oder einer, der reich ist wie Guttenberg. Cafe BE: In Österreich haben wir noch den Aspekt, dass es im Politikerjob schön klingeln kann... Knappe (lacht): Das gibt auch bei uns, doch zurück zu unserer Branche: Wir sind nicht die Trendsetter, die Trends auslösen, aber wir probieren, rasch auf Geschehnisse aufzuspringen und Produkte zu bringen. Anleger, die auf der falschen Seite gewesen sind, sehen uns auch auf der Glücksspielseite. Und kein Vorwurf an die Glücksspielindustrie, denn da wie dort ist es ein ganz transparentes Geschäft, man muss es nur verstehen wollen. Alles ist verbrieft, alles kann man nachlesen. Wohin geht unsere Branche? Also das grosse Wachstum sehe ich nicht, weil die Leute verunsichert sind. Ich gebe Vorrednern recht, die gesagt haben, dass 2008 ein Schock war. Mittlerweile sind die Anleger jedoch bereit, sehr viel an Bad News zu verdauen. Ein Beispiel ist 9/11: Heutzutage kann man sich leider vorstellen, dass sonstwas passiert, und nichts mehr die Leute wundert. Das gilt auch für die Krisenseite, da kann nichts mehr überraschen. Man wird abgeklärter. Das ist krank, denn Planungssicherheit ist nicht mehr da. Die Volatilität ist riesig, das ist gut für unser Geschäft, aber bedenklich. Ich hatte früher Jaxx, damals Fluxx. gehandelt, das war eines der schwankungsintensivsten Papiere. Mittlerweile hab ich das bei einer Commerzbank-Aktie aber auch. Die Glücksspielindustrie hat heute fast schon mehr Planungssicherheit als die Banken, da geht es ja langsam in Richtung Enteignung, wenn es nach den Wünschen der Politik geht. Vielleicht sitzen wir Banker ja hier in Kürze als Beamte des Staates. Schmidtmayr: Es war ja interessanterweise gerade die USA, die vor zwei Jahren die Banken zwangsverstaatlicht hat. Hänel: Das Problem ist, dass die Politik meint, sie müsse mehr Kontrolle bekommen. Das macht mir Sorgen, das kann ja

nicht funktionieren. Aber es stösst bei einer relativen breiten Schicht der Bevölkerung auf Zustimmung. Wir geben immer mehr Freiheit ab, die Märkte haben ja auch eine gewisse Selbstheilungskraft. Rogy: Die Rettung der deutschen Banken hat in der letzten Krise mehr Geld geko-

„Es ist ein Irrglaube, dass in Krisenzeiten mehr gespielt wird. Das Gegenteil ist der Fall“ Stefan Hänel, Jaxx

stet als die Griechenland-Rettung, darüber wurde aber nicht so gross geredet. Cafe BE: Ich möchte jetzt in der zweiten Runde auf Österreich zurückkommen und zur Bedeutung von Österreich für Sie als Anbieter. Vier internationale Teilnehmer und der traditionsreichste österreichische Immo-Aktien-Anbieter. Beginnend mit S Immo aber zunächst umgekehrt: Welche Bedeutung haben internationale Investoren, ich denke da zB an die Länder, in denen die Erste Group eine starke Stellung hat, für die S Immo? Schmidtmayr: Wir sind seit fast 25 Jahren an der Börse in Wien. Bis zur Ostöffnung war das eine reine österreichische Privatanlegersache, die Volatitilität war gering. Wenn ich aber jetzt zB in Bukarest ein Einkaufscenter für 200 Mio. errichte oder in Budapest um damals die Schilling-Milli-


BÖRSE EXPRESS CAFE BE tie, obwohl man dafür fast zwei Häuser bekommt, sinnbildlich. Cafe BE: Habt Ihr auch Privatanleger aus anderen Ländern gewinnen können? Sch midt may r: Null. Zwar gibt es zB in Tschechien viel Geld, aber Aktien werden auch nicht so gekauft, in Rumänien wird das noch länger dauern.

„In Österreich habt Ihr Online-Broker mit extrem hoher Kompetenz. Das ist wichtig für uns“ Christian-H. Knappe, db-X Markets

arden baue, dann ist das durch österreichische Private nicht aufzustellen. Wir haben daher internationale Investoren aus London oder New York angesprochen, auch Hedge Funds waren interessiert. So hat sich der Aktionärsmix dramatisch verändert. Die Anfälligkeit für Schwankungen ist jedoch markant gestiegen. Aktuell sehe ich auf den Roadshows, dass die Fondsmanager nach Hard Assets fragen. Ein Asset Manager, der zB ein Familienvermögen verwalten soll, fragt nach Zinshäusern in Berlin, in Wien. Es ist ein eindeutiger Trend zu Hard Assets, obwohl ich viele Aktien deutlich unter dem NAV bekomme, ja sogar zum halben NAV. Das ist verwunderlich, aber es ist so. Für uns ist das auch nicht unerfreulich, weil wir gute Nachfrage nach den Immobilien haben, Neutorgasse hat satte 16.000 Euro/m2 Preis, aber die Nachfrage ist riesig. Wir sehen Konträres: In den USA geht der Shiller-Index seit fünf Jahren nach unten, in Wien und Berlin steigen die Preise. Der Unterschied ist die Sparquote, wir haben in Mitteleuropa eine breite Schicht, die über viel Equity verfügt. Die wollen zB Häuser als Hard Assets lieber als die Ak-

Cafe BE: Dabei hat mir ein Broker-Kollege unlängst im Cafe BE erzählt, dass man „desto weiter in den Osten, desto mehr Spekulation“ sagt. Aktie ist halt wohl doch nicht Spekulation ... Knappe: Da möchte ich gerne einhaken, ich kann das bestätigen, viele Osteuropäer sind auch gute Kunden von uns geworden. Die zocken wie verrückt, alles oder nichts. Wir können schon fast einen eigenen Postboten engagieren, so viel Prospektmaterial geht nach Osteuropa. Das Interesse an den Hebelprodukten ist gewaltig, aber dass sie kaum Aktien kaufen, wissen wir auch. Cafe BE: Und wie sieht es mit Institutionellen aus? Nach wie vor USA, Herr Schmidtmayr? Schmidtmayr: Auch hier nein. Die US-Institutionellen haben wir fast alle verloren, ich fahre auch nicht mehr nach New York, die Stimmung ist einfach zu schlecht. Es schichtet sich trotzdem ein bisschen um weg von Privaten, wir haben jetzt rund 25.000 Private, früher rund 30.000. Die Anzahl der Institutionellen steigt, sie fungieren als Bottom Fisher bei den aktuellen Kursen. Cafe BE: Herr Geiger, Sie sind bei Vontobel in Ihrem Bereich für Österreich und Deutschland zuständig. Welche Bedeutung hat da das kleine Österreich? Geiger: Wenn man die beiden Märkte miteinander vergleicht, dann sieht man ähnliches Anlegerverhalten, etablierte Zertifikatemärkte und natürlich die gleiche Sprache. Die Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und Österreich sind wesentlich grösser als jene zwischen Deutschland und der Schweiz. Da bietet es sich natürlich an, die beiden Märkte gemeinsam zu verwalten. Auch bankintern gibt es gute Gründe: Wir haben eine Bank mit

Vermögensverwaltung, das Fondsmanagement für Osteuropa in Österreich. Was wir an Flow sehen, ist in erster Line das, was über die Onlinebroker direkt aus Österreich zuordenbar kommt. Wenn direkt über die Börsen gehandelt wird, ist das schwerer zuordenbar. Wenn man Marketingkampagnen in Österreich fährt, ist das auch recht gut messbar. Unsere Strategie ist die gleiche wie für den deutschen Markt auch: Wir sind stark bei Aktienanleihen und Discountzertifikaten. Was wir nicht so gut können, ist der Bereich Kapitalschutz. Da ist unsere Bonität – ähnlich wie bei der Deutsche Bank (Anm.: Knappe nickt) - zu gut, um kompetitive Konditionen anbieten zu können. Das ist nicht unser Geschäft, auch nicht für den deutschen Markt, da muss der Anleger auf andere Emittenten und letztendlich auch auf andere Risiken zurückgreifen. In Kürze werden wir Hebelprodukte für Österreich verstärken; Strukturen, die wir in Deutschland anbieten, auch in Österreich starten. Da haben wir mit der OeKB schon vieles geklärt. Cafe BE: Und wenn es einen kleinen Unterschied zwischen Österreichern und Deutschen im Anlegerverhalten gibt ... was wäre das? Geiger: Der Selbstentscheider verhält sich hier genauso wie der Deutsche auch, die Vertriebskunden haben wir nicht, damit sehen wir deren Nachfrage auch nicht. Der


BÖRSE EXPRESS CAFE BE

Selbstentscheider geht auf die etablierten Finanzportale und informiert sich. Cafe BE: Herr Rogy, Sie sind schon lange Jahre für den österreichischen Markt für Nordea zuständig. Rogy: Im 11. Jahr ... Cafe BE: Sind Sie auch für weitere Länder zuständig? Rogy: Osteuropa ist in meine Verantwortung nach und nach dazugestossen, die Bedeutung ist aber noch nicht so gross. Recht stark ist das Baltikum, dann Slowenien, dann Ungarn. In den anderen Ländern sind wir eher Beobachter, auch bedingt durch Kapazitätsgründe. In Summe ist die Stellung von Österreich gut, es gibt hier gutes Geschäft, wir haben auch bei den Beratern schon Tradition. Cafe BE: Und wie würden Sie den Österreicher einstufen? R ogy: In Osteuropa nimmt man sicher mehr Risiko. In Österreich haben wir heute natürlich andere Produkte als vor zehn Jahren und da entwickelt sich das Kundeninteresse mit. Es gibt immer Interesse für neue Produkte. Cafe BE: Und Jaxx hat ja sogar österreichische Wurzeln, Herr Hänel ...

Hän el: So ist es, 1999 hat ein findiger Gründerkreis zwei Unternehmen mit aufeinanderfolgenden Handelsregisternummern in Vorarlberg angemeldet. Die wurden im Jahr 2000 wieder verkauft. Das eine ist die heutige bwin, das andere gehört zur heutigen Jaxx-Gruppe. Wir arbeiten auch noch heute mit der österreichischen Lizenz. Cafe BE: Und welche Bedeutung hat der österreichische Markt für Jaxx? Hänel: Es ist natürlich ein kleiner Markt, bedingt gesättigt, nicht uninteressant. Cafe BE: Hat der Österreicher ein typisches Wettverhalten? Hänel: Der Österreicher wettet auf deutsche Mannschaften (lacht). Cafe BE: Herr Knappe, wie sieht es bei dbX markets aus? Knappe: Ich bin für Österreich zuständig, aber musste nach und nach auch für den deutschen Markt einiges mitübernehmen. Wir sehen, dass der Österreicher stark auf den DAX geht, der Trader sucht Liquidität, es hilft ja nichts, wenn der ATX-Future nicht mehr gehandelt wird, wenn mal Druck aufkommt. Wir haben das alle noch im Hinterkopf, als der ATX-Future 2008 lange unter der Kassa notiert hat.

Cafe BE: Das waren damals sogar 100 Punkte, man konnte nur den Kopf schütteln; Kapitalgarantien und so ... Knappe: Seitdem versuchen die Österreicher eher was im DAX zu machen, wir haben mit unseren Informationen und Newslettern auch darauf reagiert und beschreiben nun auch für die Österreicher Underlyings aus dem DAX. Ich glaube, das war die richtige Entscheidung. Das Österreich-Geschäft ist für uns wichtig: Gemeinsame Sprache, Tor zu Osteuropa, wie auch Heiko Geiger gesagt hat, und so weiter. Dazu gibt es sehr hohe Kompetenz der Online-Broker in Österreich. Ich siedle die Kompetenz Eurer Online-Broker über jener der Broker in Deutschland an. Das ist für uns sehr wichtig, weil direkt geht es für uns in Osteuropa nur schwer, da sind die Broker ein wichtiger Hebel. Ich glaube, wir haben uns in Österreich gut etabliert, fühlen uns hier wohl und wollen in Österreich einen guten Job machen. Auch weiterhin. Interview: Christian Drastil Fotos: Martina Draper

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BÖRSE EXPRESS CAFE BE Experten für Austro-Aktien nennen ihre Favoriten für das Schlussquartal

Unsere wenigen Hoffnungsträger im Q4 und die Sache mit Fekter und Faymann Detaillierte Sager zu Post, Amag, Andritz, voestalpine, Erste, Immofinanz, Semperit, conwert, BWT und Telekom gab es am 3.10. im Cafe BE. Cafe BE: Der Termin mit den ÖsterreichAktienexperten hat zu Quartalsbeginn im Cafe BE bereits Tradition. Herr Reisenberger, Sie nannten vor drei Monaten voest, Andritz und CA Immo als Ihre Favoriten für das Quartal. Bitte um kurze Kommentare zu diesem Trio bzw. die Frage, wie das neue Trio für das Schlussquartal aussieht ... Alfred Reisenberger: Die drei Titel zählten im Q3 zu den vielen Verlierern, voestalpine hat es besonders stark erwischt. Die Gründe sind bekannt, es gibt ja keine Mikro-Gründe, warum nicht performt wurde, sondern rein Makro-Gründe. Zahlen, die die Schwäche erklären, gab es keine, aber Befürchtungen, mit denen man die Schwäche begründet. Andritz ist von der Bilanz her etwas besser als voestalpine, vom Management her sind Andritz und voestalpine ähnlich gut. Sie können sich erinnern: Ich war schon vor einem Quartal der einzige in dieser Runde, der gesagt hat, dass Wien nicht outperformen wird. Eine Outperformance sehe ich auch künftig nicht, dazu sind einfach viel zu viele Dinge passiert in Österreich. Es gibt leider nur noch eine oder zwei Handvoll Unternehmen, in die man investieren kann. Was sind nun meine drei Titel für das 4. Quartal? Es ist nicht leicht, man könnte zB jene Titel nehmen, die im 3. Quartal am meisten verloren haben. Auf jeden Fall zählt Andritz dazu, ich glaube auch, dass die Banken nicht so uninteressant sind, wenn man es Hardcore haben möchte. Die Erste Group ziehe ich der RBI vor, weil bei zweiterer die Gefahr einer Kapitalerhöhung grösser ist. Dazu vielleicht als defensivere Beimischung die Post. Also Andritz, Post und Erste Group.

Im Cafe BE (v. li.): Wolfgang Matejka (Matejka & Partner Asset Management GmbH), Stefan Maxian (RCB), Alfred Reisenberger (Wiener Privatbank), Günther Artner (Erste Group)

Cafe BE: Im Q3 hatten Sie noch die CA Immo dabei. Vielleicht ein paar Worte zu den Immo-Aktien generell ... Reisenberger: Was man gesehen hat, ist, dass der Abschlag zum Net Asset Value nach wie vor grösser als im Durchschnitt Europas ist, in der Schweiz gibt es beispielsweise sogar einen kleinen Aufschlag zum NAV. Wir haben jetzt eine Phase, in der fast alle Asset-Klassen gefallen sind, so halt auch die österreichischen ImmoAktien. Eine Einschätzung, was das gesamthafte Bild betrifft, ist schwer. Das Spannende ist, dass sich jeder Tag anders gestaltet. Cafe BE: Herr Artner, RHI, OMV und Immofinanz war Ihr Trio für das Q3. Bleibt es dabei? Günther Artner: Die Immofinanz hat sich rein vom Fundamentalen her wie erwartet entwickelt. Der einzige Mikrofaktor sind die Wandlungen der 2011er-Wandelanleihen, die noch in dieser Woche auf den Kurs drücken. Aber Donnerstag ist dieser temporäre Effekt dann beendet.

Cafe BE: Donnerstag ist die Immofinanz auch bei Euch in Stegersbach zu Gast ... Artner: Genau. Wobei die Wandlung bis Donnerstag geht, aber man die Auswirkungen an der Börse noch ein paar Tage länger sehen wird. Ich sehe hier aber eine einmalige Gelegenheit, bei der Immofinanz zuzuschlagen. Wir haben eben einen Immo-Report präsentiert. Die Immofinanz ist die Günstigste auf Buchwert-Basis, sie ist Günstigste auf Cash-flow-Basis, sie ist die Liquideste und noch dazu das am wenigsten verschuldete Unternehmen der Branche. Vielleicht gehen wir noch unter 2 Euro, da gibt es einige Knockout-Produkte mit 2 Euro Barriere. Unter 2 Euro ist eine super Gelegenheit in diesem Jahr. Ich nehme vorweg, dass die Immofinanz auch in meinem Q4-Trio bleiben wird. Bei der RHI hat der Managementwechsel belastet. Dort passiert das zu oft und das schmeckt nicht gut. Sonst hätte ich hier nichts Negatives gesehen, einzig vielleicht, dass die Spekulationen über ein Zusammengehen mit Magnesita zurückgegangen sind. Da hat sich gar nichts getan, man


BÖRSE EXPRESS CAFE BE dachte erst, dass Struzl vielleicht ein CEO ist, unter dem das kommt. Aber der Baustart der RHI in Brasilien ist eher als feindseliger Akt gegen Magnesita zu werten. Die Zusammenschluss-Fantasie ist kurzfristig weg. Die RHI ist zwar nach wie vor ein Buy von uns, ich wechsle aber zur voest als Top-Pick. Die Aktie steht jetzt knapp über 20, in der Lehman-Krise ging sie unter 10. Wenn ich mir aber ansehe, wie in der Zwischenzeit die Verschuldung gesunken ist, dann sprechen wir da von 10 Euro je Aktie. Der Enterprise Value ist wieder dort, wo er im Tief war, man muss sich die Dividendenhöhe ansehen, da kann es in Richtung 4-5 Prozent Rendite gehen. Der Verschuldungsgrad ist zwar etwas höher als bei Andritz, aber ich wechsle zur voestalpine. Bei OMV stehen wir auch bei knapp über 20 Euro, unter Buchwert, bleibt auf Buy. Aber auch ich nehme einen etwas defensiveren Wert als dritten Titel dazu, die Post gefällt mir da durchaus, aber ich nehme Semperit, weil ich da ein bisschen mehr Kursupside und Wachstumskomponente habe. Cafe BE: Das ATX-Ausscheiden ist kein Thema bei Semperit? Artner: Das ist nicht wirklich das Thema, die Aktie war ja immer ein Wackelkandidat und wenn sie sich stabil entwickelt, ist sie vielleicht bald wieder im ATX, allzu viele Börsegänge wird es ja nicht geben. Cafe BE: Also Immofinanz, voestalpine und Semperit. Vielleicht ein Satz zur Strabag, die Ihr zwischenzeitlich auf Buy hattet und die Euch im Salus Alpha AnalystAward sehr aussichtsreich positioniert hat ... Artner: Die Strabag hat sich angeboten mit dem Aktienrückkauf, die haben das aggressiv gemacht. Das Verhalten war zwar nicht ganz wie angekündigt, weil man ja eigentlich bis Buchwert kaufen wollte, aber Strabag war der beste der grossen Titel im Q3 und hat auch den Sektor massiv outperformt. Jetzt ist die Luft dünner geworden, daher haben wir rückgestuft. Cafe BE: Herr Maxian, Immofinanz und RHI hatten Sie im Q3 wie auch Günther Artner in der Auswahl, dazu die Semperit, die Herr Artner jetzt für das Q4 hat.

„Andritz, Post, Erste Group”

Eigentümer, die an einem hohen Aktienkurs interessiert sind, und conwert ist etwas defensiver als Immofinanz. Die Aktie zeigt bei weitem nicht das, was österreichische und deutsche Wohnimmobilien zeigen, die Osteuropa-Komponente könnte ein kleines Problem sein. conwert hat einen deutlichen Abschlag zu den deutschen Peers, da geht es leider immer nun um die Vertrauensprobleme aus der Vergangenheit, das gilt nicht im Speziellen für die conwert, sondern für alle österreichischen Immo-Unternehmen. Als defensives Unternehmen gefällt uns auch klassisch die Post, die Quartalszahlen sollten aufgrund der jüngsten Tariferhöhungen im Mai recht gut ausfallen. Als drittes Unternehmen wähle ich die Amag. Das aufgrund der Tatsache, dass Aluminium recht gut gehalten hat, auch davor allerdings unter den Industriemetallen am wenigsten gewonnen hat. Kapazitäten wurden von den Aluminiumerzeugern bereits aus dem Markt herausgenommen, daher rechnen wir jetzt nicht mit einer negativen Reaktion. Die Aktie ist unter den Basic Materials ein defensiverer Wert, das 2. Quartal war hervorragend, mit Jahresende sollte das Unternehmen wie zB Andritz NettoCash-positiv sein, da gibt es weniger Spekulationen bezüglich Finanzierungen, Rollvorgängen oder so.

Alfred Reisenbergers Q4-Favoriten

Cafe BE: Also conwert, Post und Amag. Maxian: Genau.

Hat sich bei Ihnen was verändert bei den Favoriten? Stefan Maxian: Die Semperit hat gut gehalten, vor allem in den vergangenen Wochen, wir hatten sie damals defensiv drinnen. Die Zahlen der Semperit waren passabel, das Management zeigt verstärktes Committment, was den Kapitalmarkt betrifft. Das wird der Aktie, glaube ich, ganz gut tun. Immofinanz war im Rahmen der Erwartungen, bei RHI gab es sehr gute Zahlen, der Wechsel im Management hat die Magnesita-Fantasie etwas eingedämmt, das sehe ich wie Günther Artner. Für das Q4 sind wir doch sehr vorsichtig, wir sehen nicht, warum der Markt drehen sollte. Die Immofinanz lasse ich auf Kauf, aber wir drehen auf conwert. Da gibt es

Cafe BE: Herr Matejka, Sie waren vor einem Quartal nicht in dieser Runde dabei. Trotzdem die Bitte um einen Rückblick: Wer hat positiv bzw. wer hat negativ überrascht und abschliessend dann drei Tipps. Wolfgang Matejka: Positiv überrascht hat mich trotz der schwachen Performance die voest. Und zwar aufgrund des Ausblicks und der Bestätigung der industriellen Auftragslage. Auch das Selbstbewusstsein der Aktiengesellschaft im Verhältnis zur 2008er-Krise hat überrascht. Auch viele anderen Gesellschaften sind jetzt deutlich offensiver, sie haben ihre Verbindlichkeiten reduziert und sind damit krisenresistenter, die Verantwortung im Management kommt jetzt stärker hervor. Wen möchte ich noch hervorheben? Die Andritz ist beeindruckend, das, was die


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Post aus sich gemacht hat, ist ein Ongoing Process, auch das ist beeindruckend, gefällt mir gut. Die Ergebnisse der Amag haben mir sehr gut gefallen, auch die Art und Weise wie sich der Konzern mittlerweile aufgestellt hat. Zwei, drei Fragezeichen bleiben freilich, aber das hat mit den Ergebnissen der Amag nicht viel zu tun. Die Immos enttäuschten weiter, auf den NAV fehlt noch viel, das Thema Vertrauen wurde bereits genannt. Bei den Banken kann man ebenso nicht viel Schlechtes finden, die haben angesichts der Probleme einen guten Job gemacht. Auch die Versicherungen waren okay, bei der Uniqa wurde noch das eine oder andere reingepackt. Es gibt wenig Erschreckendes und viel Bestätigendes. Trotzdem passte die Performance überhaupt nicht und jetzt könnte auch noch Osteuropa als risikoerhöhender Faktor für unseren Markt dazukommen. Cafe BE: Und die drei Top-Tipps? Matejka: Schade, dass die Amag schon genannt wurde, bei mir ist sie in der Fledermaus-Allocation, der BAT, dabei: BWT, Amag und Telekom Austria. Cafe BE: Ist das offizielles Matejka-Wording oder ist Ihnen BAT jetzt im Laufe des Cafe BE eingefallen? Matejka (lacht): Das BAT ist hier entstanden, die Titel habe ich mitgenommen. Bei der BWT hat sich in der Aktionärsschicht ein wenig verändert, vielleicht ergibt sich da was. BWT hat sich im Hintergrund mehr bewegt, als man nach aussen gesehen hat. Wasser als Rohstoff hat sowieso hohen Sexappeal. Wenn man sich die Mühe macht und die Wassertechnologie-Unternehmen-Historie an den Börsen ansieht, dann kommt man drauf, dass von 50 nur 10 an der Börse überlebt haben. Bei BWT gibt es auch den Eyecatcher mit der Brennstoffzelle, BWT-Chef Andreas Weißenbacher sammelt Patente, andere sammeln Oldtimer. Patente werden wichtiger, gerade bei diesen Bewertungen. Motorola ist ja auch nicht übernommen worden, weil sie Handys bauen können. BWT birgt viel Hidden Value in sich, ich hoffe, dass man da etwas sehen wird und das schon in naher Zukunft. Dann Amag: Die Alouette ist alleine so viel wert wie die ganze Amag

gangs auch erwähnt wurde. In Stegersbach wird es heuer weniger Präsentationen geben, weil wir mehr auf Oneon-Ones gehen. Im Vorjahr hatten wir 75 Unternehmen, das war fast zu viel für den One-onOne-Plan, heuer sind es bewusst ca. 20 Unternehmen Günther Artners Q4-Favoriten weniger. Bei den Investoren haben wir 90, an der Börse. Das sind Themen, die die im Vorjahr 100. Einige grosse Teilnehmer Amag als breit aufgestellten Konzern er- aus Deutschland sind heuer nicht dabei, kennen lassen, der sogar leicht defensiv dafür neue Investoren aus Osteuropa, für ist. Aluminium wird nie die Stahlrolle im die Stegersbach logistisch gut liegt. Auch Automobilsektor haben, aber zB im Renn- Erste-Analysten und Salesleute aus andesport tut sich viel, auch bei Amag. Über ren Ländern werden vor Ort sein. Ich finNamen spricht man nicht. Dazu kommt de dieses Get together mit den Unterdie gute Recycling-Technologie der Amag, nehmen wichtig, es ist gut, wenn man auch man braucht wenig Energie und wenige mal an der Bar gemeinsam ein Bier trinkt CO2-Zertifikate. Die EBIT-Marge ist gut. und sich nicht nur auf Roadshows trifft. Bleibt die Telekom Austria: Ich glaube, Weiters im 4. Quartal haben wir unser indass sich da auch wieder andere Themen ternes Analystenmeeting im Oktober, für etablieren werden, die den wahren Wert das wir einmal im Jahr zusammenkomder Firma wieder in den Mittelpunkt rük- men. Dann kommt noch New York, das ken könnten. Die innere Profibilität der machen wir zum 7. Mal mit Auerbach Company ist gut, es fehlen ein paar Schrit- Grayson. te, aber da ist viel möglich. Cafe BE: Wann findet New York heuer Cafe BE: In der zweiten Runde möchte statt? ich auf das Tagesgeschäft eingehen. Was Artner: Das Wochenende zum 28. Nosteht im Q4 neben unserem Salus Alpha vember, das ist gut nachgefragt. Und hofAnalystAward, der heuer am 5.12. statt- fen wir, dass das Schlussquartal wenigfindet, sonst noch an? Ich beginne bei der stens eine Spur besser läuft. Erste Group, da haben wir aktuell ja ge- Alle: Wir sind froh, wenn dieses Jahr vorrade Stegersbach laufen. Das Highlight bei ist. des Quartals für die Analysten? Artner: Stegersbach ist so, dass jeder aus Cafe BE: Ist es so, dass in solchen Jahren dem Österreich-Team zumindest 2 – 3 die Bücher früher zugehen? Tage vor Ort ist. Ich selbst bin heuer erst- Reisenberger: Das ist ja ein willkürlicher mals nicht die ganze Woche dort, weil ich Zeitpunkt. noch einen Abstecher zur Expo Real in Matejka: Das Problem ist schon, dass langMünchen mache; wir präsentieren dort fristige Investoren dann letztendlich doch unseren neuen Immo-Report, der ja ein- nur auf den Bilanzstichtag schauen und

„Immofinanz, voestalpine, Semperit“


BÖRSE EXPRESS CAFE BE plötzlich täglich traden oder aussteigen. Das ist ein Händlermarkt geworden ohne Ende. Man kauft hohe Futures-Mengen in Millisekunden, aber kauft man dann Aktien, zittert man sich mit Limit hin. Cafe BE: Herr Reisenberger, die Wiener Privatbank hat ja vor wenigen Tagen bereits einiges verlautbart. Wenn man Ihren Namen googelt, so findet man natürlich viele Meinungen zu Aktiengesellschaften.

schon Leute (Anm.: blickt anerkennend in Richtung Matejka), die viel erreicht haben, dort wollen wir hin. Es ist eine schwierige Zeit, aber wir haben auch bei Cheuvreux in einer schwierigen Zeit viel geschafft. Jetzt machen wir etwas Neues. Wenn es um das Geld fremder Leute geht, ist man demütig. Ich selbst habe heuer auch viel Geld an der Börse verloren, aber das sieht man relaxter. Im Fonds, in der Vermögenswaltung tut das sehr weh.

Cafe BE: Es soll ja auch Leute geben, die den Tipps von Analysten gefolgt sind oder folgen ... (alle lachen) Reisenberger: Ich werde meine Vergangenheit nicht leugnen, werde den fundamentalen Ansatz – ich kenne die meisten Unternehmen sehr gut und habe für die meisten Unternehmen Modelle, die ich auch weiterführen werde – fortsetzen. Ich werStefan Maxians Q4-Favoriten de auch versuchen, die Unternehmen so Was wird man künftig von Alfred Reisen- oft wie möglich zu treffen, um daraus Ideen zu generieren. Das Problem ist, dass berger lesen bzw. hören? Reis enberger: In der Wiener Privatbank der Wiener Markt einfach zu klein wird. gibt es ja einen sehr erfolgreichen Immo- Unternehmen sind entweder einfach bilien-Ast, eben durch die beiden Haupt- schlecht wie die Intercell und es gibt Skaneigentümer Kerbler und Kowar. Die ma- dale wie bei der Telekom, auch eine Amag chen das, was sie gelernt haben, sehr gut. hat sich vor dem IPO nicht mit Ruhm bekleckert. Wien ist für unsere WachstumsCafe BE: Eine neue conwert, wie man am pläne zu klein, wir müssen uns regional Markt immer wieder bei fortgeschrittener verbreitern, auch wenn es aktuell nur zwei kleine Fonds gibt. Verbreitern aber nur in Bierlaune murmelt? Reisenberger: Nein, überhaupt nicht. Im- Bereichen, in denen wir uns heimisch fühmobilien bleiben wichtig, aber eine neue len. Niemand würde einen Spanien-Exconwert wird es nicht. Nun soll auch der perten Alfred Reisenberger ernstnehmen. kleine Bereich des Asset Managements Was kommt an Produkten? Im Aktienbewachsen, wir haben grosse Pläne, sehen reich wollen wir etwas noch vor Weihdas aber auch voller Demut, es gibt da nachten bringen.

„conwert, Post, Amag”

Cafe BE: Die Wiener Privatbank ist ja selbst auch an der Wiener Börse notiert ... Reisenberger: Und vielleicht sogar die beste Bankaktie. Cafe BE: Gemeinsam mit der ... Matejka: ... Oberbank. Cafe BE: Nein, Spass beiseite. Ist etwas geplant mit der Börsepräsenz? Reisenberger: Das ist Sache der Eigentümer, ich weiss da jetzt auch wirklich nicht Bescheid. Höchstwahrscheinlich kostet es jetzt mehr, als es bringt. Cafe BE: Herr Maxian, was sind bei Euch die Termine im Q4? Maxian: Wir sind dabei, zu überlegen, wie unser Universum für das nächste Jahr aussieht. Es ist jetzt noch zu früh, aber wenn man sich die Liquidität ansieht, so ist das natürlich alles andere als motivierend. Ausbauen werden wir eher nicht, am Grundkonzept wird sich aber wohl auch nichts ändern. Grossartige Sprünge sind vorerst nicht zu erwarten. Wir haben unser Team in Wien stabil gehalten, zwei Abgänge, zwei Zugänge. Das Committment zum Research bleibt bestehen. Zu den Terminen: Einige Roadshows, aber nichts Aussergewöhnliches, die Vorbereitungen für Zürs Anfang April 2012 gehen auch schön langsam los. Cafe BE: Besuchen eigentlich die Analysten anderer Banken auch Eure Konferenzen? Sind diese zugelassen? Maxian: Nein, das ist ja auch nicht die klassische Analystenveranstaltung. Artner: Auch nicht für Journalisten, das hatten wir einmal gemacht, aber nicht wieder. Cafe BE: Herr Matejka, was sind für Sie die Termine, auf die man nicht verzichten kann? Matejka: Stegersbach und Zürs, weil das angesprochen wurde, das sind schon Musts, wobei sich die Charakteristik hier schon ein wenig unterscheidet. Stegersbach ist stärker die Arbeitskonferenz, Zürs ist von der Umgebung her mit mehr Erschöpfung verbunden. Die fachlichen Aktivitäten sind die gleichen, aber Wellness ist nicht gleich Skigebiet, wobei man des-


BÖRSE EXPRESS CAFE BE halb nicht hinfährt, da täte es genug Einladungen ähnlicher Natur geben. Diese beiden Veranstaltungen würde ich als Muss bezeichnen, das Programm der Bank Austria in Kitzbühel schwänze ich seit Jahren, werde vielleicht deswegen nicht mehr eingeladen. In Summe gibt es weniger Veranstaltungen als früher, das wird aber mehr als ausgeglichen durch One-on-Ones. Die Perspektive bei den Analysten ist viel besser geworden, weil viel mehr Dialog besteht. Auch wir setzen darauf, zuletzt hatte ich sogar die Novartis bei mir. Das Bewusstsein ist gestiegen und ich nehme den volleren Terminkalender gerne in Kauf. Cafe BE: Im Markt spricht man über eine grosse Veranstaltung der FMA mit ca. 500 Leuten, die Ende September stattgefunden hat. Waren Sie dabei? Matejka: Ja. Cafe BE: Über Faymann und Fekter wurde danach im Markt viel geplaudert ... Matejka: Fekter war fachlich und inhaltlich sehr gut, die positive Überraschung. Sie ist auch motivierend und überzeugend umfassend rübergekommen. Sie hat ihre eigene Art, aber das war wirklich gut. Cafe BE: Und Faymann? Matejka: Gleich in der Früh; und im Anschluss gab es sehr zähen Applaus, wenn ich das so sagen darf. Cafe BE: Gibt’s noch ein Anliegen? Matejka: Was ein Thema werden könnte in Wien, ist auch das Sentiment gegenüber Asien und Brasilien, einzig bei der RHI spricht man über Brasilien. Da bin ich nicht sicher, ob jeder vorbereitet ist. In China spielt es sich schon ziemlich ab. Cafe BE: Es gibt also auch noch Motive für prolongierte Wien-Schwäche. Reisenberger: Was ist sagen möchte: Das Thema Zertifikate, das gehört verboten. Cafe BE: Ich bin ja Zertifikate-Fan und eher ETF-kritisch nach den jüngsten Entwicklungen ... Matejka: Ja, als Fondsanbieter muss man sich bis auf die Unterhose ausziehen, in anderen Bereichen geht viel durch. Rei senberger: Das Short-Selling-Verbot bei Banken ist lächerlich, bei den Zertifi-

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„BWT, Amag, Telekom Austria“ Wolfgang Matejkas Q4-Favoriten

katen kümmert sich niemand. Matejka: Die Zertifikate-Anbieter sind sehr intelligent, eine Finanztransaktionssteuer könnte die Produkte aber teurer machen, da sie aus vielen einzelnen Bestandteilen bestehen. Das Antizipieren von KnockOut-Schwellen und deren Folgewirkungen ist ein Händleransatz, der mir nicht gefällt. Das Thema ETF sehe ich auch sehr kritisch. Reisenberger: Mein Traum von Börse wäre Long/Short Aktien und vielleicht auch noch Absicherungen via Futures und Optionen. Matejka: Die zweite Ableitung ist schon gefährlicher ... Cafe BE: Gammabomben. Maxian: Die letzte Abwärtsspirale 2008 haben viele Leute noch am gleichen Arbeitsplatz erlebt, da kann man nervös werden. Art ner: Dabei ist das rein von den Gewinnschätzungen her überhaupt nicht mit Lehman vergleichbar, das ist viel flacher. Viel ist da jetzt auf Verdacht. Reisenberger: Henne/Ei. Artner: Ein Wort noch zu Osteuropa, die waren ja vor drei Jahren kollektiv die Bad Guys, jetzt liegen sie im Vergleich gut. Reisenberger: Osteuropa ist massiv überschätzt. Matejka: Eine Zeitlang kamen aber 50 Prozent des ATX-Gewinns aus CEE. Maxian: Ich glaube, man wird in ein paar Jahren nicht mehr von Osteuropa spre-

chen, das wird inhomogener wie auch in Westeuropa. Artner: Genau. Polen und Tschechien sind in Wirklichkeit Stars, grosse und starke Märkte. Für die Wiener Börse schade ist, dass die Länder jetzt in ihrer Beschleunigsphase doch ein wenig erstickt werden. Das betrifft Erste, VIG, Immofinanz und viele mehr. Matejka: Mir gefällt die Griechenland-Idee von Roland Berger. Das entschuldet die Griechen auf Basis ihrer eigenen Assets. Das ist doch viel gescheiter als der Haircut. Aber niemand redet ernsthaft darüber oder schreibt darüber. Reisenberger: Mittlerweile gibt es ein Ressentiment der Amerikaner gegenüber Europa. Es ist ein Machtkampf geworden. Matejka: Euro-Bashing. Reisenberger: Die Amerikaner wollen, dass man Griechenland fallen lässt, die Europäer nicht. Matejka: Das hat Fekter bei der FMA-Tagung auch gesagt ... „ned, dass Sie glauben, ich sag das nur da, das kriegt der Trichet genauso um die Ohren“. Reisenberger: Die ist auch eine der wenigen, die in den internationalen Medien stets auf den Titelseiten ist. Interview: Christian Drastil Fotos: Martina Draper http://www.boerse-express.com/cafebe http://www.boerse-express.com/roadshow


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Teil 2 der Cafe-BE-Runde zum Thema Investments in nachhaltige Geldanlagen

„Agieren stabiler, defensiver und langfristiger“

Im Cafe BE (v. li.): Roland Neuwirth (Salus Alpha), Wolfgang Pinner (Vinis, SRI ESPA), Michael Trcka (WEB Windenergie), Paul Rettenbacher (Teak Holz International), Christian Drastil (Börse Express), Christa Grünberg (Börse Express), Thomas Neuhold (UniCredit)

Investoren und Unternehmen im nachhaltigen Bereich profitieren vom aktuellen Klima an den Finanzmärkten. Cafe BE: Wie wirkt sich das derzeitige Klima an den Finanzmärkten - Krise, Ausstieg aus Atomkraft, Vertrauensverlust - auf das Interesse an nachhaltigen Geldanlagen aus? Wolfgang Pinner: Vor kurzem war eine Pressekonferenz der Erste Group zum Thema Sparverhalten der Österreicher, auch mit Ergebnissen zum Bereich nachhaltige Geldanlagen: Was wir im Rahmen unserer Sparstudie nachgefragt und überprüft haben, war die Bekanntheit des Themas, der aktuelle Investmentstatus und auch die damit verknüpften Erwartungen. Als Ergebnis haben sich bereits 50 Prozent der Befragten mit dem Thema ethisch nachhaltiges Investment auseinandergesetzt. Drei Prozent der Befragten haben bereits in diesen Bereich investiert. Wir haben auch gesehen, dass 66% der Befragten dem Thema neutral oder positiver als herkömmlichen Anlagen gegenüberstehen, also prinzipiell Interesse zeigen. Die Mehrheit erwartet al-

lerdings geringere Erträge. Das hat uns nicht überrascht, ist aber ein grober Fehler.

Was versteht man unter einem nachhaltigen Portfolio? Pinner: Es bedeutet, stabiler, defensiver und langfristiger zu agieren. Das bedeutet, dass man einen leicht defensiven Einschlag im Portfolio und in der Regel weniger Umschlag hat. In schlechten, neutralen und normal guten Börsephasen kann man durchaus performen, aber in Börsephasen mit 30% oder 40% Plus im Jahr, hinkt man der Performance hinterher. Deswegen glauben wir auch, dass die aktuelle Börsephase für Nachhaltigkeitsfonds sehr interessant ist, weil eine defensive Note in einer Zeit so extremer struktureller Probleme nicht schaden kann. Was ist mit den Spezialthemen im Nachhaltigkeitsbereich Erneuerbare Energien und Umwelt? Pinner: Das ist zum Beispiel in einem Nachhaltigkeitsfonds wie unserem globalen Aktienfonds Espa Vinis Stock Global nur eines von vielen Themen, das wir je nach Umfeldsituation höher oder tiefer gewichten. Im Moment ist es relativ gering ge-

wichtet, weil wir derzeit - nach der spekulativen Blase im Solaraktienbereich 2007 - Probleme haben. Die produzierte Menge bei Solarpanelen ist sehr hoch, und der Preis fällt sehr stark. Wir haben extreme Preiserosionen ausgehend von Billigproduzenten aus China, das hat vor allem die Produzenten in den Hochpreisländern wie z.B. Deutschland unter Druck gebracht. Dementsprechend muss man mit dem Thema vorsichtig umgehen. Das Potenzial für Erneuerbare Energien ist da, aber die Frage ist, inwieweit kann der Markt ohne grössere Subventionen und Einspeiseregeln erfolgreich sein. Da gibt es zwei Einflussfaktoren: Auf der einen Seite sieht man, dass es mit der Unterstützung von staatlicher Seite aufgrund der aktuellen Schuldenprobleme schwierig wird. Auf der anderen Seite, wenn die Solaranlagen in zwei Jahren um 50% billiger werden, rechnet sich das dann vielleicht von selbst. Ich denke, Phasen, in denen es extrem rauf oder runter geht, sind immer sehr interessant. Ob ich jetzt schon wieder investieren würde, ist eine andere Sache, aber ich hätte zumindest ein besseres Gefühl, eine Solarworld bei 3 Euro zu kaufen, als noch vor vier Jahren bei 50 Euro.


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Sind auch für den Fondsmanager des Salus Alpha Special Situation Fonds Unternehmen im nachhaltigen Bereich ein Thema? Roland Neuwirth: Nein, Nachhaltigkeit im engeren Sinn ist für mich kein Thema, wonach ich mich ausrichte. „Special Situation“ ist ganz anders definiert: Da muss bezüglich Aktienkursentwicklung einen Auslöser geben, der besonderes Potenzial vermuten lässt. Also zum Beispiel ein neues Management, Aktienrückkäufe, Kapitalerhöhung, Restrukturierungen. Das kann jedes Geschäftsmodell quer durch die Bank betreffen, natürlich auch ein nachhaltiges Unternehmen.

ses Jahr aus dem österreichischen Nachhaltigkeitsindex Vönix rausgeflogen.

Wie kamen Sie zu dieser Entscheidung? Nach welchen Kriterien begutachten Sie die Unternehmen? Pinner: In der Regel ist es eine Kombination. Wir sehen uns an, was ist aus unserer Sicht ein No-go. Womit sind 90% der Österreicher nicht damit einverstanden? Das sind eben Kinderarbeit, Atomkraft und Rüstung. Damit fallen schon 5% bis 7% der Aktien aus dem Universum. Dann sehen wir uns an, wer in den jeweiligen Branchen übrig bleibt und gut oder schlecht abschneidet. Bewertungskriterien sind etwa, wie das Unternehmen mit der Umwelt, den Mitarbeitern, den Kunden umgeht, also die gesamWie stehen Sie selbst zu ethischen Investte Stakeholder-Palette inklusive Umwelt. ments? Neuwirth: Wolfgang, wie lange gibt es die- Passt ein Unternehmen, kommt es auf die Liste der potenziellen Investments. Bei voese Investments schon? Pinner: Die ersten ethischen Fonds gab es stalpine ist im Umweltbereich in den letzschon vor 100 Jahren, aber das Nachhal- ten Jahren überhaupt nichts weitergangen, tigkeitsthema, wie man es heute versteht, und dann gab es noch das offensichtliche ist rund zehn, 15 Jahre alt. Eine gewisse Lobbying gegen CO²-Massnahem und TraNachhaltigkeit ist in jeder Aktie drinnen. ding von CO²-Zertifikaten. Beides entspricht Man muss natürlich dunkelgrüne Aktien nicht dem Nachhaltigkeitsgedanken, daher haben wir uns ent(z.B. erneuerschlossen, den Tibare Energien) tel aus dem Vönix von jenen Tirauszunehmen. teln unterWir haben vor drei, scheiden, bei vier Wochen auch denen ich verdie Telekom Ausuche, Nachstria rausgenomhaltigkeit zu men. messen. In der Neuwirth: Die voeÖlbranche kann zum Beistalpine macht das spiel eine nicht aus Profitgier, OMV nachsondern weil glohaltig sein und bal die gleichen eine BP nicht. Bedingungen herrNeu wirth: Zu schen sollen. Das meiner Antverstehe ich. Die wort von vorsagen, wir sind als hin zurück: Ich europäischer glaube, der Stahlerzeuger mit Trend in die CO²-Zertifikaten klassischen belastet, und die Roland Neuwirth nachhaltigen chinesischen Anlagen ist gut. Er bringt ja auch Unter- Drecksschleudern machen was sie wollen nehmen wie eine voestalpine oder eine - überspitzt formuliert. OMV dazu, sich zu bemühen, nachhaltig Pinner: Mit diesem Argument wären viele zu wirtschaften. Dinge, die wir heute Fortschritt nennen, vor Pinner: Die voestalpine ist allerdings die- Jahren nicht umsetzbar gewesen. Ausser-

„Trend bringt Unternehmen dazu, sich zu bemühen, nachhaltig zu wirtschaften“

dem glauben wir Österreicher immer, dass wir so extrem nachhaltig sind, aber das ist eine falsche Selbsteinschätzung. Denn Nachhaltigkeit heisst nicht, dass man einen Nachhaltigkeitsbericht produziert oder eine Kulturveranstaltung sponsert, sondern ein nachhaltiges Konzept im Unternehmen strategisch umsetzt. Österreich ist hier vielleicht vor 15 Jahren recht gut unterwegs gewesen, aber seither hat sich im Vergleich zu Deutschland oder Ländern Nordeuropas nicht viel getan.

Ist Nachhaltigkeit auch ein Thema für einen österreichischen Equity Analysten? Thomas Neuhold: Ja, es ist ein Wachstumsthema weil es immer mehr internationale Fonds gibt, die aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten investieren. Wir haben seit eineinhalb Jahren ein Team in London, das die Unternehmen, die wir covern nach den typischen Nachhaltigkeitskriterien screent. Das verursacht für unsere Analysten zwar mehr Arbeit, denn es sind zusätzliche Kennzahlen, aber es wird verlangt. Es hat aber auf unsere Bewertung und Einschätzung der Aktien keinen Einfluss. Pinner: Das ist typisch für einen Fall von Integration, wie wir das im Nachhaltigkeitsbereich nennen und bedeutet, dass nachhaltige KPIs (Key Performance Indicators) dazukommen. Das ist auch immer stärker im Kommen. Wir unterscheiden aber unsere Tätigkeit - Core SRI (Social Responsible Investment) - von diesem breiteren SRI-Ansatz, was aber der erste Schritt in die nachhaltige Richtung ist. Wie sehen das die Unternehmen im nachhaltigen Bereich und die Aktionäre? Michael Trcka: Wir haben als mittelständisches und nicht börsennotiertes Unternehmen eine Sondersituation. In den letzten zehn Jahren war es relativ problemlos, Kapital von Leuten, die sich für unsere Idee begeisterten, einzuwerben. Der Stress an den Börsen hat aber einfach die grundsätzliche Einstellung zu Aktien verschlechtert. Auch vom Umfeld her sind wir ein spezifisches Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien, weil wir Energieerzeuger sind. Daher sind solche Sprünge nach unten und nach oben wie bei den Technologielieferanten nicht drinnen. Man


BÖRSE EXPRESS CAFE BE baut ein Kraftwerk und weiss relativ genau, wieviel Geld man für den verkauften Strom erhält. Dieser Markt kommt dem Investor zugute, weil der relativ stabile, planbare Erträge möchte. Die Schwierigkeit für uns ist eher, das interessierte Publikum zu erreichen. Denn der klassische Kapitalmarkt Börsenumfeld und Banken - tut sich aus meiner Sicht mit kleineren Unternehmen und Beträgen schwerer. Thema Anleihe, letztes Jahr waren es noch 10 Mio. Euro, heuer sind es 5 bis 8 Mio. Euro. Wenn man Unterstützung von einer Bank zum Erreichen der Zielgruppe möchte, ist man damit in einer Grössenordnung, wo die Banken nicht mitspielen. Daher erfordert es von uns sehr viel Medien- und Kommunikationsarbeit, die WEB Windenergie mit ihrem Geschäftsmodell zu präsentieren. Wir haben auch über eine Börsennotiz mit unseren Aktionären diskutiert, aber die sind zufrieden, so wie es ist. Damit ist ein Teil potenzieller Investoren schwierig zu erreichen. Aber wir bleiben bei diesem Modell, auch wenn es keine Bank gibt, die uns covert. Die WEB ist einfach ein Thema für einen langfristigen Investor. Bei der Anleihe sehe ich das anders. Hier ist das Interesse hoch, und durch die Börsennotiz am dritten Markt spielen wir in dem normalen Umfeld mit. Aber auch hier sehen wir natürlich keine grossen Transaktionen auch weil es niemanden gibt, der unsere Anleihen verkaufen will.

Trcka: Hier hat die nicht börsennotierte Aktie Vorteile. Denn mit unserem Geschäftsmodell bieten wir dem Anleger hohe einstellige Returns auf das eingesetzte Kapital, aber keine zweistelligen. Und da bleibt bei der Anleihe mit 5% Kupon nach der Kapitalertragssteuer und Depotspesen sowie Transaktionskosten nicht mehr viel übrig. Wir müssen uns nach Handelsplattformen umsehen, deren Transaktionskosten überschaubar sind.

„Wir stellen zusätzliche Kennzahlen zur Verfügung“

Wie sieht es mit dem Thema Transaktionskosten aus?

Wo liegen die Vorteile ihres Geschäftsmodells? Trcka: Unsere Erträge sind für die nächsten drei, vier Jahre planund vorhersehbar. Ich weiss, wieviele Kraftwerke gebaut werden und ich kenne die Tarife. Ausserdem glaube ich, dass wir mit erneuerbarer Energie dazu beitragen, dass wir alle uns Energie auch in Zukunft noch leisten können. Denn wenn der Strom um 20% teurer wird, dann sind wir auf dem Level, wo man mit Windkraft und Solarenergie Strom rentabel erzeugen kann.

Wie sieht Teak Holz International das Thema Börsennotiz? Paul Rettenbacher: Wir sind ebenfalls ein kleines Unternehmen, aber börsennotiert seit vier Jahren. Wir waren einer der letzten IPOs in Wien und der Börsengang hat uns geholfen, weil wir mit dem lukrierten

Thomas Neuhold

Wer sind eigentlich die Zeichner Ihrer Anleihe? Trcka: Es sind Aktionäre, aber nicht nur.

„Nachhaltigkeit heisst, ein solches Konzept im Unternehmen strategisch umzusetzen“ Wolfgang Pinner

Geld Plantagenflächen kaufen konnten. Ohne Kapitalmarkt wäre es schwieriger gewesen. Für uns ist aber Transparenz - die vierteljährliche Berichterstattung, das Monitoring durch den Nachhaltigkeitsindex Vönix, in dem wir seit 2009 kontinuierlich drinnen sind - ein wichtiger Punkt, um uns von den Glücksrittern, die vor allem in Deutschland aus dem Boden schiessen, abzugrenzen. Und wir haben dadurch auch an Bekanntheit und Akzeptanz gewonnen. Also, Börse ja, mit all ihren Vor- und Nachteilen.

Was gibt es zu Ihrem Geschäftsmodell und zum Thema Nachhaltigkeit zu sagen? Rettenbacher: Unser Kerngeschäft - Teakholz-Plantagenbewirtschaftung - ist per se nachhaltig, obwohl wir noch keinen Nachhaltigkeitsbericht herausgeben. Für uns ist das Thema Nachhaltigkeit mit Strategie und Langfristigkeit verbunden, und ich glaube, so sehen das auch die Anleger. Die Erträge der Plantagenbewirtschaftung sind kalkulier- und absehbar. Unser USP, das in den letzten 15 Jahren angeeignete ForstKnow-how, zeigt sich im - gegenüber unseren Mitbewerbern - überdurchschnittlichen Holzvolumen der mittlerweile rund zehnjährigen Teakbäume. Dieses Knowhow bieten wir, wie kürzlich verlautbart, jetzt als Dienstleistung jenen Investoren an, die Plantagenflächen kaufen, aber darüber


BÖRSE EXPRESS CAFE BE gern herumsprechen, dass man hier die gleichen, manchmal auch höhere Renditen erwirtschaften kann und den Zusatznutzen im Zurück zum Thema Transparenz, was sagen Sie zum Greenwashing bei Unterneh- sozialen und im Umweltbereich hat. Solanmen? Pinner: Jedes Unternehmensfeld, das en ge also die Performance vogue ist, zieht Glücksritter an. Deswegen gut bleibt, wird das Theist für mich Transparenz wesentlich. Ich ma stark wachsen. Das würde ein nicht börsennotiertes Unter- Wesentliche ist die Innehmen nur dann kaufen, wenn ich extre- formation der potenmes Insiderwissen habe. Ein Markt mag ziellen Investoren, die zwar in beide Richtungen übertreiben, aber Berichterstattung in den es gibt Transparenzvorschriften. Eine Bör- Medien und das Versennotiz und laufende Analystenbetrach- ständnis sowie die Wertschätzung der Betungen erfüllen ihre Funktion. Trcka: Auch für uns ist Transparenz wich- rater draussen. Damit tig, und wir sind mit dem Geschäftsbericht werden wir sehr gute und dem geprüften IFRS-Abschluss min- Wachstumsraten erzielen können. destens so transparent wie ein börsenno- Trcka: Im Sektor der erneuerbaren Energie tiertes Unternehmen. Wahrscheinlich ist funktionieren viele der Energieformen ohder Anspruch der Investoren an unsere ne Subventionierung noch nicht. Das Ziel Transparenz sogar höher als bei bösenno- muss aber klar sein, die Technologie dorttierten Unternehmen. Die Herausforde- hin zu bringen, dass sie zu Marktpreisen rungen an den Mittelständler sind aller- produzieren kann. Ich sehe zwei Entwickdings die Kosten dieser Transparenz. lungen: Auf der einen Seite wird die Technologie billiger und auf der anderen Seite Abschlussfrage an die Runde: Wie sind die wird der Marktpreis höher, weil die fossile derzeitigen Rahmenbedingungen für nach- Energie endlich ist. Wichtig wäre ein Förhaltige Investments bzw. für die Unterneh- derregime, das dies ermöglicht. In den Staaten, in denen wir aktiv sind, funktioniert das men und wo geht es hin? Pinner: Es ist imganz gut. Schlimm ist nur mer die Frage, das, was in ob man will, dass Tschechien pasnachhaltige Insiert ist. Dort hat vestments von man nachträgaussen unterlich die bereits stützt werden. versprochene Sinn machen Förderung wiewürde es zum Beispiel, die der reduziert. neue FondssteuDas tut der er für nachhaltiBranche aufge Anlagen atgrund der Vertraktiver zu geunsicherung stalten. nicht gut, denn Eigentlich dendie Planbarkeit ke ich aber, dass unseres Modells wir uns vom ist ein wichtiges Thema und der Kriterium. Wir Paul Rettenbacher Performance her hoffen daher, durchaus selber im Markt behaupten kön- dass hier keine anderen Staaten nachzienen. Es sollte sich langsam bei den Anle- hen, aber im Zusammenhang mit der Verhinaus damit nichts zu tun haben wollen oder können. Unser Credo ist es, das Know how zu transportieren aber nicht aus der Hand zu geben.

„WEB ist ein Thema für einen langfristigen Investor“

„Unser Kerngeschäft ist per se nachhaltig“

Michael Trcka

schuldungssituation besteht natürlich eine gewisse Gefahr. Rettenbacher: Solchen politischen Rahmenbedingungen sind wir nicht unmittelbar ausgesetzt. Aber auch in Costa Rica gibt es im Umweltbereich Förderungen, die wir für Aufforstung in Anspruch nehmen. Zum Thema Finanzmarkt: Erstens, untersucht zu werden finden wir gut, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Zweitens zur Liqidität: Unsere Kernaktionäre aber auch der Streubesitz sind langfristig engagiert, daher ist die Liquidität der Aktie nicht sehr hoch. In den letzten eineinhalb Jahren sind aber die durchschnittlichen Volumina massiv gestiegen, speziell an den deutschen Börsen, wo wir gehandelt werden. Auch das dortige Medienecho ist stärker geworden und eine Coverage in Deutschland wird diskutiert. Neuhold: Ich wünsche mir, dass Unternehmen im nachhaltigen Bereich, wie ihre, und Fondsmanager wie Wolfgang Pinner weiter so erfolgreich sind. Denn je mehr erfolgreiche Marktteilnehmer wir haben, desto besser geht es den Investoren und desto besser geht es auch den Brokern am Ende des Tages. Neuwirth: Da gibt es nicht viel hinzuzufügen. Ich denke, dass nachhaltiges Investment ein wichtiges Thema ist und hoffe, dass das Interesse weiter wächst. Diskussionsleiterin Christa Grünberg Fotos: Martina Draper http://www.boerse-express.com/cafebe


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Teil 1 der Diskussion vom 13. Oktober. Ist der Boden bei Austro-Aktien erreicht?

„So komprimiert wie im Q3 ist es in Wien niemals zuvor nach unten gegangen“ Austro-Aktien-Experten sehen einen Silberstreif am Horizont. Die legendäre Kitzbühel-Konferenz wird es aber 2012 nicht mehr geben. Cafe BE: Herr Neuhold, vor drei Monaten nannten Sie Erste Group, Immofinanz und Post als Empfehlungen für den Sommer. Bitte um einen Rückblick und die Vorstellung des neuen Trios für das Schlussquartal. Thomas Neuhold: Meine generelle Aussage damals und auch noch heute ist, dass wir das Umfeld noch recht vorsichtig sehen, die Staatsschuldenkrise ist ein Problem, und die nachhaltige Lösung via Fiskal- und Strukturreformen ist nicht in Sicht. Wir haben daher für das Q3 recht defensiv aufgestellt. Das hat bei der Post hervorragend funktioniert, die war sogar leicht im Plus, auch die Immofinanz hat den Markt outperformt, die Erste Group hat gar nicht funktioniert, weil die Geschwindigkeit, mit der sich die Schuldenkrise entwickelt hat, doch überraschend war. Zusätzlich extrem negativ war natürlich die Geschichte mit dem neuen Hypothekarkreditgesetz in Ungarn, die die Aktie dann auch deutlich belastet hat. Wir haben die Erste Group-Aktie nach den Ungarn-Nachrichten von unserer Topempfehlungsliste gestrichen, weil wir einfach glauben, dass – solange der Newsflow so negativ ist – die Bank ein Underperformer bleibt. Die Bewertung ist zwar schon sehr günstig, es braucht aber ein bis zwei Quartale mit guten Ergebnissen, dass die Aktie wieder ins Laufen kommen kann. Dazu natürlich das Profitwarning mit Wertberichtungen von 1,6 Mrd. Euro – von der Art her nicht wirklich überraschend, vieles war bekannt, bis auf die Höhe des CDS-Exposures und die zusätzlichen Probleme in Ungarn in Höhe von 250 Mio.. Ich glaube jedoch, dass nach all den Massnahmen, die jetzt gesetzt wurden, die Erste Group wieder ein

Im Cafe BE (v. li.): Thomas Neuhold (UniCredit) und Roland Neuwirth (Salus Alpha) komplettieren den Q4-Ausblick für Austro-Aktien. In der Vorwoche nannten Artner/Matejka/Maxian/Reisenberger im Cafe BE ihre Favoriten, nachzulesen unter boerse-express.com/cafebe

bisschen ahead of the curve ist, und in den nächsten Quartalen wieder gute Möglichkeiten hat. Cafe BE: Und die neuen drei Titel? Ne uh ol d: Der Gesamtmarkt ist bewertungstechnisch nur noch 10 bis 20 Prozent über den Lows der letzten Krise. Viele Unternehmen haben in der Krise die Hausaufgaben gemacht, die Verschuldung ist wesentlich niedriger, der Leverage ist niedriger, es wurde mehr outgesourct, die Unternehmen wurden flexibel. Die Rentabilität und das Gewinnniveau liegt immer noch unter 2008. Ich glaube unter dem Strich, dass das Schlimmste ausgestanden sein sollte, ausser die Schuldenkrise eskaliert nochmals. Die empfohlene Positionierung bleibt defensiv, man kann noch warten, bis es eine klare Lösung gibt. Meine Top-Empfehlungen für das 4. Quartal sind wiederum die Post, weil es einfach eine gute Story ist, das Unternehmen ist kaum verschuldet, das Briefgeschäft ist gut kalkulierbar, nach der Tariferhöhung im Mai sollten positive Zahlen kommen. Die Dividendenrendite von mehr als acht

Prozent scheint gut abgesichert. Auch die Immofinanz gefällt uns weiterhin gut, das ist mit Abstand die billigste Immobilienaktie in Europa, die Restrukturierung ist mehr oder weniger abgeschlossen, es gibt nur noch kleine Baustellen. Was mir auch gefällt, ist, dass man jetzt dazu übergeht, einen immer höheren Teil der Cash-flows als Dividende auszuschütten, da haben wir heuer 10 Cent gesehen, im nächsten Jahr sollen es 15 werden. Das ist für Kleinaktionäre steuerfrei und interessant. Als dritten Titel haben wir die voestalpine in der Topempfehlungsliste, die Aktie ist unter Druck gekommen und jetzt günstig. Da ist ein Gewinneinbruch eingepreist, der nun dann wirklich kommt, wenn wir in eine schwere Rezession schlittern. Das wird aber meiner Meinung nach nicht passieren. Daher sehe ich die voestalpine aktuell sehr attraktiv. Cafe BE: Das heisst: Immofinanz, Post, voestalpine. Neuhold: Genau. Cafe BE: Ich habe die Kollegen von Erste


BÖRSE EXPRESS CAFE BE und RCB zuletzt zu Stegersbach bzw. Zürs ist bis zu Lehman bereits vorher viel pas- te, obwohl das heuer wohl besser gewebefragt. Ihr macht traditionell Kitzbühel siert. Und selbst im Oktober 2008, den ja sen wäre. Sehr viele Leute haben auf den rund um die Hahnenkammrennen, kann alle in Erinnerung haben, ist es immer wie- DAX zurückgegriffen, was diesen schnell der auch tageweise markant nach oben von 6000 auf 5000 gebracht hat. Anman da schon etwas sagen? Neuhold: Unsere Investorenkonferenz wird gegangen, das war diesmal nicht der Fall. schliessend wurde die Shorts auch von Heuer ist es mit An- vielen wieder rasch überdacht, was den Anfang nächsten fang August stetig Short Squeeze zurück auf 6000 mitausJahres mit sehr honach unten gegangen, gelöst hat. Massivste Volatilität. her Wahrscheingab keine Erhoes lichkeit wieder stattlungen, ausser viel- Cafe BE: Und der Ausblick? finden, allerdings in Thomas Neuholds Q4-Favoriten Neuwirth: Ich glaube, gegen Jahresende leicht 1-Tageseinem moderneren, Bewegungen. effizienteren Format. kommen wir in ruhigere Fahrwasser, abKitzbühel ist eine tolle Location und war hängig von politischen Entscheidungen. bei Investoren und Unternehmen jahre- Cafe BE: Wie 1992 mit der Jugoslawien- Insgesamt sehe ich uns in einer Bodenlang sehr beliebt, allerdings glauben wir, Krise, da ist es auch so ein Sicker- bzw. bildung, auch ich glaube, dass wir das dass sich das Konzept aufgrund der sehr Salamicrash gewesen, scheibchenweise Schlimmste bereits gesehen haben. Viellangen An-und Abreisezeiten überlebt hat. nach unten ... leicht bekommen wir bis Jahresende noch Wir planen daher, in Zukunft die Konfe- Neuwirth: Ich glaube, dass gerade die Tat- höhere Kurse, das ist nicht unwahrrenz in Wien abzuhalten. sache, dass 2008 noch allen im Kopf her- scheinlich. umschwirrt, - negativ gesehen – ein MitCafe BE (kurze Pause): Na das ist jetzt ei- grund ist, dass es jetzt so gekommen ist. Cafe BE: Polytec und CA Immo? ne echte Überraschung nach 12 Jahren ... Die ganze Generation, die jetzt noch im Neuwirth: Polytec hat sich gut gehalten, Geschäft ist, hatte 2008 vor Augen. Jeder die sehe ich nach wie vor als Favorit, die ... sagte sich: Den Fehler mach ich nicht noch Chance auf eine substantielle Dividende einmal und verkaufe sicherheitshalber oder ist da. CA Immo ist nicht so gut gelaufen, Cafe BE: Herr Neuwirth, ich kann mich hedge mein Portfolio ab. Selbst viele Long auch wegen des höheren Exposures im erinnern, dass es vor drei Monaten gar Only-Investoren haben diesmal gehedgt. Bürobereich. Die Sondersituation mit dem nicht so leicht war, Ihnen drei Empfeh- So viele wie jetzt waren vielleicht über- Nachkauf der Bank Austria hat sich nicht lungen abzuringen, es waren dann letzt- haupt noch nie gehedgt. Das heisst aber eingestellt, aber das steht im Raum. endlich nur zwei, CA Immo und Polytec. nichts anderes, als dass die Portfolios inRoland Neuwirth (lacht): Das würde ja im- direkt verkauft wurden. Cafe BE: Drei Empfehlungen für das plizieren, dass ich ganz negativ war, aber Schlussquartal bitte noch ... Cafe BE: Diesmal hatten wir ja den ATX- Neuwirth: Polytec, weiters habe ich als deso negativ war ich auch nicht. Future nicht 100 fensiv-solider Wert Cafe BE: Was ja rückwirkend kein Fehler Punkte unter der Kasnach wie vor eine gute Gewichtung in gewesen wäre .... auch an Sie jedenfalls die sa, wie das 2008 der Rück- und Ausblick-Bitte bzw. die Frage, Fall war, Sie haben Mayr-Melnhof und wie Sie mit dem Fonds agiert haben in im Fonds ja nicht nur letztendlich greife Roland Neuwirths Q4-Favoriten Österreich drin. Wie ich auf die Gruppe den Shake-Out-Tagen. Roland Neuwirth: Ich glaube, dass es in haben Sie gehedgt? der Immobilien zuden 20 Jahren, in denen ich dabei bin, Ein bisschen ATX-Future, ein bisschen rück, obwohl wir das GlaubwürdigkeitsDAX-Future? kein schlimmeres Quartal gegeben hat. problem noch nicht ganz wegbekommen Neuwirth: Ich habe von vornherein eine haben. Die müssen beweisen, dass sie Cafe BE: Auch nicht 2008? relativ niedrigere Aktienquote von nur rund Cash-flows generieren können und Assets Neuwirth: Auch nicht 2008. 50 Prozent gehabt und trotzdem über den über Buchwert verkaufen können. Einen Neuhold: Stimmt, wir haben uns das auch Kassamarkt Dinge verkauft, die ich ei- Top-Pick habe ich da gar nicht, mehrere gentlich gar nicht verkaufen wollte, die sich haben Charme. angesehen. aber aufgrund des Umfelds angeboten haCafe BE: Interessant. Alle, mit denen ich ben. Man hat sich aus Risikodisziplin her- Cafe BE: Dann notiere ich einfach Polybisher gesprochen hatte, sagten, dass 2008 aus dazu entschieden, manchmal hat man tec, Mayr-Melnhof und IATX. wegen des „Surprise“-Faktors härter war. sich von Verkaufswellen auch anstecken Neuwirth: Ich glaube, der Unterschied ist, lassen, das gebe ich zu. Zusätzlich habe Interview: Christian Drastil dass es diesmal komprimierter war. 2008 ich den DAX geshortet, Grössenordnung (Teil 2 vom 13.10. nächste Woche) Fotos: Martina Draper gab es ja schon 2007 die Vorboten trotz 10 Prozent der Equity-Exposure. Im ATX All-time-High der Indizes, im Jahr 2008 habe ich nichts probiert auf der Short-Seihttp://www.boerse-express.com/cafebe

„Post, Immofinanz und voestalpine“

„Polytec, Mayr-Melnhof, und die Immos”


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Cafe BE zu Aufgaben, Verantwortung und Reinigungsprozess in heimischen Aufsichtsräten

Aufsichtsräte im Haftungsdilemma: „Wir stehen erst am Anfang“

Anwaltsrunde im Cafe BE: Roland Gerlach, Jürgen Kittel, Elke Napokoj, Christopher Schrank

Vom Freundschaftsdienst zum professionellen Aufsichtsrat - das ist der Trend. Angekommen ist das noch nicht in allen Unternehmen. Cafe BE: Wie hat sich das Anforderungsprofil an die Aufsichtsräte auf Sicht der letzten Jahre gewandelt? Elke Napokoj: Vom Ehrenamt bzw. Freundschaftsdienst hin zum professionellen Aufsichtsrat. Die Anforderungen, vor allem qualitativer Natur, sind gestiegen. Früher war der Aufsichtsrat ein Organ, das sich vier Mal im Jahr traf, Mittagessen ging und danach in einer Sitzung die Vorschläge des Vorstands abnickte. Das war es dann auch schon. Jetzt gibt es vermehrt, auch auf europäischer Ebene, Initiativen für die Aufwertung des Aufsichtsrats und eine Änderung der Zusammensetzung. Es müssen unterschiedliche berufliche Profile vertreten sein, auch Nicht-Staatsangehörige, Frauen, etc. Es geht um eine bunte, qualitativ gut zu-

sammengesetzte Mischung, um das Unternehmen zu überwachen, die Strategie mitzugestalten – kurzum: ein Organ mit Funktion. Nicht zuletzt durch die Skandale und die Finanzkrise ist das in den Vordergrund gerückt. Daher glaube ich, dass es bei den Neubestellungen in den Aufsichtsrat den Trend gibt, den Aufsichtsrat qualitativ besser zu gestalten.

Ist das bei den Unternehmen auch schon angekommen, oder sprechen wir da nur von der börsenotierten Oberliga? Christopher Schrank: Ich glaube, dass es noch nicht angekommen ist. Das Gesetz hat sich in den letzten Jahren nicht wesentlich geändert, vor einigen Jahren ist der Prüfungsausschuß hinzugekommen, der bei großen Aktiengesellschaften einzusetzen ist. Bei kleinen AGs ist es so, dass auch der „normale“ Aufsichtsrat die Aufgaben des Prüfungsausschusses erfüllen muß, also Überprüfung des Rechnungswesens, der Abschlußprüfer. Der Aufsichtsrat ist auch verpflichtet, aktiv Informationen einzuholen. Das wird eigentlich

kaum gemacht, vor allem nicht in den kleinen Gesellschaften. Der Aufsichtsrat soll eigentlich prüfen, aber in Wirklichkeit berät er nur. Die jüngsten Skandale werden einen Reinigungsprozess bringen, vor allem das Strafrecht. Derzeit ist es ja oft so, dass sich der Vorstand gewissermaßen seinen Aufsichtsrat aussucht. Das ist oft eine sehr gute Zusammenarbeit, die auch vom Corporate Governance Kodex verlangt wird. Aber es will sich natürlich niemand gegenseitig weh tun. Und es ist auch schwierig für Gesellschaftsgläubiger, direkt gegen den Aufsichtsrat vorzugehen. Deshalb hilft hier das Strafrecht, wie auch die Causa Libro gezeigt hat, dass der Aufsichtsrat direkt zur Verantwortung gezogen wird, etwa wegen Untreue, Bilanzfälschung, Insiderdelikte, etc. Das ist ein ganz wichtiger Prozess. Wir haben derzeit schon eine gute gesetzliche Regelung, nur wird sie nicht eingehalten. Das Strafrecht wird dazu motivieren, diese Gesetze auch einzuhalten.

In den nächsten Jahren wird es also mehr derartige Fälle geben?


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Schrank: Auf jeden Fall. Man sieht bereits seit 2008, dass das Wirtschaftsstrafrecht stärker wahrgenommen wird. Wo früher vielleicht Untreue mehr oder weniger ein Kavaliersdelikt war, wird es jetzt angezeigt. Die Staatsanwaltschaft, die personell stark aufgestockt hat, greift es auf. Früher hat es nur die klassischen Staatsanwälte gegeben. Jetzt gibt es eine Spezialtruppe, also Staatsanwälte, die sich im Bankrecht, im Kapitalmarktrecht, Börserecht gut auskennen. Deshalb bekommt auch die Verfolgung eine ganz andere Qualität. Wir stehen erst am Anfang, der Säuberungsprozess wird erst beginnen. Jürgen Kittel: Das sieht man auch zivilrechtlich. Ich habe 2001 zur Aufsichtsrats-Haftung meine Dissertation geschrieben. Damals gab es genau eine uralte Entscheidung aus dem Jahr 1977. Während ich die Arbeit abgegeben habe, kam die zweite Entscheidung, drei Jahre später dann eine weitere. Seit 2008 hingegen trudeln die Entscheidungen ein. Wir sehen es auch in der täglichen Praxis viel öfter, dass Ansprüche gegen Aufsichtsrats-Mitglieder geprüft werden, meistens nicht vom Vorstand, mit dem zusammengearbeitet worden ist, sondern von neuen Hauptaktionären, die nach der Akquisition aufräumen wollen. Der neue Vorstand hat dann keine Hemmungen, einen Aufsichtsrat zu klagen. Meistens kommt es nicht vor Gericht, sondern wird anders bereinigt. Aber hier sehe ich auch zivilrechtlich einen starken Trend, dass die Aufsichtsräte viel stärker in Anspruch genommen werden.

brochen wird, etwa bei einer Akquisition oder vom Masseverwalter, kommt frischer Wind und es wird nachgeprüft, ob sich Organe in der Vergangenheit richtig verhalten haben.

heverhältnis zu den Aktionären, das wäre ein Wunder, wenn es so wäre. Sie können in einem Naheverhältnis zum Vorstand stehen, weil sie mit diesem gut zusammenarbeiten. Grundsätzlich sind sie aber ein Fremdkörper im Aufsichtsrat: Erstens weil sie entsandt werden, zweitens weil die Entsender von ihnen erwarten, eher die Interessen der Arbeitnehmerschaft im Auge zu haben. Diese Erwartungshaltung wird mitgenommen und vielleicht bei der Ausübung des Mandats gleichwertig neben die Wahrung der Unternehmensinteressen gestellt. Hinzu kommt die Entwicklung der letzten Jahre, wonach auch die entsandten Aufsichtsrats-Mitglieder stärker in die Haftung genommen werden. Das ist für diese natürlich eine sehr unangenehmen Situation: Denn einerseits haben sie im Aufsichtsrat – im Gegensatz zu Deutschland – relativ wenig Mitentscheidungsrecht, sie können praktisch nichts blokkieren, was in Deutschland ganz anders ist. Umgekehrt haften sie aber für Aufsichtsrats-Beschlüsse, die sie mittragen, genauso. Sie können sich im Aufsichtsrat auch nicht immer als Widerborste etablieren, weil das ja auch kein vernünftiges Zusammenleben ist, wenn die Arbeitnehmer-Vertreter stets sagen, wir stimmen nicht mit und verlassen die Sitzung.

„Immer wenn die Achse VorstandAufsichtsrat bricht, wird überprüft, ob sich die Organe in der Vergangenheit richtig verhalten haben

Napokoj: Jeder Masseverwalter schaut sich alle Transaktionen genauestens an. Das hat man auch bei Libro gesehen. Schrank: Derzeit haben wir eine starke Achse zwischen Vorstand und Aufsichtsrat – in guten wie in schlechten Zeiten. Immer dann, wenn diese Achse durch-

Christopher Schrank, Brandl & Talos

Kittel: Die meisten Aufsichtsräte – auch bei den börsenotierten Gesellschaften sind ja nicht nur frei von der Hauptversammlung gewählt, sondern von einem Aktionär installiert. Da sieht man sich natürlich das Verhältnis zwischen dem Aufsichtsratsmitglied und dem Aktionär genau an sowie jene Transaktionen, bei denen der Aktionär involviert war. Roland Gerlach: Wir haben die Achse Vorstand/Aufsichtsrat und die Achse Aktionäre/Aufsichtsrat. Es gibt aber auch eine dritte Achse. Das sind die entsandten Mitglieder aus der Arbeitnehmerschaft. Diese stehen naturgemäß in keinem Na-

Kittel: Das hilft aber nicht gegen die Haftung. Die AN-Vertreter haben eigentlich das größte Haftungsproblem, weil sie vor allem bei großen börsenotierten Gesellschaften meistens nicht den Hintergrund und die Ausbildung besitzen, zu überblicken was im Konzern passiert. Gerlach: Betriebsräte hören das nicht gern, aber als Anwalt führt das natürlich zur Frage, ob von dem Entsendungsrecht überhaupt Gebrauch gemacht werden soll.


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Napokoj: An und für sich sollten AN-Vertreter aber ein wichtiges Asset im Aufsichtsrat sein, weil sie als einzige über die Basis des Unternehmens Bescheid wissen. AR-Mitgliedern fehlt ja oft das Wissen über die Produktion, die Technologie des jeweiligen Unternehmens. Dann sind gerade AN-Vertreter als Informationsquelle wertvoll.

Interesse haben kann, dass eine Sache publik wird. Wenn Sie mich fragen, ob unter den Blue Chips Unternehmen sind, die keine entsandten Betriebsräte haben, würde ich das – ohne es genau zu wissen – verneinen. In kleineren AGs oder GmbHs mit Aufsichtsratspflicht gibt es durchaus Unter-

Gibt es ein größeres börsenotiertes Unternehmens, wo vom Entsenderecht kein Gebrauch gemacht wird bzw. ist es ihre Empfehlung? Gerlach: Es ist keine Empfehlung. Es muß aber die Frage thematisiert werden, ob man sich gewappnet fühlt, in einem Aufsichtsrat, in dem man gesetzlich immer die Minderheit sein wird, zwei Dinge auf sich zu nehmen: Ein großes Haftungs- und ein großes Vertraulichkeitsrisiko. Denn Sie dürfen nicht vergessen, Aufsichtsrats-Sitzungen sind jene Orte, wo erstmals Restrukturierungen, Mergers besprochen werden. Allesamt Themen, die für die Belegschaft von virulentem Interesse sind. Die entsandten Mitglieder haben einerseits die Verschwiegenheitspflicht eines Aufsichtsrats, andererseits die Informationsverpflichtungen gegenüber der Belegschaft. Sie schaffen sich immer wieder neue Pflichtenkollisionen.

wisser Einstieg sein, aber als Aufsichtsrat sollte man ein gewisses Basiswissen in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht mitbringen. Ansonst sollte eine solche Organfunktion auch nicht angenommen werden. Schrank: Juristisches Grundwissen ist jedenfalls erforderlich. Weiters zeichnet den Aufsichtsrat in der Gesamtheit aus, dass sich die Mitglieder ergänzen. Wir haben den AN-Vertreter, der weiß, wie das Unternehmen strukturiert und aufgebaut ist, welche Probleme es gibt. Dann sollte jemand dabei sein, der den Markt und die notwendigen Strategien kennt, es sollte ein Jurist dabei sein, und es ist auch ein Experte im bilanziellen Bereich, im Steuerwesen wichtig.

„Fühlt man sich gewappnet, zwei Dinge auf sich zu nehmen: Großes Haftungs- und großes Vertraulichkeitsrisiko“ Roland Gerlach, Gerlach Rechtsanwälte

Kittel: Wir hatten letztes Jahr einen solchen Fall, der dann mit der Entlassung geendet hat. Man hat lange überlegt, aber es ging um wichtige Insiderinformationen. Um ein Exempel zu statuieren, entschied man sich für die fristlose Entlassung. Es wurden aber keine weiteren Ansprüche gestellt. Gerlach: Wenn so etwas publik wird, ist der Betriebsrat im Aufsichtsrat immer der erste Verdächtige. Das kann sehr oft sehr unberechtigt sein. Aber natürlich stellt man sich die Frage, wer ist derjenige, der ein

nehmen, wo Betriebsräte das nicht tun oder es gar keine Betriebsräte gibt. Kittel: Der Arbeitnehmer-Vertreter ist ein gutes Stichwort für die zweite wichtige Entwicklung: Es sollte sich jeder Kapital- und jeder Arbeitnehmervertreter die Frage stellen, ob er qualifiziert ist, den Posten zu übernehmen. Napokoj: Dieser Crashkurs für Aufsichtsräte, der auf der WU angeboten wird, kann vielleicht für AN-Vertreter ein ge-

Napokoj: Der österreichische CG-Kodex schreibt zwar vor, dass der Aufsichtsrat ausgewogen zusammengesetzt sein soll. Mir gefällt allerdings das deutsche Modell besser, wonach sich der Aufsichtsrat selbst definieren und die Positionen abstecken muß, die vertreten sein sollen. Im CG-Bericht muß über die Umsetzung dieses Profils berichtet werden. Damit wird transparent, welche Positionen bzw. Fachleute benötigt werden. Wie es Leitlinien zur Unabhängigkeit des Aufsichtsrates gibt, sollte es auch Leitlinien für die Zusammensetzung geben.

Schrank: Wenn ein Unternehmen ins Ausland, etwa nach China expandiert, sollte auch im Aufsichtsrat jemand diesen Markt verstehen und allenfalls Stopp sagen können. Napokoj: Unseren Aufsichtsräten tut es sehr gut, wenn sie ein paar ausländische Mitglieder erhalten, da die Kultur – vor allem im angloamerikanischen Raum – eine ganz andere ist. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass sich einiges ändert, wenn ein Mitglied aus Großbritannien oder den Vereinigten Staaten in den Aufsichtsrat kommt.


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Bevor wir uns in die Ausbildung vertiefen, würde ich gern kurz noch einmal zur Haftung zurückkommen. muß derzeit nicht wirklich viel passieren, dass ein Aufsichtsrat zur Haftung herangezogen wird? Napokoj: Es ist faktisch unmöglich, zivilrechtlich als Aktionär den Aufsichtsrat zu klagen. Es hilft nur das Strafrecht. Wenn eine Verurteilung wegen Untreue oder sonstigem vorliegt, kann jeder auf Basis dieses Urteils vorgehen. Gerlach: Man kann beobachten, dass immer alle gemeinsam untergehen. Geht die Gesellschaft unter, dann werden auch die Aufsichtsräte geklagt. Sie werden kaum Unternehmen finden, die nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind und dennoch haftungsbegründendes Verhalten von Aufsichtsräten feststellen. Schrank: Der Aktionär hat ja auch keine detaillierten Informationen zum Aufsichtsrat, die Protokolle sind nicht einsehbar. Wenn jemand etwas geltend machen könnte, ist es der Vorstand. Aber da sind wir wieder bei der Devise: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Eine direkte Inanspruchnahme des Aufsichtsrats ist für den Aktionär faktisch nicht möglich. Die Zivilprozessordnung verlangt, dass man ein konkretes Vorbringen startet und dieses auch beweist. Bloß mit Zeitungsartikeln oder Behauptungen, die man nicht beweisen kann, in den Prozess zu gehen, da tut man sich schwer. Die groben Verstöße bekommt man über das Bilanzstrafrecht- bzw. das Wirtschaftsstrafrecht in Griff. Und da wird in der Zukunft noch einiges passieren. Kittel: Absolut richtig. Schon aus kulturellen Gründen sollte es nicht möglich sein, dass der Aktionär diese Möglichkeiten bzw. die Informationen hat. Zum einen wegen der Vertraulichkeit/Geschäftsgeheimnisse, zum anderen haben wir ohnehin bereits die selbsternannten Kleinaktionärsschützer, die „Robin Hoods“. Lässt man diese auf die Aufsichtsräte los, schadet das dem Betrieb der Gesellschaft mehr als es wahrscheinlich nützt. Wer natürlich die Möglichkeit zur Überprüfung hätte, wäre der Abschlußprüfer.

„Nur 22 Prozent der Aufsichtsratsvorsitzenden fühlen sich selbst als unabhängig“ Elke Napokoj, bpv Hügel

Napokoj: Es ist auch für einen Kleinaktionär schwierig nachzuvollziehen, wo der zulässige Ermessensspielraum liegt.

Abstimmungsdienstleister sehen sich im Vorfeld von Hauptversammlungen immer genau an, welche Aufsichtsräte „unabhängig“ bzw. „abhängig“ sind. Wie hoch ist die Abhängigkeit in Österreich? Napokoj: Anlässlich des Aufsichtsratstags an der Wirtschaftsuniversität im März dieses Jahres wurde eine Umfrage unter 500 Unternehmen gemacht, rund 20% haben geantwortet. Das Ergebnis: Nur 22% der Aufsichtsratsvorsitzenden fühlen sich selbst als unabhängig. Es wurde zwar nicht mit Kriterien unterlegt, aber alle anderen führen persönliche Beziehungen entweder zum Hauptaktionär oder zum Vorstandsvorsitzenden oder sonstige geschäftliche Beziehungen an. Daran sieht man, dass es derzeit noch nicht sehr weit mit der Unabhängigkeit ist. Kittel: Es liegt auch in der Natur der Sache, dass ein Kernaktionär Vertreter im Aufsichtsrat hat. Wenn jemand ein paar hundert Millionen Euro investiert, ist es

verständlich, jemanden haben zu wollen, der die gleiche strategische Denkweise und Ausrichtung hat. Dass das natürlich ein sehr gefährliches Verhältnis ist, das von Interessenkonflikten nur so strotzt, ist ein anderes Thema. Schrank: Ich glaube, es ist durchaus legitim, Interessen zu verfolgen. Es ist halt die Frage welche: Wenn es Aktionäre sind, ist es okay. Wenn es ein Vorstand ist, ist es weniger okay. Denn dann ist die Unabhängigkeit gefährdet. Gerlach: Gerade bei kleineren Aktiengesellschaften ist die HV fast mit dem Aufsichtsrat ident, in Familiengesellschaften ist das klassisch. Da sind dann die einzigen, die Fremdinteressen haben, die Interessenvertreter der Arbeitnehmer. Da stellt sich dann die Frage, welche Interessen vertreten werden sollen. In Wahrheit müssen sie Unternehmensinteressen im Auftrag der Arbeitnehmerschaft wahrnehmen. Das ist irgendwie eine Quadratur des Kreises.

Von der zeitlichen Anforderung: Wie viel Zeit muß man als AR investieren?


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Napokoj: Das kommt auf das Unternehmen und die Situation an. Wenn das Unternehmen in der Krise ist, dann viel mehr. Ich glaube, man wird schon locker 20 Manntage pro Jahr für ein Mitglied benötigen. Schrank: Wenn die Aufsichtsräte sämtliche Pflichten erfüllen wollen, die sie nach dem Gesetz treffen, müssten sie viel mehr Zeit als derzeit investieren. Die 20 Tage sind schon ein sehr ordentlicher Aufsichtsrat. Ich will aber nicht wissen, wie viele das wirklich einhalten. Bei kleineren oder mittleren Aktiengesellschaften gibt es eben vier Mal im Jahr eine Sitzung, wahrscheinlich erhalten die Aufsichtsräte nicht einmal eine Woche vorher die Unterlagen, sondern haben nur zwei, drei Tage Zeit. Aber eine Überprüfung von Rechnungswesen, Wirtschaftsprüfer, etc. das passiert alles nicht. Das wäre halt sehr zeitaufwendig und gehört auch entsprechend abgegolten.

Was halten Sie von Kleinaktionärsvertretern im Aufsichtsrat? Kittel: Einerseits ist natürlich die Frage, ob die Robin Hoods qualifiziert sind, in einen Aufsichtsrat zu gehen, gerade bei einem börsennotierten Unternehmen. Das zweifle ich jetzt einmal stark an. Jenen, die hauptberuflich Kleinaktionäre schützen, fehlt die Erfahrung in der Industrie des Unternehmens. Andererseits sind das jene, die in den Hauptversammlungen am meisten gegen die Entschädigungen des Aufsichtsrates wettern. Und ohne ordentliche Entschädigung finde ich keinen qualifizierten Aufsichtsrat. Ein US-CEO setzt sich nicht für 25.000 Euro im Jahr in einen Aufsichtsrat in Österreich. Napokoj: Hier liegen wir in Österreich hinter Deutschland und der Schweiz. Daher ist es auch schwierig, gute, qualifizierte Aufsichtsräte zu bekommen. Wenn Sie sich in Hauptversammlungen hineinsetzen, ist die Beschlußfassung zu den Aufsichtsrats-Vergütungen meist jener Punkt, bei dem sich ganz plötzlich ein RiesenUnmut bemerkbar macht. Wir erinnern uns alle noch an die Anhebung der Aufsichtsratsvergütungen in der Erste Group.

„Ob die Aufsichtsratsvergütung 25.000 oder 75.000 Euro ausmacht, ist so etwas von egal“ Jürgen Kittel, Dorda Brugger Jordis

Kittel: Es ist aber völlig lächerlich: Ob bei einer Gesellschaft mit einer Marktkapitalisierung von 500 Millionen Euro oder einer Milliarde Euro die Aufsichtsratsvergütung 25.000 Euro, 75.000 Euro oder 100.000 Euro ausmacht, ist so etwas von egal – auch für den Kleinaktionär.

tionalen Durchschnitt? Gerlach: In Deutschland haben die Aufsichtsräte der großen börsennotierten Gesellschaften sechsstellige Honorare, die dann aber auch in den Zeitungen erwähnt werden.

Schrank: Man muß darauf achten, dass es angemessen für die Arbeit ist. Wenn jemand nichts macht, verdient er auch nichts. Aber wenn Aufsichtsräte eine ordentliche Arbeit abliefern, dann gehören sie auch ordentlich bezahlt.

Gerlach: Man könnte sich ja auch neue Entlohnungsformen überlegen, erfolgsabhängig geht es allerdings nicht.

Gerlach: Je schlechter es der Gesellschaft geht, desto besser und desto teurer sollten die Aufsichtsräte werden. Das ist natürlich vollkommen unpopulär.

Kittel: So steht es zwar im Corporate Governance Kodex, aber warum sollte der Aufsichtsrat nicht performance-abhängig entlohnt werden?

Napokoj: Gute Aufsichtsräte, die Knowhow einbringen und neue Wege öffnen, sind auch bei Start-ups nötig. Aber wer macht das für 20.000 Euro? Der Durchschnitt bekommt ohnehin nur 10.000 Euro.

Napokoj: Weil er überwachen soll….Aber diese Stock-Options-Diskussion hat schon etwas für sich.

Gerlach: Wenn überhaupt.

Wie groß ist die Differenz zum interna-

Schrank: In England sind es schon zwischen 100.000 und 200.000 Pfund.

Schrank: Ich glaube auch, dass es kein Problem ist. Laut CG-Kodex ist es zwar nicht gewollt, laut Aktiengesetz sind diese Optionen aber zulässig. Es gibt ATXUnternehmen, die ein Optionsprogramm für Aufsichtsräte haben. Einziges Erfor-


Montag, 7. März 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE dernis: Die Hauptversammlung muss es beschließen.

Gesetz erlaubten acht Tätigkeiten, das ist schon sehr ambitioniert.

Kittel: Ich sehe auch nicht, wo der Schaden oder das Risiko sein soll. Der Aufsichtsrat hat ja viel weniger als der Vorstand eine Möglichkeit, den Kurs kurzfristig hoch zu treiben.

Napokoj: Das ist unmöglich….

Was halten Sie von der Begrenzung der Anzahl der Aufsichtsratsmandate? Napokoj: Zeitliche Verfügbarkeit ist ein wichtiges Thema. In Österreich ist die zeitliche Verfügbarkeit dadurch gekennzeichnet, dass man nur eine gewisse Anzahl von Aufsichtsrats-Mandaten haben darf. Das müßte etwas weitergehen, denn ein Vorstandsvorsitzender einer börsennotierten oder einer großen Gesellschaften wird sich mit vier, fünf, sechs anderen Aufsichtsratspositionen schwer tun. Man sollte auch den Fulltime-Job, den jemand hat, in diese Kalkulation mit einbeziehen. Kittel: Einschränken, aber nicht ganz verbieten. Denn oft sind ja das die Leute, die besonders qualifiziert sind. Schrank:

Ein Hauptberuf und die im

Gerlach: Bei den Arbeitnehmern könnte man sich natürlich überlegen, ob man nicht von der Entsendung aus dem Kreis der Betriebsräte zur Namhaftmachung übergeht, sodass der Betriebsrat auch einen Berater in den Aufsichtsrat schicken kann. Aber da dies nicht einmal in Deutschland diskutiert wird, ist es dafür in Österreich wahrscheinlich zu früh. Auch zieht das wieder Vergütungsprobleme nach sich. Es erschiene mir nicht unvernünftig, aber wahrscheinlich gibt es Gründe, warum das noch nicht besprochen worden ist.

zelne Punkte besprochen etc.? Oder geht es nur um formale Anforderungen? Wenn das die Fremdevaluierung sein soll, dann brauchen wir sie nicht. Denn formell erfüllen die österreichischen Aufsichtsräte ihre Aufgaben. Ob tatsächlich ein Strategiedialog mit dem Vorstand geführt wird, ob eine Überwachung erfolgt, kann im Endeffekt ohnehin niemand prüfen. Schrank: Eine Fremdevaluierung per Fragebogen bringt nichts. Gerlach: Ich bin auch skeptisch. Eine solche Fremdevaluierung kann nur eine Einmischung ins Geschäft sein oder rein formalen Kriterien genügen, die ohnehin erfüllt sind.

Ich würde gerne noch die im EU-Grünbuch erwähnte Fremdevaluierung des Aufsichtsrates ansprechen. Was halten Sie davon? Napokoj: Man müßte einmal definieren, wer der Fremde ist und was er überhaupt evaluieren soll. Kommt der Wirtschaftsprüfer und überprüft, wie viele Sitzungen wurden gemacht, wie lange wurden ein-

Durch das Gespräch führte: Bettina Schragl M Bilder: artina Draper Mehr Fotos und frühere Berichte: http:www.boerse-express.com/cafebe


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Unternehmensfinanzierung wird zur immer komplexeren Challenge

Wer ausser Eigenkapital noch Cash und Track Record aufweist, bleibt im Rennen ... Das Thema Eigenkapital gewinnt in Zeiten risikoaverser Banken zunehmend an Bedeutung. Kraftvollen Unternehmern stehen nach wie vor viele Türen offen. Cafe BE: Heute (Anm. das Gespräch fand am 24.11. statt) werden neben unserem Cafe BE auch zwei Konferenzen zum Thema Eigenkapital abgehalten. Wenn ich zehn Jahre oder mehr zurückdenke: Damals machten wir - fast wie wir hier sitzen - diese Konferenzen selbst, damals gab es noch IPOs - heute wird das Thema Eigenkapital zu einem Problemfeld. Vor dem Hintergrund Credit Crunch, Basel-Regelungen, geringen Eigenkapitalquoten bei Mittelstandsunternehmen – wie sieht es tatsächlich in Österreich aus, Herr Berger? Rene Berger: Das Thema Eigenkapital in Österreich gehört dedramatisiert. Bei der Entwicklung von Unternehmen geht es um Stabilität, das leitet sich primär aus der Liquidität und dem Cash flow ab und weniger aus dem Eigenkapital. Das Thema Eigenkapital kommt in die Frage der Unternehmensfinanzierung über die Rolle der Banken und die Frage, welche Rolle die Bank dem Eigenkapital als Messlatte für die Stabilität eines Unternehmens beimisst. Man kann ein Unternehmen problemlos auch mit negativem Eigenkapital zu einem Wachstumsunternehmen machen, so lange die Bank mich in der Entwicklung unterstützt. Und da ist in den vergangenen zehn Jahren viel passiert, was man im Zusammenhang mit der Wirtschaftsentwicklung sehen muss. Die Eigenkapitalanforderungen an die Unternehmen werden immer grösser, das kommt aus dem Umfeld der Banken und dort nicht von den Bankern selbst, sondern vom regulatorischen Umfeld. Vieles wäre ja für KMU gar nicht erforderlich. Eigenkapital sehe ich nicht als starres Gebilde. Ich se-

24.11. - Cafe BE „Eigenkapital“ (v. li.): Peter Haidenek (CFO Polytec), Karin Reisinger (Steuerberaterin Reisinger & Kornprat), Gerhard Fiala (Managing Partner Pontis Capital), Rene Berger (Geschäftsführer Next March), Thomas Lenzinger (CEO Griffner, Ex-Risikokapitalgeber)

he es als sehr wichtig, dass ein Unternehmen vernünftig mit Eigenkapital ausgestattet ist, vor allem, wenn man wachsen will. Das geht unter Hinzunahme von Partnern meist besser. Cafe BE: Was waren die Milestones von Next March 2012? Zb Williams war ja ein grosses Thema ... Berger: Wir schauen uns das Gearing an, und überprüfen, wie die Vereinbarungen mit der Bank aussehen. Williams ist da hervorragend aufgestellt, weil Net Debt kein Thema ist. Williams ist aber auch ob der Branche nicht wirklich beispielgebend. Cafe BE: Herr Fiala, Sie waren vor Ihrer Zeit als VC u.a. für die Wiener Börse tätig, dort für das Wachstumssegment fit zuständig. Wie haben Sie die Entwicklung erlebt? Wie ist die jüngere Vergangenheit für Pontis Capital gelaufen? Gerhard Fiala: Generell muss man sagen, dass es das Problem gibt, dass wir immer noch nicht ausreichend Kapitalmarktorientierung haben, da geht es nicht nur um Börsegänge. Oftmals sind Unternehmen

auch zu früh an die Börse gegangen, waren noch nicht reif. Die Frage ist: Welche Möglichkeiten hat ein Unternehmen sich zu finanzieren? Ausserhalb der Börse ist das in den vergangenen Jahre nicht leichter geworden. Rene Berger hat die zunehmenden regulatorischen Anforderung zuvor ohnedies angesprochen. Es braucht Instrumente für Eigenkapital oder Eigenkapitalähnliches. Privates Kapital und Geldvermögen ist ja in ausreichendem Mass da, aber der Transfer in Richtung Unternehmensfinanzierung - nicht börslich und nicht bankseitig -, das muss noch verstärkt werden. Von der Frühphase, Venture Capital, bis zum Buyoutbereich. Grundsätzlich würde ich sagen, dass mehr Eigenkapitalorientierung wichtig wäre. Natürlich: Wenn nicht einmal Staaten mit ihren Budgets umgehen können, so zeigt sich das Problem auch auf globaler Ebene. Da ist es kein Wunder, wenn auch viele Unternehmen mit den Leverages Probleme bekommen. Ich bin überzeugt, dass durch Regularien bei Banken und verstärkten Corporate Governance-Bemühungen das Thema Eigenkapital immer


BÖRSE EXPRESS CAFE BE nicht nur Eigenkapital, sondern auch Cash haben. Cash ist wichtig, da wir im Unternehmensverbund auch einige Unternehmen mit weniger Eigenkapital führen.

wichtiger wird. Das Potenzial ist gross, weil sich in den vergangenen Jahren in puncto Finanzierungsinstrumenten nicht viel getan hat. Cafe BE: Polytec hat in den vergangenen Jahren fast die gesamte Aufmerksamkeit, was die Kombination Börse und Private Equity betrifft, auf sich gezogen. Beim Börsegang war ein PE-Geber aus der Schweiz investiert, später hat ein Vehikel der RLB OÖ das Überleben gesichert. Die Bank ist mit Gewinn wieder ausgestiegen. Erzählen Sie die Story doch bitte aus Ihrer Sicht, Herr Haidenek ... Peter Haidenek: Die Eigenkapital-Vita der Polytec ist ja sogar noch interessanter als das, was Sie hier geschildert haben: Bei der Gründung 1986 durch Herrn Huemer war von der Stunde 1 an ein Business Angel mit an Bord. Der Hintergrund: Herrr Huemer war damals Manager bei Semperit, hat eine Nische gesehen, die Semperit nicht besetzen wollte, so hat er es eben auf eigene Faust gemacht. Er hat gesehen, dass er Nachhaltigkeit braucht, weil er hier in Konkurrenz zu seinem grossen Arbeitgeber treten würde. Und so hat er den Business Angel hereingenommen. Der Angel war von 1986 bis 2000 dabei und hat sein Geld mehr als verhundertfacht in dieser Zeit. Da ging es um mehr als 20 Mio. Euro. Herr Huemer hätte zwischenzeitlich die Möglichkeit gehabt, die Finanzierungsstruktur zu wechseln und den Business Angel vom Topf abzuschneiden, hat er nicht gemacht. Das finde ich gut. Im Jahr 2000 ist dann die Schweizer Capvis eingestiegen, ein klassischer PEFinanzierer. Cafe BE: Warum hat man einen Schweizer PE-Geber gewählt? Haidenek: Unser heutiger Aufsichtsratsvorsitzender, Herr Duswald, war schon damals dem Unternehmen sehr verbunden und hat das auch früher sehr professionell gemanagt. Er machte eine Ausschreibung, und Capvis setzte sich durch, das waren die Besten. Capvis blieb bis kurz nach dem Börsegang an Bord und wird heute sicher ebenfalls mit einem Lächeln auf den Lippen an Polytec denken. 2006 erfolgte dann der Börsegang. Die jüngere Historie war sehr wechselhaft. Von 40 Pro-

Caf e BE : Sie sind ja noch nicht lange Finanzvorstand bei Polytec, haben aber eine längere Geschichte mit Polytec ... Haidenek: Indirekt. Mein früherer Arbeitgeber hat den BanRene Berger, Next March keneinstieg bei zent Eigenkapital auf 15 Prozent und wie- Polytec gemacht, ich war nicht dabei. der zurück auf 42 Prozent. Wer die Passivseite einer Bilanz eines Unternehmens Cafe BE: Frau Reisinger, Sie haben vor beherrscht, der steuert das Unternehmen, rund zehn Jahren Bücher geschrieben, sagt Herr Huemer immer. 2008/2009 mit „Handbuch Börsegang“ in zwei Auflagen nur 15 Prozent Eigenkapital war das halt mit vielen IPO-Stories als Beispiel. Sind nicht mehr das Vorstandsteam, sondern Sie als Steuerberaterin dem Kapitalmarkt die Bank. Wir sind sehr dankbar, wie das noch in irgendeiner Weise verbunden? weitergegangen ist mit der Bank und dass Karin Reisinger: Ich verfolge vor allem den diese eingesprungen ist. Ich bin ein gros- Venture Capital-Markt, leider ist dieser ser Freund der Cash-Anschauung, stosse kleiner geworden. Ich probiere, Untermir aber auch immer wieder die Nase blu- nehmer zu unterstützen. Auch im Start tig. Wir haben Hausbanken in verschie- Up-Bereich, beispielsweise, indem ich wedenen Ländern, in Deutschland zB hat das nig bis kein Honarar für die SteuerberaEigenkapital einen viel höheren Stellen- terleistungen verlange. wert, viel mehr cash-bezogen. Wenn ich als Nettoeigenkapitalquote nicht minde- Cafe BE: Geht die Strategie auf? stens 25 Prozent habe, habe ich mein er- Reisinger: Viele davon sind jetzt meine bestes Problem. Gestern hatte ich drei Stun- sten Klienten, die mich auch nicht so den Bankentalk, weil ich etwas an den schnell verlassen werden, weil sie einen Konditionen tun wollte und der Banker ist guten Einstieg hatten. Aber natürlich war mir mit Basel I bis III entgegengekippt. Die nicht jedes Geschäftsmodell erfolgreich. Banken tun sich zunehmend schwer, die Es war vor zehn Jahren sicherlich noch Obligos müssen offenbar gekürzt werden. leichter, Unterstützung von den Banken Wir haben jetzt zum Glück eine sehr gu- zu bekommen. Früher haben bei den Bante Eigenkapitalquote zurückerlangt - wer ken auch noch Soft Facts gegolten, heute das nicht hat, sollte sich wappnen für die geht es nur noch um Eigenkapital und kommenden Bankengespräche. Polytec Rentabilität. Auch bei den Sicherheiten ist kann auch wieder gut verhandeln, weil wir vieles restriktiver geworden, zB bei Eigen-

„Eine Bank für Wachstumsunternehmen, die vielleicht auf fünf Jahre durchfinanziert, das wäre schon was”


BÖRSE EXPRESS CAFE BE tumswohnungen, die nicht rasch verwertbar sind. Es geht nur noch um Hard Facts, das ist schwer. Aus steuerlicher Sicht ist es ebenso schwierig, da die Zuckerl weitgehend fehlen, es gibt keine Investitionsbegünstigungen, lächerliche Gewinnfreibeträge, das kann man nicht ernst nehmen. Aus steuerlicher Sicht wird nicht geholfen, die steuernden Anreize fehlen völlig. Maschinen oder Technologien kann man sich nicht leisten. Die Banken finanzieren das nicht, auch die VCs sind zurückhaltend, wenn es noch kein operatives Geschäft gibt. Viele Business Angels haben sich auch zurückgezogen, weil Sicherheit im Fokus steht. Die Risikobereitschaft ist zurückgegangen, dazu die Angst vor Inflation. Oder noch stärker: Die Angst, dass man selbst bei den Grossbanken sein Geld gar nicht mehr zurückgekommt. Die Stimmung ist schlechter denn je. Was ich auch stark bemerke, ist, dass es Konzerne leichter haben, weil die Bank da irgendwie mit im Boot ist. Ab einer gewissen Grössenordnung wird gemeinsam gewettet und Basel III wird hintangestellt. Sicher gibt es da auch persönliche Kontakte, die den KMU fehlen. Ich bin oft bei Bankengesprächen von Klienten dabei, das ist oft sehr schwierig, wenn das Eigenkapital nicht passt. Vor zehn Jahren hat ein Klient noch 50 Zinshäuser mit 80 Prozent Fremdkapital auf CHF-Basis finanziert. Das wäre heute völlig undenkbar. Unternehmer zu sein, ist nicht mehr so leicht. Das ist meine Erfahrung aus den letzten Jahren. Fiala: Ohne auf die Banken hinschlagen zu wollen, kann man sagen, dass es viel Kapital bei Privaten gibt, andererseits gibt es Kapitalnachfrage auf Unternehmerseite. Es wäre wünschenswert, dass Angebot und Nachfrage da stärker zusammengeführt werden könnten: Mehr privates Geld in Realinvestments, wenn Banken diese Rolle nicht mehr so wahrnehmen wollen. Kapitalmangel gibt es ja nicht. Cafe BE: Herr Lenzinger, in einem Cafe BE vor ein paar Wochen haben wir darüber gesprochen, wie Sie vom Sportler zum bankenunabhängigen VC wurden. Und wie sind Sie letztendlich zu Griffner gekommen? Warum sind Sie nicht mehr VC? Thomas Lenzinger: Wir hatten jahrelang ein Angebotsoligopol der österreichischen

Banken, wir leben in einer Generation, die gar nichts anderes tun kann, als zu versuchen, ein kleines Pflänzchen am Leben zu erhalten. Nach dem 2. Weltkrieg mussten die 70 wichtigsten Unternehmen verstaatlicht werden, weil es keinen funktionierenden Kapitalmarkt gegeben hat und bis heute nicht gibt. Österreich hat nicht nur die höchste Staatsquote gehabt, dazu auch noch rekordverdächtige Investments der Banken. Wienerberger, LenGerhard Fiala, Pontis Capital zing, Semperit und viele mehr haben entweder pleite gehen können oder von viel Wichtiges gesagt wurde. Ein Beispiel: Banken aufgefangen werden können. Da Mein heutiger stellvertretender Aufsichtsist ein Auffangen sicher besser gewerden. ratsvorsitzender Eduard Zehetner hat jahIn Österreich gab es ein Universalban- relang die RHI mit negativem Eigenkapikensystem, das alles dominiert. Ich dach- tal geführt und saniert, dann die Immofite, es muss doch möglich sein, eine vor- nanz. Es geht nicht wirklich um die börsliche Eigenkapitalszene aufzubauen. Eigenkapitalquote, es geht um Cash und Ich habe die Phase mit Go Equity sehr ge- Vertrauen, dass einen die Banken trotz Banossen, ich habe sehr viel gelernt und letzt- sel nicht fallenlässt. Der Unterschied zwiendlich mein Ziel erreicht, nämlich eines schen kleinen und grossen Unternehmen Tages aus diesen Beteiligungen diejenige ist neben dem Netzwerk auch der Track zu finden, die ich behalten und weiter- Record. Wer schon mehrere Krisen geentwickeln will. meistert hat, dem wird eher geglaubt. Banken schauen sich nicht mehr nur das SiCafe BE: Und da sitzen wir jetzt (Anm.: cherheitsthema an, zB die zuerst angeführte Eigentumswohnung, sondern es Cafe BE findet ja bei Griffner statt) ... Lenzi nger: Genau. Wirklich viele Leute geht um die Wahrscheinlich von stetigem fragten mich, wie man eigentlich zu so ei- Rückfluss der Verbindlichkeiten. Was hilft nem Unternehmen kommt, aber das ist mir da die Eigentumswohnung? Verwerten ist nie gut, das wollen auch die Baneine Folge eines grossen Deal Flows. ken nicht. Cafe BE: Sind Sie heute neben Griffner noch irgendwo investiert, zB als Business Cafe BE: Zurück noch kurz zu Griffner, Angel? ich darf bei dieser Gelegenheit zum eben Lenzinger: Nein, ich mache nichts mehr erhaltenen Klimaschutzpreis gratulieren, in dieser Richtung. Griffner ist meine Auf- auch hier im Cafe BE hatten wir ja stets gabe und ich schreibe nebenbei auch ger- gutes Klima. Bitte um die Milestones des ne. Ich finde aber, dass in der Startrunde Einstiegs ...

„Haben mit einem Syndikat vor kurzem ein österreichisches Technologieunternehmen an einen an der Nasdaq gelisteten Konzern verkauft“


BÖRSE EXPRESS CAFE BE quote sein. Lenzinger: Mit hat gestern einer von der RLB gesagt, dass man im Gegensatz zur Mutter keine Kapitalerhöhung machen könne, daher müsse man restriktiver agieren. Berger: Für die VC/PE-Branche hiesse das einerseits, dass die Unternehmen stärker bei uns anklopfen müssten, andererseits ist man ja auch schon investiert und ist dem Ganzen schon ausgesetzt. Ein Mittelständler möchte eher nicht, dass irgendjemand im Eigenkapital sitzt und vielleicht auch noch bei Managementthemen mitredet, das haben die Banken ja jahrelang auch nicht gemacht.

„Wer die Passivseite eines Unternehmens beherrscht, der steuert das Unternehmen. Polytec hat ist jetzt wieder in einer sehr starken Position” Peter Haidenek, Polytec

Lenzinger: 1999 hat die Firma Griffnerhaus GmbH Wachstumskapital gesucht, damals gab es in Wien ein Eigenkapitalforum, auf dem sich Griffnerhaus präsentiert hat. Wir haben von drei Angeboten die tiefsten Bewertungen geboten, aber offenbar die beste Strukturierung gebracht. Griffnerhaus hat zugeschlagen und mir sagte jeder, dass ich völlig verrückt sei, wenn ich in der New Economy-Ära auf Fertighäuser setze. Cafe BE: Und der heutige stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende war damals ja auch bei Jet2Web. Lenzinger: Genau, Zehetner. 2005 habe ich unserem Fonds und dem Gründer die Griffnerhaus-Anteile schrittweise abgekauft. 2007 waren die Fonds deinvestiert und ich dachte, was mache ich jetzt mit Griffner? Ich war überzeugt, dass nach jahrhundertejahrer gesetzlicher Diskriminierung des mehrgeschossigen Holzbaus ein Aufbruch entstehen könnte. Als Quereinsteiger habe ich mich auf die familiären Wurzeln, Tischlerei und Sport, besinnt,

und bin das ab 2008 wirklich angegangen. Cafe BE: Ist man in den vergangenen zehn Jahren unter dem Strich in der PE-Branche überhaupt weitergekommen? Lenzing er: Nicht wirklich. Nach wie vor gibt es das typische österreichische Mentalitätsproblem. Als wir Managementverträge eingeführt haben, gab es nur Kopfschütteln. Da hat es zB die zuvor angeführte Capvis leichter, in der Schweiz gibt es einen etablierten Kapitalmarkt. Berger: Die Banken können nur teilweise etwas dafür, mit Blick auf das Thema Eigenkapital wird es in den kommenden Jahren ganz schwierig. Die Banken haben aufgrund der neuen Eigenkapitalvorschriften nur zwei Möglichkeiten: Entweder man macht Kapitalerhöhungen, was bei den aktuellen Kursniveaus den Eigentümern nicht gefallen kann, oder man fährt eben die Bilanzsumme zurück. Das heisst auch: Weniger Kredite. Dann kommen Manager, die Kreditexposure zurückführen wollen, eine Masszahl wird die Eigenkapital-

Cafe BE: Heute ist ja auch Business Angel Day in Wien. In diesem Bereich tut sich ja einiges, zB die Spengergasse macht gute Arbeit. Wie sehen Sie diesen Schwung? Sehen Sie das als Konkurrenz oder Partner? Fiala: Definitiv Partner, wir arbeiten eng zusammen, bei einigen Portfoliounternehmen haben wir gemeinsame Aktivitäten. Es freut mich, dass über i5 & Co. mehr Leben in die Branche gekommen ist, weil es hier um absolute Frühphase geht. Ein bisschen Aufleben gibt es. Es gibt eine Bandbreite, Stichwort fristenkonforme Finanzierung, da ist Platz für viele Aktivitäten. Die Angel-Szene ist komplementär zu unserem Geschäft. Wir werden mit unserem neuen Fonds auf den unteren Mittelstand fokussieren. Unternehmen, die zu klein für Banken sind, zwischen 0 und 50 Millionen Euro Umsatz. Cafe BE : Gibt es bei Pontis eine Mindestinvestgrösse je Deal? Fia la: Unter einer Million machen wir nichts, wir liegen so zwischen einer und vier Millionen Euro. Es gibt auch viele Syndikate, vieles macht man mit anderen gemeinsam. Der Dealflow ist qualitativ gestiegen. Lenzinger: Macht Ihr auch Mezzanin? Fiala: Nicht bei der Erstrunde. Haidenek: Es ist interessant für mich, dass der Dealflow gestiegen ist. In der Branche, in der Polytec tätig ist, sehen wir uns viel an, Private Equity-Konkurrenz sehen wir da derzeit keine. In der Automotive-Branche schauen die Grosskunden noch stär-


BÖRSE EXPRESS CAFE BE ker hin, wem man etwas zutraut. Bei einigen Zulieferern gibt es ja schon die zweite oder dritte Insolvenz. Da steigt die Hitze schon ordentlich. Lenzinger: Wir waren einmal an einem Automobilzulieferer beteiligt, dort habe ich gelernt, dass sich die grossen Auftraggeber die Zahlen von den Zulieferern angeschaut haben. Oder jetzt auch bei uns: Griffner hat den mit Abstand grössten Auftrag der Firmengeschichte, 11.000 m2 in Deutschland. Wir haben einen Wettbewerb gewonnen und dachten, „jetzt gehen wir verhandeln“. Aber ganz im Gegenteil: Die haben zunächst einmal über unsere Bonität verhandelt. Und das, glaube ich, kommt in mehreren Branchen. Früher war das nur in der Autoindustrie üblich. Cafe BE: Jetzt haben wir oft gehört, dass die Banken nicht mehr so viel dürfen und daher auch nicht mehr so viel wollen. Haben die Risikokapitalgeber überhaupt Kraft und Lust, da einzuspringen? Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Banken aus? Berger: Wir haben gerade eine sehr schöne Erfahrung gemacht in dieser Mix-Situation einer Finanzierung für ein sehr junges Unternehmen. Wir haben eine Firma, die einen Gyrocopter herstellt, finanziert. Das haben wir gemeinsamen mit der lokalen Raiffeisenlandesbank gemacht. Die ist Fremdkapitalgeber und hat auch ein klein wenig Eigenkapital in die Hand genommen, um einen Leverage zu erreichen, der wiederum für die aws relevant ist. Dazu ist die NÖBEG eingestiegen und wir. Das hatte in Summe eine Grössenordnung von 2 Millionen. Ich sehe diese MixProjekte leider nicht immer so einfach. Die aws, früher FGG, ist deutlich restriktiver geworden. Man muss weiters tatsächlich an einen unternehmerisch denkenden Banker kommen, damit man so etwas aufsetzen kann. Und die Eigenkapitalfinanzierungsszene hat leider nicht die Grössenordnung, um in die Bresche zu springen. Ich war erstaunt und habe mich sehr gefreut, dass Pontis einen sehr grossen Fonds geschafft hat. Das müssten mehrere zustande bringen. Strukturiert herangehende Gesellschaften gibt es ja kaum mehr, GEP macht etwas anderes, Go Equity gibt es gar nicht mehr, wir wiederum agieren eher opportunistisch, die früheren Strukturen hat die Branche nicht mehr.

Lenzinger: In Wirklichkeit fehlen die Unternehmer in diesem Geschäft, die heute Erfolgreichen haben ja bei mir gelernt (alle lachen). Cafe BE: Frau Reisinger, wie sehen Sie die Rolle Ihrer Branche beim Part der Unternehmensfinanzierung? Reisinger: Die wenigsten Steuerberater denken unternehmerisch. Wenn Klienten zu uns wechseln, dann höre ich meistens, dass es ausser der Bilanzbesprechung nicht viel gegeben hat. Und nach der Bilanzbesprechnung ist vieles zu spät. Wenn man die laufende Buchhaltung miteinbeziehen kann, erkennt man das schneller. Bei Fremdbuchhaltungen ist es wichtig, dass man auf dem Laufenden gehalten wird. Ich versuche, die Leute bei den Bankengesprächen zu unterstützen: Kontakte, Prognoserechnungen, etc.. Viele klassische Steuerberater haben nicht den Background, ich durfte zB in München bei einem grossen PE-Geber arbeiten vor Jahren. Man muss eine Liebe für dieses Thema aufbringen.

„Früher haben bei den Banken auch noch Soft Facts gegolten, heute nur noch Hard Facts wie Bilanzkennzahlen”

Cafe BE: Herr Haidenek, Sie waren in Deutschland u.a. an einer Lufthansa-Transaktion beteiligt, jetzt sind Sie in Österreich tätig. Wo sehen Sie die grossen Unterschiede in der Eigenkapitalkultur zwischen diesen beiden Ländern mit ähnlicher Kultur und gleicher/ähnlicher Sprache. Wir haben das ja zuerst bereits kurz angerissen ... Haidenek: In der Bankenlandschaft sehe ich wie gesagt eine grössere Cashorientierung in Deutschland. In Deutschland gab es keine dermassen geballte Privatisierungsgeschichte. Die Private EquitySzene ist in Deutschland erwachsener. Vor nicht ganz so langer Zeit sagte mir ein TopBanker: Wir helfen denen, die sich selbst helfen. Man muss zunächst einmal schauen, die Potenziale gnadenlos zu nutzen. Wir machen das bei Polytec mit enormer Kraft, ich habe bei meiner vorherigen Tä-

Karin Reisinger, Steuerberaterin

tigkeit in der KPMG auch viele weniger kraftvolle Beispiele gesehen. Cafe BE: Was ist Ihr Tipp an Unternehmer? Bzw. was ist ein Wunsch? Berger: Ich glaube nicht, dass wir in einem Bereich tätig sind, wo wir uns überlegen sollten, was wir uns wünschen. Wir müssen uns effizient auf die nächsten zwei Jahre einstellen. Wenn das bedeutet, dass ich X Prozent Eigenkapital brauche, weil sonst die Bank abspringt, dann bleibt mir nicht viel über, als das zu lösen. Wünschen kann ich mir viel, zB eine eigene Bank für Wachstumsunternehmen, die zB über fünf Jahre durchfinanziert. Fiala: Wir müssen schauen, dass wir privates Kapital in wachstumsstarke Unternehmen bekommen. Es macht Unterschied, ob man Unternehmer ist, das gilt


BÖRSE EXPRESS CAFE BE auch für die Investorenseite. Man kann hier von anderen Ländern lernen. Volkswirtschaftliches Wachstum kommt aus dem Unternehmertun. Business Angels machen das gut, im Mittelstand wird es schon viel schwieriger. Es kann nur jeder in seinem Bereich bestmöglich agieren und Erfolgsbeispiele bringen. Wir haben mit einem Syndikat vor kurzem ein österreichisches Technologieunternehmen an ein Milliardenunternehmen, das an der Nasdaq notiert, verkauft. Das ist ein herzeigbares Beispiel. Lenzinger: Solche Sachen gehören breitgetreten, die Medien kümmern sich kaum darum. Fiala: Ihr vom Börse Express seid ja die einzigen, die sich mit der Venture Woche regelmässig diesem Thema widmet. Danke dafür. Eines ist klar, massentauglich wird es nie, weil die Branche ja selektiv vorgehen muss. Und nicht jeder braucht Wachstumskapital, weil man auch vor kleinen Firmen, die gut und mit schönem Gewinn agieren, aber kaum wachsen, den Hut ziehen muss. Reisinger: Ich glaube, es kommt ganz auf die Unternehmer selbst an, Unternehmerpersönlichkeiten sind permanent am Ball, andere sind zufrieden, obwohl sie schrumpfen. Und die Führung auszutauschen ist nicht leicht, denn oft ist der Eigentümer ja auch der Geschäftsführer oder wird von ihm gedeckt, weil er ihn ja zu verantworten hat. Viele Eigentümer sind auch Alpha-Tiere und wollen gar keinen starken Geschäftsführer.

„Es geht nicht ausschliesslich um die Eigenkapitalquote, sondern auch um Cash und Vertrauen” Thomas Lenzinger, Griffner

Lenzinger: Wir brauchen eine Unternehmerbank. Cafe BE: Polytec ist ein positives Beispiel für Finanzierungen, auch an der Börse erfolgreich. In den Neunzigern hat ein IPOKandidat den Nächsten gefragt, wie er das gemacht hat. Gibt es Leute, die sich bei Ihnen bzw. Polytec Tipps holen? Haidenek: Da ist im letzten Dreivierteljahr nicht viel passiert, aber ich habe auch nicht

viel Zeit. Wenn ich mir abschliessend auch etwas wünschen darf: Der Polytec-Aktienkurs liegt aktuell bei 50 Prozent des Fair Value gemessen an den Kurszielen der Banken. Daher: Möge die BWL gegen die Psychologie gewinnen. Interview: Christian Drastil Fotos: Martina Draper http://www.boerse-express.com/cafebe


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Nicht nur die Roadshow-Reihe, auch „Cafe BE“ war im Kremstal zu Gast

Ein Investment-Club feiert seinen 25er; die Vorstände im launigen BE-Talk ... Im Vorfeld der OÖ-Roadshow mit Amag, BWT, HTI und Polytec war ein Cafe BESpezial angesetzt. Thema: 25 Jahre Börsegeschichte. Cafe BE: Wir feiern 25 Jahre Sparkassen Investment-Club Kremstal-Pyhrn (SIC). Herr Fürtbauer, Sie wurden mir als Gründer vorgestellt. Erzählen Sie unseren Lesern doch bitte, wie alles begonnen hat. Günther Fürtbauer: Die Gründung erfolgte 1986 unter der Patronanz der Sparkasse Kremstal-Pyhrn. Begonnen hatte es 1985 durch Jim Rogers, der die Wiener Börse wachgeküsst hat, wir hatten 120 Prozent Plus und waren die weltweit beste Börse. Das hat Interesse geweckt; nicht nur für das schöne Land Österreich, sondern auch für die vielen unterbewerteten Aktien. Vor allem die Bauwerte – Wienerberger, Bau Porr und die Universale – waren gefragt. Daraufhin habe ich mir gedacht: Es kann doch nicht sein, dass bei diesem Anstieg gar keine Österreicher dabei sind, in der Sparkasse dachte man ähnlich, denn die Kunden hatten kaum Aktien, ein wenig CA BV und Länderbank, das wars. Cafe BE: Die Partizipationsscheine der Ersten sind ja erst 1987 gekommen ... Fürtbauer: Richtig, die gab es noch nicht. Die Sparkasse Linz hatte dafür bereits damals einen Investmentclub, diese Idee haDie Diskussionsteilnehmer: - Günter Mayr-Riedler, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Kremstal-Pyhrn, Obmann des Sparkassen Investment-Clubs (SIC) - Günther Fürtbauer, Private-Banking, Wertpapier-Experte, SIC-Gründer und -Vorstand - Hans-Jürgen Achleitner, Wertpapier-Anlageberater, Filialdirektion Pettenbach, SIC-Vorstand, Betreuung von SIC-Gruppen - Johannes Lachinger, Wertpapier-Anlageberater, Filialdirektion Kirchdorf, SIC-Vorstand, Betreuung von SIC-Gruppen

25.10. - ein Stammtisch als „Auswärts-Cafe BE“ in Oberösterreich (v. li.): Hans-Jürgen Achleitner, Günter Mayr-Riedler, Christian Drastil, Günther Fürtbauer, Johannes Lachinger

be ich aufgegriffen. Wir haben uns entschieden, ebenfalls zu beginnen und zwar mit drei Testgruppen mit eigenen Angestellten. Das hat gut geklappt. Wenige Monate später hatten wir dann bereits die Gründungveranstaltung mit Mike Lielacher, der Saal war gerammelt voll. Gleich vor Ort sind sechs Gruppen entstanden, zum Jahresende waren es dann bereits elf Gruppen. Ausgehend von Kirchdorf decken wir den gesamten Bezirk mit Geschäftsstellen ab, 30 km südlich und 30 km nördlich. Orte wie Kirchdorf, Windischgarsten, Kremsmünster, Bad Hall. Zum Jahresende hatten wir elf Gruppen mit 150 Mitgliedern und einem Kapital von 700.000 Schilling. Cafe BE: In welcher Funktion waren Sie damals? Ich nehme an: Engagierter junger Mitarbeiter ... Fürtbauer: Ja, so kann man es sagen. Ich war Geschäftsstellenleiter in Micheldorf, hatte ein schweren Autounfall. Ich wechselte dann in die Wertpapierabteilung, damals ging es fast nur um Anleihen. Cafe BE: ... bei den zweistelligen Zinsen

war das kein Wunder. Frage zu den elf Gruppen: Erfolgte die Einteilung aus regionalen oder aus inhaltlichen Gründen? Fürtbauer: Aus regionalen Gründen. Je Ort gab es mehrere Gruppen, das war der Start. Zunächst lief alles sehr gut, aber 1987 kam ja dann gleich der Oktober-Crash. Cafe BE: Damals gab es ja nur Einheitskurse, oft mit Repartierungen und es wurde nur zu Mittag gehandelt. Gü nt er M ay r-R ie dle r: Klassischer Parketthandel, Flüsterbörsen. Ich kann mich erinnern, die Kurse waren ja nur in den Tageszeitungen. Im Urlaub war die Frage nur, wo man sich den nächsten Kurier oder die nächste Presse besorgen kann. Und dann oft die erhoffte Information: Ja, auch dieser Urlaubstag ist bereits wieder hereinverdient. Fürtbauer: Wir hatten einen Investmentclub-Ausflug nach Salzburg, da wollten dann alle immer gleich in die Filialen, um dort die Kursblätter zu bekommen. Cafe BE: Ich durfte früher in einer Bankfiliale in Wien täglich den Kursaushang in eine Art Schaufenster bringen. Da stan-


BÖRSE EXPRESS CAFE BE den manchmal die Leute Schlange. Mayr-Riedler: Bei uns war das sogar ein Ehrenjob des Filialleiters. Cafe BE: Ich bleibe beim Vorstand. Herr Mayr-Riedler, wie haben Sie den Start des SIC erlebt? In welcher Funktion waren Sie damals tätig? Mayr-Riedler: Ich war zu dieser Zeit Filialleiter in einer kleinen Geschäftsstelle in Schlierbach, habe mich aber schon damals sehr für den Kapitalmarkt interessiert. Es hat sich auch in der Geschäftsstelle ein sehr gutes Wertpapiergeschäft entwickelt. Wir waren die einzige Sparkasse, die mehr Wertpapiervolumen hatte als Spareinlagen. Als ich hörte, dass es einen Investmentclub geben soll, war ich natürlich sofort dabei und habe auch eine Gruppe aufgestellt, das war damals die Gruppe Risiko. Fürtbauer: Die bis heute die beste ist. Mayr-Riedler: Freilich mit allen Hochs und Tiefs. Es war herausfordernd, mit dem Wertpapierclub einerseits zu informieren, wie Börse funktioniert und andererseits Informationen über einzelne Werte zu geben. Es gab ja kaum Medien, noch kein Internet. Die fundiertesten Informationen kamen aus der Schweiz von der Finanz und Wirtschaft. Wir waren damals zum Teil auch an der Terminbörse in Chicago tätig, hatten bei einer sehr erfolgreichen Transaktion sogar eine Routineanfrage von der dortigen Aufsicht ins Kremstal bekommen. Das Hauptanliegen war natürlich, Wissen zu vermitteln. Das war der Gründungsgedanke. Cafe BE: Wie ist der damalige Vorstand dieser Initiative begegnet? Fürtbauer: Der Vorstand war immer für Neuerungen und Innovationen aufgeschlossen. Der Vorstand war unser erster Obmann, ich nahm mir die Funktion des Vortragsmeisters. Der SIC ist ein eingetragener Verein im Vereinsregister, heute haben wir 212 Mitglieder in 20 Veranlagungsgruppen. Die Statuten legen die Regeln fest, zB wenn jemand aussteigt. Heutzutage kann alles tagesaktuell über das Internet von den Mitgliedern erfolgt werden. Wir sind auch Mitglied im Verband der österreichischen Investmentclubs, da feiert man 40-jähriges Jubiläum dieser Ta-

„Schon bei der Gründungsverstaltung 1986 mit Mike Lielacher war der Saal gerammelt voll” „Vortragsmeister“ Günther Fürtbauer

ge, dort hat man derzeit 25 Clubs. Cafe BE: Das waren aber schon einmal deutlich mehr, wie ich mich dunkel erinnern kann ... Fürtbauer: Richtig. Die Höchstzahl war 55. Früher waren elf KAGs dabei, jetzt nur noch drei. Cafe BE: Und was war das Hoch bei Ihrer Mitgliederanzahl und wann? Fürtbauer: Das war 1996 mit rund 350 Mitgliedern, alle hatten auch Kapital in die Hand gekommen. Cafe BE: Interessant, das war vor dem Start des Neuen Markts. Warum ist es dann nicht weitergewachsen? Fürtbauer: Viele Gründe. Wir hatten früher auch Damengruppen, die waren aber nicht begeistert über die zunehmende Volatitlität. Zeitweilig hatten wir auch eine starke Bundesheer-Gruppe, als es in Kirchdorf noch einen Bundesheer-Standort gab. Hans-Jürgen Achleitner: Der SIC ist vor 25 Jahren gegründet worden auch als Informationsplattform, das war eine wichtige Rolle. Es gab sonst nur Tageszeitungen. Es sind dann Teletext-Informationen und Informationen über das Internet gekom-

men. Viele haben den SIC als Einstieg in das Wertpapiergeschäft gesehen - mit dem gemeinsamen Investieren und einer Vielzahl von Informationen, die sonst für den Privaten nicht zugänglich gewesen wären. Wenn man einmal besseres Wissen hat und auch mehr Geld investieren will, steigt man auf Face-to-Face um und veranlagt nicht mit dem Club, sondern beim Berater auf eigene Rechnung. Mein Kollege Johannes Lachinger und ich haben uns in den vergangenen Jahren bemüht, den Club teilweise zu erneuern. Die Informationsbeschaffung ist heutzutage sehr einfach geworden, es gibt vielmehr die Situation, dass eine Privatperson oft die ganzen Informationen nicht mehr verifizieren kann. Wir haben jetzt mehr Filter- und Plausibilisierungs-Aufgaben. Cafe BE: Das ist meine Interpretation eines Mediums ... Achleitner: Genau, wir tauschen uns zB auch via Email aus und es gibt FacebookGruppen, dafür gibt es weniger regelmässige Treffen. Cafe BE: Sie haben mir im Vorgespräch erzählt, dass Sie 1996 eingestiegen sind, Herr Achleitner. Ich bitte auch Sie kurz


BÖRSE EXPRESS CAFE BE um die Geschichte der ersten Steps an der Börse ... Achleitner: Im Jahr 1996 war ich als Koch tätig, habe von einem Freund erfahren, dass er Yahoo gekauft hat. Er hat mir diese empfohlen. Das war zu meiner Bundesheerzeit, ich habe einen Teil meines Lehrgeldes in Yahoo investiert. Es ist jahrelang nach oben gegangen, ich habe nachgekauft und mir den Kurs damit auch nach oben gemischt. Im Freundeskreis waren sieben bis acht Leute, die Yahoo im Depot hatten. Ich hatte 1999, immer noch Koch, das Glück, ein sehr gutes Angebot aus der Schweiz zu bekommen. Ich habe meine Werte - neben Yahoo auch noch Coca-Cola - verkauft, weil ich nicht wusste, wie ich mich in der Schweiz und im neuen Job informieren hätte sollen. Cafe BE: Und wie sind Sie dann wieder in den Kapitalmarkt zurückgekehrt, Herr Achleiter? Achleitner: Ich habe fast drei Jahre nichts an der Börse gemacht , bin dann langsam wieder eingestiegen. 2005 habe ich ein Angebot von der Sparkasse angenommen. Mayr-Riedler: Wir haben ihn als Kunden schon gekannt, und wussten, dass er motiviert und informiert ist. Seit 2009 ist Herr Achleitner gemeinsam mit Herrn Lachinger in den SIC-Vorstand aufgerückt. Cafe BE: Das ist ein gutes Stichwort. Herr Lachinger, bitte auch um ein paar Worte zu Ihnen ... Johannes Lachinger: Begonnen hat es bei mir mit dem Wertpapierinteresse bereits in der HAK, damals aber noch nicht mit echtem Geld. 2005 habe ich bei der Sparkasse angefangen. Ich konnte das Wertpapiergeschäft bei einem sehr versierten Berater lernen, die Sparkasse hat viel an Ausbildung möglich gemacht. Meine ersten Aktien habe ich vor der 2008er-Krise gekauft, das war nicht ideal. 2009 wurde ich SIC-Vorstand. Cafe BE: Mit Mike Lielacher hat der SIC begonnen, ich denke, es hat viele weitere Veranstaltungen gegeben. Fürtbauer: Wir haben stets die aktuellen Themen aufgegriffen, im Jahr 1987 haben wir das erste Mal über Gold berichtet, dann über die Steuerreform, über den Golfkrieg,

es probiert: Wir besuchen Firmen aus der Region, die nicht börsenotiert sind. Dort gibt es Vorträge und Betriebsführungen. Cafe BE: Sehr interessant. May r- Riedler: Das funktioniert auch wirklich gut, man lernt sich besser kennen, lernt auch die Produkte besser kennen und es ist ein guter Rahmen. Eine Win-Win-Situation. Gehen wir zu einem Autohaus, gibt es einen Vortrag über die Automobilbranche und im Autohaus die neuesten Autos. Oder einen Modetermin mit Typberatung. Das hat dem Investmentclub gut getan. Die Region ist als Plastic Valley bekannt, wir sind stark im kunststoff- und metallverarbeitenden Bereich, da sind viele namhafte Unternehmen in der Gegend tätig.

„Jüngere Gruppen kommunizieren über Mail und Facebook“ Hans-Jürgen Achleitner

wir hatten Dr. Wailand vom Gewinn zu Gast, über die Ostbörsen informiert, über die Zukunft der Anonymität und vieles mehr. Franz Gschiegl war 2000 mit einem Technologiethema zu Gast. Cafe BE: Er ist ja bekannter Extremsportler und eventuell gleich hergelaufen zu Ihnen ... (alle lachen) Fürtbauer: Komplettiert wurde das durch Zins-, Fonds- und Zertifikatethemen. Eins hab ich noch vergessen: Zum 10-jährigen-Jubiläum war Lacina zu Gast ... Cafe BE: ... der da gerade Finanzminister des Jahres in Europa wurde. Mayr-Riedler: Genau. Ergänzend möchte ich sagen, dass neben den Vorträgen auch immer wieder Exkursionen und Ausflüge stattgefunden haben. Zunächst zu börsenotierten Unternehmen, beginnend mit Schlumberger in Wien. Cafe BE: So ein Zufall, gutes Produkt ... Mayr-Riedler (lacht): Wir sind auch alle ausgestattet worden, das war ein legendärer Termin, von dem die Mitglieder heute noch sprechen. Wir waren später bei vielen börsenotierten Unternehmen. Mit dem Relaunch 2009 haben wir etwas Neu-

Cafe BE: ... zum Beispiel gleich nebenan die HTI, die ja am Abend auch bei der Roadshow präsentieren wird, mit ihrem Technoplast-Werk. Welchen Stellenwert haben oberösterreichische Unternehmen in den Veranlagungsgruppen? Lachinger: Natürlich ist der Weg zu oberösterreichischen Unternehmen der einfachste. Gerade in jungen Gruppen ist das ein logischer Zugang, es ist ja jeder Oberösterreicher schon einmal bei der voestalpine vorbeigefahren. Achleitner: Das ist nicht nur geographisch, sondern auch gedanklich näher, oft arbeiten ja Freunde bei hier ansässigen Unternehmen. Man hört über die Stimmung sehr viel. Da kommt auch Input von der Kundenseite in die SIC-Gruppen herein. Mayr-Riedler: In meiner Gruppe hatten wir Ärzte, die schon sehr früh Pfizer ins Spiel gebracht hatten, das war vor Viagra. Merck war auch so eine Empfehlung. Lachinger: Insgesamt müssen wir als Kundenberater natürlich schauen, dass nicht nur Österreich-Aktien gekauft werden. Da muss auch eine Diskussion in Richtung Diversifizierung geführt werden.


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Cafe BE: Und die schlimmste Krise? May r-R iedler: Das ist immer die letzte. Rückblickend verklärt sich ja alles: Ölpreiskrise, DotCom, etc. Wenn man damals alles mitgemacht hat, hat man wirklich gelitten. Als Mitarbeiter mit der Verantwortung den Kunden gegenüber und als jemand, der selbst investiert hat. Unser Ziel ist, dass wir auch in herausfordernden Zeiten wie diesen über die Depots sprechen. Eine aktive Neuausrichtung bei Minuspositionen ist immer schwierig. Cafe BE: Seit wann sind Sie Vorstandsvorsitzender? Mayr-Riedler: Der Vorsitzende bin ich seit 2002. Cafe BE: Noch viel Zeit für den SIC? May r-Riedler: Mir ist der SIC ein Anliegen, eine wichtige Plattform für uns, seit dem Relaunch 2009 bin ich Obmann und wieder stärker engagiert.

„Die Aufbereitung von Informationen war vor 25 Jahren das Ziel und es ist auch heute noch” Günter Mayr-Riedler

Fürtbauer: Der ATX hatte ja bis 2003 eigentlich keine Performance geschafft, da waren andere Börsen weit besser. Als der ATX von 1000 auf 5000 gegangen ist, war Wien natürlich wieder in. Wir hatten viele Unternehmen in Österreich besucht, da gab es dann auch in der Veranlagung den Schwerpunkt. Unsere Gruppe Risiko hat die Andritz seit 2001 im Depot mit mehr als 1000 Prozent Plus. Mayr-Riedler: Die Royal Dutch haben wir schon mehr als 20 Jahre. Achleitner: Gerade in den neuen Gruppen schaut man sich viele fundamentalen

Faktoren an, auch die Charttechnik fliesst ein. Wir probieren, das News-Hopping zu vermeiden, auch weil das verlockend ist. Cafe BE: Welche Zeitspanne in diesen 25 Jahren Kapitalmarkt haben Sie am positivsten, welche am negativsten in Erinnerung? Fürtbauer: Das waren für mich im positiven Sinne eindeutig die ersten zehn Jahre. Wie zuvor erwähnt: Wir erklärten das Wertpapiergeschäft, die Zusammenhänge mit Dollar und Rohstoffen, das hat Freude gemacht.

Cafe BE: Zum Relaunch. Herr Lachinger, wie ist das gelaufen? Wer ist aller ist jetzt im Vorstand? Mayr-Riedler: Wir vier wie wir hier sitzen bilden den Vorstand. Die Herausforderung beim Relaunch war, dass das Informationsasset, das wir hatten, im Prinzip durch das Internet verflogen ist. Wir waren auf der Suche nach neuem Mehrwert: Durch hochkarätige Redner bzw. auch die Besuchsreihe bei den lokalen Unternehmen, auch wenn diese nicht börsenotiert sind. Achleitner: Der Antrieb ist auch sehr stark von Kundenseite gekommen. Man will zwar Einzelaktien, aber halt nicht 4000 Euro in eine Aktie investieren, sondern diversifizieren. Da passt der SIC perfekt. Der gesellschaftliche Gedanke passt nach wie vor, auch wenn man jetzt Facebook oder Mails einsetzt. Dazu kommen zB Zertifikate-Experten wie Markus Kaller von der Erste Group zu uns zu Besuch und erklären die Produkte auch von der Auswirkung auf der Emittentenseite her. Das kommt gut an. Mayr-Riedler: Wir hatten zu diesem Thema Mitarbeiterinformation, Kundenveranstaltung und Workshop. Achleitner: Da gab es gute Diskussionen im Workshop mit 25 Teilnehmern. Das


BÖRSE EXPRESS CAFE BE ist eines der Standbeine, auf denen der SIC heute steht. Mayr-Riedler: 25 Jahre, das ist ja eine Generation. Die Mitglieder der ersten Stunde hatten einen ganz anderen Zugang. Es war selbstverständlich, dass man jede Ansprache des Vorgangsmeisters besucht hat, danach die Dispositionen besprochen hat und auch noch abschliessend ein Gläschen getrunken hat. Das ist heute ganz anders und viel aktiver, wie die beiden jungen SIC-Vorstände dargestellt haben. Der Sinn des Clubs ist aber nach wie vor der Gleiche. Cafe BE: Und wie wird man bei Ihnen Mitglied? Achleitner: Das läuft über den Wertpapierberater, wenn vom Kunden der Wunsch kommt. Dann schaut man, in welche Gruppe sich der Kunde noch einkaufen kann. Meist funktioniert das mit einer Einstiegszahlung und dann monatlichen Beiträgen. Ab diesem Zeitpunkt ist das neue Mitglied auf den Verteilern für die News und die Events. Lachi nger: Der zweite Zugang ist, dass Kunden, die noch nicht Mitglied sind, eine Veranstaltung besuchen und dort Kontakte geknüpft werden. Mayr-Riedler: Dazu kommt, dass auch unsere Berater aktiv bei den Kunden nachfragen. Man merkt ja, wer sich besonders für Veranlagungen im Wertpapierbereich interessiert. Cafe BE: Wir werden heute rund 200 Gäste im Publikum haben. Welche Leute werden das sein? Lachinger: Das ist auf Basis eines Marketingverteilers und natürlich auch auf persönliche Einladung angegangen worden. Das Motto „Top of OÖ“ hat hier unterstützt. Cafe BE: voestalpine war diesmal leider verhindert. Mayr-Riedler: Da hätten wir noch einmal deutlich mehr Gäste gehabt, weil viele Unternehmen hier Stahl von der voestalpine beziehen. Cafe BE: Stichwort Wertpapier-KESt, auch darüber haben wir im Vorgespräch kurz disktutiert ... Lachinger: Man hat die negativen Aus-

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„Besuchen mit dem SIC auch lokale Unternehmen, die nicht börsenotiert sind“ Johannes Lachinger

wirkungen am ATX gesehen, an der Entwicklung und vor allem an den Umsätzen. Was mir in der Beratung am meisten auffällt, ist, dass das negative Image, das Aktionären umgehängt worden ist; leider beim Anleger angekommen ist. Dabei geht es um Eigenkapital, das zur Verfügung gestellt wird. Es ist wichtig, dass man in der Beratung dafür sorgt, die positiven Aspekte herauszukehren. Das ist ganz schwer, vor allem, weil viel Unsicherheit drinnen ist. Dass Buy and Hold jetzt als Spekulation gilt, die „unerwünscht“ ist, wie es von einem oberösterreichischen Politiker formuliert wurde, tut weh. Mayr-Riedler: Für uns Banken sind extrem grosse Investitionen notwendig, der Steuereffekt wird jedoch nur in einen Promillebereich gehen. Der Trader ist der Gewinner, der langfristige Anleger, der vielleicht Altersvorsorge betreibt, wird zur Kasse gebeten. Achleitner: Wir schwächen damit nicht nur die Wiener Börse, sondern auch die Unternehmen, die mit Kapitalmassnahmen aktiv werden wollen. In Österreich ist das derzeit fast nicht möglich. Cafe BE: Herr Mayr-Riedler, was sind Ihre Erwartungen für heute Abend? Mayr-Riedler: Wir hoffen auf einen vollen Saal. In einem schwierigen Börseumfeld mit viel Verunsicherung wollen wir präsent sein und auch den börsenotierten Unternehmen aus der Region eine Plattform geben. Für uns sind Spareinlagen natürlich wichtig, Wertpapiere gehören dazu.

Wir bieten seit einem Jahr auch Private Banking an, das machen nicht viele Regionalbanken. Cafe BE: Abschlussfrage: Gibt es über die Jahre hindurch irgendeine Aktie, die Sie als persönliche Lieblingsaktie definieren würden? Fürtbauer: Man muss selektieren, aber natürlich gibt es Lieblinge, da gehört nach wie vor die Erste Group dazu, hier hatten wir zuletzt auch ein gutes Timing. Die österreichischen Aktien werden derzeit unter Wert geschlagen. Lachinger: Ich bin ebenfalls patriotisch angehaucht. Mit einer voestalpine bin ich im Wertpapiergeschäft gross geworden, die gefällt mir gut. Das gilt auch für die BWT. Achleitner: Wenn ich eine auswählen muss, dann C.A.T. oil. Die Aktie habe ich bei der Zeichnung nicht bekommen, wir sind dann tiefer in die Aktie gekommen. Das Unternehmen ist Querdenker und Querbohrer, das gefällt mir. Mayr-Riedler: Bei mir gibt es zwei Werte, die ich aus meiner ersten Stunde habe: Royal Dutch und Amro Bank. In Österreich macht die Andritz besonders viel Freude. Die Erste Group ist fixer Bestandteil, in allen Höhen und Tiefen. Die Geschichte, die die Bank seit 1997 geschrieben hat, kann man schon herzeigen, finde ich. Interview: Christian Drastil Fotos: Martina Draper http://www.boerse-express.com/cafebe


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