Escape from Colditz
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schwarzes Papier, farbiges Transparentpapier 70 × 77 cm, 2011
Arbeiten
— 41 – 46 Kai Uwe Schierz: Die ganze Wahrheit — Annette Schröter und die Kunst des Papierschnitts
— 47 – 52 Kai Uwe Schierz: The whole truth — Annette Schröter and the art of the paper cut
— 53 List of Works
— 3 – 34 Arbeiten / Works
— 35 – 41 Details
—
— 54
— 67 – 72
Biografie / Biography
Details
— 55 – 56
— 73 – 117
Einzelausstellungen / Solo Exhibitions
Weltbilder / World Views Series
— 57 – 59
— 118 – 127
Gruppenausstellungen / Group Exhibitions
Installationsansichten / Installation Views
— 59
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Sammlungen / Collections
— 60 – 63 Bibliografie / Bibliography
— 64 Impressum / Imprint
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Cover: Motivausschnitt ›Das Versprechen‹ ( 10)
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Text
Kai Uwe Schierz
Die ganze Wahrheit Annette Schröter und die Kunst des Papierschnitts Vier Personen in Betrachtung des Weltuntergangs 14 : Nach allen Seiten fliegt sie auseinander, die Welt. Zwei Explosionsblitze, eine Menge Pulverdampf und Trümmer; pars pro toto fliegen mit: traditionelle Häuser mit Walmund Satteldach, moderne Skyscraper, ein Stuhl, ein Fenster, eine Hand und eine Ziegelmauer samt Graffito darauf. Stärker noch als von diesen Details wird die Imagination von den erfindungsreich figurierten Rauchwolken angeregt, die sich im Raum verteilen wie ein Blumenbouquet, wie verspritzende Tusche oder der dicke Rauch hinter den Trümmerteilen von Space Shuttle Challenger, das 1986 schon kurz nach dem Start explodierte, vor den Augen der versammelten Fernsehgemeinde. Einmal in die Spur historischer Verweise gesetzt, scheint es auch nicht mehr bedeutungslos, dass die oberen Etagen der Hochhäuser, die schräg aus dem Rauch herausragen, einander ähneln wie Zwillinge. Vermittels der Assoziation ›twin towers‹ könnten sie durchaus an das terroristische Ende des New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 erinnern. Die dargestellten Rauchwolken sind grafisch äußerst vielgestaltig, haben jeweils verschiedene Konturen und Binnenstrukturen. Manche schießen dynamisch weg vom Zentrum, andere verwirbeln sich in Spiralformen. Überall kontrastieren Positiv- und Negativeffekte: Es gibt helle Grafik auf dunklem Grund und dunkle Grafik auf hellem Grund. Am deutlichsten folgen die Blitze der Explosion diesem Positiv-Negativ-Wechsel. Damit ähnelt unser Weltuntergang stark den Standards, wie sie die Grafiker von Comics bzw. Mangas etabliert haben. Einen großen Wiedererkennungseffekt haben aber auch die Figuren am unteren Rand der gewaltigen Szene. Es sind die typischen Rückenfiguren, wie sie der deutsche Frühromantiker
Caspar David Friedrich in seine Landschaften einführte, um mit ihrer Hilfe den Blick des Publikums in die Tiefe der gemalten Bildräume hinein zu geleiten. Tatsächlich können wir die Figuren konkreten Werken von Caspar David Friedrich zuordnen. Drei von ihnen finden sich in dem 1822 entstandenen Gemälde ›Mondaufgang am Meer‹ (Nationalgalerie Berlin), während die lang hingestreckte Rückenfigur rechts dem Bild ›Auf dem Segler‹ (1818, Staatliche Eremitage St. Petersburg) entlehnt wurde — alle vier erscheinen seitenverkehrt im neuen Bildkontext. A Bei Friedrich beobachten die drei auf großen Felsbrocken sitzenden Personen, die unser Weltuntergang zitiert, wie Segler des Nachts in einen Naturhafen einlaufen; der Mond steht schon hoch über dem Horizont. Dagegen schaut die liegende männliche Figur ursprünglich von einem Segelboot aus über das Wasser auf eine im Hintergrund sichtbar werdende Hafenstadt. Jetzt lagert sie auf einem der großen Findlinge, wie sie zuhauf an den Steilküsten der Ostsee vorkommen und gemalt auch in Friedrichs Werk. Es sind romantische Bilder, die das Ankommen, das Heimkehren mit Motiven der Sehnsucht thematisieren — in einer stark beruhigten Form, welche die gezeigten Landschaften wie Meditationsobjekte erscheinen lassen. Ganz anders in dem großen Papierschnitt von Annette Schröter aus dem Jahr 2009. Hier steht die gelassene Beobachterhaltung der Rückenfiguren in einem seltsamen Widerspruch zu dem dramatischen Showdown, den die Ex plosion einzuleiten scheint. Der Titel des Papierschnitts lautet schlicht ›Kawummh!‹, bildet also lautmalerisch das Knallgeräusch einer Explosion nach und setzt zugleich einen Link zur Sprache der Comics. Das Graffito auf der Ziegelmauer wiederum ähnelt dem Style-Writing von
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Dämmerung 2
Im Morgengrauen
schwarzes Papier, Lackspray 92 × 72 cm, 2009
schwarzes Papier, Lackspray 92 × 72 cm, 2010
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Das Beste zum Schluss schwarzes Papier, farbiges Transparentpapier, Lackklebefolie 92 × 72 cm, 2009
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Basket schwarzes Papier, weiße Farbe, gerahmt unter hellblauem Acrylglas 92 × 72 cm, 2010
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Slip schwarzes Papier, Tapete 92 × 72 cm, 2010
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Golden Irmi schwarzes Papier, Tapete 92 × 72 cm, 2010
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Annette Schröter – Papierschnitte Marburger Kunstverein 2010
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